TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 W153 2223206-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W153 2223206-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zl. 1102704000-190750338, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der VR China, reiste laut eigenen Angaben im November 2015 nach Österreich ein. Am 19.01.2016 stellte der BF erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.01.2016 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er seinen Heimatstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat befürchte er, dass ihn die Regierung zu einer hohen Geldstrafe verurteile, da er zwei Kinder habe. Es könnte sein, dass er bei einer Rückkehr inhaftiert werde. In China sei es üblich, dass man dann misshandelt werde.

Am 20.06.2017 wurde das Asylverfahren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF unbekannt war.

Am 23.07.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.07.2019 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass seine Familie sehr arm gewesen sei. Seine älteste Tochter sei 2016 im Alter von 26 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Aufgrund der Ein-Kind-Politik habe er auch wegen der Geburt seiner zweiten Tochter Probleme. Er wisse nicht, seit wann er diese Probleme habe. Aus all diesen Gründen habe er China verlassen. Er sei nicht verfolgt worden. Bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat befürchte er eine Geldstrafe bezahlen zu müssen, welche ihm verhängt worden sei und inhaftiert zu werden. Er hätte kein Geld für eine medizinische Behandlung. Ihm gehe es gesundheitlich nicht gut.

Im Rahmen seiner Einvernahme am 02.08.2019 durch das BFA wiederholte der BF im Wesentlichen sein Vorbringen und führte dies näher aus. Er habe seit Monaten Schmerzen im Oberbauch und nehme Medikamente gegen Schmerzen ein. Er sei bereits medizinisch behandelt worden und müsse noch weiter untersucht werden. Hierbei legte er ein Konvolut an medizinischen Unterlagen u.a. mit der Diagnose Gastritis und Hepatitis B vor.

Mit Bescheid des BFA vom 12.08.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diese Entscheidung erhob der BF am 02.09.2019 Beschwerde und wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen. Der BF habe seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, habe im Asylverfahren mitgewirkt und alle Fragen beantwortet. Die Behörde habe es verabsäumt, den vorgebrachten Angaben von Amts wegen nachzugehen. Es habe keine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem gesamten individuellen Vorbringen des BF und kein adäquates Ermittlungsverfahren gegeben. Die Behörde habe dem BF die Glaubwürdigkeit abgesprochen, obwohl sich dieser in keinerlei Widersprüche verstrickt habe. Der BF sei sehr krank und habe seine medizinische Behandlung noch nicht abgeschlossen. Diesbezüglich wurden der Beschwerde mehrere Arztbefunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der VR China, gehört der Volksgruppe der Han an und ist Buddhist. Er reiste Ende November mit dem Flugzeug nach Russland und gelangte über weitere ihm unbekannte Länder nach Österreich, wo er erstmals am 19.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Aufgrund des unbekannten Aufenthaltsortes des BF wurde das Verfahren am 20.06.2017 gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt. Am 23.07.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF hat in seinem Herkunftsstaat eine vierjährige Schulbildung genossen und mehrjährige Berufserfahrung in der Baubranche gesammelt. Er ist arbeitsfähig und konnte sich vor seiner Ausreise sein Leben durch Erwerbstätigkeit finanzieren. Vor der Ausreise lebte der BF in der Provinz Hubei, XXXX . In der Provinz Hubei leben noch die Geschwister sowie seine volljährige Tochter; zu seiner Tochter hat der BF weiterhin regelmäßigen Kontakt.

Der BF konnte eine asylrelevante Verfolgung durch die Regierung aufgrund der Ein-Kind-Politik nicht glaubhaft machen.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach China Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Zum Entscheidungszeitpunkt kann auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF im Herkunftsstaat festgestellt werden.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht dem BF kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Es ist ihm zumutbar in China zu leben.

Es kann keine wie immer geartete existentielle Gefährdung des BF im Fall seiner Rückkehr in die Heimat festgestellt werden. Der BF hat Berufserfahrung im Heimatstaat und ist arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Zudem verfügt der BF in China noch über ein familiäres Netzwerk.

Der BF leidet an Hepatitis B, ist seit Juli 2019 in Österreich in ärztlicher Behandlung und nimmt Medikamente gegen Schmerzen ein. Hepatitis B ist in China behandelbar.

Besondere familiäre oder private Bindungen des BF bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Der BF spricht nicht Deutsch, er bezieht Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur Situation im Herkunftsstaat werden auszugsweise die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur VR China zitiert:

Politische Lage:

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesischbritischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a). Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werde zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA .2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

...

Allgemeine Menschenrechtslage

Die VR China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von UN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert (AA 4.2017a).

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei (KP) oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sog. schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die KP, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 15.12.2016).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 4.2017a).

Grundlegende Rechte, wie Rede- und Versammlungsfreiheit, sowie Reisefreiheit werden den Bewohner der autonomen Region Tibet (TAR) und anderen tibetischen Gebieten, sowie den Uiguren in der autonomen Region Xinjiang (XUAR) weiter verweigert (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Besonders außerhalb der Großstädte werden häufig Fälle gemeldet, in denen von Behörden beauftragte Kräfte, gegen unliebsame Personen vorgehen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 15.12.2016).

Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten, oder illegal in sog. "Black Jails", psychiatrischen Institutionen und anderen Orten inhaftiert, wo sie der Gefahr von Gewalt, psychischem Missbrauch oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

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Ein-Kind-Politik

Die Familienplanungspolitik sieht seit Anfang 2016 vor, dass eine verheiratete Frau in der Regel zwei Kinder bekommen darf. Viele lokale Vorschriften sehen Erleichterungen vor (z.B. für nationale Minderheiten, Rückkehrer etc.). So dürfen ethnische Minderheiten bis zu drei Kinder haben. Wenn ein Ehepaar gegen die Familienplanungsbestimmungen verstößt, muss die Familie mit einer für durchschnittliche chinesische Einkommensverhältnisse empfindlichen Geldbuße rechnen, die an das Einkommen gekoppelt ist (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a). Wird dieses Bußgeld nicht bezahlt, darf keine Eintragung des (zweiten oder weiteren) Kindes in das Haushaltsregister ("Hukou-System") vorgenommen werden (AA 5.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

Die Politik der Familienplanung wurde damit nicht abgeschafft, sondern lediglich auf zwei Kinder pro Ehepaar erweitert. Weiterhin muss vor der Geburt eine Genehmigung eingeholt werden. Da diese Genehmigung nur an verheiratete Ehepaare erteilt wird, haben alleinstehende Frauen keine Möglichkeit "legal" Kinder zur Welt zu bringen. Wie zuvor bestehen weiterhin Ausnahmen, die Familien zwei oder mehrere Kinder erlauben, wenn a) sie am Land leben und das erste Kind ein Mädchen oder behindert war; b) die Familie einer ethnischen Minderheit angehört; c) beide Elternteile Einzelkinder sind (seit 2010/2011); d) ein Elternteil ein Einzelkind ist (seit 2013/2014). Die Umsetzung erfolgt auf regionaler und lokaler Ebene. Änderungen der Politik werden prinzipiell nicht rückwirkend angewendet (ÖB 11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Sogenannte "black children", also "illegal" geborene Kinder, sind weiterhin anfällig für Missbrauch und Menschenhandel. Auch sie haben an sich das Recht auf Registrierung, Aufenthaltskarte ("Hukou-System") und Zugang zum staatlichen Bildungs- und Gesundheitssystem, welches ihnen jedoch häufig von den regionalen/lokalen Behörden verwehrt wird (ÖB 11.2016). Die Nationale Bevölkerungs- und Familienplanungskommission berichtet, dass alle Provinzen die Geburtenerlaubnis vor Empfängnis des ersten Kindes abgeschafft haben. Provinzen dürfen aber weiterhin verlangen, dass Eltern Schwangerschaften vor der Geburt des ersten Kindes registrieren lassen müssen. Diese "Registrierung" kann de facto als Genehmigungssystem angewandt werden. In fast allen Provinzen ist es für alleinstehende Frauen illegal, Kinder zu bekommen und wird mit Geldstrafen belegt (USDOS 3.3.2017).

Die Durchsetzung und Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik ist immer wieder mit gravierenden Verletzungen der Menschenrechte bis hin zu Zwangsabtreibungen in fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonaten verbunden, laut NGOs insbesondere in Xinjiang (AA 15.12.2015) obwohl diese verboten sind. Auf Eltern, die bereits zwei Kinder hatten, wird Druck ausgeübt, sich sterilisieren zu lassen. Es gibt auch Berichte über Zwangssterilisierungen (USDOS 3.3.2017; vgl. ÖB 11.2016, AA 15.12.2016). Bei Schwangerschaften unverheirateter Frauen drängen die Behörden auf eine "freiwillige" Abtreibung. Auch wenn es in China seit 2001 für medizinisches Personal verboten ist, werdenden Eltern das Geschlecht des Kindes vor Geburt bekannt zu geben, kommt es in manchen ländlichen Gebieten zu geschlechtsspezifischen Abtreibungen. Erzwungene Abtreibungen und Sterilisationen sind aber weniger weit verbreitet als in der Vergangenheit (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

Fälle einer staatlich gelenkten Entziehung von Kindern, die im Ausland entgegen der familienplanungsrechtlichen Vorschriften gezeugt wurden, sind gesetzlich nicht vorgesehen und nicht bekannt. Gelegentlich gibt es jedoch Berichte über Kinder, die von örtlichen Behörden als "Strafe" für Verstöße gegen die Familienplanungspolitik oder Nichtzahlung der Geldbuße den Familien weggenommen, an Waisenhäuser verkauft und von dort gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermittelt werden (AA 15.12.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

...

Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann (AA 17.8.2017). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 8.2016). Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 17.8.2017). Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet (AA 15.12.2016).

Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99 Prozent der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen (AA 15.10.2014). Trotzdem herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Der hohe formale Abdeckungsgrad in der chinesischen Krankenversicherung täuscht darüber hinweg, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall nach wie vor ungenügend ist. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert ist, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastung dar (AA 15.12.2016; vgl. ÖB 11.2016). Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (AA 15.12.2016). Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz (ÖB 11.2016).

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 8.2016).

Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

* der Weltverband der Uiguren,

* die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

* der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

* das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2016).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

...

2. Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Protokolle im Rahmen der Erstbefragungen und dem Verfahren vor dem BFA wurden vom BF durch seine Unterschrift hinsichtlich ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigt.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, der Herkunft des BF und seiner Familie stützen sich auf die Angaben des BF sowie seinen Sprachkenntnissen.

Die Feststellung bezüglich seines aktuellen Gesundheitszustandes beruht auf den Angaben des BF und den vorliegenden medizinischen Befunden.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Das Bundesverwaltungsgericht folgt bei den maßgeblichen Feststellungen der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Zusammengefasst hat das BFA zu Recht festgehalten, dass der BF keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehenden asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können.

Eine Bedrohung durch die Regierung scheint weder substantiiert noch glaubwürdig. In seiner Erstbefragung betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 19.01.2016 gab der BF explizit an, aus wirtschaftlichen Gründen seinen Heimatstaat verlassen zu haben. Ein Schlepper sei in die Heimatgemeinde des BF gekommen und hätte gesagt, dass er dem BF zu besseren Verdienstmöglichkeiten verhelfen könne. Auch in der Erstbefragung betreffend den gegenständlichen Antrag, führte der BF explizit an, nicht verfolgt worden zu sein (vgl. AS 23). Zwar dient die Erstbefragung "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen, ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht können somit im Rahmen ihrer Beweiswürdigung durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Auch die Ausführungen des BF in der Einvernahme vor dem BFA am 02.08.2019, dass er die Reisekosten geliehen habe und Europa viel besser sei als China sowie "Ich möchte deswegen einen Asylantrag stellen, da ich eine Krankenversicherung benötige", deuten auf wirtschaftliche Gründe des Verlassens des Heimatstaates hin (vgl. AS 99 und 101).

Weiters waren die Angaben betreffend die Kosten der Schleppung widersprüchlich. In der ersten Erstbefragung gab der BF an, diese hätten rund 6.000 Euro betragen. In der zweiten Erstbefragung gab er eine Summe von 9.500 Euro an. Darüber hinaus waren auch die Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BFA betreffend die Höhe der vermeintlichen Geldstrafe widersprüchlich. So gab der BF zunächst an, die Strafe würde 50.000 bis 60.000 Yuan (dies entspricht derzeit rund 6.400 bis 7.600 Euro) betragen (vgl. AS 95). Kurz darauf führte er hingegen aus, die Strafe belaufe sich auf rund 30.000 Yuan (dies entspricht derzeit rund 4.000 Euro) (vgl. AS 99). Die Behörde führte zutreffend aus, dass die Reisekosten höher waren, als die vermeintliche Geldstrafe. Der BF hätte daher die Geldstrafe begleichen können; dies wurde sogar vom BF bejaht (vgl. AS 99). Auch dieser Umstand deutet darauf hin, dass der BF seinen Heimatstaat aufgrund wirtschaftlicher Gründe verlassen hat.

Dabei sei nur ergänzend ausgeführt, dass das Vorbringen des BF, aufgrund der Geburt seiner zweiten Tochter eine Geldstrafe bezahlen zu müssen und aufgrund dieser Probleme seinen Heimatstaat verlassen zu haben, nicht glaubwürdig ist. Die zweite Tochter des BF ist mittlerweile 26 Jahre alt und im Hukou-System registriert. Auf Nachfrage der Behörde, wie der BF es geschafft habe seit der Geburt seiner Tochter bis zu seiner Flucht in China zu bleiben, gab der BF an, nur in einer Provinz Probleme gehabt zu haben. In der Provinz Jiangsu habe er keine Probleme (vgl. AS 103). Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation kann entnommen werden, dass wenn ein Ehepaar gegen die Familienplanungsbestimmungen verstößt, die Familie mit einer Geldbuße rechnen muss. Wird diese Geldstrafe nicht bezahlt, darf keine Eintragung des (zweiten oder weiteren) Kindes in das Hukou-System vorgenommen werden (siehe Seite 7 dieses Erkenntnisses). Der BF gab jedoch explizit an, dass seine zweite Tochter im Hukou-System registriert ist (vgl. AS 99). Auch vor diesem Hintergrund erweisen sich die Angaben des BF als nicht glaubwürdig. Hiezu sei nur ergänzend angemerkt, dass die Familienplanung in China bereits im Oktober 2015 - und somit bereits vor der Ausreise des BF - auf zwei Kinder gelockert worden ist (vgl. https://www.derstandard.at/story/2000024727283/china-schafft-ein-kind-politk-ab).

Das Bundesverwaltungsgericht folgt somit bei den maßgeblichen Feststellungen der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Es können die Schilderungen des BF letztlich nicht als asylrelevant qualifiziert werden.

Die festgestellten familiären und persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich im Speziellen aus den eigenen Angaben. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen in Österreich verfügt. Der arbeitsfähige BF hat bisher sein gesamtes Leben in China verbracht hat, wobei sich dort auch seine Geschwister und seine Tochter aufhalten und sohin von einem bestehenden familiären Netz auszugehen ist.

Auch sein Vorbringen, dass er seine Hepatitis B in China nicht behandelt lassen könne, findet in den Länderberichten keine Deckung. Im Übrigen ist nach wie vor von der Erwerbsfähigkeit des BF auszugehen, da dieser bereits vor seiner Ausreise berufstätig war. Eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit durch seine Erkrankung wurde von ihm weder behauptet, noch liegen hierfür Anhaltspunkte vor.

Die oben getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation im angefochtenen Bescheid. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die vom BFA zur Lage in der VR China getroffenen Feststellungen basieren auf Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts des bereits Ausgeführten im konkreten Fall eine ausreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des BF dar. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der VR China um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber weder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen noch Kampfhandlungen betroffen ist, und auch sonst nicht - etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Yemen, Syrien, Ukraine u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitsund/oder Versorgungslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098).

Trotz Defizite im Hinblick auf menschenrechtliche Standards herrscht in China auch kein Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen, durch welche alle Einwohner grundsätzlich einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Obwohl Korruption in China auch bei Behörden und Gerichten verbreitet ist und politische Einflussnahme besteht, lässt sich daraus auch nicht ableiten, dass der Schutz vor Übergriffen durch kriminelle Personen grundsätzlich nicht gewährleistet wäre und in China hinsichtlich krimineller Aktivitäten ein unverhältnismäßig hohes Sicherheitsrisiko bestehen würde. Auch sonst geht nicht hervor, dass der BF, der nicht politisch aktiv war, und der Volksgruppe der Han angehört, angesichts der allgemeinen Verhältnisse Verfolgung oder unmenschliche Behandlung befürchten müsste. Auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage ergibt sich kein Anhaltspunkt, wonach der BF im Herkunftsland in eine ausweglose Situation (Verpflegung/Unterkunft) geraten würde.

Aufgrund der Länderinformationen kann somit nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach China eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK droht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH vom 22.03.2017, Ra 2016/19/0350).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, VwGH vom 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass der BF im Herkunftsland aufgrund einer Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt wäre. Es ist dem BF nicht gelungen, individuelle Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung glaubwürdig darzutun.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus (VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich scheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt (VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137; VwGH vom 25.04.2017 Ra 2017/01/0016).

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens - den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet - nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Auch unter diesen Voraussetzungen ist aber bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).

Es obliegt auch in den nunmehr gegenständlichen Fällen - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis EGMR, 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61204/09).

Es müssen besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein beziehungsweise eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko ("a sufficiently real risk") der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0425 u.a.).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedenfalls nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 21.02.2016, Ra 2016/18/0137 mit Ausführungen zu den "special distinguishing features"; 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK fordert somit für die Verletzung dieser Norm das Vorhandensein "einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen" (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

Im Fall des BF ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist - wie oben bereits dargestellt - davon auszugehen, dass der BF weder aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der in der GFK angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat noch, dass er im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des BF sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Falle seiner Rückkehr drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich und Henao gg. die Niederlande, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

Vor dem Hintergrund der Feststellungen nicht gesagt werden, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, im Herkunftsland Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang ausreichender Intensität ausgesetzt zu sein.

Was die Hepatitis B Erkrankung des BF betrifft ist vorweg auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EM

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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