TE Bvwg Beschluss 2020/2/4 W169 2226820-1

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Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W169 2226820-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Babara MAGELE als Einzelrichterin in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2019, Zl. 800926701-191293865, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.10.2010 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie bei der Befragung durch das Bundesasylamt brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen vor, dass er einmal von den Mördern seines Vaters angehalten, verprügelt und mit dem Umbringen bedroht worden sei. Diese hätten seine ganze Familie aus Rache töten wollen. Die Polizei könne ihm keinen ausreichenden Schutz geben. Auf die Frage, ob er nicht in einem anderen Teil Indiens leben hätte können, gab der Beschwerdeführer an, er sei aus Angst an keinen anderen Ort gefahren. Um wen es sich bei den Mördern seines Vaters handle, wisse er nicht. Warum er erst jetzt und nicht bereits 2007 ausgereist sei, erklärte er damit, dass er im Jahre 2007 noch nicht gewusst habe, dass ihn diese so "hartnäckig" verfolgen würden. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, dass er ledig, Sikh sei und aus dem Bundesstaat Haryana stamme. In Indien würde seine Mutter leben. Sein Vater sei 2007 verstorben. Er habe drei Jahre die Grundschule besucht und spreche Punjabi. In Österreich habe er keine Verwandten, er gehe derzeit keiner Arbeit nach und lebe von der Grundversorgung. Er sei gesund.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.10.2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zukomme. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

3. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.01.2013, Zl. C11 416.111-1/2010/5E, gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der Asylgerichtshof aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Unabhängig davon steht dem Beschwerdeführer aber eine inländische Fluchtalternative offen. Zudem würden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der GFK potentiell bedroht wäre. Es seien auch keine Umstände hervorgetreten, die zu einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention führen könnten. In Indien würde nicht eine solch extreme Gefährdungslage bestehen, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer werde bei einer Rückführung nach Indien in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) nicht in eine lebensbedrohende Situation geraten. Dem gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer könne zugemutet werden, in seiner Heimat zumindest mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zumal er sich den überwiegenden Teil seines Lebens in Indien aufgehalten habe und die dortige Sprache spreche. Auch stehe der Ausweisungsentscheidung sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen.

4. Am 11.11.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.11.2019 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus Indien stamme und die Sprache Punjabi spreche. Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, obwohl sein Verfahren bereits im Jahr 2013 rechtskräftig negativ entschieden worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass seine alten Asylgründe noch immer gelten würden. Er habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

5. Am 20.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, spätestens beim Einvernahmetermin dazu Stellung zu beziehen.

6. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.12.2019 führte der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich bzw. in der EU keine Verwandten habe. Seine Eltern seien bereits verstorben. In Indien habe er niemanden mehr. In Österreich lebe er "im Lager" und bekomme Unterstützung. Er sei seit seinem ersten Asylantrag durchgehend in Österreich gewesen. Er spreche kein Deutsch, sei gesund und nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. Auf die Frage, warum er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich bleiben wolle. Er habe Probleme in Indien gehabt und könne nicht zurückgehen. Er wolle hierbleiben und weiterleben. Seine alten Fluchtgründe aus seinem Vorverfahren seien noch immer aufrecht. Es gäbe keine weiteren Fluchtgründe.

Nach Vorhalt, dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG 2005 erhalten habe, womit ihm mitgeteilt worden sei, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich bleiben wolle und deswegen einen neuen Asylantrag gestellt habe.

Am Ende der Einvernahme gab der Beschwerdeführer zu den ihm übermittelten Länderfeststellungen an, dass er seit neun oder zehn Jahren in Österreich aufhältig sei; er habe keine Ahnung, wie es in seiner Heimat Indien aussehe.

Der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater stellte keine Anträge bzw. Fragen.

7. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2019 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Indien ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im ersten Asylverfahren geschilderten - und als unglaubwürdig befundenen - fluchtauslösenden Umstände behauptet habe, da er sowohl in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben habe, dass seine Fluchtgründe aus seinem ersten Asylverfahren nach wie vor aufrecht seien. Folglich ging das Bundesamt - entsprechend der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - zu Recht davon aus, dass über diesen Sachverhalt bereits rechtskräftig abgesprochen wurde.

Die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Der diesbezüglich für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Indien in Verbindung mit seinem Vorbringen drohe dem Beschwerdeführer keine Verletzung wie in

§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich auch diesbezüglich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren rechtskräftig entschieden sei. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal der Beschwerdeführer zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und er sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe, welche bereits als unglaubwürdig gewertet worden seien. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers habe sich nicht entscheidungsrelevant geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung nicht maßgeblich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, auch bezüglich dieser sei keine wesentliche Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben vom 18.12.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo es am 20.12.2019 einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des Beschwerdeführers.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

2.1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.2. Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.10.2010 wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.01.2013 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.11.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

2.3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.01.2013 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.10.2010 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

2.4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.01.2013 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 eine Ausweisung erlassen; Da der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens Österreich nicht verlassen hat, ist die Ausweisungsentscheidung gegen ihn weiterhin aufrecht.

2.5. Der Antrag vom 11.11.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:

Eine maßgebliche Änderung der Rechtsgrundlage ist nicht eingetreten.

Im Folgeantragverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra/2014/18/0089).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Der Beschwerdeführer behauptet keine neue Sachverhaltsänderung, er behauptet ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im vorangegangenen Asylverfahren geschilderten - und für unglaubwürdig befundenen - fluchtauslösenden Umstände, da er bei der Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich angab, dass seine Gründe aus dem Vorverfahren weiterhin aufrecht seien.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.01.2013 eingetreten ist.

2.6. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Da der Beschwerdeführer nie über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügte, in Österreich über keine Familienangehörigen und Verwandten verfügt, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, nicht Deutsch spricht und auch nicht selbsterhaltungsfähig ist, zumal er Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt, kann auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Darüber hinaus verbrachte der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer sein gesamtes Leben vor der Ausreise in Indien.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

3. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist das Verfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, non refoulement, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W169.2226820.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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