TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/30 W207 2179651-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2019
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Entscheidungsdatum

30.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W207 2179651-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX auch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, Zl. IFA: 1079665808 / VZ:

150924906, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 23.07.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 25.07.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am XXXX in Sar-e Pul in Afghanistan geboren zu sein, ledig zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Hazara und dem moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe im Iran elf Jahre lang die Schule besucht, zuletzt habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern, seine drei Brüder und seine zwei Schwestern würden im Iran leben. Der Beschwerdeführer gab an, dass er seit seinem dritten Lebensjahr legal mit seiner Familie im Iran gelebt habe, vor zwei Jahren seien sie allerdings zurück nach Afghanistan gegangen. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten mit dem Dorfältesten die Heimat verlassen habe müssen, sie seien aus Angst um ihr Leben geflüchtet. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer, getötet zu werden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 03.02.2016 wurde die Obsorge für den damals noch minderjährigen Beschwerdeführer dem Jugendwohlfahrtsträger Wien (MA 11) übertragen. Das Bezirksgericht ging in diesem rechtskräftigen und nach wie vor aufrechten Beschluss vom Geburtsdatum XXXX aus.

Betreffend den Beschwerdeführer wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung vom 04.04.2016 eingeholt. Mit diesem Gutachten wurde festgestellt, dass das höchstmögliche Mindestalter des Beschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt (11.02.2016) mit 18,2 Jahren anzunehmen sei. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum sei der XXXX . Es könne damit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (23.07.2015) von einem Mindestalter von 17,64 Jahren ausgegangen werden.

Mit Verfahrensanordnung vom 20.04.2016 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) festgehalten, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren wurde.

Zu dieser Verfahrensanordnung vom 20.04.2016 wurde von der damaligen Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 13.06.2016 eine Stellungnahme eingebracht. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass das eingeholte Gutachten vom 04.04.2016 grob unschlüssig sei und dass im Zweifel gemäß § 13 Abs. 3 letzter Satz BFA-VG von der Minderjährigkeit und der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer angegebenen Daten auszugehen sei. Nach Zulassung seines Verfahrens am 22.04.2016 wurde der Beschwerdeführer am 24.05.2017 - zu diesem Zeitpunkt war er auch ausgehend vom dem im Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 03.02.2016 zu Grunde gelegten Geburtsdatum XXXX bereits volljährig - vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er vor, dass er beim Arzt gewesen sei und dieser den XXXX als sein Geburtsdatum festgestellt habe. Er sei in Afghanistan in der Provinz Sar-e Pul geboren worden. Als er drei Jahre alt gewesen sei, sei er mit seiner Familie in den Iran gezogen. Er besitze die afghanische Staatsangehörigkeit, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei Moslem schiitischer Ausrichtung. Der Beschwerdeführer gab weiter an, dass er im Iran sechs Jahre lang eine Schule für Afghanen besucht habe, nach seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er dort ein weiteres Jahr die Schule besucht. Neben der Schule habe er seinem Vater sowohl im Iran, als auch in Afghanistan in der Landwirtschaft geholfen. Seine Eltern und seine fünf Geschwister würden sich zurzeit im Iran aufhalten, er stehe in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie. In Afghanistan würden noch sein Großvater und ein Onkel mütterlicherseits leben. Seine Familie habe viele Besitzungen in Afghanistan. Von seinem dritten Lebensjahr bis circa März 2013 habe er legal im Iran gelebt. Warum seine Familie damals aus Afghanistan ausgereist sei, wisse er nicht. Anfang 2013 sei er mit seiner Familie nach Afghanistan zurückgekehrt, da sie sich dort um ihren Besitz kümmern hätten wollen. Im Mai 2015 sei er dann von Afghanistan aus in Richtung Europa ausgereist.

Befragt zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer Folgendes aus: Als seine Familie im Iran gewesen sei, habe sich sein Cousin (der Sohn seiner Tante väterlicherseits) um die Grundstücke seiner Familie gekümmert. Dieser sei schließlich, circa zweieinhalb Jahre bevor die Familie des Beschwerdeführers zurück nach Afghanistan gezogen sei, in den Iran gekommen. Daher habe sich sein Onkel mütterlicherseits um die Grundstücke gekümmert. Dieser Onkel habe in Mazar-e Sharif gearbeitet, weswegen er seltener im Heimatdorf gewesen sei. Nachdem sich sein Onkel nicht mehr um die Grundstücke kümmern habe können, sei die Familie des Beschwerdeführers 2013 nach Afghanistan zurückgekehrt. Sie hätten damals nicht gewusst, dass sich ein reicher Mann aus ihrem Heimatdorf namens XXXX (in der Folge als H. bezeichnet) falsche Besitzurkunden für Teile ihrer Besitzungen (sechs Jerib, ein Jerib davon Garten) organisiert habe. Dieser Mann sei nach ihrer Rückkehr zum Dorfvorsteher gegangen und habe sich bei diesem über die Familie des Beschwerdeführers beschwert. Er habe gewollt, dass die Familie des Beschwerdeführers bis zur Klärung der Sache die Grundstücke nicht bewirtschafte. Sein Vater habe dies jedoch nicht gewollt, da er der Meinung gewesen sei, dass er im Besitz der Grundstücke sei, da er diese geerbt habe. Nachdem der Dorfvorsteher diese Probleme nicht lösen habe können, sei besagter H. zur Regierung gegangen und habe sich über seine Familie beschwerte. Der Vater des Beschwerdeführers, sein Onkel mütterlicherseits und sein Großvater hätten schließlich zu Gericht gemusst. Dort sei seinem Vater, welcher seine Besitzurkunden vorgelegt habe, gesagt worden, dass H. ebenfalls eine Urkunde habe und die Grundstücke vor circa zehn Jahren erworben habe. Sein Vater sei der Meinung, dass H. jemanden bestochen habe, um die Urkunden zu erhalten. Das Gericht habe schließlich beschlossen, dass der Vater des Beschwerdeführers die Grundstücke nicht mehr bewirtschaften dürfe, er habe dies jedoch weiterhin getan. Nach weiteren Auseinandersetzungen mit H. habe schließlich niemand mehr die Grundstücke bewirtschaftet. Im ersten Monat des Jahres 1394 (2015) sei der Sohn von H. von Unbekannten ermordet worden. Es seien Gerüchte aufgekommen, dass dieser von der Familie des Beschwerdeführers getötet worden sei. Daher hätten sein Vater und sein Großvater das Gespräch mit dem Dorfvorsteher und H. gesucht, sie hätten ihre Unschuld beteuert. H. habe jedoch damit gedroht, dass er die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere den Beschwerdeführer als ältesten Sohn, töten würde. Daher habe sich der Beschwerdeführer circa 15 Tage lang zu Hause versteckt und sei nicht arbeiten gegangen. Eines Abends seien zwei Leute auf einem Motorrad mit Kalaschnikows zu ihm nachhause gekommen, hätten gegen die Tür getreten und den Beschwerdeführer bedroht. Schließlich habe ihn sein Vater zu seinem Onkel nach Mazar-e Sharif geschickt. Dort sei er dem Neffen von H. begegnet. Nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer von seinem Onkel, nach Absprache mit seinem Vater, nach Kabul gebracht worden. Von dort sei er mit einem Schlepper in den Iran ausgereist, wo er sich Geld von seinen Cousins zur Weiterreise nach Europa ausgeborgt habe. Als er in Ungarn gewesen sei, habe er von seinem Onkel erfahren, dass seine Familie schlepperunterstützt in den Iran gegangen sei. Als er in Traiskirchen angekommen sei, habe er seine Familie kontaktiert. Sein Vater habe ihm gesagt, dass sie nicht mehr in Afghanistan leben hätten können, weshalb sie die Nutztiere verkauft hätten und in den Iran gegangen seien. Sein Vater habe auch erzählt, dass er in Mazar-e Sharif Probleme bekommen habe. Der Neffe von H. habe ihn erschießen wollen.

Im Rahmen dieser Einvernahme des Beschwerdeführers wurden ein Schulbesuchsnachweis vom 02.12.2015, eine Bestätigung des Lehrgangs der Unterstufe (BMHS) vom 01.07.2016, eine Bestätigung über den Besuch eines PC Basiskurses, diverse Deutschkursteilnahmebestätigungen, ein ÖSD Zertifikat B1 vom 19.01.2017, eine Kompetenzfeststellung für den Pflichtschulabschluss vom 18.05.2017, eine Bestätigung über Dolmetscherdienste für die Caritas sowie ein Sozialbericht der Caritas vom 23.05.2017 vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 11.12.2017 fristgerecht Beschwerde ein.

Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.12.2017 vom BFA vorgelegt.

Am 14.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeergänzung der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein. Es wurde in diesem Rahmen eine Accord Anfragebeantwortung zu Afghanistan zum Thema Blutrache vom 25.08.2014 vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, dass beabsichtigt werde, folgende Unterlagen der Entscheidung zugrunde zu legen: Das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, die Kurzinformation Sicherheitslage Q4 2018, ein ACCORD Bericht zu Afghanistan vom 07.12.2018, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und ein EASO-Bericht zu Afghanistan vom Jänner 2018.

Am 11.09.2019 legte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein Konvolut an Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers vor, und zwar eine Einzahlungsbestätigung einer HTL vom 02.09.2019, ein Zertifikat für interkulturelle Genderkompetenz vom 28.04.2019, ein Energie-führerschein Zertifikat vom 28.06.2018, Semesterzeugnisse einer HTL vom 28.06.2019 und 01.02.2019, ein Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 22.06.2018 sowie eine Auszeichnung des Vereins AKIS vom 22.09.2017.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. An der Verhandlung nahmen neben dem Beschwerdeführer ein Dolmetscher für die Sprache Dari, der Rechtsvertreter und eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers sowie ein Vertreter der belangten Behörde teil. Im Rahmen der Verhandlung wurden weitere Integrationsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer vorgelegt, und zwar eine Patenschaftsvereinbarung vom 20.06.2016, zwei Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer sowie ein Sozialbericht des Samariterbundes vom 20.09.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Er wurde in Afghanistan in der Provinz Sar-e Pul geboren. Das Bezirksgerichtes Innere Stadt ging in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 03.02.2016 vom Geburtsdatum XXXX aus.

Als der Beschwerdeführer ein Kleinkind war, zog er mit seiner Familie in den Iran, wo er aufwuchs. Im Jahr 2013 kehrte er mit seiner Familie in die Provinz Sar-e Pul nach Afghanistan zurück, wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa im Jahr 2015 lebte. Seine Identität steht nicht fest.

Die Eltern, die drei Brüder und die zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben im Iran, wo die Familie im landwirtschaftlichen Bereich tätig ist. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie im Iran. Auch Onkeln und Tanten sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits leben mit ihren Familien im Iran. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer noch Verwandte in Afghanistan hat.

Der Beschwerdeführer beherrscht Dari in Wort und Schrift. Er hat im Iran mehrere Jahre lang eine private Schule für afghanische Kinder besucht, nach seiner Rückkehr nach Afghanistan hat er dort eine Zeit lang die Schule besucht. Nebenbei hat der Beschwerdeführer sowohl im Iran, als auch in Afghanistan seinem Vater bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten geholfen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen alleinstehenden, kinderlosen, leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet aktuell an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen.

Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am 23.07.2015 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung, einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich geht er und ging er bisher nicht nach. Der Beschwerdeführer hat in Österreich zahlreiche Basisbildungs- sowie Deutschkurse besucht. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B1. Der Beschwerdeführer hat am 22.06.2018 den Pflichtschulabschluss gemacht, derzeit besucht er eine HTL der Fachrichtung Elektrotechnik. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Nicht festgestellt werden kann der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund. Es mag in diesem Zusammenhang zwar nicht ausgeschlossen sein, dass es in Afghanistan eine Grundstücksstreitigkeit zwischen der Familie des Beschwerdeführers und einer Person namens H. gegeben haben mag, die letztlich gerichtlich zu Ungunsten der Familie des Beschwerdeführers entscheiden wurde, jedoch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer deshalb in Afghanistan einer konkret und gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung durch den Prozessgegner namens H. ausgesetzt war und kann in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch diese Person wegen einer ihm unterstellten Tötung des Sohnes dieses Mannes einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch auf Grund einer "Verwestlichung" in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

Sar-i-Pul/Sar-e Pul/Sar-i Pol

Die nördliche Provinz Sar-i-Pul war bis 1988 Teil der Provinz Jawzjan (Pajhwok o.D.). Sie grenzt im Süden an die Provinzen Ghor und Bamyan, im Westen und im Norden an Faryab, Jawzjan und Balkh und im Osten an Samangan (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Sar-i-Pul/Sar-e-Pul, Sozma Qala/Sozmaqala, Sanga Charakh/Sancharak, Sayyad/Sayad, Kohistanat/Kohestanat, Kosfandi/Gosfandi und Balkhab (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

578.639 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Usbeken, Paschtunen, Hazara, Tadschiken und andere ethnische Gruppierungen (NPS o.D.).

Sar-i-Pul wird als eine der ressourcenreichsten Provinzen gesehen. Sie hat große Reserven an Erdöl, Kupfer und anderen natürlichen Bodenschätzen (Pajhwok o.D.). Mitte März wurden ca. 70.000 Obstbäume in verschiedenen Teilen der Provinz Sar-i-Pul gepflanzt; dies soll u. a. positive Auswirkungen auf die Lage der Bauern in der Provinz haben (Pajhwok 6.3.2018).

In der Provinz Sar-i-Pul stieg der Mohnanbau im Vergleich zu den 195 Hektar im Jahr 2014 auf 3.600 Hektar im Jahr 2017 (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Während die Provinz Sar-i-Pul im Februar und Juni 2017 noch zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählte (Khaama Press 27.6.2017; vgl. Khaama Press 5.2.2017), wurde sie im August 2017 als volatil bezeichnet (Tolonews 9.8.2017). Die Sicherheitslage in der Provinz Sar-i Pul hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, nachdem Aufständische der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen in gewissen Gegenden aktiv geworden sind (Khaama Press 18.12.2017; vgl. UNAMA 6.12.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 74 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 108 zivile Opfer (67 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren gezielte Tötungen, Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet eine Steigerung von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Sar-i-Pul

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien (Xinhua 24.1.2018; vgl. Xinhua 16.12.2017, Xinhua 16.8.2017, Khaama Press 8.4.2017, Khaama Press 24.1.2017); dabei werden Aufständische verhaftet (Khaama Press 24.1.2017) und getötet (Xinhua 16.12.2017). Auch werden Luftangriffe durchgeführt (Xinhua 24.1.2018); dabei werden Aufständische getötet (MT 26.3.2018; vgl. Xinhua 24.1.2018). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und den Sicherheitskräften finden statt (DZ 6.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Sar-i-Pul

Regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen sind in einigen Distrikten aktiv und führen Angriffe aus (Khaama Press 27.6.2017; vgl. UNAMA 6.12.2017). Talibankämpfer sind in der Provinz aktiv (Gandhara 16.8.2017; vgl. AJ 2.3.2017) und rekrutieren neue Anhänger (LWJ 2.2.2018). Der IS gewinnt in einigen Distrikten der Provinz Terrain (Xinhua 14.1.2018; vgl. FE 12.12.2017, AJ 2.3.2018, Khaama Press 27.6.2016).

So sollen Mitglieder des IS gemeinsam mit den Taliban, zwei i. d. R. verfeindete Gruppierungen, im August 2018 einen bedeutenden Angriff verübt und zahlreiche Zivilisten getötet haben (Xinhua 16.8.2017; vgl. Gandhara 16.8.2017, FN 9.8.2017, DZ 6.8.2017, Gandhara 6.8.2017). Auch ausländische Kämpfer sollen sich dem IS in Nordafghanistan, auch in der Provinz Sar-i Pul, angeschlossen haben (FE 12.12.2017; Khaama Press 24.1.2017).

Die Islamische Bewegung Usbekistan (IMU) ist in der Provinz aktiv und hat ein Trainingscamp in Sar-i-Pul (LWJ 2.2.2018); auch wird dem Anführer der Bewegung nachgesagt, in der Provinz für den IS zu rekrutieren (Tolonews 3.2.2017).

In einigen Fällen schließen sich Aufständische den Friedensprozessen in Sar-i-Pul an (Pajhwok 22.1.2018; vgl. Tolonews 23.1.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogenen Vorfälle (Gewalt gegenüber Zivilisten und Ferngewalt) in der Provinz Sar-i-Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Erreichbarkeit

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

Flugverbindungen

Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachse

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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