Entscheidungsdatum
03.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W274 2195704-1/19E
Gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs 5 VwGVG
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX , iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Innsbrucker Bundesstraße 47a, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 5.4.2018, Zl. 1183293504 - 180227055/BMI-BFA_NOE_RD, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der BF reiste - offenbar mit dem Reisepass seines Bruders mit gefälschtem Visum - am 12.02.2018 von Shiraz mit dem Flugzeug nach Wien und wollte mit weiterem Flug nach London weiterreisen.
Nachdem die Visa-Fälschung sowie die Benutzung eines falschen Reisepasses auffiel, stellte er am 07.03.2018 vor dem Stadtpolizeikommando Schwechat Antrag auf internationalen Schutz, mit der Begründung, er habe beschlossen, den Islam aufzugeben und zum Christentum zu konvertieren, er habe sich in Istanbul taufen lassen, sei danach in den Iran zurückgereist und habe dort Hauskirchen besucht. Beim dritten Mal habe er dort Leute vom Etelaat gesehen und sei geflohen. Er habe dann das Land verlassen.
Am 13.03.2018 erfolgte eine Befragung vor dem BFA, in der der BF die Fluchtgründe näher ausführte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz, sowohl hinsichtlich Asyl als auch Subsidiärschutz, abgewiesen (Spruchpunkt I und II), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV), festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V) und eine Frist für eine freiwillige Ausreise gesetzt. Zusammengefasst wurden die Fluchtgründe und eine Konversion zum Christentum als nicht glaubhaft erachtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde im vollen Umfang mit dem primären Antrag, dem BF Asyl zu zuerkennen.
In der Folge wurden weitere Unterlagen vorgelegt und im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG am 2.12.2019 der BF als Partei und XXXX als Zeugin vernommen.
Dabei kam hervor, der BF verbrachte sein Leben im Iran, in einer kleinen Stadt in der Nähe von Shiraz, wo er zuletzt mit seinem Bruder XXXX gemeinsam wohnte und die elterliche Landwirtschaft bewirtschaftete. Er hat ein technisches Studium absolviert und ist im schiitisch islamischen Glauben aufgewachsen. Er ist unverheiratet und Kinderlos. Unter nicht geklärten Umständen wollte er sich Ende 2017 taufen lassen, reiste zu diesem Zweck nach Istanbul und erfuhr durch Priester der äthiopisch-orthodoxen Tewahido Kirche am 27.12.2017 eine Taufzeremonie. Ohne zunächst hiefür eine Bestätigung zu erhalten, reiste er zurück in den Iran, den er um den 12.02.2018 wieder verließ. Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF bereits in Iran das Christentum soweit kennenlernte, dass er ein starkes inneres Bedürfnis hatte, zu diesem Glauben überzutreten. Nicht festgestellt werden konnte, dass in Gegenwart des BF ein Freund ertrank, er in diesem Zusammenhang am Islam zweifelte und dass der BF im Iran einen " XXXX " kennenlernte, über den er Kontakt zu Hauskirchen knüpfen konnte. Nicht festgestellt werden konnte auch, dass er nach seiner Rückkehr in den Iran Anfang 2018 zwei Mal eine Hauskirche besuchte und beim dritten Mal dort behördliche Kräfte sah, die ihn zur Flucht veranlassten.
Der BF kam bereits am 20.03.2018 in ein Flüchtlingsquartier in Thalgau und wechselte im Sommer 2019 in ein derartiges Quartier in Seekirchen. Seit Beginn seines Aufenthaltes in Thalgau suchte er dort die katholische Pfarrkirche auf und kam bereits am Beginn in Kontakt unter anderem mit XXXX . Er besuchte regelmäßig die Gottesdienste und nahm an Bibelrunden teil. Er vermittelte von Anfang an großes Interesse am christlichen Glauben, setzte Integrationsschritte (Sprachkurse) und engagierte sich ehrenamtlich. Mit Übersiedelung nach Seekirchen ist er nunmehr in der dortigen Pfarre präsent und besucht Sonntagsgottesdienste. Er ist weiter in der Bibelrunde von XXXX in Thalgau und besucht auch monatlich die Bibelrunde von XXXX .
Es ist glaubhaft, dass der BF zwischenzeitlich innerlich derart den christlichen Glauben angenommen hat, dass er das Bedürfnis hätte, diesen auch unter geänderten Verhältnissen, wie einer Rückkehr in den Iran, innerlich und äußerlich auszuleben.
Die Taufe fand unter durchaus merkwürdigen Umständen statt. Schon der Umstand der Taufbestätigung - laut einem Schreiben XXXX , Nationaldirektor der päpstlichen Nationalwerke Österreich, überbrachte dieser die Nachricht von dieser Taufe nach einer Rückkehr von Istanbul und Gesprächen mit dortigen Priestern, wobei ihm eine Taufe im Frühjahr 2017 von einem äthiopischen Priester in einer armenischen Kirche mittgeteilt worden sein soll, eine schriftliche Bestätigung gäbe es nicht - wohingegen in weiterer Folge sehr wohl der BF eine schriftliche Bestätigung mit Beilage ./C vorlegt. Grund zur Skepsis liefern einerseits die Abweichungen des Originals der Beilage ./C von der mit der Beschwerde vorgelegten Kopie, als auch der vergleich mit einer im Akt erliegenden Bestätigung vom 06.05.2018, woraus sich auch unterschiedliche Schreibweisen des gleichen Unterzeichners ergeben. Angesichts des vom BF gezeigten Videos im Zusammenhalt mit der offenbar breiten Akzeptanz dieser Taufe durch mehrere katholische Amtsträger ist aber insofern von einem Tatsachenkern auszugehen, dass eine derartige Zeremonie durch äthiopisch orthodoxe Amtsträger stattfand. Betreffend die Negativfeststellungen zu näherem Interesse für das Christentum im Iran und den dortigen Hauskirchenbesuchen wird hier nur festgehalten, dass die Erzählung betreffend den ertrinkenden Freund zusammenhanglos war, der BF vor Gericht wesentlich verstärkend schilderte, dieser hätte ihn auch noch hinuntergezogen, aber nicht annähernd in der Lage war dieses Ereignis in einen realistischen Rahmen zu setzen. Auch in Zusammenschau der Befragung vor BFA und Gericht gelang es dem BF nicht annähernd, jene Person, die ihn zum christlichen Glauben gebracht haben soll, " XXXX ", realistisch erscheinen zu lassen. Es wurde nicht einmal deutlich, wie dieser Kontakt über die Distanz zwischen Isfahan und Shiraz hätte ablaufen sollen. Die behauptete Verfolgung aufgrund des dritten Besuches bei einer Hauskirche blieb ebenso unglaubhaft:
Schon die zeitliche Diskrepanz von acht Stunden, die zwischen dem Ereignis und dem Anruf des Bruders nach der Vernehmung vor dem Gericht liegen soll, passt nicht zur Darstellung vor dem BFA, wo der BF angab, auf der Fahrt habe ihn sein Bruder XXXX angerufen, er solle nicht heimkommen. Shiraz und der Wohnort des BF liegen maximal eine Stunde entfernt.
Die Glaubhaftigkeit der Konversion in Österreich stützt sich auf folgende Überlegungen:
Ausgehend von der zumindest objektiven Taufe in der Türkei, zu der sich der BF - aus welchen Gründen auch immer - entschloss und in die Türkei reiste, fand von Beginn seines Aufenthaltes in Österreich an eine Integration zunächst in der Pfarre Thalgau und in weiterer Folge in Seekirchen statt. Die Zeugin XXXX schilderte nachvollziehbar und lebendig die Glaubensauseinandersetzung, die der BF in den von ihr in Abwechslung mit anderen Pfarrmitgliedern geleiteten Bibelrunden suchte. Sie vermittelte dem Gericht den Eindruck, von einer Konversion des BF selbst überzeugt zu sein, obwohl sie die Umstände seiner Taufe als hinterfragungswürdig erachtete. Der BF selbst wirkte betreffend die Bibel informiert und hatte ein "bearbeitetes" Exemplar mit. Die Fehlbezeichnung einer Bibelstelle ist für das Gericht nicht von wesentlicher Bedeutung. Der zuständige Pfarrer von Seekirchen sieht den BF als "Mitglied der Pfarrgemeinde" (Beilagen-Konvolut ./A). Mehrere katholische Amtsträger im Bereich der Pfarren Thalgau, Seekirchen und der Erzdiözese Salzburg vermittelten in individuellen Schreiben, in näheren Kontakt mit dem BF zu stehen und mit diesem auch Glaubensgespräche zu führen (Pfarrer und Bischofsvikar XXXX , Stiftspropst XXXX und XXXX ). Es sind - abgesehen von als unglaubwürdig anzusehenden Angaben im Zusammenhang mit der Fluchtgeschichte - keine Umstände des BF hervorgekommen, die mit einer christlichen Lebenseinstellung im Widerspruch stehen. Mehrfach bestätigt ist ehrenamtliche Mitarbeit auch im Bereich der Behindertenbetreuung, auch angesichts der Pass-Visum-Problematik ist der BF aktuell strafrechtlich unbescholten. Die Unglaubwürdigkeit im Zusammenhang mit einzelnen Umständen die Flucht betreffend, spricht angesichts der zeugenschaftlich bestätigten und mehrfach durch das katholische Umfeld bescheinigten inneren Konversion nicht zwingend gegen diese.
Nach der ständigen Rechtsprechung kommt dem BF daher auf Grund des Nachfluchtgrundes der inneren Konversion zum Christentum im Bezug auf die nach dem LIB gegebene Verfolgung nicht geborener Christen im Iran Asyl zu. Die Beschwerde ist daher im Ergebnis unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung berechtigt.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass es sich um eine
Einzelfallbeurteilung handelt, die der ständigen Rechtsprechung im Bezug auf die Verfolgung nicht geborener Christen im Iran sowie im Verhältnis dazu dem Asylgrund der inneren Konversion folgt.
Beide Parteien haben auf Revision und Beschwerde gegen dieses Erkenntnis verzichtet. Die Ausfertigung konnte daher gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form erfolgen.
Schlagworte
Asylberechtigter, Asylgewährung, Flüchtlingseigenschaft, gekürzteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2195704.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.03.2020