TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W275 2181695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W275 2181695-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahl 1089873700-151484505, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 04.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.10.2015 wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, sein Onkel und sein Vater hätten Feinde gehabt, sein Onkel sei politisch aktiv gewesen. Eines nachts seien Leute in ihr Haus gestürmt.

Am 19.10.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er mit verschiedenen Leuten Kontakt aufgenommen habe, um zu erfahren, wie sein Vater ermordet worden sei. Er habe mit einem namentlich genannten Politiker gesprochen und diesem seine Mailadresse gegeben und gedacht, der Politiker würde ihm helfen. Feinde seines Vaters hätten dann jedoch an zwei Gelegenheiten versucht, den Beschwerdeführer umzubringen; der namentlich genannte Politiker würde den Beschwerdeführer verfolgen, weil dieser einen Lebenslauf für seinen Vater hätte machen wollen.

Mit oben genanntem Bescheid vom 16.11.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 15.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Anwesend waren weiters ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Rechtsvertreterin, die Mutter sowie zwei Vertrauenspersonen des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Er ist pansexuell.

Der Beschwerdeführer ist im Iran geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise; er war noch nie in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat im Iran eine afghanische Schule besucht, diese mit Matura abgeschlossen und eine Schusterausbildung absolviert. Er hat Berufserfahrung in der Buchhaltung und als Schuster. Er beherrscht seine Erstsprache Dari in Wort und Schrift sowie weiters Farsi, Englisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer hat keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Im Iran leben zwei Schwestern und einige Tanten des Beschwerdeführers, zu welchen er keinen Kontakt hat. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Die Mutter und ein älterer Bruder (mit Ehefrau und Kind) des Beschwerdeführers leben in Österreich; ihnen wird mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W275 2181805-1 sowie W275 2182394-1 ua, der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer stellte am 04.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Freundeskreises und nimmt aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Johannes-Kepler-Universität Linz vom Juli 2017 unter der Bedingung, dass die Ergänzungsprüfungen aus "Mathematik" und "Geschichte" sowie die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache abgelegt werden, zum Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik als ordentlicher Studierender zugelassen. Er hat an einem Programm der Johannes-Kepler-Universität Linz teilgenommen, im Rahmen dessen die Vorbereitung auf ein reguläres Studium erfolgt, und hat einen Deutschkurs auf dem Niveau B2 erfolgreich abgeschlossen. Der Beschwerdeführer hat das erste Semester eines Studienbefähigungslehrganges an einer österreichischen Fachhochschule abgeschlossen und im Schuljahr 2018/2019 eine Höhere Technische Bundeslehranstalt besucht. Er hat in einer österreichischen Gemeinde regelmäßig ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet, einen Erste-Hilfe-Grundkurs absolviert, an Integrationsprojekten sowie einem Filmprojekt teilgenommen, ist Mitglied eines Filmclubs und leistet regelmäßig Dolmetscherdienste. Der Beschwerdeführer hat aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 01.05.2019 bis 31.10.2019 als Servierer gearbeitet. Er ist aktives Mitglied des ehrenamtlichen Menschenrechtsbildungsteams von Amnesty International und nimmt in diesem Zusammenhang regelmäßig an Treffen teil. Der Beschwerdeführer beteiligt sich aktiv an einem Menschenrechtsbildungsprogramm einer österreichischen NGO, indem er Workshops (etwa an Schulen) zum Thema Flucht und Asyl mit Schwerpunkt Afghanistan hält. Er übt in sozialen Medien gesellschaftspolitische Kritik, indem er selbst gezeichnete Karikaturen teilt und seine Meinung frei äußert.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gesamten Staatsgebiet Verfolgung durch staatliche Organe bzw. staatlichen Organen zurechenbare Akteure.

Der Beschwerdeführer ist nicht von Feinden seines Vaters bedroht oder verfolgt (worden).

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind in Afghanistan illegal und können nach dem afghanischen Strafgesetzbuch mit Haftstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Neben der sozialen Ächtung von Bisexuellen, Homosexuellen und Transsexuellen verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts (der Scharia) mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Homosexualität wird weitverbreitet tabuisiert. Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft haben nur begrenzt Zugang zu medizinischer Versorgung und können wegen ihrer sexuellen Orientierung ihre Arbeit verlieren. Organisationen, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzen, agieren im Untergrund und können nicht legal eingetragen werden. Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten werden laut Berichten Opfer von Diskriminierung und Gewalt, auch durch Behörden, Familienangehörige und Angehörige ihrer Gemeinschaften sowie durch regierungsfeindliche Kräfte. Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft werden auch weiterhin diskriminiert, misshandelt, vergewaltigt und verhaftet. Eine systematische Verfolgung durch staatliche Organe kann nicht nachgewiesen werden, was allerdings an der vollkommenen Tabuisierung des Themas liegt. Die wenigen hinsichtlich der Behandlung von Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten verfügbaren Informationen beziehen sich auf homosexuelle Männer; die Situationen von bisexuellen Personen ist weitgehend nicht dokumentiert.

Berichten zufolge werden Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten von der Polizei nicht geschützt; es liegen vielmehr Berichte vor, dass Polizisten gegen solche Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung mit Schikanen, Gewalt (einschließlich Vergewaltigung), Festnahme und Inhaftierung vorgehen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung). Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren, da seine Identität - mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente - nicht abschließend geklärt werden konnte.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben (Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung); das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seiner Schulbildung, seiner Berufsausbildung und Berufsausübung, seinen Sprachkenntnissen, seinem Familienstand bzw. seinen Familienverhältnissen, seinen Familienangehörigen und dem nicht bestehenden Kontakt zu diesen und zu seiner Einreise nach Österreich waren im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel (vgl. die Seiten 7 bis 9 der Niederschrift der Verhandlung; AS 315f). Zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ist überdies festzuhalten, dass nahezu die gesamte Verhandlung auf Deutsch geführt und in dieser festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht (Seite 10 der Niederschrift der Verhandlung). Die Feststellung zu den Verfahren der Mutter sowie des älteren Bruders des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten betreffend den Beschwerdeführer sowie seine Familienangehörigen.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Aktivitäten und sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere Zulassung zum Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik, Teilnahme an einem Programm der Johannes Kepler Universität Linz, Absolvierung eines Deutschkurses auf dem Niveau B2, Abschluss des ersten Semesters eines Studienbefähigungslehrganges an einer österreichischen Fachhochschule, Besuch einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt, Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten, Absolvierung eines Erste-Hilfe-Grundkurses, Teilnahme an Integrationsprojekten sowie einem Filmprojekt, Mitgliedschaft in einem Filmclub, Leistung von Dolmetscherdiensten, menschenrechtliches und gesellschaftspolitisches Engagement) ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. die Seiten 6 und 10f der Niederschrift der Verhandlung) sowie den im Verfahren vorgelegten Bestätigungen und Integrationsunterlagen (Beilage ./2 der Niederschrift der Verhandlung; mit Schreiben vom 03.05.2019 und 08.08.2019 übermittelte Dokumente; AS 87ff, 155ff und 507ff).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung (Seite 5 der Niederschrift der Verhandlung).

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gesamten Staatsgebiet Verfolgung durch staatliche Organe bzw. staatlichen Organen zurechenbare Akteure droht, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin in Verbindung mit den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Feststellungen zur Lage in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargetan, dass er pansexuell ist und sich auch zu Männern hingezogen fühlt. Er hat nachvollziehbar geschildert, dass er seinen besten Freund, mit dem er gerne zusammenkommen würde, mag, dieser jedoch mit Frauen unterwegs ist und von den Gefühlen des Beschwerdeführers für ihn nichts weiß (Seite 17 der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer hat weiters plausibel geschildert, seine pansexuelle Orientierung in Österreich insbesondere in Wien in einer näher bezeichneten Community auszuleben (Seite 18 der Niederschrift der Verhandlung). Dabei waren auch die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach es in seinem Wohnort in Österreich nicht akzeptiert sei, anders zu sein, zum Beispiel schwul oder pansexuell, und dass es in seiner Region keine entsprechende Community gebe, nachvollziehbar (Seite 16 der Niederschrift der Verhandlung). Schließlich wirkten sowohl die Angaben der Mutter des Beschwerdeführers in deren Verfahren, wonach sie "beunruhigt" sei, weil der Beschwerdeführer kein Kind zur Welt bringe, wenn er mit einem Mann zusammen sei (Seite 17 der Niederschrift der Verhandlung betreffend das Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers), als auch jene des Beschwerdeführers, wonach seine Mutter von seiner sexuellen Orientierung wisse, aber nicht "hundert Prozent" dafür sei (Seite 17 der Niederschrift der Verhandlung), authentisch. Dass der Beschwerdeführer sein unter anderem auch an Männern bestehendes Interesse erst in Österreich wahrgenommen hat, ist - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen Mann handelt, der im Iran durch die dortige islamisch-konservative Gesellschaft Einschränkungen unterworfen war und nunmehr die ihm in Österreich zukommenden (sexuellen) Freiheiten in Anspruch nimmt - in der Verhandlung insgesamt nachvollziehbar hervorgekommen.

Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Feststellungen zur Lage in Afghanistan ist zu entnehmen, dass einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen illegal sind und Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten Opfer von Diskriminierung und Gewalt, auch durch Behörden, Familienangehörige und Angehörige ihrer Gemeinschaften sowie durch regierungsfeindliche Kräfte, werden sowie von der Polizei nicht geschützt werden, sondern Polizisten gegen solche Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung mit Schikanen, Gewalt (einschließlich Vergewaltigung), Festnahme und Inhaftierung vorgehen. Diesen Feststellungen ist weiters zu entnehmen, dass im gesamten Staatsgebiet Afghanistans von einer Situation auszugehen ist, in welcher Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten Opfer von Diskriminierung und Gewalt werden.

Der Beschwerdeführer hat sohin in einer Gesamtbetrachtung des gegenständlichen Falles glaubhaft dargelegt, dass ihm in Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gesamten Staatsgebiet Verfolgung durch staatliche Organe bzw. staatlichen Organen zurechenbare Akteure droht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht von Feinden seines Vaters bedroht oder verfolgt (worden) ist, resultiert aus folgenden Überlegungen:

Beim diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich zunächst großteils um Spekulationen. So gab der Beschwerdeführer an, dass er persönlich bedroht und beschimpft worden sei, zum Beispiel als Ungläubiger; genau könne er dies jedoch nicht beschreiben, da er von hinten auf den Hinterkopf geschlagen worden sei. Ein Motorrad sei hinter ihm gewesen, er habe es gehört und nicht gesehen und sei plötzlich bewusstlos am Boden gelegen (Seite 13 der Niederschrift der Verhandlung). Insofern ist auch nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer angab zu glauben, es seien zwei Personen gewesen (Seite 13 der Niederschrift der Verhandlung) und warum er wissen sollte, dass die Personen schwarz gekleidet gewesen seien, wenn er die Personen weder gesehen hätte noch diese etwas gesagt hätten (Seite 14 der Niederschrift der Verhandlung). Gründe für die Annahme, dass es sich bei diesen Personen um Feinde seines Vaters handeln könnte, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des zweiten Vorfalls gründen sich zum überwiegenden Teil auf Mutmaßungen und waren in einer Gesamtbetrachtung nicht plausibel. Der Beschwerdeführer legte zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar dar, weshalb er der Meinung wäre, dass es sich bei den Personen, welche versucht hätten, in das Haus des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen einzubrechen, um Feinde seines Vaters handle. Die Erklärung des Beschwerdeführers, wonach im Anzeigeprotokoll der Polizei stehe, dass nichts gestohlen worden sei, obwohl sich im Hof teure Gegenstände befunden hätten und dass die Personen darauf aus gewesen wären, den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen zu töten (Seite 15 der Niederschrift der Verhandlung), vermochte nicht zu überzeugen und besteht für das erkennende Gericht keine Möglichkeit, die Echtheit dieser vorgelegten Dokumente zu überprüfen. Selbst wenn es sich jedoch um eine echte Anzeigebestätigung mit dem angegebenen Inhalt handeln sollte, wäre die Beurteilung iranischer Sicherheitsorgane für das gegenständliche Verfahren nicht bindend. Basierend auf den in diesem Zusammenhang spekulativen Angaben des Beschwerdeführers kann nicht nachvollzogen werden, weshalb die iranischen Sicherheitsorgane Grund zu der Annahme gehabt hätten, dass das Hauptziel der Personen gewesen sein sollte, den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen zu töten.

In einer Gesamtschau ist aufgrund obiger Erwägungen nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer von Feinden seines Vaters bedroht oder verfolgt worden ist bzw. dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung durch Feinde seines Vaters aktuell, konkret und individuell drohen würde.

Zum Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen für Afghanistan zum Beweis dafür, dass die Angaben des Beschwerdeführers nachvollziehbar seien und eine Bedrohung durch politische Gegner des Vaters des Beschwerdeführers auch unter den aktuellen Bedingungen in Afghanistan gegeben wäre, ist festzuhalten, dass mit einem solchen Gutachten zur "Nachvollziehbarkeit" der Angaben des Beschwerdeführers das Ergebnis der richterlichen Beweiswürdigung vorweggenommen würde und dies nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen fällt (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0344). Aufgrund obiger Erwägungen, die nicht nur auf die Nachvollziehbarkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers abstellen, sondern durch welche eine umfassende Würdigung des Fluchtvorbringens vorgenommen wird, ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer individuell und konkret eine Verfolgung durch Feinde seines Vaters droht.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 (Kapitel 18.3., Sexuelle Orientierung und Genderidentität), aus EASO Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018 (Common analysis: Afghanistan, Kapitel II.14., LGBT) und aus den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (Kapitel III.A.12., Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und/oder geschlechtlichen Identitäten).

Diese Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche dar, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten eingeräumt, welche von der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wahrgenommen wurde, die unter anderem auf die dem Beschwerdeführer aufgrund seiner sexuellen Identität drohende Verfolgungsgefahr verwies und damit den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Feststellungen nicht entgegengetreten ist (Seite 19 der Niederschrift der Verhandlung). Seitens des Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichtet (Seite 20 der Niederschrift der Verhandlung). Mit Parteiengehör vom 26.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer das überarbeitete, gesamtaktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 übermittelt und Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gegeben, wobei explizit darauf hingewiesen wurde, dass bereits erbrachte Stellungnahmen im Verfahren weiterhin Berücksichtigung finden. Der Beschwerdeführer hat zum aktualisierten Länderinformationsblatt vom 13.11.2019 keine Stellungnahme abgegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig.

3.2. Zu A) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (vgl. etwa VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341, mwN).

Nach Art. 10 Abs. 3 lit. b der Verfahrensrichtlinie haben die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz unter anderem sicherzustellen, dass hierfür genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa von UNHCR und EASO, eingeholt werden. Die besondere Bedeutung von Berichten von UNHCR und EASO ergibt sich daher schon aus dem Unionsrecht, UNHCR-Richtlinien kommt zudem nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zu (vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

UNHCR ist der Auffassung, dass für Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten wahrscheinlich ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe besteht, da sie tatsächlich oder vermeintlich vorherrschenden rechtlichen, religiösen und gesellschaftlichen Normen nicht entsprechen (Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, Seite 102 deutsche Fassung); diese Einschätzung wird auch durch EASO im Wesentlichen bestätigt (EASO Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, Seite 58).

Von einem Asylwerber kann nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0043; VwGH 16.11.2016, Ra 2015/18/0295, mwH auf EuGH 07.11.2013, Minister voor Immigratie en Asiel/X, Y, Z, C-199/12 bis C- 201/12).

3.2.2. Der Beschwerdeführer hat, wie beweiswürdigend dargelegt, glaubhaft gemacht, dass ihm in Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gesamten Staatsgebiet Verfolgung durch staatliche Organe bzw. staatlichen Organen zurechenbare Akteure droht. Er hat daher aus nachstehenden Gründen eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe aufgezeigt:

Die (festgestellte bzw. beweiswürdigend dargelegte) Behandlung von Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten - insbesondere Diskriminierung, Misshandlung, Vergewaltigung und Verhaftung - stellt jedenfalls einen ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Betroffenen (im Sinne der oben zitierten Definition von "Verfolgung" durch den Verwaltungsgerichtshof) dar.

Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten auch durch Behörden Opfer von Diskriminierung und Gewalt werden und - im Falle von Gewalt seitens privater Dritter - von staatlicher Seite nicht geschützt werden. Die Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten drohende Verfolgung geht daher von staatlichen Organen aus bzw. ist staatlichen Organen zurechenbar.

Es ist angesichts dessen zu prognostizieren, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt sein wird.

Auch die für die Asylgewährung erforderliche Anknüpfung an einen Konventionsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) ist im vorliegenden Fall gegeben. Beim Beschwerdeführer liegt das dargestellte Verfolgungsrisiko in der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland kann als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet.

Aufgrund der festgestellten Situation in Afghanistan ist davon auszugehen, dass Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten in Afghanistan eine soziale Gruppe bilden, deren wesentliche Eigenschaft, worauf sie nicht verzichten können, ihre sexuelle Ausrichtung und Geschlechtsidentität ist und deren Mitglieder von der afghanischen Gesellschaft als andersartig betrachtet werden.

Dem Beschwerdeführer droht sohin in Afghanistan durch staatliche Organe bzw. staatlichen Organen zurechenbare Akteure eine aktuelle Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, zumal im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, in welcher Personen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen und Geschlechtsidentitäten Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt sind.

Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz am 04.10.2015 und damit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde; die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 bis 4b AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 ("Asyl auf Zeit") finden daher gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im Verfahren des Beschwerdeführers keine Anwendung.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet, sexuelle
Orientierung, soziale Gruppe, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W275.2181695.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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