TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/29 W196 2152826-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2020
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Entscheidungsdatum

29.01.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W196 2152826-1/11E

W196 2154367-1/12E

W196 2154349-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Somalia gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017, Zl. 1066513205-150436345 (ad 1.), vom 08.03.2017, Zl. 1066404701-150428798 (ad 2.), vom 05.04.2017, Zl. 1140727706-170075920 (ad 3.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge BF2) reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte der Erstbeschwerdeführer am 29.04.2015 und die Zweitbeschwerdeführerin am 27.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG.

Am Tag der Antragstellung wurde der BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt, wobei er zusammengefasst vorbrachte, dass er dem Clan der Samaroon angehöre und moslemischen Glauben zu haben. In Somalia habe er acht Jahre lang die Grundschule besucht und sei er noch nie berufstätig gewesen. Sein Herkunftsland habe er wegen des dort herrschenden Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen habe. Im Krieg würden täglich Menschen sterben und habe er keine Zukunft. Dies sei sein Fluchtgrund. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst im Bürgerkrieg getötet zu werden.

Die BF2 gab im Zuge ihrer Erstbefragung am Tag der Antragstellung an, dass sie verheiratet sei, dem Clan der Madhiban angehöre und Moslem sei. Sie habe wegen der Kämpfe zwischen zwei Clans, den Habarjeclo und Dulhabante, nicht mehr in Buuhoodle habe leben können, weil sie eine Minderheit in der Stadt wären. Zudem sei ihre Familie sehr arm und habe keine Arbeit.

Da der Erstbeschwerdeführer bei Antragstellung angab, minderjährig zu sein - behauptetes Geburtsdatum: XXXX - beauftragte das Bundesamt infolge Zweifel an der angegebenen Minderjährigkeit ein gerichtsmedizinisches Gutachten zur forensischen Altersschätzung und wurde dem Erstbeschwerdeführer aufgrund der durchgeführten medizinischen Untersuchungen das fiktive Geburtsdatum der XXXX zugewiesen und mit einfacher Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer die Volljährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am XXXX erreicht habe. Dagegen erhob der Erstbeschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung am 22.09.2015 Beschwerde.

Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer (in der Folge BF3) im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte BF2, als seine gesetzliche Vertreterin, für den BF3 am 19.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 34 AsylG. Dabei wurde die Kopie eines Meldezettels und einer Geburtsurkunde in Vorlage gebracht.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.01.2017 gab der Erst Beschwerdeführer an, dass er dem Clan der Dir - Samaroon - Bahabar - Abdale angehöre und muslimischen Glauben habe. Er habe nunmehr ein neues Geburtsdatum und gab er auf die Frage, warum er ein falsches angegeben habe, an, dass ihm von Leuten empfohlen worden sei, ein falsches Datum anzugeben. In Österreich habe er seine Frau kennengelernt und hätten sie ein gemeinsames Kind, den Drittbeschwerdeführer. In Somalia, XXXX , würden seine Eltern und seine drei Schwestern leben, wobei er zu seinem Vater seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr habe. Mit seiner Mutter stehe er in regelmäßigen Kontakt. Der Familie gehe es soweit gut. In Somalia, in XXXX , Provinz XXXX, Somaliland, habe er zusammen mit seiner Familie in einer Stoffhütte gelebt. Er habe acht Jahre die Schule besucht und hätten sie deren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit der Mutter als Verkäuferin in der Schule, bestritten. In Somalia habe er Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Sie hätten mit einem anderen Clan Probleme gehabt. Angefangen habe alles mit einem Grundstück, weswegen sie gestritten hätten. Es habe mehrere Tote deswegen gegeben. Das sei auch ein Grund, warum sein Vater geflohen sei. Befragt, inwiefern dies mit seiner Person in Zusammenhang stehen würde, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er am 22.09.2014 mit einer dieser Clans Fußball gespielt habe, wobei er einen Spieler verletzt habe, der ins Krankenhaus gekommen und nach einem Tag im Koma verstorben sei. Daraufhin wären zwei Polizisten zu ihm gekommen und hätten seiner Mutter gesagt, dass der Erstbeschwerdeführer mitfahren müsse. Er sei inhaftiert worden und habe ihm seine Mutter, im Zuge eines Gefängnisbesuches erzählt, dass XXXX , der Junge, verstorben sei, sie ihn jedoch nicht begraben wollten, da sie gewollt hätten, dass der Erstbeschwerdeführer zur selben Zeit beerdigt würde. Dies sei der letzte Tag gewesen, wo er seine Mutter gesehen habe. Gegen Mittag sei ein Polizist gekommen, habe ihm Essen gebracht und gesagt, dass er seine Sachen zusammenpacken solle, da er in ein größeres Gefängnis käme und es eine Gerichtsverhandlung gebe. Gegen 18 Uhr wären drei Autos da gewesen und sei er von zwei Polizisten zum Auto gebracht worden, wo er zu acht anderen Polizisten, die auf der Ladefläche gesessen seien gepackt worden sei. Sie seien losgefahren, ein Auto sei vor und eines hinter ihnen gefahren. Nach fünf Minuten seien sie bei der Wasserversorgung, der Name der Firma sei, XXXX , vorbeigefahren. Kurz danach sei die XXXX Kreuzung. Bei dieser Kreuzung sei ein Auto von der linken Seite gekommen und in deren Auto hineingefahren. Es habe einen Unfall gegeben. Es wären die Leute von XXXX . Das Auto habe sich überschlagen und sei umgefallen. Er habe nur Schüsse von den Polizisten gehört. Dort habe er sich bei der Schulter verletzt. Am Kopf sei er auch verletzt worden. Er sei dann geflohen und habe sich versteckt. Überall sei Blut gewesen und habe er eine Pause gemacht. Er habe nicht gewusst, wo er sei. Nachdem er sich Stunden versteckt habe, hätte er sein Hemd zerrissen und sein Blut weggewischt. Da habe er sich entschieden seine Heimat zu verlassen. Er sei zu Fuß von XXXX nach Awbere (Äthiopien) gegangen. Dort habe er sich irgendwo hingelegt und sei von einem älteren Mann gefunden worden. Er habe den Erstbeschwerdeführer zu sich genommen und habe seine Wunden geheilt. Er sei dann nach Jijiga gekommen, wo er einen Freund getroffen habe. Dies sei am 20.10.2014 gewesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 23.01.2017 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, dabei gab sie im Wesentlichen an, in Buuhoodle, Somaliland, geboren worden zu sein. Als Fluchtgrund brachte die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass sie mit einem Mann, namens XXXX , zwangsverheiratet gewesen sei. Ihr Mann sei verstorben. Sie habe mit ihm telefoniert, als sie bereits in Österreich gewesen sei. Er habe auch nach Österreich reisen wollen, wobei er laut einer Freundin, die gemeinsam mit ihm geflohen sei, im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien ertrunken sei. Sie hätte kein gemeinsames Leben mit ihm in Österreich weiterführen wollen, da sie immer gegen die Heirat gewesen sei. Sie wären lediglich zwei Monate verheiratet. In Buuhoodle würden nach wie vor ihre Eltern und ein Bruder leben. Der Aufenthaltsort ihres zweiten Bruders sei ihr nicht bekannt. Ihr Vater sei früher als Schuhmacher tätig gewesen und sei nunmehr Gelegenheitsarbeiter. Ihr Vater besitze ein Haus. Eine Tante lebe in Mogadischu. Zuletzt habe sie vor vier Monaten telefonischen Kontakt mit ihrer Mutter gehabt, sie habe sie jedoch nicht erreicht, da sie das Handy ausgeschalten habe. Des Weiteren brachte sie vor an TBC zu leiden und mit einem Asylwerber, dem Erstbeschwerdeführer, traditionell verheiratet zu sein und ein Kind zu haben. Sie gehöre jenem Clan, der Madhiban, Subclan Saed Kul, an, die am meisten unterdrückt würden. Ihr Ehemann in Somalia habe den Darod, Dulhabante, angehört. Sie habe ihren Mann nicht geliebt, jedoch sei es ein gesellschaftlicher Aufstieg gewesen. Ihr aktueller Partner gehöre dem Clan der Dir, Gadabursi an. Aufgefordert dezidiert ihren Fluchtgrund zu schildern, brachte die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie wegen ihrer Clanzugehörigkeit ihr Heimatland verlassen habe. Sie sei unterdrückt worden und habe viele Probleme aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit erlebt. Sie habe nicht zur Schule gehen können und habe nach der sechsten Klasse abbrechen müssen. Sie habe sich nicht in der Gesellschaft aufhalten können, da sie immer gefragt worden sei, welchem Clan sie angehöre. Den Mann, den sie habe heiraten müssen, habe gewusst, dass die Zweitbeschwerdeführerin keinen Schutz habe und sie ihm ausgeliefert sei. Sie sei in einen anderen Jungen vom selben Clan, der Madhiban, verliebt gewesen von dem sie nach ihrer Heirat besucht und gefragt worden sei, was passiert sei, da er sie habe heiraten wollen. Sie habe geweint und plötzlich sei ihr Mann nach Hause gekommen und der Mann sei gegangen. Sie habe ihrem Mann zuerst gesagt, dass der Mann ein Familienangehöriger sei, wobei er ihr kein Wort geglaubt und eine Ohrfeige gegeben habe. Schließlich habe sie ihm gesagt, diesen Mann zu lieben, woraufhin sie von ihrem Mann zusammengeschlagen worden sei. Am nächsten Tag sei er gegen 14 Uhr nach Hause gekommen und danach erneut in die Stadt gefahren, wo er ihren "Madhiban-Freund" in einem Kaffeehaus erschossen habe. An diesem Tag habe sie sich dazu entschlossen ihre Heimat zu verlassen, da ihr Ehemann immer Problemen gemacht habe. Weiters würde in ihrer Region Buuhoodle ein Krieg zwischen zwei Clans, den Dulhabante und den Isaaq, herrschen. Die Dulbahante wollten unabhängig von Somaliland sein, wobei die Isaaq, der Hauptclan in Somalialand dagegen sei.

Mit Bescheiden vom 07.03.2017 im Fall des Erstbeschwerdeführers, vom 08.03.2017 im Fall der Zweitbeschwerdeführerin und vom 17.03.2017 im Fall des Drittbeschwerdeführers wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und den Beschwerdeführern der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkte I.). Unter den Spruchpunkten II. wurde den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG erteilt.

Dabei wurde dem Erstbeschwerdeführer aufgrund seines gesteigerten und abgeänderten Fluchtvorbringens kein Glauben geschenkt und eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden können. Festgestellt wurde, dass er Somaliland aufgrund der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage verlassen habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Clan der Dir - Samaroon (Gadabursi) verfolgt würde. Festgestellt wurde, dass er in seinem Heimatstaat Somalia weder inhaftiert wäre noch Probleme mit den Behörden gehabt habe. Er sei weder politisch tätig noch Mitglied einer politischen Partei und wäre auch aus den sonstigen Umständen eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates der Zweitbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, dass auch im Fall der Zweitbeschwerdeführerin keine asylrelevanten Probleme hervorgekommen seien. Sie habe in ihrem Herkunftsland keine asylrelevanten Probleme mit Ämtern, Behörden noch sei sie einer staatlichen Bedrohung oder Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen. Zudem sei sie in ihrem Herkunftsstaat nicht politisch oder parteipolitisch tätig gewesen noch wegen ihrer politischen Gesinnung bzw. Aktivitäten verfolgt worden. Sie habe in ihrem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit glaubhaft gemacht. Die bei ihrer Einvernahme angesprochenen Einschränkungen bezüglich ihrer Clan- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit würden sämtliche Angehörige ihres Clans betreffend. Die angesprochenen Einschränkungen bzw. Beschimpfungen würden somit keine individuelle Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen. Zudem sei das Vorbringen der Zwangsehe nicht glaubhaft und aufgrund des Umstandes, dass ihr einstiger Gatter verstorben sei weggefallen. Im Fall des Drittbeschwerdeführers wurde festgestellt, dass er keine eigenen Fluchtgründe habe, da er in Österreich geboren worden sei und seine Mutter, als gesetzliche Vertreterin, im Zuge der Antragstellung über den selben Schutz ausgeführt habe, dass der Drittbeschwerdeführer keine eigenen Asylgründe habe.

Gegen die oben angeführten Bescheide wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Im Wesentlichen wurde hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers vorgebracht, dass er wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe in einen Clan-Konflikt verwickelt worden sei und wurde zu den von Seiten der Behörde hervorgehobenen Widersprüchen auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach Asylwerbern im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürften und sei der psychischen und physischen Zustand des Asylwerbers zu berücksichtigen. So habe der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung noch nicht im Detail die befürchtete Blutrache durch den Clan bzw. Angehörigen des nach dem Fußballspielen Verstorbenen berichtet, meinte aber mit "Bürgerkrieg" die allgegenwärtige Gefahr Opfer einer Blutrache zu werden. Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde insbesondere moniert, dass die Behörde es verabsäumt habe, ausführliche Informationen zur Vorgangsweise in Somalia gegenüber Frauen und deren Familien im Falle, dass sich eine Frau einer Zwangsheirat entziehen wolle, einholen müssen. Auch würden Information zur Gefahr der Blutrache durch den Clan bzw. Angehörige des im Meer ertrunkenen einstigen Ehemannes sowie Informationen zu Mischehen zwischen Angehörigen von Minderheiten und Angehörigen größerer Clans fehlen. Zudem würde der Zweitbeschwerdeführerin Verfolgung wegen ihrer unterstellten politischen Gesinnung bzw. ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen drohen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.10.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der volljährigen BF1 und BF2 steht nicht fest. Die Identität von BF3 steht fest. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia. BF1 gehört der Volksgruppe der Dir, Subclan der Samaroon (Gadabursi) an. BF2 gehört dem Clan der Madhiban an. Die Beschwerdeführer haben moslemischen Glauben.

Der BF1 ist in Boorame , Stadt XXXX geboren und aufgewachsen, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der BF1 hat in Somalia acht Jahre lang die Schule besucht, er spricht Somalisch in Wort und Schrift. Er reiste im Oktober 2014 aus Somalia aus und stellte er am 29.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF2 lebte vor ihrer Ausreise im September 2014 aus Somalia in Buuhoodle. Sie hat sechs Jahre die Grundschule besucht, sie beherrscht die somalische Sprache in Wort und Schrift. Die BF2 stellte am 27.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Familienstand der BF2 vor ihrer Einreise nach Österreich, dass sie verwitwet sei, konnte aufgrund der divergierenden Angaben nicht festgestellt werden.

BF1 und BF2 sind verheiratet und die Eltern des minderjährigen BF3. BF1 und BF2 haben einander in Österreich kennengelernt und haben am XXXX 2016 traditionell und am XXXX 2017 standesamtlich in Österreich geheiratet.

Der BF3 ist im Österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde durch dessen gesetzliche Vertretung, der BF2, am 19.01.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Am XXXX wurde der Sohn Zweitbeschwerdeführerin geboren, für diesen am 20.04.2018 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht und wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren gem. § 8 iVm § 34 Abs. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen wurde keine Beschwerde erhoben und erwuchs die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Rechtskraft.

Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer waren in Somalia keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführer noch aus amtswegiger Wahrnehmung. Im Entscheidungszeitpunkt kann eine aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

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SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a).

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten:Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

Die Grafik zeigt, dass der Trend hinsichtlich der Anzahl an gewalttätigen Vorfällen gegen Zivilisten nach unten zeigt, während sich die Anzahl an Todesopfern pro Vorfall erhöht hat (SEMG 8.11.2017).

Die Anzahl an Sprengstoffanschlägen hat zugenommen, ihre Letalität ist hingegen kaum gestiegen (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BBC (22.12.2017): Who are Somalia's al-Shabab?

http://www.bbc.com/news/world-africa-15336689, Zugriff 5.1.2018

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (6.11.2017): The World Factbook

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Somalia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html, Zugriff 10.11.2017

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DS - Der Standard (2.12.2017): Neue Bilanz: Mehr als 500 Tote bei verheerendem Anschlag in Mogadischu, http://derstandard.at/2000068930378/Neue-Bilanz-Mehr-als-500-Tote-bei-verheerendem-Anschlag-in?ref=rec, Zugriff 21.12.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

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ICG - International Crisis Group (20.10.2017): Managing the Disruptive Aftermath of Somalia's Worst Terror Attack , http://www.refworld.org/docid/59e9b7e74.html, Zugriff 11.11.2017

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ICRC - International Committee of the Red Cross (ICRC) (23.5.2017): Annual Report 2016 - Somalia, http://www.refworld.org/docid/59490dab2.html, Zugriff 11.11.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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