TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/20 94/09/0337

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Veröffentlicht am 20.05.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

HDG 1985 §58 Abs3 Z2;
HDG 1985 §71 Abs2;
HDG 1985 §74 Abs2 Z2;
MRK Art6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Erich G in W, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien III, Siegelgasse 6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Korpskommando I vom 29. September 1994, Zl. 4/2-DOKUOChI/94, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant des österreichischen Bundesheeres in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vom 14. Juli 1994 wurde zu Recht erkannt (Anm.: die Tatvorwürfe entsprachen denjenigen des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses gemäß § 68 Abs. 1 bzw. § 71 Abs. 1 HDG vom 17. Juni 1994):

"(Der Beschwerdeführer) ist schuldig, daß er

1.

seine Dienstpflichten, insbesondere die ordnungsgemäße Kontrolle der ihm anvertrauten Waffen als verantwortlich eingeteilter FzUO nur mangelhaft wahrgenommen hat, wodurch das Fehlen der P80 mit der SNr. HA 93 aus seinem Waffenmagazin erst im Rahmen einer Überprüfung durch den UO/MilSi festgestellt werden konnte;

2.

die P80 mit der SNr. HA 93 an eine ihm nicht mehr erinnerliche Person und ohne jegliche Bestätigung ausgehändigt hat.

Er wird hingegen von der Anschuldigung

3.

die Vollzähligkeitsüberprüfung seiner Waffen lediglich stichprobenweise durchgeführt und es verabsäumt zu haben, die vorgeschriebene jährliche Überprüfung durch den Waffenmeister zu veranlassen bzw. diesen Mißstand zwecks Abstellung seinem Vorgesetzten zu melden,

freigesprochen.

Durch sein, dem Schuldspruch zugrundeliegendes Verhalten hat der Beschuldigte fahrlässig die Bestimmungen

des § 43 Abs. 1 BDG Allgemeine Pflichten des Soldaten

des § 44 Abs. 1 BDG Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

des § 47 Abs. 3 WG Befehlsbefolgung

der RIG 64

verletzt und Pflichtverletzungen im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG

begangen."

Über den Beschwerdeführer wurde im erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 49 HDG eine Disziplinarstrafe in Form der Geldbuße von S 2.200,-- verhängt.

Zum Schuldspruch im Punkt 1 führte die Disziplinarkommision in der Begründung aus, der Beschwerdeführer versehe Dienst als "FzUO(FM) bei der 1. MEG/StbKp/LWSR 22" mit der Dienststelle in der Prinz-Eugen-Kaserne in Stockerau. Nach der Sachverhaltsschilderung in der Disziplinaranzeige vom 14. Februar 1994 sei am 10. August 1993 durch den "UO-MilSi/LWSR 22", Vizeleutnant D., eine Sicherheits- und Vollzähligkeitsüberprüfung der im MobLager "REITHALLE" in der Prinz Eugen-Kaserne gelagerten P 80 durchgeführt und "das Fehl der P 80 mit der SNr. HA 93 samt Plastikbehälter" aus dem Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers und aus dem Lagerbestand der "PiKp/StbB 2, Raum Nr. 16 im Erdgeschoß" festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Erhebungen durch Bedienstete der S-2-Abt. MilKdo Wien zu Protokoll gegeben, er habe vermutlich im Zeitraum Ende Mai bis Anfang Juni 1993 die besagte P 80 an einen Kadersoldaten des LWSR 22 ausgegeben. Dies sei im Zusammenhang mit dem Befehl des MilKdo Wien erfolgt, demzufolge jenes Kaderpersonal, welches über eine Stahlschrank verfüge, mit P 80 auszustatten sei. Er könne sich aber nicht mehr erinnern, an wen er die P 80 ausgegeben habe. Er habe für diese Ausgabe aus ihm nicht mehr erklärbaren Gründen keinen Nachweis (Leihbeleg) erstellt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei eine erfolgte Ausgabe der Pistole dadurch bestätigt, daß nicht nur die Waffe, sondern auch das gesamte Zubehör samt Holster fehle. Der Beschwerdeführer habe angegeben, die vorgeschriebene Überprüfung der ihm anvertrauten Waffen wahrgenommen zu haben, das Fehlen der P 80 sei ihm deshalb nicht aufgefallen, "da er ja wisse, die besagte Waffe ausgegeben zu haben". Diese Aussage habe die Disziplinarkommission als wenig glaubwürdig und als Schutzbehauptung gewertet, weil "die Feststellung eines Fehls unverzüglich und intuitiv eine Erinnerung an die Ausgabe verlangt". Demnach hätte dem Beschwerdeführer bei einer ordnungsgemäßen Durchführung der vorgeschriebenen laufenden Überprüfungen auf Vollständigkeit auffallen müssen, daß eine P 80 fehle und "er aufgrund der fehlenden Erinnerung an den Empfänger allenfalls vorliegende Ausgabeunterlagen eruieren hätte müssen - und unverzüglich bei Fehlen der Ausgabeunterlagen die erforderlichen Schritte einzuleiten gehabt hätte". Es sei dem Beschwerdeführer anzulasten, daß durch mangelnde Sorgfalt bei den Vollzähligkeitsüberprüfungen das Fehlen der P 80 nach der "glaublichen Aussage" durch den Beschwerdeführer im Zeitraum Anfang Juni 1993 erst im Zuge einer Sicherheitsüberprüfung durch den UO/MilSi im August 1993 habe festgestellt werden können, womit der Beschwerdeführer jene Sorgfalt außer acht gelassen habe, die notwendig gewesen wäre, um den nicht geklärten Verlust der P 80 hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer habe somit fahrlässig die Bestimmungen der (im Bescheid zitierten) §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 BDG 1979 sowie § 47 Abs. 3 WG verletzt und eine Pflichtverletzung im Sinn des § 2 Abs. 1 HDG begangen.

Zum Schuldspruch im Punkt 2 habe der Beschwerdeführer - so die weiteren Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - entgegen seiner Aussage in der Niederschrift vom 2. September 1993, wonach er sich nicht mehr erinnern könne, warum er keinen Nachweis (Leihbeleg) angelegt habe, in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe sich die Ausgabe der P 80 auf einem Versorgungsrapport bestätigen lassen, jedoch auch diesen nicht mehr gefunden. Eine Weiterleitung des Versorgungsrapportes an den Karteimittelführer sei deshalb nicht erfolgt, weil der Karteimittelführer kurzfristig abwesend gewesen und dessen Vertreter ohnehin nicht zeichnungsbefugt sei. Der Nachweis einer Waffenausgabe an Bedienstete - so die Behörde weiter in ihrer Begründung - erfolge grundsätzlich auf Dauer mittels Ausrüstungsblatt, für kurzfristige Ausgaben mittels Ausgabebuch. Die Regelung im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers sehe es jedoch vor, daß eine Ausgabe von Waffen nur mittels Versorgungsrapportes an die übernehmenden Nachschuboffiziere erfolgen dürfe, "nie jedoch an eine Einzelperson". Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers sei darin zu erblicken, daß er als "FzUO der 1. MEG/StbKp LWSR 22" in Beachtung der geltenden Vorschriften die Pistole überhaupt nicht hätte aushändigen dürfen, womit der Verlust der P 80 "auf mangelnde Sorgfalt und durch Verstoß gegen Bestimmungen, die den Umgang mit Waffen regeln, zurückzuführen ist". Der Beschwerdeführer habe somit fahrlässig die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 BDG 1979 sowie § 47 Abs. 3 WG und der "RIG 64" verletzt.

Des weiteren wird im Bescheid der Disziplinarkommission der Freispruch zu Punkt 3 begründet und die Strafbemessung dargestellt.

In der Berufung vom 3. August 1994 machte der Beschwerdeführer zum Schuldspruch im Punkt 1 geltend, er habe im Verfahren erster Instanz ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er bei den laufenden Kontrollen der Waffen festgestellt habe, daß eine Waffe fehle. Er habe jedoch gewußt, daß er diese Waffe an einen Kadersoldaten - befehlsgemäß - ausgegeben habe. Eine nochmalige Nachforschung nach Unterlagen habe sich daher erübrigt. Der Vorwurf, er hätte anläßlich der laufenden - stichprobenweisen - Kontrollen die schriftlichen Unterlagen überprüfen müssen, gehe ins Leere. Die jährliche Vollständigkeitsüberprüfung werde, wie die Disziplinarkommission selbst festgestellt habe, durch den Waffenmeister durchgeführt. Die laufende Kontrolle durch den Beschwerdeführer erfolge lediglich stichprobenweise. Eine Pflicht, bei diesen stichprobenweisen Überprüfungen schriftliche Unterlagen zu vergleichen, bestehe nicht. Der Beschwerdeführer habe daher entgegen der Darstellung im Disziplinarerkenntnis die Kontrollen laufend - ordnungsgemäß - vorgenommen. Das Disziplinarerkenntnis enthalte im übrigen keine Angaben darüber, wie die Kontrollen hätten durchgeführt werden müssen.

Zum Spruchpunkt 2 stelle die Disziplinarbehörde erster Instanz fest, die Dienstpflichtverletzung sei darin zu erkennen, daß der Beschwerdeführer als "FzUO" unter Beachtung geltender Vorschriften die Pistole überhaupt nicht hätte aushändigen dürfen, womit der Verlust der P 80 auf mangelnde Sorgfalt und auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen über den Umgang mit Waffen zurückzuführen sei. Hier übersehe die Disziplinarkommission, daß der Beschwerdeführer die Waffe an eine Einzelperson (den Kadersoldaten) ausgegeben habe, weil ein entsprechender Befehl diese Vorgangsweise notwendig gemacht habe. Aufgrund des im Einleitungsbeschluß zitierten "Versorgungsbefehles" seien Waffen gegen Bestätigung auszuhändigen. Entgegen der Darstellung im Disziplinarerkenntnis habe sich der Beschwerdeführer die Übernahme der Waffe bestätigen lassen. Üblicherweise werde die Übernahme durch den Kanzleimittelführer im Versorgungsrapport festgehalten, gegengezeichnet und weitergeleitet. Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Übernahme sei der Kanzleimittelführer jedoch nicht anwesend gewesen, weshalb die Übernahmebestätigung formlos erfolgt sei. Nachträglich hätte die Übernahmebestätigung durch den Kanzleimittelführer im Versorgungsrapport bestätigt werden sollen. Der Beschwerdeführer habe den Kanzleimittelführer jedoch aufgrund dessen dienstlicher Abwesenheit nicht angetroffen und in der Folge sei die Bestätigung "in Verstoß geraten". Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe bei der Ausgabe der Waffe Weisungen verletzt, sei daher nicht richtig. Hätte der Beschwerdeführer die Waffe nicht ausgegeben, hätte er wiederum gegen den Befehl, die Waffe eben an den "Kadersoldaten, auch als Einzelperson," auszugeben, verstoßen. Daß die Bestätigung in Verlust geraten sei, könne dem Beschwerdeführer nicht in dem Ausmaß zur Last gelegt werden, wie dies im erstinstanzlichen Bescheid erfolgt sei. Die Ausgabe der Waffe habe keinen Aufschub geduldet; bei Nichtausgabe hätte der Beschwerdeführer andere Befehle mißachtet und sich wiederum disziplinär verantwortlich gemacht.

Zu beiden Schuldsprüchen werde dem Beschwerdeführer lediglich pauschal die Verletzung von Rechtsvorschriften bzw. die Verletzung von Weisungen vorgeworfen, ohne konkret anzuführen, welche Rechtsvorschriften oder Weisungen der Beschwerdeführer nicht beachtet habe. Das Disziplinarerkenntnis erster Instanz sei jedenfalls diesbezüglich nicht abschließend überprüfbar. Sollte tatsächlich ein disziplinär zu ahndendes Verhalten vorliegen, hätte die Disziplinarbehörde erster Instanz gelindere Mittel (Verweis oder das Absehen vom Ausspruch einer Strafe) anwenden müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter teilweiser Stattgabe der Berufung folgendes "Erkenntnis gefällt".

"(Der Beschwerdeführer) ist schuldig, daß er

1.

die Kontrolle der ihm anvertrauten Waffen in der Form mangelhaft durchgeführt hat, daß er den tatsächlichen Bestand an P 80 nicht mit dem in der GL ausgewiesenen Bestand verglichen hat und

2.

die P 80, SNr. HA 93 an einen ihm nicht mehr erinnerlichen Kadersoldaten ausgegeben hat, wobei der Ausgabebeleg durch mangelnde Sorgfalt in Verlust geraten ist.

    Durch dieses Verhalten hat der Beschuldigte die

    Bestimmungen

- des § 43 Abs. 1 BDG       (Allgemeine Pflichten des Beamten)

- des § 44 Abs. 1 und 3 BDG (Pflichten gegenüber Vorgesetzten)

- des § 47 Abs. 1 WG        (Pflichten des Soldaten)

- des Erlasses BMLV vom 26 05 78, Zl.: 41.300/90-4.2/78

                (Versorgung mit H- u. HV-Gütern; Arbeitsbehelf)

verletzt und somit Pflichtverletzungen im Sinne des § 2 Abs. 1

HDG begangen.

Über (den Beschwerdeführer) wird daher gem. § 48 Abs. 2, in Verbindung mit § 49 Abs. 1 und 2 HDG die Disziplinarstrafe der

Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--

verhängt."

Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung wird im angefochtenen Bescheid zum Spruchpunkt 1 ausgeführt, der Beschwerdeführer gebe an, daß er die Anzahl der Pistolen laufend in der Form überprüft habe, daß er die vorhandenen Pistolenbehälter abgezählt habe. Da der Beschwerdeführer eine Pistole an einen Kadersoldaten ausgegeben gehabt habe, habe der Beschwerdeführer den Eindruck gehabt, daß der Bestand stimme. Für eine Ausgabe der Waffe und gegen einen Diebstahl spreche der Umstand, daß auch ein Pistolenholster, welches getrennt von der Waffe gelagert gewesen sei, fehle. "Eine konkrete Überprüfung wäre jedoch ein Vergleich zwischen Bestand laut GL und Ist-Bestand im Lager gewesen". Gemäß BMLV Zl.: 41.300/90-4.2/78, Teil 3 Pkt. 8 erfolge die Bestandsnachweisung im "MatVerw-Körper A" über die Geräteliste (GL). Eine Bestandsüberprüfung könne daher nur von dieser ausgehen. Der Beschwerdeführer habe somit fahrlässig die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet sei, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung gewissenhaft und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenen zu besorgen, des § 47 Abs. 3 WG, wonach der Soldat die Befehle der Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen habe und des Erlasses "BMLV vom 26 05 78, Zl.: 41.300/90-4.2/78, Teil 3, Pkt. 8.1, wonach aus der GL/MatVerwK der Bestand im MatVerwK ersichtlich ist," verletzt und somit eine Pflichtverletzung im Sinn des § 2 Abs. 1 HDG begangen.

Zum Schuldspruch im Punkt 2 des angefochtenen Bescheides weist die Begründung darauf hin, der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben für die Ausgabe der P 80 an einen Kadersoldaten deshalb nur einen formlosen Beleg ausgefertigt, weil er für einen "VersRap" nicht unterschriftsberechtigt gewesen und andere Belege im "MatVerwKörper A" nicht vorgesehen seien. Der Beschwerdeführer habe diesen Ausgabebeleg lediglich auf den Schreibtisch des zu diesem Zeitpunkt nicht anwesenden Karteimittelführers gelegt, ohne sich später zu vergewissern, daß dieser Beleg auch tatsächlich dem Karteimittelführer zur Kenntnis gelangt sei. Da dieser Beleg unauffindbar sei, und sich der Beschwerdeführer auch nicht mehr erinnern könne, an wen er die Waffe ausgegeben habe, sei der Verbleib der Waffe bisher ungeklärt. Gemäß "Vers.Vorschrift ist eine Geräteleihe von einem MatVerwK-A (z.B. MEG) nur an einen NUO-Einheit und nicht an einen Gerätebenützer direkt vorgesehen". Der Beschwerdeführer habe hiezu angegeben, daß er für diese Ausgabe einen fernmündlichen Auftrag erhalten habe; von wem dieser Auftrag gekommen sei, daran könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Einen "Einwand dem Auftraggeber gegenüber, daß diese Vorgangsweise nicht den Vers.Vorschriften entspreche", habe der Beschwerdeführer nicht gemacht. Der Beschwerdeführer habe somit fahrlässig die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 BDG 1979, des § 41 Abs. 1 und 3 BDG 1979 (wonach der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und bei rechtswidrigen Weisungen seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen habe), des § 47 Abs. 3 WG und des "Erlasses BMLV, Zl.: 41.300/90-4.2/78, Teil 2, Pkt. II, 1.2, wonach der NUO-Einheit gem. Pkt. 2.1 das Vers.Gut mit Ausrüstungsblatt an den Benützer ausgibt", verletzt und somit einer Pflichtverletzung im Sinn des § 2 Abs. 1 HDG begangen.

Als Grad des Verschuldens - so die weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid - werde Fahrlässigkeit festgestellt, weil der Beschwerdeführer bei Aufbringung der notwendigen Sorgfalt aufgrund seiner Ausbildung durchaus in der Lage gewesen wäre, seinen dienstlichen Obliegenheiten den Vorschriften entsprechend nachzukommen. Die Pflichtverletzung werde als "mittelschwer" eingestuft, weil gerade bei der Verwaltung von Waffen aufgrund der Gefahren bei einer mißbräuchlichen Verwendung besondere Sorgfalt angebracht sei. Erschwerend bei der Strafbemessung sei der Umstand zu werten, daß die Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Verwaltung und Verwahrung von Waffen erfolgt seien. Mildernd sei zu beurteilen das "korrekte Auftreten vor der Kommission", die bisherige Unbescholtenheit, und das "Umfeld, welches gekennzeichnet war durch unklare Befehlsgebung, überraschende Wechsel der Fachvorgesetzten und die räumliche Aufteilung des Verbandes". Aufgrund der angeführten Merkmale der Pflichtverletzung und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erscheine die Disziplinarstrafe in der Höhe von 7 % der Bemessungsgrundlage schuldangemessen.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf das gegenständliche Disziplinarverfahren war im Hinblick auf die zeitliche Lagerung (Einleitungsbeschluß vor dem 1. Oktober 1994) das Heeresdisziplinargesetz 1985 (HDG) anzuwenden (vgl. § 90 Abs. 1 HDG 1994, BGBl. Nr. 522/1994). Das vorliegende Disziplinarverfahren wurde als Kommissionsverfahren (§§ 64 bis 74 HDG) durchgeführt.

Zum Schuldspruch im Punkt 1 des angefochtenen Bescheides ist zu sagen, daß dieser in eine andere Richtung geht, als der diesbezügliche Vorwurf noch im erstinstanzlichen Bescheid und im Einleitungsbeschluß gelautet hatte. So wird dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid nur mehr allgemein zur Last gelegt, eine mangelhafte Überprüfung der ihm anvertrauten Waffen durchgeführt zu haben, weil er den tatsächlichen Bestand an P 80 nicht mit dem in der Geräteliste ausgewiesenen Bestand verglichen habe. Eine Bezugnahme der nicht ordnungsgemäßen Kontrolle auf eine dadurch erst verspätet mögliche Feststellung des Fehlens einer P 80, die den Inhalt des Vorwurfes durch die Disziplinarbehörde erster Instanz bildete, fehlt im angefochtenen Bescheid; überhaupt war von einer dem Beschwerdeführer obliegenden Überprüfung des Istbestandes an P 80 mit dem in der Geräteliste ausgewiesenen Bestand in bisherigen Diziplinarverfahren keine Rede (von dem Vorwurf einer nur stichprobenweisen Vollständigkeitsprüfung der Waffen war der Beschwerdeführer außerdem durch den erstinstanzlichen Diziplinarbescheid rechtskräftig freigesprochen worden). Da grundsätzlich keine Diziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden darf, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Diziplinarverfahrens war (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Diziplinarrecht der Beamten2, S. 416, m.w.N.), ist der angefochtene Bescheid daher in seinem - auch zeitlich völlig unbestimmt gebliebenen - Spruchpunkt 1 (der im übrigen in der Gegenschrift in keiner Weise verteidigt wird) schon deshalb inhaltlich rechtswidrig.

Den Beschwerdeausführungen ist hinsichtlich des Schuldspruches im Punkt 2 darin Recht zu geben, daß aus dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar ist, welche Verhaltensweisen hier konkret dem Beschwerdeführer disziplinarrechtlich angelastet und welchen Tatbeständen diese unterstellt werden. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die Nachvollziehbarkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides allgemein bereits durch die häufige Verwendung von (nicht näher erläuterten) Abkürzungen erschwert wird. Die auch hier gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid abgeänderte Spruchfassung lautet, der Beschwerdeführer habe die P 80 an einen nicht mehr erinnerlichen Kadersoldaten ausgegeben, wobei der Ausgabebeleg durch mangelnde Sorgfalt in Verlust geraten sei. Festzuhalten ist, daß selbst die belangte Behörde im Rahmen der Strafmilderungsgründe davon ausgeht, daß das Umfeld gekennzeichnet war durch "unklare Befehlsgebung" und überraschende Wechsel der Fachvorgesetzten. Gerade bei der im Disziplinarverfahren geltenden Unschuldsvermutung

"in dubio pro reo" (vgl. Kucsko-Stadlmayer, a.a.O., S. 361, sowie - sinngemäß - § 58 Abs. 3 Z. 2 HDG) hätte damit eindeutig dargelegt werden müssen, worin die Dienstpflichtverletzung im einzelnen gelegen sein bzw. welchen Befehlen oder Weisungen der Beschwerdeführer (durch welche Handlungsweisen) konkret schuldhaft zuwider gehandelt haben soll. Eine rein erzählende Schilderung des Sachverhaltes und eine dazu folgende abstrakte Aufzählung von Dienstpflichten, die der Beschwerdeführer fahrlässig verletzt habe, ist nicht ausreichend. Schon in der Spruchgestaltung (zu deren Erfordernissen siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0397) ist beispielsweise unklar, ob der Vorwurf im Punkt 2 etwa auch die Ausgabe der P 80 an einen "nicht mehr erinnerlichen" Kadersoldaten umfaßt, oder nur den Verlust des Ausgabebeleges durch mangelnde Sorgfalt. In der Gegenschrift kann - wie dies von der belangten Behörde versucht wird - eine Begründung grundsätzlich nicht nachgeholt werden.

Der angefochtene Bescheid ist daher hinsichtlich des Schuldspruches zu Punkt 2 mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt (da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes derjenigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht) nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelmarken von S 120,--, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung der Beschwerde anzuschließen war (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994090337.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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