TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W156 2156107-1

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Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

ASVG §235
ASVG §236
ASVG §410
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W156 2156107-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von M XXXX B XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien-Herzegowina, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien vom 07.12.2016, AZ XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 28.04.2006 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien (PVA), die Zuerkennung einer Witwenpension nach ihren am XXXX verstorbenen Gatten H XXXX B XXXX .

2. Mit Bescheid vom 28.04.2006 wies die PVA den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Witwenpension zurück.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Verstorbene zum Stichtag XXXX die für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestanzahl von Versicherungs- bzw. Beitragsmonaten nicht erworben habe. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3. Mit Antrag vom 07.04.2016 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Zuerkennung einer Witwenpension.

4. Mit angefochtenen Bescheid vom 07.12.2016 wies die PVA den Antrag wegen entschiedener Sache zurück. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich keine Änderung der Sach- oder Rechtslage seit dem Bescheid vom 19.06.2006 ergäben hätte und einer neuerlichen Entscheidung daher die Rechtskraft des Bescheides vom 19.06.2006 entgegenstünde.

5. Mit Schreiben vom 06.01.2017 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid der PVA vom 07.12.2016. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie um Zuerkennung gemäß den Einzahlungen bzw. den minimalen Beitrag ersuche. Nach dem Tod ihres Ehemannes habe sie keine eheliche Gemeinschaft mehr und lebe allein.

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin war mit H XXXX B XXXX verheiratet. Dieser verstarb am XXXX und erwarb in Österreich im Zeitraum von November 1969 bis Dezember 1970 14 Beitragsmonate nach dem ASVG und im Zeitraum von 08.07.1966 bis 05.08.1967 im ehemaligen Jugoslawien 17 Versicherungsmonate.

Mit Bescheid der PVA vom 19.06.2006 wurde der Antrag auf Zuerkennung einer Witwenpension gemäß §§ 235 und 236 ASVG rechtskräftig abgewiesen.

Mit Bescheid vom 27.06.2006 wurde der Antrag auf Zuerkennung einer Abfindung gemäß

§ 269 ASVG abgewiesen. Die aufgrund dieses Bescheides beim Landesgericht für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht zu Zahl XXXX erhobene Klage wurde durch die Beschwerdeführerin in der Tagsatzung am 08.05.2007 zurückgezogen.

Seit dem XXXX wurden keine zusätzlichen Versicherungsmonate erworben.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich eindeutig aus dem vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Abweisung der Beschwerde wegen entschiedener Sache

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

"Sache" des Beschwerdeverfahrens in einem Verfahren gemäß § 68 AVG ist nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst. Das BVwG hat demnach entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid mit der Konsequenz ersatzlos zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung des BVwG, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Das BVwG darf über den zugrundeliegenden Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. VwGH 30.06.2009, 2006/08/0267; 23.07.1998, 98/20/0175; 30.05.1995, 93/08/0207). Im Sinne dieser nachprüfenden Beurteilung hat das BVwG daher

§ 68 Abs. 1 AVG auch nicht unmittelbar anzuwenden - was auf Grund der Bestimmung des

§ 17 VwGVG, der die Anwendbarkeit ua. des § 68 AVG durch das Verwaltungsgericht ausschließt, unzulässig wäre (vgl. dazu auch VfGH 18.06.2014, G5/2014).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind (VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen.

Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (26.2.2004, 2004/07/0014).

Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783 unter Hinweis auf GRS 17.09.2008, 2008/23/0684).

Die bei einer nachträglichen Änderung des Sachverhaltes bestehende Möglichkeit, einen Anspruch, über den bereits rechtskräftig in abweisendem Sinn entschieden wurde, neuerlich vor der Behörde zu erheben, setzt voraus, dass die wesentlichen Sachverhaltsänderungen von der Partei behauptet werden.

Auf das gegenständliche Verfahren bezogen bedeutet dies:

Die PVA hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Witwenpension wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Das BVwG hat nun darüber zu entscheiden, ob eine entschiedene Sache vorliegt oder nicht, eine Sachentscheidung ist dem BVwG vorenthalten.

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit der Bescheid der PVA vom 19.06.2006, welcher mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen ist und mit dem seinerseits der Antrag der Beschwerdeführerin mangels der für die Erfüllung der Wartezeit erforderlichen Mindestanzahl der Versicherungs- bzw. Beitragsmonate abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin stellte einen (weiteren) Antrag am 07.04.2016 auf "Zuerkennung der Witwenpension".

Der (spätere) Bescheid der PVA vom 07.12.2016 ist im Wesentlichen damit begründet, dass der Antrag vom 07.04.2016 erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 19.06.2006 entschiedenen Sache zum Gegenstand habe, da weder eine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umstände noch in der maßgelblichen Rechtslage eingetreten sei.

Zum für die Gewährung einer Witwenpension heranzuziehenden Stichtag - hier der XXXX - lag die erforderliche Anzahl der notwendigen Versicherungsmonate zur Erfüllung der Wartezeit nicht vor. Ein Erwerb von weiteren Versicherungs- bzw. Beitragsmonaten, die zur Gewährung einer Witwenpension führen könnten, ist nicht erfolgt und wurde auch nicht behauptet.

Da seit dem rechtskräftigen Bescheid vom 19.06.2006 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, steht einer neuerlichen Entscheidung das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen und hat die PVA den Antrag vom 07.04.2016 zur Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die getroffene Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache,
Versicherungszeiten, Witwenrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2156107.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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