TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/24 W104 2182687-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2019
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Entscheidungsdatum

24.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W104 2182687-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, Referat für Sozialwesen Jugendwohlfahrt, diese vertreten durch Caritas der Diözese Graz-Seckau, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 26.11.2017, Zl. 1121172903-160918857, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX alias XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum XXXX erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 1.7.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 2.7.2016 gab der Beschwerdeführer an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und hänge der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er sei ledig und am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren. Zum Fluchtgrund führte er aus, dass sein Vater als Koch für die Amerikaner tätig gewesen und deshalb vor etwa drei Jahren von Unbekannten mitgenommen worden sei. Nach seinem Verschwinden hätten sie sich aus Angst bei Onkeln und Tanten aufgehalten. Die Unbekannten seien bei ihnen zu Hause gewesen und hätten nach ihnen gesucht. Aus Angst um das Leben ihrer Söhne habe seine Mutter den minderjährigen Beschwerdeführer und seinen älteren Bruder aus Afghanistan weggeschickt.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 9.11.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Vater habe für ein Büro als Chefkoch gearbeitet. Unbekannte Männer hätten ihn aufgefordert, ein Mittel in das Essen der Amerikaner zu mischen und ihm dafür Geld angeboten. Der Vater habe sich geweigert und sei ein paar Tage später entführt worden. Die Männer hätten seiner Mutter gedroht, sie würden ihre zwei anderen Söhne auch noch entführen. Sie seien daher gezwungen gewesen, sich bei Verwandten, mal in XXXX , mal woanders, aufzuhalten. Nach seiner Ankunft in Österreich habe er in Erfahrung gebracht, dass seine Mutter mit einem Messer attackiert worden sei, weil sie seinen jüngeren Bruder mitnehmen hätten wollen, was ihnen nicht gelungen sei. Dies sei der Grund gewesen, warum ihre Mutter gesagt habe, sie (der minderjährige Beschwerdeführer mit seinem älteren Bruder) müssten das Land verlassen. Das Leben seiner Familie sei nach wie vor in Gefahr. Diese Gefahr treffe seine gesamte Familie, insbesondere seinen kleinen Bruder und seine Mutter.

Am 24.11.2017 langten Stellungnahmen des Beschwerdeführers und seines älteren Bruders bei der belangten Behörde ein, in denen ausgeführt wird, diese würden wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie durch die Taliban verfolgt. Außerdem wären sie im Rahmen der Blutrache zur Aufklärung der Todesursache des Vaters zuständig und deshalb gefährdet. Die Sicherheitslage sei prekär, eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Der Staat sei nicht schutzfähig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.11.2017, zugestellt am 28.11.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers seien vage und widersprüchlich gewesen, weshalb das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Es drohe ihm in seinem Heimatstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer könne jedenfalls in Kabul oder einer anderen Großstadt Afghanistans leben.

Dagegen richtet sich die am 28.12.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts nicht nachgekommen, das Fluchtvorbringen sei glaubwürdig und eine Rückkehr nach Kabul konfliktbedingt ausgeschlossen. Zudem sei der minderjährige Beschwerdeführer gesundheitlich beeinträchtigt und weise Ritzverletzungen auf, weshalb der behandelnde Arzt des LKH XXXX eine psychologische Betreuung des Beschwerdeführers empfohlen habe. Die Behandlung psychischer Erkrankungen in Afghanistan sei jedoch unzureichend. Im Fall einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer in eine existenzbedrohende Notlage geraten.

Mit Schreiben vom 9.10.2018 brachte das Bundesverwaltungsgericht Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2018 legte der Beschwerdeführer einen psychiatrischen Befund von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie vom 4.12.2018, eine psychotherapeutische Stellungnahme von Mag. XXXX , Psychotherapeutin und Supervisorin vom 10.12.2018, sowie eine Stellungnahme der Bezugsbetreuerin Mag. XXXX vom 12.12.2018 vor. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit psychotischen Symptomen leidet.

Am 17.12.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den eingebrachten Länderberichten beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der insbesondere näheres zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der medizinischen Versorgung in Afghanistan, zur Möglichkeit der Taliban, Feinde auszuspüren sowie zur Lage von Rückkehrern aus dem europäischen Ausland ausgeführt wird.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 18.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung über die Beschwerde des minderjährigen Beschwerdeführers und seines Bruders durch, an der die Beschwerdeführer, ihre bevollmächtigten Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, psychische Probleme zu haben. Er höre die Stimmen seiner Familie; zudem habe er Nierensteine. Weiter wurden der Beschwerdeführer und sein Bruder zu ihren Fluchtgründen befragt, wobei der Beschwerdeführer angab, er könne zur Entführung seines Vaters nichts sagen. Bereits bei seiner Einvernahme in Traiskirchen habe er sich an diesen Vorfall nicht erinnern können und daher alles nur ungefähr und falsch erzählt. Er wolle nicht nochmals diesen Fehler machen. Der Beschwerdeführer gab weiter an, dass er in Afghanistan bedroht worden sei, er wisse jedoch nicht von wem und wann dies passiert sei. An näheres könne er sich nicht erinnern. Der Bruder des Beschwerdeführers hielt sein bisheriges Fluchtvorbringen in der mündlichen Verhandlung aufrecht.

Mit Beschluss vom 31.1.2019 bestellte das Bundesverwaltungsgericht Dr. XXXX zum Sachverständigen für das Fachgebiet "Psychiatrie und Neurologie" zur Abklärung, ob der Beschwerdeführer an einer psychischen Krankheit leidet und welche besonderen Bedürfnisse daraus folgen. Mit Schreiben vom selben Tag verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer über die Bestellung des Sachverständigen und die Anberaumung einer Beweisaufnahme am 13.3.2019.

Am 20.3.2019 langte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welchem dem Beschwerdeführer eine Dysthymie (F 34.1) ohne Krankheitswert diagnostiziert wird. Es gebe keine Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, es könne lediglich eine dysthyme Verstimmung ohne Krankheitswert festgestellt werden. Der psychische Zustand des Beschwerdeführers sei keinesfalls lebensbedrohlich, er weise nur wenig bis keine Motivation zur Bewältigung des täglichen Lebens auf, könne sich jedoch selbst erhalten. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer zeitlich, örtlich und situativ nicht orientieren könne. Er sei aus fachärztlicher Sicht in der Lage, über seine Vergangenheit und Gegenwart widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Für das Verhalten des Beschwerdeführers, wonach er sich bei Befragungen betreffend seine Vergangenheit damit rechtfertige, sich nicht erinnern zu können, gebe es medizinisch keine Erklärung. Ohne Behandlung bzw. Medikamente werde der Beschwerdeführer in dem derzeitigen Zustandsbild, nämlich einer dysthymen Verstimmung mit verminderter Motivation, bleiben. Eine Rückkehr in sein Heimatland und Kontaktaufnahme mit seiner Familie würde aus fachärztlicher Sicher eine Verbesserung der Situation des Beschwerdeführers erwarten lassen. Mit einer unwiederbringlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers sei aus fachärztlicher Sicht nicht zu rechnen.

Das Bundesverwaltungsgericht verständigte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.3.2019 vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gab ihm Gelegenheit, binnen einer Frist von 14 Tagen Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 4.4.2019 ersuchte der Beschwerdeführer um Erstreckung der gesetzten Frist zur Abgabe einer Stellungnahme. Das Bundesverwaltungsgericht gab diesem Antrag auf Fristerstreckung statt.

Am 23.4.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers samt Urkundenvorlage zum Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXX ein. In dieser wird im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, die gesamte Untersuchung habe nur etwa 30 Minuten gedauert, nur ein relativ kleiner Teil hievon sei auf die eigentliche Befragung des Beschwerdeführers entfallen. Es erscheine daher unwahrscheinlich, dass sich der Sachverständige ein umfassenderes Bild von der tatsächlichen psychischen Situation des Beschwerdeführers machen habe können, da hierfür ein derart kurzer Zeitraum für die Untersuchung nicht ausreichend sei. Das Gutachten des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar und unschlüssig. Es sei nicht erkennbar, wie der Sachverständige zu dem Schluss komme, dass für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung keine Hinweise bestünden. Im Übrigen werde ein aktueller psychiatrischer Befund sowie eine Stellungnahme zum vorliegenden psychiatrischen Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vorgelegt, welche die Unschlüssigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr. XXXX aufzeigen würden.

Mit Schreiben vom 6.5.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Sachverständigen Dr. XXXX die Stellungnahme vom 23.4.2019 mit dem Ersuchen, Termine für eine mögliche mündliche Verhandlung bekanntzugeben.

Mit Schreiben vom 22.5.2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Sachverständigen Dr. XXXX auf, sich schriftlich zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23.4.2019 zu äußern.

Mit Beschluss vom 5.6.2019 bestellte das Bundesverwaltungsgericht Dr. XXXX zur Sachverständigen für das Fachgebiet "Jugendpsychologie", da das Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXX vom Beschwerdeführer unter Vorlage neuer Befunde beanstandet wurde. Aufgrund der darin aufgeworfenen Fragen sei eine Begutachtung durch eine weitere Sachverständige notwendig. Mit Schreiben vom selben Tag verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer über die Bestellung der Sachverständigen und die Anberaumung einer Beweisaufnahme am 5.7.2019.

Am 18.6.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. XXXX zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23.4.2019 ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die vom Untersuchten getätigten Aussagen und Symptome würden keinen Krankheitswert erreichen und seien daher unter eine Dysthymie (F 34.1) mit dem Zusatz "ohne Krankheitswert" als am ehesten zutreffend subsummiert worden. Es sei ein ausführliches lege artis durchgeführtes Gutachten erstattet und die gestellten Fragen schlüssig beantwortet worden.

Am 7.8.2019 langte das klinisch-psychologische Gutachten der Sachverständigen Dr. XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welchem ausgeführt wird, beim Beschwerdeführer ergebe sich nach der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit psychotischen Symptomen in Form von Stimmenhören bzw. akustischer Halluzinationen (F 43.1). Eine Störung der Affektregulation und posttraumatische Depressionen seien als komorbide Krankheitsbilder anzusehen. Eine beginnende traumabedingte Persönlichkeitsänderung sei feststellbar. Hinzu würden Nikotin- und Cannabismissbrauch kommen (F 17.1, F 12.1). Aktuell sei der Zustand des Beschwerdeführers nicht lebensbedrohlich. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei jedoch ernsthaft durch die psychotraumatische Symptomatik mit akustischen Halluzinationen beeinflusst, er zeige starke Beeinträchtigungen der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit. Die Störung, insbesondere das Stimmenhören, verursache intensives Leiden in klinisch bedeutsamer Weise. Aufgrund der erheblichen Funktionsbeeinträchtigung sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, sich selbst zu erhalten. Traumassoziiert und aufgrund psychotischen Erlebens zeige sich eine episodische Unfähigkeit, sich an wichtige Informationen zu erinnern und davon zu berichten. Dem Beschwerdeführer seien kohärente und widerspruchsfreie Angaben aufgrund dessen nicht immer möglich. Eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit sei sowohl aufgrund seines jungen Alters und des geringen Bildungsniveaus als auch aufgrund der belastenden Lebensumstände des Beschwerdeführers anzunehmen.

Psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung des Beschwerdeführers seien indiziert und sollten langfristig zur Verbesserung seines Zustandsbildes führen. Sollte der Beschwerdeführer eine solche Behandlung nicht erhalten, bestünde die Gefahr, dass sich die psychotraumatischen Symptome als Persönlichkeitsmerkmale verfestigen könnten. Eine solche Chronifizierung zeichne sich bereits ab. Eine Persönlichkeitsänderung auf dem Hintergrund von Traumatisierung äußere sich in unflexiblem und unangepasstem Verhalten, das zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen in den zwischenmenschlichen, sozialen und beruflichen Beziehungen führe. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung Ausgrenzung und Diskriminierung erfahre. Im Fall von Nichtbehandlung wären intensives Leiden und eine schwere Beeinträchtigung in den beruflichen und sozialen Funktionen anzunehmen. Zum Gutachten Dr. XXXX führte die Sachverständige Dr. XXXX aus, ihre eigene Diagnostik untermauere den Befund des behandelnden Facharztes und lege ein unschlüssiges Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXX nahe. Es sei anzunehmen, dass sich Dr. XXXX aufgrund der zu kurzen Begutachtungszeit kein umfassendes Bild vom psychischen Zustand des Beschwerdeführers machen habe können.

Mit Schreiben vom 13.8.2019 verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer und die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gab ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Gutachten Dr. XXXX .

Am 30.8.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein, in dem im Wesentlichen ausgeführt wird, das Gutachten Dr. XXXX und die Stellungnahme des behandelnden Facharztes Dr. XXXX würden übereinstimmend den sehr schlechten und massiv behandlungsbedürftigen psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bestätigen. Weiter würden sie übereinstimmend zum Ergebnis gelangen, das von Dr. XXXX erstellte Gutachten sei unschlüssig. Dem Beschwerdeführer drohe im Fall der Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr der Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Tazkira im Original;

* Schulbesuchsbestätigung der polytechnischen Schule XXXX betreffend das Schuljahr 2016/17 vom 22.9.2016;

* Teilnahmebestätigung des XXXX für die Teilnahme an einer Workshop-Reihe zum Thema Gewalt vom 28.8.2017;

* Konvolut an Unterlagen betreffend die Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers für die Firma XXXX ;

* Ambulanter Befund des LKH XXXX vom 20.2.2017;

* Psychiatrischer Befund Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 4.12.2018;

* Psychotherapeutische Stellungnahme Mag. XXXX , Psychotherapeutin und Supervisorin, vom 10.12.2018;

* Stellungnahme der Bezugsbetreuerin Mag XXXX vom 12.12.2018;

* Psychiatrischer Befund samt Stellungnahme zum psychiatrischen Gutachten Dr. Siegfried XXXX von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 15.4.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;

* Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

* Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:

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Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 29.6.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11.9.2018

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European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance:

Afghanistan, June 2018;

https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf

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European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017;

https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports

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European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018;

https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports

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Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.5.2018

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Ecoi.net - European Country of Origin Information Network:

Anfrage-beantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke), 15.2.2013

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Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan:

Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.8.2017;

https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf

* Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte;

* Einsichtnahme in das von Amts wegen eingeholte neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten Dr. XXXX ;

* Einsichtnahme in das von Amts wegen eingeholte klinisch-psychologische Sachverständigengutachten Dr. XXXX .

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Kabul, Afghanistan geboren. Er wuchs in Kabul im afghanischen Familienverband auf, besuchte dort neun Jahre die Schule und war im Herkunftsstaat berufstätig, wobei er Transformatoren für Kühlschränke reparierte. Der Beschwerdeführer lebte an keinem anderen Ort in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht aber auch Paschtu. Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt minderjährig und strafgerichtlich unbescholten.

Die Mutter des Beschwerdeführers und fünf minderjährige Geschwister leben nach wie vor im Herkunftsstaat in Kabul. In Kabul leben weiter die Großmutter des Beschwerdeführers sowie zwei Tanten und zwei Onkel. Eine Tante mütterlicherseits lebt XXXX und eine weitere in Mazar-e Sharif. Zu den in Kabul aufhältigen Angehörigen besteht telefonsicher Kontakt. Zu den Tanten in XXXX und Mazar-e Sharif besteht kein Kontakt; der Beschwerdeführer verfügt über kein soziales Netz in Mazar-e Sharif.

Der Beschwerdeführer leidet an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit psychotischen Symptomen in Form von Stimmenhören bzw. akustischer Halluzinationen (F 43.1). Als begleitende Krankheitsbilder zeigen sich eine Störung der Affektregulation, posttraumatische Depressionen und Suchtneigung. Eine beginnende traumabedingte Persönlichkeitsänderung ist feststellbar. Der Beschwerdeführer benützt Nikotin bzw. Cannabis zur Stressreduktion und Beruhigung, wobei dieser Konsum nicht als separate, sondern als komorbide Störung anzusehen ist. Der psychische Zustand des Beschwerdeführers ist aktuell nicht lebensbedrohlich. Das Verhalten des Beschwerdeführers ist jedoch ernsthaft durch die psychotraumatische Symptomatik mit akustischen Halluzinationen beeinflusst, er zeigt starke Beeinträchtigungen der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit. Die Störung, insbesondere das Stimmenhören, verursacht intensives Leiden in klinisch bedeutsamer Weise. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der erheblichen Funktionsbeeinträchtigung nicht in der Lage, sich selbst zu erhalten. Traumaassoziiert und aufgrund psychotischen Erlebens zeigt sich beim Beschwerdeführer eine episodische Unfähigkeit, sich an wichtige Informationen zu erinnern und darüber zu berichten. Aufgrund dessen sind dem Beschwerdeführer kohärente und widerspruchsfreie Angaben nicht immer möglich. Als Therapie der Erkrankung des Beschwerdeführers sind psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung indiziert. Ohne adäquate Behandlung ist von einer Verschlechterung und Chronifizierung der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung in Form einer andauernden Persönlichkeitsänderung und anhaltenden psychotischen Symptomen auszugehen, wobei sich eine solche Chronifizierung beim Beschwerdeführer bereits abzeichnet. Intensives Leiden und schwere Beeinträchtigung in den beruflichen und sozialen Funktionen wären im Fall der Nichtbehandlung anzunehmen.

Die Familie verfügt über landwirtschaftliche Grundstücke in Kabul, von deren Ertrag sie lebt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers wirtschaftlich in der Lage wären, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen bzw. ihm eine adäquate Behandlung seiner psychischen Erkrankung in Afghanistan zu finanzieren.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit 1.7.2016, als er seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, durchgehend im Bundesgebiet auf. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Im Schuljahr 2016/17 hat der Beschwerdeführer die polytechnische Schule XXXX besucht. Weiter hat er im Bundesgebiet einige Kontakte geknüpft und an Deutschkursen und anderen Bildungsangeboten teilgenommen. Dass er eine Deutschprüfung oder eine anderwärtige Prüfung abgelegt hätte, kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem älteren Bruder, XXXX , in den Bundesstaat ein. Die Beschwerde des älteren Bruders gegen dessen negativen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.1.2019, W104 2182698-1/6E rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

2.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Der Vater des Beschwerdeführers war bis etwa zum Jahr 2014 in Kabul für ein amerikanisches Unternehmen als Koch tätig. Dass der Vater des Beschwerdeführers aufgrund seiner Tätigkeit von den Taliban aufgefordert wurde, ein Mittel ins Essen zu mischen und anschließend entführt wurde, kann nicht festgestellt werden. Eine Feststellung zum Verbleib des Vaters des Beschwerdeführers kann nicht getroffen werden.

Ein Entführungsversuch gegen den Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , durch die Taliban sowie ein Übergriff gegen die Mutter und den jüngeren Bruder des Beschwerdeführers durch die Taliban kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Übergriffe durch die Taliban bis hin zur Tötung oder Entführung drohen, weil der Vater des Beschwerdeführers für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet hat.

Dass dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland Übergriffe durch Privatpersonen oder staatliche Stellen drohen, kann nicht festgestellt werden.

Dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat von Blutrache betroffen ist, kann nicht festgestellt werden.

Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung durch Privatpersonen oder staatliche Stellen aufgrund seiner psychischen Erkrankung droht.

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Kabul) ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Kabul droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif und Herat jedoch nicht möglich, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, so wie es auch seine Landsleute führen können. Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit psychotischen Symptomen in Form von Stimmenhören bzw. akustischer Halluzinationen und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügt weder in Mazar-e Sharif noch in Herat über ein soziales Netzwerk, welches ihn unterstützen könnte. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen findet nicht in ausreichendem Maße statt und wäre nicht gesichert. Ohne adäquate Behandlung seiner Erkrankung ist von einer Verschlechterung und Chronifizierung der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung in Form einer andauernden Persönlichkeitsänderung und anhaltenden psychotischen Symptomen auszugehen. Intensives Leiden des Beschwerdeführers und schwere Beeinträchtigung in den beruflichen und sozialen Funktionen wären im Fall der Nichtbehandlung anzunehmen. Im Fall einer Ansiedelung in Mazar-e Sharif oder Herat liefe der Beschwerdeführer Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

2.3.1. Staatendokumentation (Stand 29.06.2018, außer wenn anders angegeben):

Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die Zahl gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.

Sicherheitslage Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Folgende öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele wurden im Jahr 2018 registriert (kein Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.1.

Wirtschafts- und Sicherheitslage Balkh (insbesondere Mazar-e-Sharif)

Die Hauptstadt der Provinz Balkh, Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana (Provinzhauptstadt Faryab) und Pul-e-Khumri (Provinzhauptstadt Baghlan); sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Die Provinz Balkh, deren Hauptstadt Mazar-e-Sharif darstellt, ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.5.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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