Entscheidungsdatum
25.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W173 2146782-3/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Prof. Mag. Dr. Vera M. Weld, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.8.2019, Zl. 1104853206 - 180470265, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., und V. als unbegründet abgewiesen.
II. Der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 8.2.2016 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.
2. Im Rahmen der am 9.2.2016 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zusammengefasst an, dass er im Iran illegal aufhältig gewesen sei und keine Rechte gehabt habe. Er habe weiter studieren wollen, was ihm jedoch verweigert worden sei. Er habe danach nur als Hilfsarbeiter tätig sein können und daher keine Aussicht auf eine gute Zukunft gehabt. Er habe daher das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, um in Österreich ein besseres Leben zu haben und in Freiheit zu leben. Afghanistan sei ebenfalls ein fremdes Land für ihn. In Afghanistan sei er in Gefahr. Dort sei Krieg und die Taliban würden ihn verfolgen.
3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 11.1.2017 gab der BF an, er sei Tadschike und sunnitischer Moslem. Er sei im Iran geboren und sein Geburtsdatum sei der XXXX . Befragt, warum seine Eltern damals Afghanistan verlassen hätten, gab der BF an, dass seine Mutter ihren Fluchtgrund nicht genannt habe. Sein Vater habe ihm erzählt, dass er Grundstücksstreitigkeiten mit den Söhnen des Onkels väterlicherseits gehabt habe. Seine Eltern hätten Afghanistan ungefähr vor 25 bis 30 Jahren verlassen. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und habe circa einen Monat nach der Matura das Land verlassen. Er sei nach der Beendigung der Schule zwei Mal für jeweils 15 bis 20 Tage nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe während dieser Zeit in Kabul gelebt und sein Vater habe ihm ein Hotel bezahlt. Seine Eltern seien in Kabul geboren. Bei der ersten Abschiebung nach Afghanistan habe er sich einen Reisepass ausstellen lassen. Im Iran habe er in Shiraz gelebt. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen an, in den letzten drei Monaten bevor er die Schule abgeschlossen habe, erkannt zu haben, dass ihm die iranische Regierung nicht die Möglichkeit geben werde, sich weiterzubilden. Entweder hätten sie ihn nach Afghanistan oder nach Syrien in den Krieg geschickt. Außerdem habe er eine Cousine väterlicherseits sehr gemocht. Nach der Matura hätten der BF und seine Cousine vermehrt Kontakt gehabt. Eines Tages sei er zu ihr nach Hause gegangen. Sie seien allein gewesen. Daraufhin hätten der BF und seine Cousine Geschlechtsverkehr gehabt. Nach einer Woche habe die Cousine dies ihrer Mutter erzählt, in der Annahme, dass die Mutter dies für sich behalte. Die Mutter habe es jedoch ihrem Ehemann und dem Bruder der Cousine erzählt. Die Cousine habe ihn daraufhin angerufen und ihm gesagt, dass er das Haus sofort verlassen solle, da ihr Bruder mit einem Messer auf dem Weg zum BF sei. Der BF sei daraufhin zu einem Freund gegangen. Der Cousin sei beim BF zu Hause gewesen und habe mit einem Messer bewaffnet nach ihm gesucht. Dem BF sei daraufhin klargeworden, dass er dort nicht mehr leben könne. Es gebe noch ein zweites Problem und zwar, dass die Cousine bereits dem Sohn ihres Onkels in Afghanistan versprochen gewesen sei. Der BF habe gewusst, dass die Grenzen nach Europa offen seien und habe beschlossen, das Land zu verlassen. In Istanbul hätten sie ihn jedoch nach Afghanistan abgeschoben. Er habe sich dort nur in einem Hotel aufgehalten, weil er Angst vor der Familie mütterlicherseits der Cousine gehabt habe. Der BF habe gewusst, dass die Söhne seines Onkels Fotos und Informationen über ihn hätten. Er habe Angst gehabt getötet zu werden. Darum könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren. Er sei außerdem nach Europa gekommen, da er hier die Möglichkeit habe, sich weiterzubilden.
4. Mit Bescheid vom 17.1.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Im Bescheid führte das BFA im Wesentlichen an, dass eine Bedrohung oder gar Verfolgung des BF durch Private im Sinne der GFK nicht festgestellt werden habe können. Es sei davon auszugehen, dass der BF sich einer unglaubhaften Fluchtgeschichte bediene und daher eine Gefährdung des BF bei seiner Rückkehr nicht vorliege. Die Voraussetzungen für § 57 AsylG 2005 würden nicht vorliegen. Im gegenständlichen Fall sei die Rückkehrentscheidung und die Abschiebung nach Afghanistan zulässig. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK liege nicht vor.
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich eine am 1.2.2017 erhobene Beschwerde, mit der der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, einer mangelhaften Beweiswürdigung, mangelhafter Feststellungen und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung angefochten wurde.
In der Beschwerdebegründung wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der BF begründete Angst habe, bei einem Verbleib bzw. einer allfälligen Rückkehr in den Iran, nach Syrien in den Krieg oder nach Afghanistan geschickt zu werden. Der BF wolle sich jedoch weiterbilden. Ein Weiterleben im Iran sei daher für ihn unzumutbar gewesen. Aufgrund des außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit seiner minderjährigen Cousine sei er auch bedroht, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite verfolgt zu werden. Die Familie der Cousine des BF werde möglicherweise mit Blutrache und Ehrenmord auf die Tat des BF reagieren. Weiters sei die Situation in Afghanistan sehr schlecht und unsicher. Der BF habe daher seine Asylgründe ausreichend begründet und glaubhaft gemacht. Die von der Behörde aufgezeigten Widersprüche seien keine solchen und hätten bei ausreichender Ermittlung aufgeklärt werden können. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde daher dem BF den Status des Asylberechtigen gemäß § 3 AsylG 2005 oder zumindest subsidiären Schutz oder einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zugestehen müssen. Der BF habe ein großes Netzwerk an österreichischen Freunden aus der Schule und außerhalb der Schule, mit denen er viel unternehme. Der BF engagiere sich weiters im Flüchtlingsheim und sei als Übersetzer tätig.
6. Mit Schreiben vom 27.10.2017 brachte der BF vor, dass die angeblichen Widersprüche und Verschleierungsversuche, die ihm im Bescheid zu Lasten gelegt werden würden, nur auf Missverständnissen beruhen würden. Weiters sei der BF nicht in Afghanistan sozialisiert und er verfüge über kein soziales Netz. Außerdem könnten die außereheliche Beziehung des Beschwerdeführers und die vormaligen Grundstücksstreitigkeiten des Vaters zur Blutrache führen. Auch aufgrund seiner westlichen Sozialisierung im Iran wäre der BF gefährdet. Weiters legte der BF ein B2-Zertifikat, eine Bestätigung über Dolmetschertätigkeiten sowie Empfehlungsschreiben vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 7.11.2017 in Anwesenheit einer beeideten Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein der rechtskundigen Vertretung des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Dabei gab der BF über sein bisheriges Vorbringen hinaus an, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, da sein Vater Schwierigkeiten mit seinen Cousins gehabt habe, die potentiell auch den BF treffen könnten. Weiters könne es sein, dass er mit dem Sohn des Onkels mütterlicherseits Probleme bekomme. Der BF habe Befürchtungen aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und in Kabul. Er kenne weder die Stadt noch die Gebräuche in Afghanistan und könnte so in Schwierigkeiten geraten. Seine Familie (Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern) lebe in Shiraz im Iran, wo es ihr wirtschaftlich gut gehe. Er sei 2-mal nach Afghanistan abgeschoben worden, wo er 15 bis 20 Tage in Kabul verbracht und sich eine Tazkira und den Reisepass ausstellen habe lassen. Sein Vater habe seinen dortigen Aufenthalt finanziert. Weitere Verwandte würden im Iran leben. In Kabul lebe sein Onkel mütterlicherseits mit seiner Familie. In Österreich habe er keine Familienangehörige oder Verwandet. In Österreich, wo er in einer Flüchtlingsunterkunft lebe, besuche er das Gymnasium und arbeite als Dolmetscher sowie unterstütze Personen bei Veranstaltungen. Er spiele mit Freunden privat Federball sei aber bei keinem Verein. Mit drei oder vier österreichischen Freunden versuche er, seine Freizeit zu verbrinden. Beim Sprechen versuche er seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Afghanen in seiner Unterkunft versuche er beim Deutschlernen zu helfen. Auf eine Freundschaft ging der BF jedoch nicht näher ein. Er habe sehr guten Kontakt zu einer Volksschullehrerin, mit der er für bestimmte Prüfungen lerne und ihr und ihrer Familie im Gegenzug bei Arbeiten im Haus helfe. Einen Freund aus XXXX treffe er jeden Samstag, um nach Wien zu fahren und etwas gemeinsam zu unternehmen. In zwanzig Tagen habe er die Deutschprüfung C1. Ob er zur Matura zugelassen werde, wisse er noch nicht. Er möchte jedenfalls in Österreich ein Studium oder eine Lehre absolvieren.
8. Mit Schreiben vom 14.12.2017 und 26.03.2018 wurden vom BF weitere Unterlagen betreffend die Dolmetschertätigkeiten des BF beim Standesamt in XXXX anlässlich einer Eheschließung für die Sprache "Dari" sowie Empfehlungsschreiben vorgelegt. Der Quartierbetreuer des BF (Herrn XXXX - 20.3.2018) bestätigte darin, die ehrenamtliche Dolmetschtätigkeit des BF und die Motivation und den Integrationswillen des BF, die zu einer Integration auf hohen Niveau geführt hätten. Herr XXXX (19.3.2018), der angab, mit dem BF zahlreiche Aktivitäten zu unternehmen, bestätigte das schulische und außerschulische Engagment des BF, sowie den Integrationswillen des BF. Herr XXXX bekräftigte im Schreiben vom 26.3.2018 als ehrenamtlicher Deutschlehrer und Betreuer für Asylwerber die schulischen Fortschritte sowie Beliebtheit des BF, wodurch er österreichischen Freunde gewonnen habe. Ebenso bekräftigte er die Dolmetschtätigkeit des BF und Teilnahme an Integrationsveranstaltungen. Es sei ihm ein dauerhafter Aufenthalt in Österreich zu gewähren.
9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.4.2018 zu W259 2146782-/16E wurde die Beschwerde des BF vom 1.2.2017 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF in Afghanistan nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen sei und nicht festgestellt werden habe können, dass der BF mit einer Cousine im Iran außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe und deshalb von Privatpersonen oder vom afghanischen Staat verfolgt worden sei bzw. werde. Der BF habe den Iran verlassen, um in Europa eine Ausbildung absolvieren zu können. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei der BF weder im Hinblick auf eine westliche Lebenseinstellung einer Gewalt durch die Taliban ausgesetzt, noch müsse er sonst einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung befürchten. Der BF laufe bei einer Rückkehr nach Kabul nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft nicht befriedigen zu können oder sonst in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Vielmehr könne der BF sich anfänglich eine Existenz als Hilfs- oder Gelegenheitsarbeiter sichern. Er könne in der Stadt Kabul eine einfache Unterkunft finden und die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Die Familie im Iran könne ihn auch finanziell unterstützen. Außergewöhnliche gegen eine Rückkehr nach Kabul sprechende Gründe würden nicht vorliegen.
Der BF halte sich seit Februar 2016 in Österreich auf. Der BF habe Deutschunterricht absolviert und besitze ein B2 Deutsch-Zertifikat. Der BF könne sich dementsprechend auf Deutsch auf B2-Niveau verständigen. Der BF besuche das Bundesgymnasium XXXX . Infolge fehlender Arbeitserlaubnis sei der BF bisher in Österreich nicht erwerbstätig gewesen. Er übe jedoch Dolmetschertätigkeiten aus. Weitere gemeinnützige bzw. ehrenamtliche Tätigkeiten hätten nicht festgestellt werden können. Der BF lebe in Österreich von der Grundversorgung. Ferner verfüge er über keine Einstellzusage in Österreich. Der BF spiele Badminton. Er habe drei bis vier österreichische Freunde. Neben diesen Freundschaften hätten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt können. Es würden keine nahen Familienangehörigen des BF in Österreich leben.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 seien vom BF im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK nicht erfüllt. Da die Familienangehörigen des BF im Iran leben würden, fehle es dem BF an Verwandten und nahe Angehörige in Österreich, sodass kein unzulässiger Eingriff zur Schutz des Familienlebens vorliegen könne. Es fehle aber auch einer von Art. 8 EMRK geschützten Aufenthaltsverfestigung des BF in Österreich. Dagegen spreche der lediglich dreijährige Aufenthalt des BF. Den subjektiven Interessen des BF am Verbleib in Österreich könne nicht der Vorzug gegenüber maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegeben werden. Auch unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale - wie etwa Unbescholtenheit und ein Bekanntenkreis im Bundesgebiet - könne eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden. In Hinblick auf den kurzen dreijährigen Aufenthalt des BF sei zu beachten, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig gewesen sei. Ausgeprägte private und persönliche Interessen habe der BF im Verfahren nicht dargetan. Kulturellen Tätigkeiten gehe er nicht nach. Beziehungen oder Lebensgemeinschaften hätten nicht festgestellt werden können. Die dargestellten Freundschaften und die vom BF zuletzt vorgelegten Empfehlungsschreiben würden keine maßgeblichen Integrationsschritte des BF darzulegen vermögen. Auch aus den Empfehlungsschreiben von privaten Personen, gehe nicht hervor, dass der BF zu ihnen eine besondere Freundschaft aufgebaut hätte. Auch wenn der BF bereits Deutsch spreche und sich als ehrenamtlicher Dolmetscher in Österreich engagiert habe, sei insgesamt davon auszugehen, dass im Falle des BF bisher nur ein geringer Grad an Integration erreicht worden sei. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich sei aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt habe, nur in geringem Maße gegeben. Der BF habe zwar keine persönlichen Bindungen im Herkunftsstaat. Dass der BF strafrechtlich unbescholten sei, vermöge weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen. Es sei davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund treten würden.
Die Verfügung der Rückkehrentscheidung sei daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheine auch nicht unverhältnismäßig. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stelle sohin keine Verletzung des BF in seinem seien auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 sei daher ebenfalls nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG leg.cit. würden vorliegen. Ein Aufenthaltstitel nach § 57 leg.cit. sei nicht zu erteilen.
Zur Zulässigkeit der Abschiebung wurde ausgeführt, dass gegenständlich keine Umstände vorliegen würden, die gegen eine solche iSd § 50 FPG sprechen würden. Dem BF sei kein Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Es stehe dieser auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichthof für Menschenrechte entgegen. Im Verfahren hätten sich keine Anhaltspunkte für die Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung aus den in § 57 AsylG 2005 angeführten Gründen ergeben. Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 sei mit einer Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides zu verbinden. Das Erkenntnis vom 30.4.2018 blieb unbekämpfterwuchs in Rechtskraft.
10. Am 18.5.2018 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 für eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gestützt auf die Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Im Formular gab der BF als bisherigen Aufenthaltstitel seine Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 leg.cit. an und führte eine Sozialversicherungsnummer für seine gesetzliche Krankenversicherung für die Aufenthaltsdauer an. Zu seiner Integration führte der BF aus, sich seit Februar 2016 in Österreich durchgängig aufzuhalten und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau C1 zu verfügen. Zur absolvierten Ausbildung führte der BF den Besuch der Volks- und Mittelschule im Iran sowie einen zweijährigen Besuch des Gymnasiums
XXXX an.
11. Mit Schreiben vom 18.5.2018 erteilte das BFA dem BF einen Verbesserungsauftrag und führte aus, dass hinsichtlich des Antrags gemäß § 55 AsylG 2005 binnen vier Wochen ein Lichtbild, ein gültiges Reisedokument sowie Deutschzeugnisse im Original vorzulegen seien.
12. Mit Schreiben vom 12.6.2018 übermittelte der BF, vertreten durch die Rechtsanwältin Prof. Mag. Dr. Vera M. Weld, eine Antragsbegründung. In dieser wurde ausgeführt, dass der BF aus Afghanistan stamme, wo er keine Verwandten mehr habe und keine berufliche Zukunft sehe. Er sei in Afghanistan geboren. In diesem Zusammenhang wurde dem Schreiben eine aus dem Persischen übersetzte Geburtsurkunde angehängt. Er habe nach Afghanistan keine so starke Bindung wie nach Österreich und seine Eltern würden im Iran und nicht im Heimatland Afghanistan leben. Er habe in der Zeit von 4.9.2017 bis zum 2.5.2018 das Bundesgymnasium XXXX besucht. Der BF sei um seine Integration bemüht und habe den Deutschkurs auf dem Niveau C1 bestanden. Er strebe auch eine Integration am Arbeitsmarkt an, um schnellstmöglich seinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und alsbald über eigene finanzielle Mittel zu verfügen. Der BF sei bemüht, als Dolmetscher in der Sprache Farsi/Dari ehrenamtlich zu arbeiten. Er habe bereits Erfahrungen durch die Teilnahme als Dolmetscher bei der Eheschließung eines persischen Ehepaares im Standesamt XXXX und bei sämtlichen Kulturrundgängen für die niederösterreichische Landesausstellung gesammelt. Der BF habe sich bei Vertiefungskursen zur Vertiefung in der Sprache Farsi/Dari beim Österreichischen Integrationsfonds angemeldet. Er habe eine bejahende Einstellung zur Republik Österreich und zur österreichischen Rechtsordnung. Insofern habe er an dem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen. Es wurden dem Antrag diverse Integrationsunterlagen in Kopie, darunter ein Zeugnis über eine Deutschprüfung auf dem Niveau C1, eine Schulbesuchsbestätigung des Bundesrealgymnasiums XXXX sowie Bestätigungen der Dolmetschertätigkeit des BF bei einer Hochzeit als auch der Niederösterreichischen Landesausstellung 2017 vorgelegt.
13. Am 23.8.2018 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme wurden vom BF diverse Empfehlungsschreiben, eine Schulbesuchsbestätigung sowie eine Teilnahmebestätigung des Kursmoduls "Sicherheit & Polizei" vorgelegt. Dem BF wurde vorgehalten, dass gegen ihn seit 30.4.2018 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestehe. Seinen Reisepass könne er nicht vorlegen, dieser befinde sich bei seiner Familie im Iran. Er sei seit seinem Aufenthalt in Österreich nie in den Iran oder nach Afghanistan gereist. Zum gegenständlichen Antrag führte der BF aus, sich in Österreich sehr bemüht und sehr viele Freunde zu haben sowie seine Zukunft in Österreich zu sehen. Seit seinem 15. Lebensjahr habe er immer nach Österreich kommen wollen. Seitdem er in Österreich sei, habe er sich sehr bemüht und wolle sich ein Leben aufbauen. In XXXX lebe eine Tante väterlicherseits ( XXXX ). Im Iran würde seine Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder leben. In Afghanistan habe er niemanden. Zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes gab der BF an, vom Paten Herr XXXX seit dem negativen Bescheid finanziell unterstützen würde. Monatlich bekomme er so viel Geld wie er benötige. Seit 18.5.2018 würde er keine Sozialhilfe mehr beziehen und besitze kein Vermögen. Die Eigentumswohnung einer Freundin könne er ungeltlich als Unterkunft (
XXXX ) benützen. Er habe genügend österreichische Freunde und sei Mitglied im Federballclub XXXX , wofür er über keine Bestätigung verfüge.
Die belangte Behörde nahm dem BF die Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 (weiße Karte) ab.
Befragt, was er bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten habe, bezog sich der BF auf seine im Iran lebende Familie, zu der er nicht mangels Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung nicht zurückehren könne. In Afghanistan kenne er weder die Sprache noch die afghanische Kultur, da er dort nicht geboren sei. Er habe einen Deutschkurs C1 absolviert und melde sich am 8.9.2018 zur Prüfung auf dem Niveau C2 an. In der Freizeit arbeite er freiwillig, er koche und lerne die Sprache, treffe seine Freunde und mache Sport. Die weiße Karte ermögliche es ihm, in Mangelberufen arbeiten und eine Lehrstelle suchen können. Er habe bisher mehr als 40 Bewerbungen geschickt. Trotz Vorhalts der belangten Behörde, sich unrechtsmäßig in Österreich aufzuhalten, und bestehender Verpflichtung zur Ausreise in Verbindung mit der drohenden Abschiebung, war der BF nicht bereit, freiwillig in sein Heimatland auszureisen. Der BF wurde über die Absicht zur Abweisung seines verfahrensgegenständlichen Antrages informiert. Zudem wurde der BF zu seinem rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 120 Abs. 1a FPG und auf die zwangsweise Durchführung seiner Außerlandesbringung verwiesen, sollte er seiner Ausreise nicht unverzüglich nachkommen. Dem hielt der BF entgegen, sich - wie bereits angegeben - zu bemühen, in Österreich zu bleiben, zumal er die Sprache gelernt und hier auch sehr viele Freunde habe. Der rechtlichen Vertretung des BF wurde eine 14-tägige Stellungnahmefrist eingeräumt. Mit Schreiben vom 23.8.2018 wurde der BF auf die verpflichtende Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgespräche hingewiesen.
14. Mit Stellungnahme vom 21.9.2018 führte die rechtliche Vertretung des BF aus, dass der BF beabsichtige, wie die in Österreich ansässige Familie seiner Tante hier seine Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. Die Familie der Tante des Antragstellers ( XXXX , geb. XXXX , sowie ihre 7 Kinder) lebe in XXXX und habe aus derselben Situation wie der BF den Fluchtstatus bestätigt bekommen. Dies sollte im Sinne der Gleichbehandlung zum Überdenken des Falles des BF führen. In diesem Zusammenhang wurde eine Kopie einer Seite eines bis 26.8.2023 gültigen Konventionspass vorgelegt, in der der Name eines Herrn XXXX aus Kabul aufschien. Als Nachweise für seine Überlebensfähigkeit in Österreich unabhängig von staatlicher Förderung legte der BF eine mit 14.9.2018 datierte Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs.1 Z 26 AsylG 2005 unterzeichnet von Herrn XXXX sowie einen Vorvertrag mit dem Biobauernhof XXXX vor. Der BF sei auch ständig bemüht, seine Integration und Leistungsfähigkeit durch Weiterbildungen zu vertiefen bzw. zu erhöhen. Dazu wurde als Beilage ein Konvolut an Integrationserklärungen sowie Empfehlungsschreiben von etwa 50 Personen vorgelegt, in denen die Aufgeschlossenheit und Integrationswilligkeit des BF hervorgehoben wurde. Der BF sei in Österreich nicht nur als Freund und Bekannter im sozialen Leben bestens vernetzt und integriert, sondern auch als Mitglied von Vereinen als Teil des sozialen Lebens aktiv. Hierzu wurde im Zuge des Schreibens die Bestätigung der Mitgliedschaft in der Sportunion
XXXX sowie die Bestätigung der ehrenamtlichen Arbeit im Pflege- und Betreuungszentrum XXXX vorgelegt.
15. Von der belangten Behörde wurde in der Folge für 6.11.2018 die Abschiebung des BF nach Afghanistan organisiert, die aber an den zwischen dem 3. und 5.11.2018 vorgenommenen erfolglosen Versuchen der Landespolizeidirektion Wien zur Festnahme des BF an seiner Wiener Meldeadresse scheiterte. Der BF konnte dort dreimal nicht angetroffen werden.
16. Zur ergänzenden Einvernahme am 9.1.2019 zum verfahrensgegenständlichen Antrag erschien jedoch der BF bei der belangten Behörde. Befragt, warum er das Bundesgebiet trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht verlassen habe, gab der BF an, dass er seit seiner Kindheit nach Europa kommen habe wollen. Seit er 13-14 Jahre alt sei, wolle er in Österreich leben. Seine familiären Verhältnisse hätten sich seit der Einvernahme am 23.8.2018 insofern geändert, als sein Vater nun krank sei. Sein Reisepass sei nach wie vor im Iran. Er wohne bei seiner sich derzeit in Amerika befindenden Freundin in XXXX , wo er immer schlafe. In sein Heimatland reise er nicht freiwillig aus, zumal er sich Mühe geben werde, hier zu bleiben und sein Ziel erreichen werde. Wiederum wurde der BF auf die beabsichtigte Abweisung seines verfahrensgegenständlichen Antrages hingewiesen. Im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung wurde der BF festgenommen. Der Antrag auf internationalen Schutz sei negativ beschieden worden. Die begehrte freiwillige Ausreise von 30 Tagen wurde mangels Vertrauenswürdigkeit des BF nicht gewährt.
17. Bei der Einvernahme am 10.1.2019 im Zuge der Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung brachte der BF vor, während seines dreijährigen Aufenthalts in Österreich nie straffällig geworden zu sein, die Sprache gelernt und gearbeitet zu haben sowie auch Freunde zu habe. Er sei nach Österreich im Hinblick auf das gute Leben gekommen und wolle hier auch leben. Er bezog sich auf seinen freiwilligen Unterricht in XXXX und seine in zwei Wochen abzulegende Prüfung. Im Hinblick auf seinen Unterricht und seine Freunde in XXXX wohne er bei seinem Paten, XXXX , in XXXX , auch wenn er einen Schlafplatz in Wien habe. Seine Tante väterlicherseits lebe mit ihrer Familie in Österreich. Seine Kernfamilie sei in Shiraz im Iran. Zur beabsichtigten Erlassung der Schubhaft gab der BF an, in ein anderes EU-Land zu wollen. Eine Abschiebung werde er nicht akzeptieren.
18. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 10.1.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. In der gegen den Mandatsbescheid erhobene Beschwerde vom 11.1.2019 bezog sich der BF auf seine gute Integration in Österreich in Verbindung mit seinem Schulbesuch, seine Sprachkenntnisse auf Niveau C2 (17.12.2018) sowie sein umfangreiches Netz an sozialen Kontakten sowie auf seine oben genannte Patenschaftserklärung. Am 12.1.2019 stellte der BF mündlich einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er am 15.1.2019 wieder nach Rücksprache mit seiner Rechtsvertretung zurückzog. Es wurden weitere Anträge auf Abberaumung des Abschiebetermins sowie auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung gestellt, dem die oben genannte Patenschaftserklärung, die aus seinem Schulbesuch resultierenden Unterstützungserklärungen sowie die mit 21.9.2018 datierte Bestätigung für seine Dolmetschtätigkeit am Landesgericht Korneuburg angeschlossen war. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.1.2019 wurde die Beschwerde gegen den Mandatbescheid als unbegründet abgewiesen. Der BF wurde am 16.2.2019 nach Kabul abgeschoben. Infolge einer außerordentlichen Revision wurde die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.1.2019 zur Schubhaftverhängung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 7.3.2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgehoben. In der Folge wurde in Abwesenheit des BF eine mündliche Verhandlung am 3.9.2019 vom Bundesverwaltungsgericht zur Schubhaftverhängung durchgeführt. In dieser wurden als Zeugen der Pate des BF Herr XXXX einvernommen. Herr XXXX sah in der Patenschaft eine gute Idee die fortgeschrittene Integration des BF zu bestätigen, würde allerdings wegen der Abschiebekosten heute keine solche mehr unterzeichnen. Der Pate habe großes Vertrauen gehabt und den BF in XXXX in seiner Wohnung übernachten lassen, damit der BF nach dem Unterricht und dem Übersetzen nicht nach Wien zurückkehren habe müssen. Dem Paten war die Rückkehrentscheidung bekannt, er ging jedoch davon aus, dass sich der BF legal in Österreich befinde. Seine Unterstützung betrage ein paar Hundert Dollar. Der BF sei bei der WGKK versichert gewesen. Auch Frau XXXX , die dem BF ihre Wohnung in Wien zur Verfügung stellte, war der illegale Aufenthalt des BF unbekannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.9.2019 wurde der Bescheid zur Schubhaftverhängung ersatzlos behoben.
19. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 27.8.2019, Zl 1104853206-180470265, wurde Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte II. und III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Begründend wurde von der Behörde ausgeführt, dass der BF in Österreich keine Familie habe. Seine gesamte Familie lebe in Afghanistan bzw. dem Iran. Er habe sich seit 30.4.2018 unrechtmäßig in Österreich befunden und habe einen unberechtigten Asylantrag gestellt. Trotz der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei er weiterhin illegal im Bundesgebiet verbleiben. Er sei und wäre mittelos und gehe keiner legalen Arbeit nach. Er habe sich hartnäckig geweigert, Österreich zu verlassen und auszureisen. Er habe den Asylantrag unter falscher Identität gestellt und sich im Verborgenen unter Umgehung des Meldegesetzes aufgehalten, um seiner Abschiebung zu entgehen. Der BF sei nur zum Teil sozial verankert durch diverse Bekannte. Außer seinem Paten habe der BF keine engen Freunde genannt. Der BF gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und bestehe keine begründete Aussicht, dass er eine Arbeitsstelle finden könne. Er könne sich nicht seinen Unterhalt im Bundesgebiet finanzieren und verfüge über keine Barmittel und sei als mittellos anzusehen. Durch sein Verhalten stelle er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Es bestehe kein triftiger Grund, der gegen seine Rückkehr nach Afghanistan spreche.
Hinsichtlich Spruchpunkt I. wurde rechtlich ausgeführt, dass sich die Familie des BF im Iran und Afghanistan befinde. Aufgrund seines kurzen Aufenthaltes in Wien sei der BF nicht familiär, sozial oder beruflich in Österreich verankert. Es habe sich nur um eine ganz geringfügige Integration durch diverse Bekannte handeln können. Deren Namen und Adressen habe der BF während der Einvernahmen vor dem BFA auch nicht konkret nennen können. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sei daher nicht in Betracht gekommen. Bei einer Abweisung des Aufenthaltstitels sei die Rückkehrentscheidung zulässig (Spruchpunkt II). Weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat, noch aus dem Vorbringen des BF ergebe sich die Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder dem Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe. Der BF wäre auch als Zivilperson keiner ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt. Teile Afghanistans würden als sicher gelten. Auch habe der BF keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Abschiebung des BF nach Afghanistan sei daher zulässig (Spruchpunkt III). Der BF vermöge nicht den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen, weswegen er den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG verwirkliche. Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten, insbesondere wie der BF sein Leben in Österreich insgesamt gestalte, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass er eine Gefahr die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt sei. Der BF sei mittelos, nicht krankenversichert und gehe keiner geregelten Arbeit nach und habe in Österreich auch keine Aussicht, eine solche zu finden. Laut Aussagen des BF besitze er keine finanziellen Mittel und finanziere sich seinen Unterhalt durch die Unterstützung von Freunden und Bekannten. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit sowie bei der Bemessung des Einreiseverbotes, könne sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern sei insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien die familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des BF, seiner Lebensumstände sowie familiärer und privater Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern (Spruchpunkt IV). Da die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, werde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt.
20. Mit Schreiben vom 9.9.2019 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.8.2019. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde das Bestehen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens verneine und dies damit begründe, dass der BF aufgrund seiner erst kurzen Aufenthaltsdauer im österreichischen Bundesgebiet (seit 2016, sohin drei Jahre) bloß eine geringfügige Integration durch diverse Bekannte erfahren habe können. Sie lasse dabei allerdings die vorgelegten Unterlagen außer Acht, die das Gegenteil statuieren würden. So nehme die Behörde keinerlei Bezug auf die in XXXX lebende Tante väterlicherseits. Die getroffene Feststellung, dass der BF keine ausreichende soziale Verankerung vorweisen könne, sei unrichtig. Die Behörde habe es diesbezüglich unterlassen, den gesamten Akt des BF in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Zu den beiden Familien XXXX und XXXX bestehe eine quasifamiliäre Bindung. Sie hätten den BF aufgenommen und in ihren familiären Alltag integriert. Er sei immer noch bei allen möglichen Feierlichkeiten wie Geburtstagen ein unverzichtbarer Mitwirkender und komme auch an den christlichen Feiertagen zu seinen österreichischen Familien. Auch zu den Kindern habe er eine geschwisterähnliche Bindung aufgebaut. Er könne sich ein Leben ohne dieses soziale Netz und die Unternehmungen mit seien österreichischen Familien kaum mehr vorstellen. Hinzu komme, dass nicht nur die Unterschriftenliste mit zahlreichen Unterstützern der Behörde vorgelegt worden sei, sondern die starke soziale Integration des BF auch aus den dutzenden angemeldeten Besuchern während seiner Schubhaft eindeutig zweifelsfrei abzuleiten sei. Dass er lediglich "zum Teil sozial verankert" sei, sei daher eine unrichtige Feststellung der Behörde. Weiters zeige er sein Engagement als Deutschlehrer (drei Mal pro Woche) und Übersetzer am Gericht in Korneuburg. Beide Tätigkeiten hätte die Behörde nicht ausreichend berücksichtigt und nicht in die Entscheidungsfindung bezogen. Im Vergleich dazu habe er nach Afghanistan noch weniger Bezug, da er dort lediglich geboren worden sei, aber nie gelebt habe. Aufgewachsen sei der BF im Iran. Auch diesen Umstand lasse die Behörde außer Acht. Der BF habe die Kopie des Reisepasses bewusst vorgelegt, da er das Original nicht beschaffen habe können. Im Iran sei das Versenden von Reisepässen illegal. Die Feststellung hinsichtlich einer nicht bestehende beruflichen Integration sei ebenfalls unrichtig und wären hier die entsprechen Unterlagen, die der Behörde vorgelegt worden seien, in die Entscheidung einzubeziehen gewesen. Anzumerken sei, dass in Bezug auf die Wohnsitzüberprüfung in Wien voreilig auf eine Scheinmeldung geschlossen worden sei. Der BF habe einen geregelten Tagesablauf gehabt. Er sei ehrenamtlich tätig gewesen sei und habe auch seine Freizeitbeschäftigungen oft sehr straff organisiert. Der BF habe sich keineswegs - wie von der Behörde vorgeworfen - "im Verborgenen" gehalten und sei nur deshalb der Ladungen der Behörde nachgekommen, weil er etwas von ihr gewollt habe. Diese Unterstellung sei keineswegs gerechtfertigt und entbehre jeglicher Grundlage. Der BF sei der Ladung vielmehr nachgekommen und habe sich zu jeder Zeit des Verfahrens gestellt. Er habe sich dem Zugriff der Behörde daher nicht entzogen. Dies verkenne die Behörde und unterstelle dem BF grundlos eine böswillige Absicht. Bei Vergleich mit einem anderen durchschnittlichen Bewohner Österreichs sei es auch dort nicht sehr wahrscheinlich einen solche zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten in der Wohnung anzutreffen. Der Schluss, dass sich der BF der Behörde entziehen habe wollen, sei daher etwas weit hergeholt, zumal er jeder Ladung der Behörde Folge geleistet habe. Auch die Befragung der Anrainer mit einem unkenntlichen Foto des BF habe nicht zielführend sein können. Der BF habe keine Grundversorgung mehr bezogen. Es sei eine Abmeldung beim Amt in Niederösterreich versucht worden, jedoch an der Verweigerung gescheitert. Ein Bezug von Sozialleistungen erfolge nicht. Die Behörde gehe zudem ständig von einem illegalen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet aus. Es werde dabei allerdings vollkommen außer Acht gelassen, dass der BF durch die Antragstellung gemäß § 55 AsylG 2005 zumindest schwebend legal - bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung - aufhältig gewesen sei. Hinsichtlich Spruchpunkt III. habe die Behörde festgestellt, dass "Teile Afghanistans" als "sicher" gelten würde. Fraglich sei, ob dies bereits ausreichend sei, um eine Abschiebung des BF nach Afghanistan für zulässig zu erklären.
Die belangte Behörde stütze ihre Entscheidung über die Erlassung eines Einreiseverbots von drei Jahren primär auch die unrichtige Feststellung, wonach der BF nicht imstande sei, ausreichend Mittel für die Bestreitung seines Unterhalts vorzuweisen. Diese Mittellosigkeit liege jedoch nicht vor. Herr XXXX habe die Patenschaft für den BF übernommen und komme dadurch für seinen Unterhalt und seine Lebenskosten auf. Zudem habe der BF auch selbst gearbeitet (Gerichtsdolmetscher und Gärtner) und hätte auch von einer Lehrlingsentschädigung seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Von Mittellosigkeit habe in keinem Zeitpunkt des Verfahrens ausgegangen werden können. Ebenso sei der BF entgegen der Behauptung der Behörde krankenversichert gewesen. Die Feststellung der Behörde, dass der BF keine Aussicht habe, eine geregelte Arbeit in Österreich zu finden, sei eine bloße Vermutung. Bereits geleisteten Arbeiten und Integrationsschritte des BF seien nicht berücksichtigt worden. Die Verhängung des Einreiseverbots entbehre nicht nur jeglicher Rechtsgrundlage, sondern werden von der Behörde auf Gründe gestützt, die allein mit den Unterlagen aus dem Verfahrensakt bereits beseitigt werden könnten. Die Behörde habe es sohin auch hier unterlassen, auf den konkreten Einzelfall einzugehen und alle relevanten Umstände in ihre Entscheidung miteinzubeziehen. Beantragt wurde zudem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
21. Der mündlichen Verhandlung am 14.11.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht blieb die Rechtsvertreterin BF trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt fern. An dieser nahm die belangte Behörde teil. Es wurden die aktuellen Länderberichte und die UNHCR-RL erörtert. Die belangte Behörde verwies auf die Zurückziehung des am 12.1.2019 gestellten Folgeantrags auf internationalen Schutz am 15.1.2019. Der BF habe seine Aufenthaltsberechtigungskarte (weiße Karte) missbräuchlich verwendet. Kurz nach der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei der verfahrensgegenständliche Antrag gestellt worden, obwohl sich der BF unrechtsmäßig in Österreich aufgehalten habe. Seine gesetzten Integrationsschritte seien unter dem unsicheren Aufenthalts-Status zu bewerten. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Der BF habe auch nicht an seinem Ausreiseverfahren mitgewirkt. Das in Österreich begründete Privatleben sei zu einem Zeitpunkt begründet worden, als sich der BF seines unsicheren Aufenthaltes habe bewusst sein müssen. Die Tätigkeit als Gerichtsdolmetscher und als Gärtner sei auf Basis seines illegalen Aufenthalts in Österreich erfolgt. Bei einer Gesamtabwägung liege kein schützenswerter Privatleben iSd Art. 8 EMRK vor. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des BF:
Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und am XXXX geboren. Der BF gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Der BF ist in der iranischen Stadt Shiraz im Kreise seiner Familie (Eltern, ein Bruder, zwei Schwestern) aufgewachsen. Er ist mit der afghanischen Tradition und Kultur vertraut. Die Eltern des BF sind in der Provinz Kabul geboren. Der BF hat im Iran zwölf Jahre lang die Schule besucht und als Obstverkäufer und Büromitarbeiter in den Ferien gearbeitet. Danach hat er das Land verlassen. Die Kernfamilie des BF, der es wirtschaftlich gut geht, lebt nach wie vor im Iran. Der BF hat sich bereits zweimal für jeweils fünfzehn bis zwanzig Tage in der Stadt Kabul aufgehalten.
Der BF reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 8.2.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 17.1.2017 abgewiesen. Es wurde ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Weiters wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist. Dagegen erhob der BF am 1.2.2017 Beschwerde. Der BF absolvierte privaten Deutschunterricht und besaß ein B2 Deutsch-Zertifikat. Er besuchte das Bundesgymnasium XXXX seit 20.10.2016. Wegen einer fehlenden Arbeitserlaubnis war der BF in Österreich nicht erwerbstätig. Er übte jedoch Dolmetschertätigkeiten aus. Der BF lebte in Österreich von der Grundversorgung. Der BF spielte Badminton. Er hatte drei bis vier österreichische Freunde. Darüber hinaus bestanden keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z. B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften). Nach einer mündlichen Verhandlung am 7.11.2017 wurde die gegen den Bescheid vom 17.1.2017 erhobene Beschwerde des BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.4.2018, W259 2146782-1/16E, als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.
Am 18.5.2018 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (weiße Karte). Der BF benützte weiter seine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005. Er beendete seinen Schulbesuch im Gymnasium XXXX am 2.5.2018. Er absolvierte am 30.5.2018 die Deutschprüfung für das Niveau C1. Ab 5.6.2018 war der BF in XXXX , gemeldet, wo ihm eine Wohnung von Frau XXXX zur Verfügung gestellt wurde. Im Zuge seiner Einvernahme am 23.8.2018 durch die belangte Behörde wurde dem BF die bestehende rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorgehalten. Im Rahmen dieser Einvernahme wurde die Aufenthaltsberechtigungskarte des BF vom BFA eingezogen.
Eine für den 6.11.2018 beabsichtigte Abschiebung des BF konnte nicht durchgeführt werden, da der BF nicht am gemeldeten Hauptwohnsitz angetroffen werden konnte. Am 9.1.2018 wurde der BF nach Ladung zu einer neuerlichen Einvernahme zum Antrag auf Aufenthaltsberechtigung vom 18.5.2018 einvernommen und anschließend festgenommen.
Am 10.1.2019 wurde der BF zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Am selben Tag wurde über den BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Seinen am 12.1.2019 gestellten Folgeantrag auf Gewährung von internationalem Schutz zog der BF 15.1.2019 zurück. Am 16.2.2019 wurde der BF nach Afghanistan abgeschoben.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Die Eltern des BF sowie zwei Schwestern und ein Bruder leben im Iran.
Eine Tante des BF lebt in XXXX , zu der BF während seiner Zeit in Österreich kein außergewöhnliches Naheverhältnis entwickelte.
Herr XXXX gab für den BF am 14.9.2018 eine Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 ab. Die Gültigkeit dieser Patenschaftserklärung wurde mit 3 Jahren festgesetzt. Er unterstützte den BF mit "ein paar Hundert Dollar".
Der BF verfügte über eine Zusage zur Einstellung als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter beim Biobauernhof XXXX . Der BF konnte im Verfahren zahlreiche Empfehlungsschreiben sowie eine Unterstützungserklärung mit 58 Unterschriften vorlegen. Am 21.9.2018 war der BF am Landesgericht Korneuburg in einem Strafverfahren als Gerichtdolmetsch tätig.
Der BF unterrichtete als Mitglied des ehrenamtlich tätigen Deutschlehrerteams im Asylbewerberheim XXXX seit Mitte Juli 2018 Asylwerber in deutscher Sprache. Der BF leitete hierbei einen Deutsch A0-Kurs und gab Nachhilfe für A1- sowie A2-Kursteilnehmer.
Der BF war zum 12.9.2018 Mitglied der Sportunion XXXX (Einheit Badminton).
Der BF hat am 9.7.2018 am Modul "Sicherheit & Polizei" der Landespolizeidirektion Wien teilgenommen.
Am 28.11.2018 bestand der BF die ÖSD Prüfungen für die Module Schreiben und Sprechen auf dem Niveau C2.
Der BF war vom 14.6.2018 bis zum 5.7.2018 insgesamt 27 Stunden ehrenamtlich im Pflege- und Betreuungszentrum XXXX tätig.
1.3 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht werden insbesondere folgende Quellen zugrunde gelegt:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung inkl. Kurzinformation vom 26.03.2019 und 04.06.2019
* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018;
1.3.1 Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 13.11.2019 (Grafiken nicht darstellbar):
3. Sicherheitslage in Afghanistan
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit
29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
(....)
Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entsp