TE Bvwg Beschluss 2019/9/6 W192 2216712-1

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Veröffentlicht am 06.09.2019
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Entscheidungsdatum

06.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §23 Abs2
ZustG §7
ZustG §8 Abs1
ZustG §8 Abs2

Spruch

W192 2216712-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018, Zahl: 1146929807-170751968, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1.1. Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, stellte nach legaler Einreise am 26.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit dem nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.2. Die Behörde führte am 23.08.2018 Anfragen im Zentralmelderegister und in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung, die sämtlich negativ verliefen, durch. Ein am 23.08.2018 durch die Behörde eingeholter Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem ergab, dass die Betreuung des Beschwerdeführers nach einer Eintragung im Abschnitt "Personendaten" aktiv war; nach Eintragungen im Abschnitt "Quartier" lag an einer näher bezeichneten Adresse ein Quartier mit Quartiername: "NUR KRANKENVERSICHERUNG", Quartierart: "Privat", wohnhaft seit: "10.07.2018" und Kommunikationsadressen Art: "Telefon" vor.

Die Behörde unterließ weitere Erhebungen und verfügte mit 23.08.2018 gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Zustellgesetz die Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde im Akt ohne vorhergehenden Zustellversuch, wobei in der Beurkundung festgehalten wurde, dass die Verfahrenspartei an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig sei und eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können.

1.3. Aus einer von der Behörde am 29.11.2018 eingeholten Auskunft aus dem zentralen Melderegister ergab sich, dass der Beschwerdeführer seit 03.09.2018 an einer näher bezeichneten Adresse eine Hauptwohnsitzmeldung aufwies. Der Beschwerdeführer konnte an dieser Adresse in weiterer Folge bei Hauserhebungen nicht angetroffen werden.

Nach Vollmachtslegung durch den nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 05.03.2019 wurde laut entsprechenden Aktenvermerken seitens der Rechtsvertretung am 12.03.2019 und am 19.03.2019 Einsicht in den Verwaltungsakt genommen, wobei 152 Kopien bzw. eine Kopie hergestellt wurden.

Ein etwaiger neuerlicher Versuch der Zustellung des angefochtenen Bescheids an den nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist im Verwaltungsakt nicht ersichtlich.

1.4. Mit Schriftsatz vom 26.03.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter die vorliegende Beschwerde, in welcher er unter anderem vorbrachte, dass die Hinterlegung nicht rechtmäßig gewesen sei, da dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei, dass er am 10.07.2018 von seiner bisherigen Adresse an einem Hauptwohnsitz abgemeldet worden sei.

Die Behörde legte die vorliegende Beschwerde mit Schreiben vom 27.03.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor und führte aus, dass der angefochtene Bescheid vom 22.08.2018 am 23.08.2018 durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden sei, da der Behörde keine Abgabestelle bekannt gewesen sei, noch eine aufrechte Vertretung bestanden habe. Daher sei der Bescheid mit 21.09.2018 in Rechtskraft erwachsen und es werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen (sic).

1. 5. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung W196 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

1.6. Die zuständige Meldebehörde teilte dem Bundesveraltungsgericht auf Anfrage mit, dass der Beschwerdeführer am 10.07.2018 persönlich die Abmeldung von seinem vormaligen Hauptwohnsitz vorgenommen habe, wobei die Ausfolgung einer Abmeldebestätigung irrtümlich unterblieben sei.

2. Der angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Beschwerdevorbringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Die Zurückweisung einer Beschwerde, z.B. wegen Verspätung, mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges in Gemeindeangelegenheiten, wegen fehlenden Bescheides oder mangels Parteistellung, hat durch Beschluss zu erfolgen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Wien-Graz 2013, S. 85, K2).

2.2.1. § 8 Zustellgesetz lautet:

"Änderung der Abgabestelle

§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

Die Ermächtigung der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" (so 162 BlgNR 15. GP 10) - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, darf daher von § 8 Abs. 2 ZustG kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 ZustG der Behörde erlaubte einfache Zustellung durch Hinterlegung darf somit die Behörde nicht veranlassen, gar nicht zu versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen (VwGH 2013/22/0313 vom 22.01.2014 mit Hinweis E 8. Juni 2000, 99/20/0071).

Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue, andere) Abgabestelle festzustellen. Ansonsten bewirkt in diesen Fällen die Hinterlegung nicht die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Gibt der Fremde im Zuge der Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens der erstinstanzlichen Behörde eine Telefonnummer bekannt, so ist es der Erstbehörde daher ohne besonderen Aufwand möglich, zu versuchen, mit dem Fremden an dieser zuletzt im Akt aufscheinenden Telefonnummer - die im Akt auch leicht auffindbar ist - telefonisch in Kontakt zu treten und auf diesem Weg eine neue Abgabestelle zu ermitteln. Die Erstbehörde ist daher verpflichtet, zu versuchen, vor einer Hinterlegung ohne Zustellversuch durch eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Fremden eine neue Abgabestelle zu ermitteln. (VwGH 2013/22/0313 vom 22.01.2014)

2.2.2. Im vorliegendem Fall hat die Behörde ihre Feststellung, dass eine Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne, offenkundig auf die negativ verlaufenen Anfragen im zentralen Melderegister und in der Anhaltedatei-Verzugsverwaltung des BMI vom 22.08.2018 gestützt. Dabei hat sie jedoch übersehen, dass im ebenfalls an diesem Tag eingeholten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem ein Quartier an einer näher bezeichneten Adresse sowie der Hinweis auf eine telefonische Kommunikationsadresse aufscheinen. Im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre die Behörde daher verpflichtet gewesen, vor der Hinterlegung ohne Zustellversuch durch eine telefonische Kontaktaufnahme festzustellen, ob dieser allenfalls eine andere Abgabestelle verfügt. Da die Behörde dies unterlassen hat, durfte sie von § 8 Abs. 2 ZustG keinen Gebrauch machen und ist die beabsichtigte Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch nicht wirksam erfolgt.

2.2.3. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Da die Behörde nach Einlangen der vorliegenden Beschwerde keinen weiteren Zustellversuch an den nunmehrigen Vertreter des Beschwerdeführers unternommen hat und dieser anderseits nicht in der Zustellverfügung der Beurkundung der Hinterlegung im Akt gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 ZustG genannt ist, ist es auch im Zuge der erfolgten Akteneinsicht des Vertreters zu keinem tatsächlichen Zugang der Erledigung gekommen.

Die Unzulässigkeit der Beschwerde ist somit auch durch eine spätere Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht beseitigt worden und es ist diese daher zurückzuweisen.

3. Bei der Fortführung des Verfahrens wird das Bundesasylamt auch auf das weitere Vorbringen der Beschwerde einzugehen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Abgabestelle Abmeldung Änderung maßgeblicher Umstände Asylverfahren Bekanntgabepflicht Hauptwohnsitz Heilung Meldepflicht Melderegister Meldeverstoß Mitteilung Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung Unzulässigkeit der Beschwerde Vertretung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W192.2216712.1.00

Im RIS seit

30.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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