TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W117 2228227-1

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Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W117 2228227-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit: Palästina (staatenlos) alias Jordanien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Im Zuge seiner Einvernahme im HG-PAZ Hernalser Gürtel am 24.10.2019 wurde der Beschwerdeführer zur beabsichtigter Verhängung der von einem Organ der Verwaltungsbehörde einvernommen:

"F: Werden Sie rechtsfreundlich vertreten?

F: Haben Sie Identitätsbezeugende Dokumente? Wo ist ihr Reisepass? Haben Sie jemals einen RP gehabt?

A: ich hatte nur eine weiße Asylkarte. Sonst habe ich nichts ich bin von Palästina, ict brauche keinen Reisepass.

LA: Diese Staatsbürger sind evidiert. Haben Sie die Karte, z.B. von UNHCR?

A: Ich habe die Karte verloren. Meine Eltern sind tot, ich war schon mal bei der palästinensischen Botschaft, die haben gesagt, ich bin ein Palästinenser, aber können mir kein Dokument ausstellen.

LA: Vorhalt: Das war im Jahr 2012, da haben Sie falsche Angaben bzgl. ihrer Identität gemacht und konnten Sie nicht identifiziert worden.

A: Nein, ich kenne den Botschafter persönlich, ich stamme aus der Stadt XXXX .

F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

A: XXXX , geb. XXXX in XXXX , auf der palästinensischen Seite LA: Lt EDE- Erfassung der LPD W gaben Sie auch ein Geb. Datum XXXX . Was ist korrekt. A: Das habe ich nie gemacht.

F: Wo haben Sie die 9-steliige ID-Nr. des Staates Israel?

A: Stimmt könnte es sein, aber so was habe ich nicht bekommen, ich bin aber lange nicht mehr dort.

LA: Diese ID-Zahi bekommt man bei der Geburt,

A: Ich habe die Nr. nicht wir waren auf der Flucht wir haben alle Dokumente verloren, mein Vater wurde von den Israelis umgebracht. Mein Vater war bei FATAH-Miliz.

F: Haben Sie in einem anderen EU-Staat einen Asylstatus beantragt/ erhalten ?

A: Nein, ich war in keinem anderen Land[ hier habe ich Asyl beantragt.

F: Ihr Asylansuchen wurde negativ beschieden. Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot. Warum sind Sie nicht ausgereist?

A; Wo soll ich hingehen? Sogar der palästinensischer Botschafter hat gesagt wo soll man mich hinschicken?

F: Wie lange leben Sie in Österreich?

A: Seit 2008 - über 10 Jahre.

F: Sie wurden 2x rechtskräftig verurteilt - noch während des laufenden Asylverfahrens sind Sie straffällig geworden!

Ä: Ah ja? Was soll ich da gemacht haben?

LA; Sie waren in Haft und wurden wegen Drogendelikten verurteilt.

A: Das stimmt Aber ich hatte nichts zum Essen.

F: Konsumieren Sie Drogen?

A: Nein, nur Alkohol, ich trinke Alkohol, damit ich meine Probleme vergessen kann.

F: Zuletzt sind Sie von der letzten Unterkunft verwiesen worden - Sie erhielten Hausverbot Und dann gibt es eine Anzeige wg. Gefährlicher Drohung. Was sagen Sie dazu?

A: Da hat mich ein Somalier beschimpft, diesen habe ich dann gestoßen. Momentan habe ich eine Unterkunft.

F; Eine Anzeige? Weiche Anzeige?

LA: Wegen gefährlicher Drohung.

A: Aha. Ah ja, das war ein Tunesier; der hat mich geschlagen und hat dann selber Polizei gerufen.

F: Nennen Sie ihre familiäre Verhältnisse!

A: Ich bin verwitwet meine Frau und mein Sohn sind bei einem Autounfall in Palästina ums Leben gekommen.

F: Haben Sie Familie in Österreich? In einem EU-Land?

A: Keine. Nein, auch keine in EU. in Amerika habe ich einen Bruder.

F: Wer von ihrer Familie lebt in Palästina, in Israel oder in Nordafrika?

A: in Palästina habe ich 2 Brüder, die sind verheiratet In Israel habe ich niemandem und in Maghreb-Staaten auch nicht

F: Nennen Sie die Namen ihrer Brüder in Palästina und Geb. Datum!

A: Ich habe keinen Kontakt zu denen.

LA: Nennen Sie die Namen!

A: Die heißen ... der ältere ist XXXX ist ca. XXXX Jahre alt und

XXXX , ca. XXXX Jahre alt.

LA: Nachnamen?

A: XXXX , wie ich,

F: Können Sie lesen und schreiben? Was für abgeschlossene Ausbildung haben Sie?

A: Arabisch kann ich lesen und schreiben, in Deutsch kann ich nicht schreiben aber ich kann kommunizieren. Ich habe in Palästina als Mechaniker ca. 5 Jahre gearbeitet.

F: Warum haben Sie bei der palästinensischen Delegation Angaben gemacht, dass man Sie nicht identifizieren konnte?

A: Ich habe denen alles erzählt Die wissen, dass ich ein Palästinenser bin.

F: ihre Brüder in Palästina können ihnen nicht helfen, die Dokumente zu besorgen?

A: ich lebe alleine und seit 12 Jahren habe ich keinen Kontakt zu denen.

LA: Sie sagten, Sie sind seit 10 Jahren in Österreich, Wo waren die 2 Jahre zuvor?

A: Ca. 2,5 Jahre war ich in Libyen.

Nachgefragt gebe ich an, ich bin kein libyscher Staatsbürger, man kriegt nur einen ID-Zette(. LA: Haben Sie diesen Zettel?

A: Nein, das habe ich nicht mehr.

F: Warum haben Sie sich behördlich nicht gemeldet? Immer wieder sind Sie abgemeldet, dann obdachlos gemeldet??

A: ich habe fast 8 Jahre auf der Straße gelebt, in Nähe Donaukanals beim Lokal Tel Aviv, dort habe ich genächtigt

F: Wo nächtigten Sie bis zur ihrer Anhaltung heute?

A: Im Heim, in Erdberg.

Vorhalt: Zuletzt waren Sie in Hütteldorf in 14., Bezirk auch gemeldet aber nicht aufhältig. Die Polizei konnte ihnen den Mitwirkungsbescheid nicht zustellen.

A: Ja, bis ich diese Probleme mit Somalier hatte, lebte ich dort,

F: Haben Sie ernsthafte gesundheitliche Probleme, z.B. Krebs, etc. ??

A: Nein, Gott sei Dank bin ich gesund

F: Wie haben Sie sich den Aufenthalt in Österreich finanziert?

Ä: Momentan bin ich in Erdberg, dort habe ich Grundversorgung. Dann habe ich beim Umzug geholfen oder arabischen Studentinnen, Essen gekocht und dann haben Sie mir 20,- EUR spendiert.

F: Sprechen Sie Deutsch? (ohne Dolmetsch)

A: Gut. Ich habe die Sprache gelernt, auch durch die deutsche Freundin, die ich hatte.

F: Momentan, haben Sie eine Freundin oder Lebensgefährtin?

A: Nein und auch nein, kein Kind. Ich habe ihnen gesagt, mein Kind ist verstorben,

F: Wie hießen ihre verstorbene Gattin und ihr Kind? Wann wurden Sie geboren?

A: Meine Frau hieß XXXX , ca. mit 37 Jahren verstorben. Mein Sohn hieß XXXX und war 5 Jahre alt Der Unfall war vor ca. 14-15 Jahren.

F: Wie viel Seid haben Sie bei sich? Woher stammt das Geld?

Ä: Ca. 100 Euro; Gestern habe ich auf Fußball gewettet und habe die Wette gewonnen. Den Schein habe ich noch bei mir,

F: Haben Sie eine aufrechte alle Risiken deckende Krankenversicherung?

A: Ja, bei meinen Effekten.

F: Werden Sie in ihrem Heimatfand strafrechtlich oder politisch verfolgt? In einem anderen

A; Nein. ln Libyen habe ich auch keine Probleme gehabt Im EU-Land nicht; ich war in keinem anderen Land als in Österreich.

... Übrigens, ich bereue, dass ich diesen Fehler mit den Drogen gemacht habe.

F: Haben Sie Schulden, Spielschulden?

A: Ja, ca. 3.500 EUR, das sind Araber, denen bin ich Geld schuldig. Weil ich 9 Jahre auf der Straße gelebt habe.

F: Konsumieren Sie Drogen?

A; Früher habe ich geraucht (Haschisch), momentan nichts mehr, aber Alkohol trinke ich.

F: Woher haben Sie das Geld, um sich Alkohol zu besorgen?

A: Das ist nicht so teuer Wenn ich mit den Freunden zusammen treffe,

dann sind wir 4-5, eine Flasche Wodka ... die arbeiten. Ich darf

nicht arbeiten.

F: Wo war ihre letzte Heimatadresse?

A: Ich lebte in XXXX , in XXXX Strasse, neben der Schüfe XXXX .

F. Wann war es zuletzt, wo Sie weiche Dokumente hatten?

A: Nie gehabt Ich habe Libyen mit falschen Dokumenten verlassen. Die Dokumente waren von einem verstorbenen Tunesier; dafür habe ich 1.000 US$ bezahlt. Aber in der Türkei kann man sich alle Dokumente.

(...)

F: Möchten Sie zur beabsichtigten Erlassung der Schubhaft Stellung nehmen?

A: Muss ich da bleiben? Wie lange?

LA: Wir werden den Termin bei der palästinensischen Botschaft organisieren und dann werden Sie vorgeführt.

A: Aber ich kann dort selber hingehen.

LA: Zuletzt hat die Polizei auch versucht, ihnen Mitwirkungsbescheid zuzustellen, an die letzte Obdachlosenadresse in 14. in die XXXX , zwischen 05.05.2019 - 13.05.2019. Sie waren dort gemeldet aber nicht aufhäitig.

A: Das stimmt, aber jetzt bin ich Erdberg. Dort schlafe ich,

F: Haben Sie alles bezüglich Schubhaftverhängung verstanden?

A; Ich habe alles verstanden.

Mit Bescheid vom 24.10.2019 ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den BF an. Der BF wird seither in Schubhaft angehalten.

Die Verwaltungsbehörde begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:

"A) Verfahrensgang

* Sie sind zu einem unbekannten Zeitpunkt unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal, in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

* Sie steiften am 25.03.2008 unberechtigt einen Antrag auf internationalen Schutz. Bereits kurze Zeit nach der Asylantragstellung wurden Sie straffällig.

* Sie wurden von inländischen Gerichten 2-ma! rechtskräftig verurteilt, mit den Urteilen

1) LG F.STRAFS.WIEN 66 HV 84/2008T vom 11,09.2008 RK 11.09.2008 PAR 27 ABS 1/1 (12.8/ FALL) 27/3 SMG

Datum der (letzten) Tat 23.08.2008

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS.WIEN 66 HV 84/2008T RK 1109.2008 Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre LG F.STRAFS.WIEN 161 HV 87/2011m vom 02.09.2011

Noch in der Probezeit sind Sie ein weiteres Mal rechtskräftig verurteilt, mit dem Urte

2) LG F.STRAFS.WIEN 161 HV 87/2011m vom 02.09.2011 RK 02,09.2011 §| 27 (1) Z 1 1 Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG Datum der (letzten) Tat 10,07.2011 Freiheitsstrafe 8 Monate

Beide Maie auf der gleichen schädlichen Neigung basiert, wegen unerlaubten Umgang mit den Suchtgiften.

* Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.02,2009 unter ZI, 08 02.775-BAW wurde Ihr Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; ein Aufenthaltstitel au berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen nicht erteilt:

* Gegen Sie wurde am 20.'10.2008 unter ZI, 111-1261465/FrB/08 ein Rückkehrverbot erlassen, dieser wurde In ein Aufenthalts verbot für 10 Jahre umgewandelt. Da Sie nie ausgereist sind, behält das Aufenthaltsverbot nach wie vor seine Gültigkeit.

* Gegen Sie wurde eine Ausweisung erlassen, seit 05.03.2009 durchsetzbar und rechtskräftig.

* Gegen Sie bestehen mehrere Anzeigen wegen Schwarzarbeit

* Gegen Sie bestehen mehrere Anzeigen wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes.

* Zuletzt wurde gegen Sie eine Anzeige erstattet (...), Art der Anzeige: VERGEHEND) Zusatz: Drohung mit einem Messer 1. DELIKT Code:

107 GEFAEHRLICHE DROHUNG Tatbegehung; SONSTIGE TATBEGEHUNG Tatörtlichkeit: OEFFENTLICHER ORT/STRASSE/PARKPLATZ Tatzeit:

15.10.2019;

* Von der letzten Obdachlosenunterkunft in 14., Wien, XXXX wurden Sie verwiesen - und erhielten dort ein Hausverbot (it. LPD W Bericht vom 13.05.2019)

* Lt, EDE Erkennungsdienstiichen Evidenz führen Sie diese Identitäten:

* -XXXX , geb. XXXX , in XXXX Palästina / Jordanien XXXX , geb, XXXX , in XXXX Palästina/Staatenlos

* -XXXX , geb, XXXX , in XXXX Palästina

* ein Sprachanalysegutachten vom 28.11.2008 bescheinigt, dass Sie wahrscheinlich aus palästinensischem/ arabischen Milieu stammen.

* Eine Identitätsfeststellung vom 16.01,2012 durch die Ständige Vertretung Palästina in Österreich war nicht möglich, da Sie mangelhaften und widersprüchlichen Angabe: zu Ihrer Identität machten. :

* Mit dem Bescheid des BPD Wien vom 05,03.2012 wurde ihr Duldungsantrag abgewiesen,

* Sie wurden mehrmals angehalten und befanden sich mehrmals in Schubhaft. Zuletzt gaben Sie während ihrer Anhaltung am 08.02.2019 an; "ich weigere mich, Österreich zu verlassen/'

* Am 20.02.2019 haben Sie erneut einen Antrag auf Duldung gestellt, Seitens der Behörde ist beabsichtigt, ihren Antrag abzuweisen.

* ihrer Verpflichtung zur Ausreise sind Sie bisher nicht nachgekommen.

* Der Interviewtermin bei der Botschaft der Vertretung Palästina ist vom 18.04.2019 au 14.05.2019 um 11:00 durch den Botschafter verschoben worden. Keine de vergebenen Interview-Termine haben Sie wahrgenommen, da Sie andauernd Wohnadressen wechselten - immer im Obdachlosenmilieu.

* Der Mitwirkungsbescheid konnte ihnen nicht zugestellt werden - denn obwohl Sie in 1140 Wien .Penzing, XXXX , XXXX von 12.02.2019 bis 10.05.2019 gemeldet waren, hielten Sie sich an diese Wohnadresse nicht auf. Sie wurden behördlich abgemeldet, da die Unterkunftgeber gegen Sie ein Hausverbot verhängten.

* Sie weigern sich beharrlich, das Bundesgebiet zu verlassen.

* Derzeit - sind Sie erneut obdachlos.

* BfA hat mehrfach versucht Sie durch die Vertretungsbehörden zu identifizieren und abzuschieben, Derzeit laufen mehrere HRZ Verfahren mit verschiedenen Ländern, u.a. Palästina, Israel, Es ist beabsichtigt, auch ein HRZ Verfahren mit den nordafrikanischen Ländern (Maghreb-Staaten) einzuleiten.

Sie wurden am 24.10.2019 um 11:30 Uhr von Beamten der LPD W 1090 Wien in Wien 10., U-Bahnstation Keplerplatz einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen. Dabei wurde ihr unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt. Sie haben sich als Fremder in Wien illegal aufgehalten.

Sie hatten keine Ausweisdokumente, zu ihrer Person machten Sie keine Angaben, die ihre wahre Identität bestätigen könnten.

Da Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet befinden und obdachlos sind, nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels waren, wurde ihre Festnahme gern. § 40 BFA-VG seitens des BFA- Journaldienstes angeordnet und wurden Sie in weiterer Folge ln das PAZ HG 1080 Wien

(...)

B) Beweismittel

Es wurden alle in Ihrem Akt ZI. 780277504 befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungsund Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.

C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

> Zu Ihrer Person:

Sre sind nicht österreichischer Staatsbürger. Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

Sie sind unter Verfahrensidentität geführt, ihre wahre Identität steht nicht fest.

Die Bestimmungen des FPG sind auf Ihre Person anwendbar

> Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot. Sie weigern sich beharrlich, das Bundesgebiet zu verlassen.

> Zu Ihrem bisherigen Verhaften:

• Sie halten sich unrechtmäßig in Österreich auf.

• Sie sind in Österreich straffällig und wurden 2x rechtskräftig verurteilt.

• Sie gehen in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

• Sie halten sich als Obdachlos in Österreich auf.

• Sie besitzen kein gültiges Reisedokument Sie können Österreich aus eigen" Entschluss nicht legal verlassen.

• Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie in Österreich mehrmals straffällig wurden und ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkamen.

• Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um ihren Unterhalt zu finanzier" Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

• Sie sind gering integriert, Sie besitzen keine sozialen, familiären und beruflich Bindungen an Österreich. Sie sprechen teilweise Deutsch.

• Der Mitwirkungsbescheid - Termin bei der Delegation (Libyen) konnte ihnen nie zugestellt worden. Aufrechte Meldung - keine Aufhältigkeit an der Obdachlosenadresse.

> Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Laut ihren eigenen Angab sind Sie ledig und kinderlos. Ihre Familie lebt in Palästina.

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes ZI. 780277504. sowie aus Ihrer Einvernahme am 24.10.2019.

E) Rechtliche Beurteilung

(...)

In diese Zusammenhang sind die Kriterien gern, §76 Abs, 3-FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendend" Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder

(...)

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erfassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (...) entzogen hat;

(...)

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehe familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie di Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(...)

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall ein Fluchtgefahr:

Sie sind im Bundesgebiet nicht gemeldet, bewegen sich im obdachlosen Milieu Und sin nicht rechtmäßig aufhältig. Sie haben eindeutig erklärt, dass Sie nicht bereits sind, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten. Sie weigern sich beharrlich, Ihren korrekten Daten bekannt zu geben, respektive Sie verweigern jegliche Mitwirkung an der Feststellung Ihrer Identität. Obwohl die Behörde festgestellt hat, dass Sie das Land verlassen müssen sind Sie unter keinen Umständen dazu bereit. Es gibt kaum soziale und keine familiären und beruflichen Bindungen zum Bundesgebiet Es muss daher davon ausgegangen werden, dass Sie bei einem Verfahren auf freiem Fuß untertauchen werden bzw., alles unternehmen werden, dass Sie Österreich nicht verlassen.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung i Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, das bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie wurden in Österreich 2-mal strafrechtlich verurteilt.

Verfahrensrelevante Integration i: m nicht erkennbar.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es i: davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, di Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung i Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, das bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt

(...)

Sie wurden von inländischen Gerichten bereits 2x (I) rechtskräftig verurteilt wegen Drogendelikten. Weiters wurden Sie wg. Gefährlicher Drohung angezeigt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und derr wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seiner Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher ir Ihrem Fäll, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mitte! gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gern. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden. Sie verfügen über keine behördliche Adresse in Österreich (Obdachlosenmeldung) und Sie wurden mehrmals strafrechtlich verurteilt.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eins Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sollten Sie ärztlicher Hilfe bedürfen, so kann ihnen eine solche auch im Stande der Schubhaft gewährt werden.

Die Verhängung von Schubhaft erweist sich sohin auch aus diesem Grunde nicht a priori als

unverhältnismäßig.

Am 03.02.2020 legte das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG den gegenständlichen Akt unter Abgabe folgender Stellungnahme vor:

"(...)

* Wann die Verfahrenspartei (weiters VP) zuletzt in das österr. Bundesgebiet eingereist ist entzieht sich der Kenntnis der Behörde. Hr. XXXX ist illegal in das Bundesgebiet eingereist.

* Die VP weigert sich beharrlich, das Bundesgebiet zu verlassen.

* Derzeit - ist die VP unterstandlos.

* "BFA hat mehrfach versucht, Sie durch die Vertretungsbehörden zu identifizieren und abzuschieben. Derzeit läuft ein HRZ Verfahren mit der Botschaft der ständigen Vertretung des Staates Palästina in Österreich.

* Seit 24.10.2019 befindet sich die VP in Schubhaft. VP hatte keine Ausweisdokumente, zu ihrer Person machten Sie keine Angaben, die ihre wahre Identität bestätigen könnten.

* Seit 08.11.2019 wurden VP von der Obdachlosenadresse Samariterbund abgemeldet (Samariterbund selbst).

* Am 11.11.2019 wurden die VP vor die palästinensische Delegation vorgeführt, um ihre Identität zu überprüfen.

* Am 12.11.2019 lange eine Antwort der B/II./1 Abteilung BFA-Direktion ein: Laut Konsul handelt es sich bei ihm - Herrn XXXX , XXXX um einen Palästinenser, JEDOCH muss die VP eine Kopie eines Identitätsdokuments nachreichen, denn sonst ist die Botschaft nicht befugt einen Reisepass auszustellen, da weder Identifizierungsnummer noch der richtige Name, Geburtsdatum bekannt sind.

* Die VP gab während des Interviews an, dass er Dokumentenkopien nachreichen könnte. (Telefonate mit Familienmitgliedern waren vorgesehen).

* Unter obigen Voraussetzungen wurde eine HRZ-Zustimmung seitens der Vertretung Palästina erteilt.

* Am 28.11.2019 führte BFA eine Niederschrift mit der VP durch. Befragt ob die VP die der Botschaft zugesagte telefonische Anrufe an seine Familienmitglieder getätigt hat, sodass die Identitätsdokumente nachgeschickt werden oder die 9-stellige s.g.

"Family Registration No." eruiert wird, tätigte die VP

widersprüchliche Antworten ... "ich habe gesagt ich werde es

versuchen, nicht, dass ich anrufen werde" ... "ich könnte anrufen,

aber nur wenn Sie mich entlassen", etc. ...

* Aus anderen Quellen ist der Behörde bekannt, dass die Organisation UNRWA die Palästinensische Flüchtlinge registriert - zuständig ist die Organisation "Palestine Refugees in the near East".

* Am 20.12.2019 wurden seitens BFA B/II. Abteilung die notwendigen Informationen und das Formblatt "Registration Verification Form for Persons reg. with U.N.R.W.A." übermittelt.

* Das Formblatt wurde der VP zum befüllen durch LPD W ausgefolgt. Formblatt wurde durch Hrn. XXXX ausgefüllt.

* Lt. Auskunft der B/II. Abteilung und der Staatendokumentation des BFA muss dieses Formblatt ausgefüllt und dann weiter wird dieses durch die Staatendoku an das UNRWA weitergeleitet, welche im Falle einer vorliegenden Registrierung der Person als paläst. Flüchtling die Registration Number, aber auch den Familienstand und die Registrierungsnummer mitteilt.

* Eine Anfrage an Staatendokumentation mit dem befüllten "Registration Verification UNRWA-Formblatt" der VP wurde am 16.01.2020 übermittelt.

* VP hat mit Absicht nicht alle nötigen Angaben gemacht - lt. B/II. Abteilung Mail v. 27.1.2020. Die Sachlage muss nochmals mit der VP geklärt werden, das Formblatt ist nicht vollständig (in arab. Sprache).

* Die Schubhaft wurde nicht als Standard-Maßnahme angewendet, sondern es konnten aufgrund des bisherigen Verhaltens zurzeit keine Gründe gefunden werden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigen würden. Es war nicht anzunehmen, daß die VP seiner Ausreiseverpflichtung aus eigenem nachkommen werde, womit die getroffene Maßnahme zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens als dringend erforderlich anzusehen war.

* Die VP verfügte über keine ausreichenden Barmittel zu Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Der Genannte hat über die Art und Weise, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, keine Angaben gemacht.

* Die VP ist in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. VP hat keinen ordentlichen Wohnsitz begründet, seine Familienangehörigen befinden sich alle nicht in Österreich. Die VP verfügt im Bundesgebiet sonst über keine familiären Bindungen.

* Es besteht der begründete Verdacht, daß die VP auf freiem Fuß belassen, sich dem folgenden fremdenrechtlichen Verfahren und somit seiner Abschiebung zu entziehen versuchen werde.

* Eine Entlassung der VP aus der Schubhaft in ein Gelinderes Mittel mit Anordnung einer Unterkunftnahme mit periodischer Meldeverpflichtung erschien aus diesen Aspekten und aufgrund der bevorstehenden Außerlandesbringung als nicht verfahrenssichernd.

* Aus der Wohn- und Familiensituation der VP, aus ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens konnte geschlossen werden, dass bezüglich der VP ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

* Die VP hat bis dato keine Rückkehrorganisation kontaktiert, um seine Ausreise vorzubereiten und hat bisher absolut keine Bereitschaft dazu gezeigt. Über die tägliche Schubhaftbetreuung wäre es dem Genannten jederzeit möglich, zur Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes seine Ausreisewilligkeit bekanntzugeben und ein Rückkehrberatungsgespräch zu führen.

* Es ist beabsichtigt, die VP nach Einlangen des HRZs in sein Heimatland abzuschieben.

* Das aus der Sicht der Behörde weiterhin ein Sicherungsbedarf besteht, da die VP weiterhin hafttauglich ist und das Verfahren des Genannten in absehbarer Zeit abzuschließen nicht aussichtlos scheint, wird seine Anhaltung in Schubhaft nach Überprüfung der Umstände als verhältnismäßig angesehen.

* Bezugnehmend auf die erforderliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung es Genannten in Schubhaft gem. § 80 Abs. 6 FPG wird angeführt, dass die Schubhaft nach wie vor aus den im Schubhaftbescheid vom 24.10.2019 angeführten Gründen unbedingt erforderlich ist und kein gelinderes Mittel anwendbar scheint.

* Es besteht an der Ausserlandesbringung des Genannten ein erhöhtes öffentliches Interesse, welches seine weitere Anhaltung in Schubhaft als verhältnismäßig erkennen lässt.

Das Risiko, dass die VP im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen wird, um sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung nach Algerien zu entziehen, ist als schlüssig anzusehen. Die VP hielt sich im Verborgenen auf, um einer eventuellen Abschiebung zu entgehen. Der Sicherungsbedarf ist noch immer gegeben. Zumal der Fremde unsteten Aufenthaltes war zahlreiche Möglichkeiten hat unangemeldet Unterkunft zu nehmen und sich so dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Die VP fällt durch ihre Aggressivität und permanente Nichtbefolgung der Anordnungen im PAZ auf. Zuletzt hat er seine Abschiebung nach Algerien vereitelt.

Es wird angemerkt, dass nach der Erlangung eines Heimreisezertifikates und somit eine in absehbarer Zeit erfolgende Abschiebung als aussichtsreich erscheint.

Die Regionaldirektion Wien ersucht das Bundesverwaltungsgericht um Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft angesichts der bevorstehenden Abschiebung verhältnismäßig ist"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der von der Verwaltungsbehörde im obzitierten Mandatsbescheid dargelegte Verfahrensgang und die von ihr getroffenen Feststellungen - vorhin im Verfahrensgang dargestellt - werden, ebenso wie die Stellungnahme im Rahmen der Aktenvorlage, zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Mandatsbscheid abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die ausschließlich vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft, weiter fortzusetzen ist.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Mandatsbescheid übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche eindeutige Aktenlage zu verweisen, die den von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalt ohne jeden Zweifel stützt - die Verwaltungsbehörde hatte dies ebenfalls zutreffend hervorgehoben.

Die ergänzende Feststellung ergibt sich als logische Konsequenz daraus im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer aktenkundig seine Kooperation an der Ausstellung eines Heimreisezertifikates verweigert oder an Bedingungen wie seine Freilassung knüpft und sohin zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits dem angeführten Mandatsbescheid zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung des Mandatsbescheides zur rechtlichen Beurteilung erhoben.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich die bisherige Anhaltung jedenfalls auch als verhältnismäßig. Auch ist nochmals festzuhalten, dass ausschließlich der Beschwerdeführer selbst die Dauer der Anhaltung zu verantworten hat.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Mittellosigkeit,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2228227.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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