Entscheidungsdatum
10.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W189 2183126-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017, Zl. 15-108093851/150999361, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Bangladeschs, reiste illegal im Bundesgebiet ein und stellte am 04.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte der BF, Staatsangehöriger Bangladeschs zu sein, hinduistischen Glaubens zu sein und ledig zu sein. Er spreche die Sprachen Bangla, Hindi und Englisch. Im Herkunftsstaat habe er zehn Jahre die Schule und zwei Jahre die Universität besucht. Seine Eltern und seine sechs Geschwister würden noch in Bangladesch leben. Er habe zuletzt als Bauunternehmer gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass er in Bangladesch für die politische Partei BNP tätig gewesen sei. Im Jahre 2015 sei er fälschlicherweise beschuldigt worden einen Jungen ermordet zu haben. Dieser Vorwurf sei von einem politischen Gegner gekommen, um die Tätigkeit des BF für die BNP-Partei zu verhindern. Aus diesem Grund sei er von der Polizei gesucht worden. Da er Angehöriger der Minderheitenreligion des Hinduismus sei, hätte er und seine Familie immer Probleme gehabt.
2. Am 20.03.2017 reiste die Ehefrau des BF und der gemeinsame mj. Sohn in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz.
3. Am 27.11.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab dabei eingangs an, dass er in der Erstbefragung gelogen habe, da der Schlepper ihn aufgefordert habe nicht die Wahrheit anzugeben.
Er würde einen anderen Namen tragen und habe die letzten Jahre gemeinsam mit seiner ukrainischen Frau und ihrem gemeinsamen Sohn in der Ukraine gelebt. Zum Beweis dieser Angaben legte der BF seine Geburtsurkunde, sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes und die ukrainische Heiratsurkunde vor.
In seinem Heimatland würden noch seine Eltern und seine sechs Geschwister leben. Er habe dort zehn Jahre lang die Schule und vier Jahre lang die Universität in der Ukraine besucht. Er habe bis zu seiner Einreise nach Österreich in verschiedenen Städten in der Ukraine gelebt. Zuletzt habe er mit seiner Frau und seinem Sohn in ihrer Heimatstadt gelebt.
Der BF sei in seiner Heimat Bangladesch keiner Verfolgung ausgesetzt, sondern habe dies zum Studieren verlassen.
Zu seinen Fluchtgründen brachte der BF vor, dass er in der Ukraine sehr glücklich gewesen sei. Im Jahr 2013 habe es jedoch Probleme mit der neuen Regierung gegeben. Die jüngere Generation wolle keine Ausländer im Land. Der BF sei in Kiew mehrmals von "Skinheads" überfallen worden und sei er dabei auch einmal schwer verletzt worden.
4. Mit den im Spruch genannten Bescheid des BFA wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 46 FPG die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass das Vorbringen des BF bezüglich seines Heimatstaates nicht asylrelevant sei. Er sei nicht in der Lage gewesen, eine Bedrohungssituation iSd. Genfer Flüchtlingskonvention darzulegen, da er Fluchtgründe vorgebracht habe, die nicht seinen Heimatstaat betreffen würden. Die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein reales Risiko einer derart extremen Gefahrenlage vorliege, welches einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle würde und somit einer Rückführung des BF in sein Heimatland entgegenstehen würde. Schließlich bestehe mit Verweis auf die Judikatur des EGMR und des VfgH für den BF die Möglichkeit der Fortführung des Familienlebens in einem anderen Staat, weshalb das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden könne. Die Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, nicht gegeben seien.
5. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs wurde insbesondere mangelhafte Ermittlungen sowie eine mangelhafte Beweiswürdigung hinsichtlich der Fluchtgründe moniert. Die belangte Behörde habe unvollständige, veraltete und viel zu allgemein gehaltene Länderberichte herangezogen. Auch wenn der BF in seiner Erstbefragung nicht wahrheitsgetreue Fluchtgründe angegeben habe, so habe er im weiteren Verfahrensverlauf schlüssige, glaubwürdige und stringente Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht. Bezüglich Spruchpunkt III. sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die Familienmitglieder unterschiedliche Staatsangehörigkeiten aufweisen würde und daher mit einer Rückkehrentscheidung die Gefahr einer Trennung der Familie bestehen würde. Die Behörde habe nicht ausreichend geprüft, ob der Familie die Fortsetzung ihres Familienlebens in einem anderen Staat zugemutet werden könne.
6. Am 05.02.2019 ist der zweite Sohn des BF im Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 18.03.2019 durch seine gesetzliche Vertretung ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 28.05.2019 abgewiesen. Dagegen erhob der Rechtsvertreter der Familie rechtzeitig Beschwerde und verwies bezüglich der Fluchtgründe des Sohnes auf dessen Eltern und deren bereits eingebrachte Beschwerden.
7. Am 04.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme von geeigneten Dolmetscherin für die Sprachen Russisch und Hindi statt, zu welcher der BF, die Ehefrau des BF und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen ihrer jeweiligen Verhandlung wurde sowohl der BF, als auch die Ehefrau des BF die Möglichkeit geboten ausführlich zu ihren Fluchtgründen und zu ihrer Situation in Österreich Stellung zu nehmen.
8. Mit Schriftsatz vom 18.09.2019 wurde durch die Rechtsvertretung des BF auf die in der mündlichen Verhandlung am 04.09.2019 herangezogenen Länderberichte zur Lage in der Ukraine und in Bangladesch Stellung genommen und insbesondere vorgebracht, dass der BF wiederholt rassistischen Angriffen ausgesetzt gewesen sei und der ältere Sohn des BF aufgrund seiner Hautfarbe im Kindergarten diskriminiert worden sei. Diese Vorfälle würden zudem in den Länderberichten zur Ausländerfeindlichkeit in der Ukraine Deckung finden. Eine Fortsetzung des Familienlebens im Heimatstaat des BF sei nicht zumutbar, da die Ehefrau des BF dort als westlich-orientierte Frau und als Christin systematischen Übergriffen ausgesetzt wäre. Zudem sei der BF als Angehöriger der Minderheit der Hindus in seinem Heimatland Bangladesch diskriminiert. Der BF würde sich bereits seit vier Jahren im Bundesgebiet aufhalten und sei aufgrund der unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten des BF und seiner Familienangehörigen eine Fortführung seines Familienlebens in einem anderen Staat als Österreich nicht möglich bzw. nicht zumutbar. Der BF habe sich gut in die österreichische Gesellschaft integriert, habe viele österreichische Freunde, habe die A2-Deutschprüfung absolviert und nehme an vielen Veranstaltungen teil. Der BF habe einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des BF, beinhaltend die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.08.2015 und die niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.06.2017, sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2019, und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Bangladesch.
1. Feststellungen:
1.1. Festgestellt wird, dass der BF Staatsangehöriger Bangladeschs ist und seit 2002 in der Ukraine gelebt hat. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Dutta und bekennt sich zum hinduistischen Glauben.
Der BF ist mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit ihr zwei gemeinsame Kinder. Die Familienangehörigen befinden sich derzeit im Asylverfahren in Österreich.
Der BF hat im Herkunftsstaat zehn Jahre lang die Schule besucht und vier Jahre lang ein Wirtschaftsstudium betrieben jedoch nicht abgeschlossen. Der BF hat in der Ukraine als Übersetzer gearbeitet und hat zuletzt ein Geschäft besessen.
Die Eltern und Geschwister des BF leben in Bangladesch und besteht regelmäßiger Kontakt zu diesen.
1.2 Der BF stellte nach seiner illegalen Einreise am 04.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Familienangehörigen stellten am 20.03.2017 ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Dem BF ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihm in Bangladesch eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht. Der BF hat im Herkunftsstaat niemals Probleme mit den heimatlichen Behörden gehabt.
Der BF wäre im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bangladesch nicht in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.
Es konnte nicht glaubhaft gemacht werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Der BF hat außer seiner ebenfalls im Asylverfahren befindlichen Ehefrau und seinen Kindern keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich und konnte eine überdurchschnittliche Integration des BF im Bundesgebiet nicht festgestellt werden. Im Bundesgebiet lebt der BF aus Leistungen von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt.
Der BF absolvierte die Integrationsprüfung (des Deutsch-Niveaus A2) und ist in der Lage, sich auf Deutsch zu verständigen. Der BF hat ehrenamtlich in einem Flüchtlingsheim, beim Roten Kreuz und beim Tiroler Sozialdienst gearbeitet. Er ist nicht Mitglied in einem Verein und geht keinen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach.
Die BF ist unbescholten und gesund.
Der BF besitzt ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für die Ukraine. Die Fortführung des gemeinsamen Familienlebens in der Ukraine ist daher grundsätzlich möglich.
1.3. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Politische Lage
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / GanJaprajatantri BamJlades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a). Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018). Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018). Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019). Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019). Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019). Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a). Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019). Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018). Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017). In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019). An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019). In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018). Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018). Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018). Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019). Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018). Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018). Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden". Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017). Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018). Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).
Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018). Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018). Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 12.2018). Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.10.2017). Die Zivilbehörden haben eine effektive Kontrolle über das Militär und die Regierung verfügt über die notwendigen Mechanismen, um Missbrauch und Korruption zu ahnden. Allerdings macht sie hiervon immer weniger Gebrauch. Faktisch hat der Sicherheitsapparat ein Eigenleben entwickelt, das kaum mehr von der Regierung kontrolliert wird (AA 27.10.2017).
Folter und unmenschliche Behandlung
Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste (USDOS 20.4.2018). Im Fokus der Kritik bezüglich Folter wie auch extralegaler Tötungen stehen dabei insbesondere die Angehörigen der Rapid Action Battalions (RAB) (ÖB 12.2018). Die Behörden gehen entsprechenden Anzeigen nur selten nach. Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death Prevention Act) aus dem Jahr 2013 wird aufgrund mangelndem politischen Willen und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden unzureichend umgesetzt (AI 23.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Missbrauch durch Sicherheitsbeamte bleibt weitgehend straflos (USDOS 20.4.2018). Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Sicherheitsbehörden wenden Bedrohungen, Schläge, Kneecapping [Anm.: Schüsse ins Bein oder Knie] und Elektroschocks sowie manchmal Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe an, um Informationen von mutmaßlichen Aufständischen und Oppositionellen zu erlangen (USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung erscheinen politisch motiviert und manchmal werden Familienmitglieder von politischen Gegnern zu Opfern (HRW 17.1.2019). Doch auch vulnerable Gruppen und normale Bürger sind von Folter betroffen (OMCT 26.6.2018). Gemäß der bangladeschischen NGO Odhikar starben im Jahr 2017 13 Personen an den Folgen von Folter; weiters werden für 2017 155 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 86 Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen berichtet (Odhikar 12.1.2018). Trotz internationaler Verpflichtungen hat Bangladesch bisher keine Schritte zur Etablierung eines effektiven Opfer- und Zeugenschutzes getätigt und auch keine Prozeduren eingeleitet, die es Opfern ermöglicht, ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen. Folteropfer und deren Familien werden nach Anzeigen gegen Sicherheitsbeamte häufig bedroht und in vielen Fällen wird ihnen Geld angeboten, damit sie die Beschwerde zurückziehen. In den wenigen Fällen, die vor Gericht gelangen, sind die Opfer mit einem dysfunktionalen und parteiischem Justizsystem konfrontiert (OMCT 26.6.2018). In Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 27.10.2017).
Korruption
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019). Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 12.2018). Laut Transparency International haben im Jahr 2015 47% der befragten Haushalte und 49% der befragten Unternehmen Bestechungsgeld gezahlt (TI 30.5.2016). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf (AA 27.10.2017). Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB 12.2018). Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Beamte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 27.10.2017). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen, die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 20.4.2018), beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 1.2018). Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 20.4.2018).
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Bangladesch verfügt über eine große, seit den 1970er Jahren wachsende Zahl an regierungsunabhängigen Menschenrechtsorganisationen (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018). NGOs können ihre Erkenntnisse veröffentlichen, jedoch sind Regierungsvertreter diesbezüglich nur selten interessiert oder kooperativ (USDOS 20.4.2018). Die Schwerpunkte dieser Organisationen liegen eher im Bereich des sozialen Engagements, insbesondere der Bildungsarbeit und Gesundheitsversorgung der armen Landbevölkerung. Weit entwickelt sind auch Mikrokreditinstitutionen, deren Hauptzielgruppe der weibliche Teil der armen Bevölkerungsschichten ist. NGOs spielen ebenso eine wichtige Rolle für die Durchsetzung der Grundrechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen (ÖB 12.2018).
Menschenrechts-NGOs in Bangladesch üben oft harsche Kritik an der Regierung, sehen sich deswegen aber nicht generell staatlichen Repressionen ausgesetzt. Seit Ausrufung des Ausnahmezustandes kam es aber wieder zu einer Verschlechterung der Situation. Im Zuge der Anti-Korruptionskampagne der Übergangsregierung gerieten auch prominente NGO-Vertreter ins Visier der Behörden (ÖB 12.2018). Weiterhin werden häufig Berichte über Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Menschenrechtsverteidigern bekannt. Der Druck auf die Zivilgesellschaft durch die Regierung ist hoch (AA 27.10.2017). Menschenrechtsgruppen praktizieren Selbstzensur und Bedrohungen von Extremisten sowie eine zunehmend autoritär agierende Regierungspartei führte zu einer Kultur der Angst in der Zivilgesellschaft (USDOS 20.4.2018).
Die Menschenrechtsorganisation Odhikar war von einer Schmierkampagne betroffen, in der ihr "anti-staatliche und regierungsfeindliche" Aktivitäten und die "Verschwörung gegen das Land" vorgeworfen wurde (FIDH 9.1.2019). Die Bangladesh Election Commission (BEC) verbot Odhikar Wahlbeobachter bei der Parlamentswahl vom 30.12.2018 einzusetzen (FIDH 9.1.2019; vgl. AI 13.12.2018). Insgesamt wurden nur etwa 26.000 Wahlbeobachter akkreditiert (FIDH 9.1.2019). Alle aktiven NGOs müssen beim Ministry of Social Welfare registriert sein. Sowohl lokale als auch internationale Organisationen, die zu sensiblen Themen wie Menschenrechte, indigene Bevölkerung, Rohingya Flüchtlinge oder Arbeitsrecht arbeiten, sehen sich mit formellen und informellen Restriktionen konfrontiert (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Durch eine Neuregelung der Regularien für die Annahme von Projektgeldern und Spenden aus dem Ausland wird die Arbeit vieler NGOs durch zusätzlichen bürokratischem Aufwand enorm erschwert (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018; USDOS 20.4.2018), insbesondere für NGOs, die sich kritisch gegenüber dem Staat oder der Regierung äußern (USDOS 20.4.2018). Gleichzeitig sorgen die neuen Richtlinien für stärkere Eingriffs- und Überwachungsmöglichkeiten durch die Regierung. Regelmäßig erfolgen Beschwerden, dass regierungskritische Menschenrechtsprojekte nur mit Einschränkungen genehmigt werden (AA 27.10.2017). Viele Menschenrechtsorganisationen lassen sich den jeweiligen politischen Lagern zuordnen. Partikularinteressen und Rivalitäten spielen auch im Verhältnis der Menschenrechtsverteidiger untereinander eine Rolle. Die Darstellung angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch die unterschiedlichen Menschenrechtsorganisationen kann daher je nach politischer, ethnischer oder religiöser Herkunft variieren. Für Außenstehende ist es oft schwierig, sich ein zutreffendes Bild zu verschaffen (AA 27.10.2017).
Ombudsmann
Das Gesetz sieht die Institution eines Ombudsmannes vor, es wurde jedoch noch keiner ernannt. Auch in Haftanstalten gibt es keine Ombudsleute, an die Häftlinge Beschwerden vorbringen können (USDOS 20.4.2018). Es gibt keine Prozeduren für Opfer von Folter, ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen (OMCT 26.6.2018). Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC) (ÖB 12.2018).
Wehrdienst und Rekrutierungen
Bangladesch verfügt über eine Berufsarmee und hat seit seiner Unabhängigkeit keinen verpflichtenden Wehrdienst (ÖB 12.2018). Die bangladeschische Armee besteht aus circa 260.000 aktiven Soldaten und circa 472.000 Reservisten (AA 27.10.2017). Bangladeschische Staatsangehörige können im Alter von 16 bis 19 Jahren einen freiwilligen Militärdienst ableisten, sofern der Abschluss der 10. Schulstufe nachgewiesen wird. Das Mindestalter für den freiwilligen Militärdienst wurde im Jahr 2012 vom 15. auf das 16. Lebensjahr angehoben (AA 27.10.2017). Personen unter 18 Jahren kommen nicht zu Kampfeinsätzen (ÖB 12.2018). Seit dem Jahr 2013 können auch Frauen Wehrdienst leisten. Der erste weibliche Lehrgang graduierte im Jahr 2015 (AA 27.10.2017). Deserteuren droht im Kriegsfall, nach den Vorschriften des bangladeschischen Armeegesetzes ("Army Act 1952"), die Todesstrafe. Die Beherbergung von Deserteuren kann ein strafrechtlich relevantes Vergehen darstellen, das nach § 136 des Strafgesetzbuches 1860 geahndet werden kann (AA 27.10.2017). Es gibt keine Hinweise auf Zwangsrekrutierung (ÖB 12.2018).
Allgemeine Menschenrechtslage
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 12.2018; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 12.2018). Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 12.2018a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2017 sollen nach Angaben der bangladeschischen Menschenrechtsorganisation Odhikar 117 Personen durch Sicherheitskräfte getötet, 13 Personen dabei zu Tode gefoltert bzw. geprügelt worden sein (Odhikar 12.1.2018). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 12.2018, siehe auch Abschnitt 5). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen weiters, auch aufgrund des Fehlens von Rechenschaftspflicht, Einschränkungen der Bürgerrechte inklusive der Rede- und Pressefreiheit, der Aktivitäten von NGOs, ein Mangel an Freiheit, um an politischen Prozessen teilzunehmen, Korruption, Gewalt und Diskriminierung basierend auf Geschlecht, Religion, Kaste, Stamm, inklusive indigener Personen, sexueller Orientierung und Genderidentität. Auch Menschenhandel, Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte und schlimme Formen der Kinderarbeit sind weiterhin ernsthafte Probleme (USDOS 20.4.2018). Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018; für mehr Informationen zu NGOs siehe Abschnitt 8). Im April brachte die EU während der jährlichen bilateralen Menschenrechtskonsultationen ihre Besorgnis über Berichte über außergerichtliche Tötungen und gewaltsames Verschwindenlassen zum Ausdruck und forderte von der Regierung das Problem der Gewalt und Belästigung von Gewerkschaftern anzugehen (HRW 17.1.2019).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, es wird jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 20.4.2018). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung und Blasphemie juristisch zu verfolgen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Die Regierung unternimmt Anstrengungen den "Prevention and Suppression of Human Trafficking Act (PSHTA)" von 2012 umzusetzen, erreicht aber noch nicht die Minimalstandards zur Verhinderung von Menschenhandel. Für 2017 hat die Regierung 778 Fälle von Menschenhandel gemeldet, wobei ein Vergleich mit den Jahren davor nicht möglich ist. Verurteilungen sind selten, da nicht ausreichend Ressourcen für die Ermittlungen in allen Fällen bereitgestellt werden. Für Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel waren, stellt die Regierung für maximal fünf Tage Unterkunft in Schutzhäusern zur Verfügung. NGOs kritisieren, dass die Unterstützung nicht ausreichend ist und die Gefahr neuerlich Opfer zu werden hoch ist. NGOs unterstützen männliche Opfer, bieten jedoch keine Unterkunft an (USDOS 28.6.2018).
Meinungs- und Pressefreiheit
Die laut Verfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit wird von der Regierung nicht immer respektiert und es gibt deutliche Einschränkungen (USDOS 20.4.2018). Die Regierung nutzt weiterhin repressive Gesetze, um die Meinungsfreiheit in unangemessener Weise einzuschränken und Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gezielt zu verfolgen und zu schikanieren (AI 23.5.2018). Bangladesch verfügt über eine lebhafte Medienlandschaft, vor allem im Bereich der Printmedien. Der einzige terrestrische staatliche TV-Sender (BTV) sowie das staatliche Radio berichten hauptsächlich aus Sicht der jeweiligen Regierung (ÖB 12.2018). Die unabhängigen Medien sind aktiv und drücken eine Vielzahl von Ansichten aus, werden allerdings Druck seitens der Regierung ausgesetzt, wenn sie diese kritisierten. So werden Pressekanäle durch das Zurückhalten finanziell wichtiger Regierungsinserate sowie durch Einflussnahme auf Privatunternehmen, ihre Werbung einzuschränken, beeinflusst. Aus Angst vor Belästigung und Repressalien zensieren sich Journalisten auch selbst (USDOS 20.4.2018). Im September 2018 verabschiedete die Regierung mit dem "Digital Security Act" ein Gesetz, das die Überwachung der gesamten elektronischen Kommunikation ermöglichen soll. Dieses neue Gesetz sollte missbräuchliche Bestimmungen des "Information and Communication Technology Act" (ICT-Act) behandeln, enthält jedoch selbst ähnliche Bestimmungen sowie neue Abschnitte zur Kriminalisierung der freien Meinungsäußerung (HRW 17.1.2019). Auf Basis des ICT Act wurden 2018 mehrere Dutzend Personen für Online-Verbrechen wie Verleumdung und Blasphemie, inhaftiert, darunter auch Aktivisten und Journalisten (FH 1.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Für das Jahr 2017 berichtet Odhikar von 32 Verhaftungen aufgrund des ICT-Gesetzes, die Betroffenen veröffentlichten Kommentare über hochrangige Regierungsmitglieder oder deren Familien (Odhikar 12.1.2018). Die Verfassung setzt Kritik an der Verfassung mit Verhetzung gleich. Die Strafe für Verhetzung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft. Im Jahr 2016 wurden mehrere Prominente der Verhetzung beschuldigt, darunter die Parteivorsitzende der Oppositionspartei BNP, sowie zwei Mediengrößen. Die Fälle der Mediengrößen wurden von der Regierung nicht weiter verfolgt (USDOS 20.4.2018). Auch Hassreden sind verboten, die Regierung hat aber aufgrund der fehlenden Definition im Gesetz einen breiten Interpretationsspielraum (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Regierung kann die Redefreiheit einschränken, wenn sie als gegen die Sicherheit des Staates gerichtet, gegen freundschaftliche Beziehungen mit ausländischen Staaten, gegen die öffentliche Ordnung, Anstand oder Moral oder wegen Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Anstiftung zu einer Straftat erachtet wird (USDOS 20.4.2018). Die "Bangladesh Telocommunication Regultory Commission" (BTRC) ist mit der Regulierung der Telekommunikation beauftragt, beschränkt den Internetzugang und filtert Internetinhalte. Es gibt ein gesetzliches Verbot der Nutzung von Virtual Private Networks und VOIP-Telefonie, das jedoch kaum exekutiert wird (USDOS 20.4.2018). Der "Official Secrecy Act" verbietet Journalisten das Sammeln von Informationen von staatlichen Quellen. Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 12.2018).
Die Bedrohungslage für Blogger und Herausgeber im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bleibt hoch (FH 12019). Journalisten sehen sich auch gewalttätigen Angriffen ausgesetzt, die mitunter zum Tode führen. In den letzten Jahren wurden wiederholt Blogger, die für ihre säkulare oder antiislamische Haltung bekannt waren, von Extremisten getötet. Es mehrten sich zuletzt wieder Medienberichte über angegriffene oder verschwundene Journalisten. Nicht alle tauchen wieder auf (ÖB 12.2018). Neben den Sicherheitskräften stellen auch Parteiaktivisten und islamisch-fundamentalistische Gruppen eine potenzielle Gefahrenquelle für Medienvertreter dar (ÖB 12.2018; vgl. FH 1.2019). Ein Klima der Straflosigkeit ist die Norm. Dutzende Blogger sind weiterhin untergetaucht oder im Exil (FH 1.2019) Die schleppende strafrechtliche Verfolgung der Tötungen säkularer Aktivisten in den Jahren 2015 und 2016 sorge in der Zivilgesellschaft nach wie vor für Beunruhigung (AI 23.5.2018; vgl. FH 1.2019). Im März 2017 wurde die bewaffnete Gruppe Ansar al-Islam verboten, die sich zu den Tötungen bekannt hatte (AI 23.5.2018). Im Vorfeld der 11. Parlamentswahlen vom 30.12.2018 haben unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien Einschränkungen bei ihren Aktivitäten erfahren. Im November 2018 gab es 72 Angriffe auf Journalisten, 39 Verhaftungen im Zusammenhang mit dem ICT-Act von 2006 und neun Verhaftungen im Zusammenhang mit dem "Digital Security Act" (FIDH 9.1.2019).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017).
Es sind Fälle bekannt geworden, in denen politischen Gruppen, unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz, die Versammlungsfreiheit abgesprochen wurde (AA 27.10.2017). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 12.2018). Die Regierung beendete in verschiedenen Fällen verbotene Versammlungen gewaltsam (AA 27.10.2017). Im Jahr 2017 wurden mehrere Versammlungen von verschiedenen politischen Parteien verboten und angegriffen (Odhikar 12.1.2018). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 1.2018). Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechts-Organisationen, wie "Bangladesh Center for Workers' Solidarity" Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der Bekleidungsindustrie, führen immer wieder zu Protesten. Im Zuge eines wochenlangen Streiks im Dezember 2016 wurden hunderte Arbeiter entlassen und zahlreiche Gewerkschaftsführer inhaftiert (FH 1.2018). Die Regierung scheint in ihrer Macht gefestigt und es gibt politische Stabilität. Diese Stabilität wird jedoch durch häufige Zusammenstöße mit Oppositionsanhängern sowie durch Fraktionskämpfe innerhalb der Parteien auf lokaler Ebene bedroht. Die großen politischen Parteien haben starke Organisationsstrukturen in deren Basis und können über ihre Vorfeldorganisationen wie Studenten- und Berufsverbindungen mobilisieren. Alle politischen Parteien zeigen Tendenzen zu Klientelismus, der mithilft, die Parteibasen intakt zu halten. Politische Polarisierung, durch Nepotismus charakterisiert, führt zu einer Volatilität im Wahlverhalten. Parteien wie Jamaat Islami haben ideologische Verbindungen zu ihren Kadern und können diesen durch ihr umfangreiches wirtschaftliches Netzwerk Arbeitsplätze verschaffen (BTI 2018). Die Mitgliedschaft oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führt nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung. Allerdings hat die Regierung seit dem Wahlboykott Anfang 2014 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen. Allein im Januar 2015 sollen 7.000 Aktivisten verhaftet worden sein, wobei auch vor hochrangigen Politikern nicht Halt gemacht wurde. Verhaftungen und strafrechtliche Verfahren werden traditionell mit Vorwürfen wegen Korruption, Steuerhinterziehung oder Erpressung begründet. Hinzu kommen nun auch Vorwürfe wegen Anstiftung zu bzw. Durchführung von Brandanschlägen (AA 27.10.2017). In vielen Fällen sind die Vorwürfe konstruiert (BTI 2018). Im Vorfeld der 11. Parlamentswahl in Bangladesch, welche am 30.12.2018 stattfand, wurden, nach Angaben der Opposition, seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrat, Erpressung und Fischdiebstahl (FIDH 9.1.2019).
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen bleiben hart und können bisweilen, wegen Überbelegung der Zellen und mangelhafter Sanitäranlagen, lebensbedrohlich sein (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017; ÖB 12.2018). Bis zu 200 Inhaftierte müssen auf ca. 40m² zusammen leben. Dies führt zu Gewaltakten zwischen den Inhaftierten und es besteht zudem die Gefahr religiöser Radikalisierung (AA 27.10.2017). Die offizielle Gesamtkapazität aller 68 Gefängnisse in Bangladesch liegt bei 34.167 Personen. Unabhängig davon sollen 2015 insgesamt 69.852 Personen landesweit inhaftiert gewesen sein, was 200 % der Gefängniskapazität entspricht Davon befanden sich 69 % in Untersuchungshaft oder warteten überhaupt erst auf den ersten Gerichtstermin (ÖB 12.2018). Gefängnisinsassen sind oft mangelhaft ernährt und verstärkt Infektionskrankheiten ausgesetzt (ÖB 12.2018). Die medizinische Versorgung ist teilweise gegeben (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017), aber auch weibliche Gefangene werden von ausschließlich männlichen Doktoren untersucht (ÖB 12.2018). Gemäß der Menschenrechtsorganisation Odhikar sind im Jahr 2017 58 Personen in Haft verstorben (Odhikar 12.1.2018). Obwohl das Gesetz eine gemeinsame Inhaftierung von jugendlichen und erwachsenen Straftätern verbietet, waren viele Minderjährige zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Trotz entsprechenden Gesetzen und Gerichtsurteilen wurden Kinder manchmal - gelegentlich zusammen mit ihren Müttern - inhaftiert. Obwohl Frauen in Sicherheitsunterbringung (meistens Opfer von Vergewaltigung, Menschenhandel und häuslicher Gewalt) (siehe auch Abschnitt 18.1) getrennt von Straftätern untergebracht werden müssen, haben die Behörden nicht immer separate Einrichtungen bereitgestellt (USDOS 20.4.2018). Gemäß USDOS erlaubte die Regierung im Jahr 2017 Haftbesuche des "International Committee of the Red Cross" (USDOS 20.4.2018), dem entgegenstehend gibt die Österreichische Botschaft Neu Delhi an, dass die Regierung von Bangladesch keine Haftbesuche des "International Committee of the Red Cross" oder anderen Menschenrechtsorganisationen erlaubt (ÖB 12.2018). Es gibt keinen Ombudsmann, an den sich Häftlinge mit Beschwerden wenden können (USDOS 20.4.2018). Das Gesetz ermöglicht es den Gefangenen aus religiösen Gründen zu fasten, garantiert jedoch keinen Zugang zu Geistlichen oder religiösen Dienstleistungen. Nur vor der Vollstreckung der Todesstrafe sind die Gefängnisbehörden verpflichtet, Zugang zu einem Geistlichen zu ermöglichen (USDOS 29.5.2018). Nach wie vor problematisch ist die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Nach den letzten verfügbaren Zahlen waren circa zwei Millionen Zivil- und Strafverfahren ausständig (ÖB 12.2018).
Todesstrafe
In Bangladesch wurden seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 2001 mehrere hundert Personen hingerichtet. Die im Todestrakt einsitzenden Häftlinge dürften gegenwärtig etwas über tausend ausmachen (ÖB 12.2018). Im Jahr 2017 wurden sechs Männer durch Hängen hingerichtet und mindestens 273 Personen, darunter vier Frauen, zum Tode verurteilt, die meisten von ihnen wegen Mordes. Mindestens eine der 2017 zum Tode verurteilten Personen war zum Tatzeitpunkt minderjährig (AI 12.4.2018). Im Jahr 2018 wurden bis inklusive Mai 172 Todesurteile verhängt, jedoch keine Exekutionen durchgeführt (Odhikar 2019c).
Bangladesch hat im Dezember 2012 in der UN-Vollversammlung gegen das weltweite Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe gestimmt. Der signifikante Anstieg der Todesurteile fällt zeitlich mit der Einführung der "Speedy Trial" Tribunals (auf Grundlage des "Disruption of Law and Order Offences Act" 2002) zusammen. Laut Angaben des "Ministry of Law" von Bangladesch sollen solche Tribunale in den ersten Jahren nach deren Einrichtung über 300 Todesurteile verhängt haben (ÖB 12.2018). Für zahlreiche Straftatbestände ist die Todesstrafe vorgesehen, u. a. Mord, Vergewaltigung, Menschen- und Drogenhandel, Volksverhetzung und Hochverrat, aber auch Falschmünzerei und Schmuggel. Der "Anti-Terrorism Act" von 2009 stellt weiterhin jegliche terroristische Aktivität unter Todesstrafe, ein Zusatzgesetz von 2012 auch deren Finanzierung (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018). Insbesondere aus einer weiten gesetzlichen Definition des Terroris