Index
L85007 Straßen Tirol;Norm
B-VG Art94;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des C in K, vertreten durch D und D, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. Mai 1997, Zl. IIb1-L-2261/6-1997, betreffend Enteignung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Kramsach, vertreten durch Dr. Anton Schiessling und Dr. Othmar Knödl, Rechtsanwälte in Rattenberg, Hassauerstraße 75),
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Festsetzung der Enteignungsentschädigung richtet.
II. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Streitgegenständlich ist die Enteignung einer Fläche von 46 m2, die in der Natur Teil einer bereits bestehenden Straße ist.
Mit Verordnung vom 29. Oktober 1996 wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die zuvor genannte Straße (in der Verordnung näher beschrieben) zum Gemeindeweg erklärt, mit dem Beisatz, daß die Verordnung rechtswirksam werde, sobald die Gemeinde die zivilrechtliche Verfügungsgewalt über die Wegfläche erhalte.
Mit dem bei der belangten Behörde am 16. Dezember 1996 eingelangten Antrag vom 9. Dezember 1996 beantragte die Gemeinde unter Hinweis auf diese Verordnung die Enteignung der streitgegenständlichen Fläche, die im Eigentum des Beschwerdeführers stehe. Unter Hinweis auf die zuvor genannte Verordnung wurde vorgebracht, daß über die fragliche Straße drei bestehende Häuser und eine weitere, gewidmete Bauparzelle erschlossen würden, sodaß die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 lit. c des Tiroler Straßengesetzes jedenfalls gegeben seien. Die Erschließung liege im örtlichen Raumordnungsinteresse der Gemeinde. Der Beschwerdeführer sei nicht bereit, die streitgegenständliche Fläche der Gemeinde zu übertragen. Dem Antrag waren verschiedene Beilagen angeschlossen.
Zwischenzeitig hatte der Beschwerdeführer bei der Gemeinde eine Aufsichtsbeschwerde (vom 11. Dezember 1996) gegen die Verordnung vom 29. Oktober 1996 eingebracht, die von der Gemeinde der belangten Behörde vorgelegt wurde.
Die belangte Behörde äußerte mit Erledigung an die Gemeinde vom 8. Jänner 1997 Bedenken im Hinblick auf die Textierung der Verordnung, wonach deren Rechtswirksamkeit bis zu dem Zeitpunkt aufgeschoben worden sei, an welchem die Gemeinde zivilrechtliche Verfügungsgewalt über die Wegfläche erhalte, und regte eine Abänderung der Verordnung an (wurde näher ausgeführt).
Mit weiterer Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 1997 wurde die fragliche Straße gemäß § 13 TStG zur Gemeindestraße erklärt (in der Verordnung näher beschrieben). Der Gemeingebrauch an dem Straßenstück trete mit dem Erwerb der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt über die Straßenfläche durch die Gemeinde in Kraft. In einem wurde einstimmig beschlossen, die Verordnung vom 29. Oktober 1996 aufzuheben.
Nach Kundmachung der Verordnung teilte die belangte Behörde mit Erledigung vom 10. März 1997 mit, daß aufgrund der gemäß § 114 der Tiroler Gemeindeordnung erfolgten Prüfung gegen den Inhalt der Verordnung keine Bedenken bestünden.
Hierauf wurde über den Antrag der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Dezember 1996 mit Kundmachung vom 18. April 1997 eine mündliche Verhandlung für den 7. Mai 1997 anberaumt, die in der Folge auf den 12. Mai 1997 vertagt wurde. Der Beschwerdeführer erhob Einwendungen gegen den Enteignungsantrag. Die Gemeinde hatte eine Entschädigung von S 600,-- pro Quadratmeter angeboten; diesbezüglich kam auch nach Erörterung durch den Verhandlungsleiter eine Einigung nicht zustande.
Mit dem angefochtenen Bescheid (die Urschrift wurde unter Verwendung eines internen Formblattes hergestellt) hat die belangte Behörde I. dahin entschieden, "daß für die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens" die Notwendigkeit der Enteignung der im Grundeinlösungsplan dargestellten, unter Spruchpunkt II des Bescheides angeführten Grundflächen gegeben sei, hat ausgeprochen, daß diese Grundflächen zugunsten des öffentlichen Gutes der Gemeinde Kramsach für dauernd lastenfrei enteignet erklärt würden und hat weiters II. die für die eingelösten Grundflächen (es handelt sich um die streitgegenständliche Fläche) zu leistenden Entschädigungen mit S 20,--
pro Quadratmeter festgesetzt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die an Ort und Stelle durchgeführte Verhandlung habe ergeben, daß zur Erreichung des Gemeingebrauches auf der gegenständlichen Gemeindestraße die im Grundeinlösungsplan dargestellte Fläche von 46 m2 benötigt werde. Die Voraussetzungen der Enteignung, nämlich Bedarf, Notwendigkeit und Umfang, seien daher gegeben. Dem Begehren des Beschwerdeführers auf Abweisung des Enteignungsantrages habe nicht entsprochen werden können. Wenn er behaupte, daß ein öffentliches Verkehrsinteresse deshalb nicht gegeben sei, weil nur private Liegenschaften und Objekte erschlossen würden, verkenne die Verkehrserschließungsaufgaben der Gemeinde. Zudem sei diese Frage schon im Verordnungs-Prüfungsverfahren geklärt worden. Die Behauptung, daß die Enteignung nicht zulässig sei, weil eine gütliche Einigung möglich wäre, sei durch das Verhandlungsergebnis widerlegt worden (es folgen Ausführungen zur Höhe der festgesetzten Entschädigung).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 29. September 1997, B 1558/97-8, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde den Enteignungsantrag vom 9. Dezember 1996 "mangels bestehender Aktivlegitimation" der mitbeteiligten Gemeinde im Hinblick auf die Fassung der Verordnung vom 29. Oktober 1996 (wonach die Verordnung rechtswirksam werde, sobald die Gemeinde die zivilrechtliche Verfügungsgewalt über die Wegfläche erhalte) "zurückweisen" hätte müssen. Dieser behauptete Mangel wurde nämlich durch die Erlassung der Verordnung vom 14. Februar 1997 (womit auch in einem die Verordnung vom 29. Oktober 1996 aufgehoben wurde) saniert. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers bedurfte es - jedenfalls nach den Umständen des Beschwerdefalles - keiner neuerlichen Antragstellung.
Richtig ist, daß im angefochtenen Bescheid unzutreffenderweise von einem "Bauvorhaben" die Rede ist, zu dessen Realisierung die Enteignung erfolge. Diese verfehlte Formulierung - "Bauvorhaben" - beruht, wie sich aus den Akten ergibt, darauf, daß das verwendete interne Formular nicht den Umständen des Beschwerdefalles entsprechend abgeändert wurde (anders als bei der Kundmachung vom 18. April 1996, für welche teilweise auch ein internes Formblatt verwendet wurde, bei welchem aber "Straßenbauvorhaben" in "Vorhaben" abgeändert wurde). Der Umstand, daß im angefochtenen Bescheid nicht von einem "Vorhaben", sondern (mangels Ausbesserung des Formulares) von einem "Bauvorhaben" die Rede ist, beruht nicht, wie der Beschwerdeführer mutmaßt, auf aktenwidrigen Sachverhaltsannahmen (oder gar auf einer aktenwidrigen Verkennung des Verfahrensgegenstandes), sondern auf einem offenkundigen Versehen in der Art eines Schreibfehlers, den im Beschwerdefall keine entscheidende Bedeutung zukommt.
Nach § 62 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, (TStG) ist eine Enteignung nur zulässig, wenn
a)
für das Vorhaben, dessen Verwirklichung die Enteignung dienen soll, ein Bedarf besteht, dessen Deckung im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist,
b)
der Gegenstand der Enteignung geeignet ist, der zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwirklichung des Vorhabens zu dienen,
c)
der Gegenstand der Enteignung nicht anders als durch Enteignung beschafft werden kann und
d)
durch die Enteignung ihr Zweck unmittelbar verwirklicht werden kann.
Entgegen der Auffassung des Beschderdeführers sind diese Voraussetzungen gegeben: da die enteignete Fläche bereits Teil einer bestehenden Gemeindestraße ist, ist der Bedarf im Sinne des § 62 Abs. 1 lit. a TStG zu bejahen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 17.März 1994, Zl. 92/06/0155). Mit der - allfälligen - Einräumung von Dienstbarkeiten zugunsten von Grundstücken, die durch die bestehende Straße aufgeschlossen werden (diesbezüglich gibt es, wie dem Akteninhalt zu entnehmen ist, offenkundig zivilrechtliche Auseinandersetzungen) wird diesem Bedarf nicht ausreichend entsprochen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 90/06/0097). Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang auch geltend, daß im Hinblick auf die Möglichkeit, privatrechtliche Nutzungsvereinbarungen zu schließen, der angefochtene Bescheid auch gegen § 62 Abs. 1 lit. c TStG verstoße. Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, daß Gegenstand der Enteignung die Übertragung des Eigentums an die Gemeinde ist. Diesbezüglich kam aber eine Einigung im Verwaltungsverfahren nicht zustande, worauf die belangte Behörde auch im angefochtenen Bescheid verwiesen hat. Der Beschwerdeführer behauptet gar nicht, daß dies unzutreffend wäre.
Der Beschwerdeführer vermag demnach keine Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Enteignung aufzuzeigen.
Soweit sich der Beschwerdeführer aber gegen den angefochtenen Bescheid im Hinblick darauf wendet, daß die für die Enteignung festgesetzte Vergütung viel zu gering bemessen und dies im übrigen nicht ausreichend begründet worden sei, wendet er sich gegen die Festsetzung der Enteignungsentschädigung. Diesbezüglich ist die Beschwerde aber unzulässig, weil das Gesetz (§ 74 Abs. 2 TStG) dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einräumt, insofern das Gericht anzurufen, womit der Ausspruch über die Vergütung außer Kraft tritt (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/06/0148, unter Hinweis auf Vorjudikatur).
Insofern war die Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen; im übrigen war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Gerichtliche oder schiedsgerichtliche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997060243.X00Im RIS seit
20.11.2000