Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
BDG 1979 §43 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Gerhard K in M, vertreten durch Dr. Eugen Radel, Dr. Willibald Stampf und Dr. Christian Supper, Rechtsanwälte in Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 14. Oktober 1996, Zl. 83/7-DOK/96, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Bezirksinspektor (Zollwachebeamter) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde als Abfertigungsgruppenführer im Grenzkontroll- und Grenzüberwachungsdienst bei der Zollwacheabteilung Klingenbach verwendet.
Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 302 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. In teilweiser Stattgebung seiner Berufung wurde über den Beschwerdeführer wegen dieser Straftaten mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 21. November 1995 unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 302 Abs. 1 StGB über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verhängt; die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe wurde vom Strafgericht unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen.
Nach dem Schuldspruch des Strafgerichtes hat der Beschwerdeführer am 31. Mai 1994 in Klingenbach
1.) A K dadurch, daß er ihr den Reisepaß abnahm und sie aufforderte, mit ihm in ein Büro des LKW-Abfertigungsgebäudes zu gehen, und sie durch Versperren der Tür am Verlassen dieses Raumes hinderte, sowie durch die Äußerung "Stempli oder Sex", womit er die Möglichkeit eines Zurückweisungsstempels in Aussicht stellte, falls sie seinen sexuellen Wünschen nicht entsprechen würde, für die Dauer von etwa 20 Minuten widerrechtlich gefangengehalten bzw. ihr auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen und
2.) als mit der Ausreisekontrolle befaßter Zollwachebeamter mit dem Vorsatz, dadurch A K an ihrem Recht auf persönliche Freiheit und den österreichischen Staat auf Ausschluß von ausländischen Arbeitssuchenden ohne Arbeitsbewilligung von der Einreise nach Österreich zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Ausreisekontrolle, vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er ihren Reisepaß abnahm und sie aufforderte, ihm in das Büro zu folgen, wo er die unter Punkt 1.) umschriebenen Tathandlungen setzte.
In dem sich daran anschließenden, sachgleichen Disziplinarverfahren wurden diese, seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Tathandlungen des Beschwerdeführers als Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 91 BDG 1979 qualifiziert und über ihn mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 24. Juni 1996 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage verhängt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 14. Oktober 1996 wurde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 24. Juni 1996 in seinem Strafausspruch dahingehend abgeändert, daß über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde.
Zur Begründung der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten äußerst schwerwiegende disziplinäre Verfehlungen begangen. Durch sein wohlbedachtes Vorgehen habe er unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten eine Frau in ein Büro des Zollamtes verbracht, dort widerrechtlich eingeschlossen, ihr die persönliche Freiheit entzogen und diese Frau zur Befriedigung seiner sexuellen Triebe zu benützen versucht. Der Beschwerdeführer habe dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) in einem Maße gefährdet, daß über seine strafgerichtliche Verurteilung hinaus eine gewichtige Disziplinarstrafe erforderlich sei. Für sein Fehlverhalten habe der Beschwerdeführer keine annehmbare Erklärung geben können. Es liege weder eine Affekthandlung noch eine unbedachte Gelegenheitstat vor; vielmehr sei der Beschwerdeführer unter Ausnützung seiner besonderen Stellung gezielt vorgegangen. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer sowohl das zwischen ihm und seinem Dienstgeber als auch das des öffentlichen Dienstes und der Bevölkerung bestehende Vertrauensverhältnis auf das Ärgste geschädigt. Dieses nicht wiederherstellbare Vertrauensverhältnis und der Ansehensverlust würden dazu führen, daß dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit erforderliche Verläßlichkeit fehle und er nicht mehr im öffentlichen Dienst verwendet werden könne. Der Beschwerdeführer sei auf Grund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen im Sinne der (im einzelnen in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Beamter für den öffentlichen Dienst untragbar; damit erübrige sich eine nähere Erörterung allfälliger Milderungsgründe. Daß der Beschwerdeführer nicht suspendiert worden sei, entfalte keine Bindungswirkung für den Strafausspruch im Disziplinarerkenntnis.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung, über ihn die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen. Er macht im wesentlichen geltend, seine Handlungsweise sei auf Grund der zu berücksichtigenden (in der Beschwerde näher dargestellten) Milderungsgründe nicht als so schwerwiegend zu qualifizieren, daß seine Untragbarkeit für den öffentlichen Dienst anzunehmen sei.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 93 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung das Maß für die Höhe der Strafe. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Disziplinarstrafen sind zufolge § 92 Abs. 1 BDG 1979 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges der Kinderzulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage, 4. die Entlassung.
Insoweit der Beschwerdeführer die strafgerichtliche Strafbemessung für sich ins Treffen zu führen sucht, ist zu erwidern, daß dem gerichtlichen Strafurteil in dieser Hinsicht keine Bindungswirkung und auch sonst kein Einfluß auf die Bemessung der Disziplinarstrafe zukommt. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer daher nicht auf, daß die erfolgte Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung nicht gerechtfertigt wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1997, Zl. 97/09/0183, vom 18. Oktober 1996, Zl. 96/09/0292, und vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0174, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit weiteren Beispielen aus der Vorjudikatur).
In diesem Sinne erweist sich die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung als gesetzmäßig. Wenn die belangte Behörde zu der Auffassung gelangte, daß angesichts der Art und Schwere der vom Beschwerdeführer unter Ausnützung seiner dienstlichen Stellung als Zollwachebeamter begangenen Straftaten für den öffentlichen Dienst untragbar geworden und dem öffentlichen Dienstgeber eine Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers nicht mehr zumutbar sei, dann ist diese Strafbemessung nach den Umständen des Beschwerdefalles nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der durch die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten eingetretene Vertrauensverlust kann durch die in der Beschwerde ins Treffen geführten "Milderungsgründe" - wobei der im strafgerichtlichen Verfahren erfolgte Freispruch des Beschwerdeführers vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung jedenfalls nicht als Milderungsgrund bei der Bemessung der Disziplinarstrafe zu qualifizieren ist und für die Annahme einer "Kurzschlußhandlung" keine sachverhaltsmäßige Grundlage besteht - nicht aus der Welt geschafft werden. Demnach fehlt es im vorliegenden Fall somit an der Grundlage für weitere Bemessungserwägungen, da andere Strafzumessungsgründe nicht mehr entscheidend sein können (vgl. in dieser Hinsicht beispielsweise auch die hg. Erkenntnisse vom 7. März 1996, Zl. 94/09/0295, und vom 26. Juni 1997, Zl. 95/09/0223).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090355.X00Im RIS seit
20.11.2000