TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 W103 1267144-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55

Spruch

W103 1267144-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , als Abwesenheitskuratorin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zl. 742268305-170355787, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 5, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF sowie §§ 52 Abs. 2 Z 4 und Abs. 9, 46, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 und 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über die Zuerkennung des Status des subsidiär

Schutzberechtigten:

Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste im Jahr 2004 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.11.2004 durch seine damalige gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.10.2007, Zl. 267.144/0/1E-V/13/06, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2007 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des damals minderjährigen Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht zulässig ist. Dem Beschwerdeführer wurde - ebenso wie seinen Familienangehörigen - eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, welche im Fall des zwischenzeitlich volljährigen Beschwerdeführers zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2016 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 31.10.2018 verlängert wurde.

Die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat war in der angeführten Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates damit begründet worden, dass die Feststellungen zur allgemeinen Situation in der Russischen Föderation zur Annahme geführt hätten, dass der Beschwerdeführer keine hinreichende Basis einer ausreichenden Versorgungs- und Sicherheitslage innerhalb der Tschetschenischen Republik zu erwarten hätte, wodurch die Wahrung seiner vitalen Interessen gefährdet erscheine. Seitens der gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers seien darüber hinaus keinerlei individuelle Gefährdungsmomente in Bezug auf den damals Minderjährigen dargetan worden.

Mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2009 wurden die Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates betreffend den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen vom 19.10.2007 im Umfang der Abweisung der Berufungen gemäß § 7 AsylG 1997 aufgehoben.

Am 09.09.2010 erklärten die gesetzlichen Vertreter des damals minderjährigen Beschwerdeführers anlässlich einer vor dem Asylgerichtshof abgehaltenen mündlichen Verhandlung, die Beschwerden hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten zurückzuziehen.

2. Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

2.1. Im Rahmen eines polizeilichen Aktenvermerks vom 08.03.2017 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer im Zuge einer Verkehrskontrolle einen im Jänner 2017 ausgestellten russischen Reisepass vorgewiesen hätte.

Nachdem seitens der Mutter des Beschwerdeführers anlässlich einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben worden war, dass der Beschwerdeführer seit dem 28.03.2017 vermisst werde und die Behörden befürchten würden, dass dieser sich dem IS in Syrien angeschlossen hätte, richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Anfrage an das XXXX

Einem bezugnehmenden Bericht eines XXXX vom 06.03.2019 lässt sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits des Öfteren aufgrund seiner radikal-islamistischen Einstellung und seiner Kontakte zu radikal-islamistischen Personen in Erscheinung getreten wäre. Dieser habe hauptsächlich mit Personen aus der radikal-islamistischen Szene verkehrt, welche auch vermehrt nach Syrien zum Islamischen Staat ausgereist wären. Ende März 2017 sei der Beschwerdeführer von seiner Mutter in einer Polizeiinspektion abgängig gemeldet worden. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollten der Beschwerdeführer und zwei weitere Personen im besagten Zeitraum nach Syrien ausgereist sein und sich dem Islamischen Staat angeschlossen haben. Der Beschwerdeführer solle dabei während der Kampfhandlungen in Syrien getötet worden sein, Beweise hierfür gebe es keine.

Mit Beschluss eines Bezirksgerichts vom XXXX wurde für den Beschwerdeführer nach diesbezüglicher Anregung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Abwesenheitskuratorin im Hinblick auf das eingeleitete Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bestellt.

Mit Schreiben vom 07.05.2019 gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - im Wege seiner Abwesenheitskuratorin - Parteiengehör im Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Der Beschwerdeführer wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Behörde die Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sowie des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 als erfüllt erachte und der Ansicht sei, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Gefährdung in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten drohe. Dem Beschwerdeführer wurde das aktuelle Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation übermittelt und ihm wurde die Möglichkeit gewährt, zu diesem sowie zur beabsichtigten Aberkennung seines Schutzstatus, seinen familiären und privaten Lebensumständen und dem Inhalt des Berichtes des XXXX vom 06.03.2019 binnen Frist Stellung zu beziehen.

Im Rahmen einer - nach Fristerstreckung - am 15.07.2019 eingebrachten Stellungnahme führte die Abwesenheitskuratorin des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus, die Abwesenheitskuratorin habe keine näheren Informationen über den Verbleib des Schutzberechtigten in Erfahrung bringen können, weshalb die Fragen zur aktuellen privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers in Österreich teils nicht beantwortet werden können, teils hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen seiner Ermittlungspflichten amtswegig entsprechende Ermittlungen bzw. Abfragen zu tätigen. Zudem wäre vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von Amts wegen abzuklären gewesen, ob der Schutzberechtigte tatsächlich getötet worden wäre. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre das gegenständliche Verfahren von Amts wegen einzustellen. Aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik darstellen würde. Es liege weder ein Grund für die Aberkennung des subsidiären Schutzes vor, noch wäre eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung rechtlich zulässig.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.09.2019 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.10.2007, Zl. 267.144/0/1E-V/13/06, zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die ihm im genannten Bescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für dessen freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde begründend darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer seit dem XXXX als abgängig gemeldet wäre und dieser seit Mitte November 2017 keinen aufrechten Wohnsitz mehr im Bundesgebiet habe. Nicht feststehe, dass der Beschwerdeführer in Syrien bei Kampfhandlungen getötet worden wäre. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre oder der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer sei im Oktober 2007 im Hinblick auf die damalige Sicherheits- und Versorgungslage in Tschetschenien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Der Kriegszustand in Tschetschenien sei überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet worden. Die dortige Sicherheits- und Versorgungslage habe sich nachhaltig verbessert. Diesbezüglich wurden im Rahmen der Bescheidbegründung folgende nähere Ausführungen getroffen:

"Die Lage für Rückkehrer nach Tschetschenien hat sich mittlerweile wesentlich, dauerhaft und nachhaltig verändert.

Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Offiziell vermeldete Tschetschenien 2014 ein Wachstum von 7.8%, eine Steigerung von über 23% der Industrieproduktion sowie eine Erhöhung der Landwirtschaftsproduktion von 2.2%. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik in der 1. Hälfte 2015 rund 15.2%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien liegt bei 21.703 Rubel (landesweit: 31.200 Rubel), die durchschnittliche Rentenhöhe bei 10.460 Rubel (landesweit: 10.919 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 7.471 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 8.900 Rubel), für Rentner mit 5.799 Rubel (landesweit: 6.800 Rubel) und für Kinder mit 5.949 Rubel (landesweit: 7.800 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleiben Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der Vereinten Nationen entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend. Wohnraum bleibt ein Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (es wird davon ausgegangen, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen) (AA 5.1.2016).

Heutzutage zeigt die Hauptstadt Grosny wenige Anzeichen fast 15 Jahre Krieg miterlebt zu haben. Großflächige Kampfhandlungen sind lange vorbei, das Militär ist weniger präsent und die Stadt wurde wieder aufgebaut. Firmen aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten bauten neue Parks, breite Alleen, mehrstöckige Wohnhausgruppen und Sportstadien. Zerstörte Infrastruktur wie Straßen, Wasserrohre, Schulen und medizinische Einrichtungen wurden wieder aufgebaut. Andere Regionen Tschetscheniens haben ebenfalls vom Wiederaufbau profitiert, wenngleich diese Pläne bescheidener waren. Dies ist eine beachtliche Leistung der tschetschenischen Regierung.

Selbst aber, wenn man zu der Ansicht käme, dass Ihnen eine Rückkehr in Ihre Herkunftsregion nicht zumutbar wäre, müsste man zu der Ansicht gelangen, dass Ihnen eine zumutbare innerstaatlicher Fluchtalternative in der Russischen Föderation zur Verfügung steht.

Dies wird durch die aktuellen Länderfeststellungen untermauert:

"Bewegungsfreiheit

In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes, als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung (US DOS 20.4.2018). Somit steht Tschetschenen, genauso wie allen russischen Staatsbürgern [auch Inguschen, Dagestaner etc.] das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort [temporäre Registrierung] und ihren Wohnsitz [permanente Registrierung] melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen (AA 21.5.2018). Einige regionale Behörden schränken die Registrierung von vor allem ethnischen Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien ein (FH 1.2018, vgl. US DOS 20.4.2018) [bez. Registrierung vgl. Kapitel 19.1 Meldewesen].

Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen. Sie treffen allerdings immer noch auf anti-kaukasische Stimmungen (AA 21.5.2018, vgl. ADC Memorial, CrimeaSOS, SOVA Center for Information and Analysis, FIDH 2017).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses oder anerkannten Passersatzdokuments wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen (AA 21.5.2018).

Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen. Dies gilt nicht für Pendler (US DOS 20.4.2018, vgl. FH 1.2018). Der Inlandspass ermöglicht auch die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme und die Eröffnung eines Bankkontos (AA 21.5.2018, vgl. FH 1.2018).

Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 24.1.2017)."

Bezüglich Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat ist anzuführen, dass Ihnen zugemutet werden kann, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland selbst für Ihren Lebensunterhalt aufkommen können, weil Sie sich in einem arbeitsfähigen Alter befinden.

Es ist Ihnen auch im Falle der Rückkehr zumutbar, durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und Ihrer Bildung und Situation entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seit z.B. Hilfsorganisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung Ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Ihnen ist es auch im Falle Ihrer Rückkehr zumutbar, sich selbst um die Deckung Ihrer Grundbedürfnisse zu kümmern.

Es ist auch nicht glaubhaft, dass Sie im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Lebensgrundlage mehr hätten, weil Ihnen zugemutet werden kann, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland selbst für Ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Es ist Ihnen jedenfalls zumutbar, in der tschetschenischen Diaspora in Moskau, Rostow oder Stawropol Fuß zu fassen, die Russische Sprache besser zu erlernen und - mitunter auch durch Verwertung Ihrer guten Deutschkenntnisse - einen Arbeitsplatz zu finden.

Weiters ist aufgrund der einschlägigen Länderberichte davon auszugehen, dass es Ihnen möglich wäre, für die Deckung Ihrer Grundbedürfnisse an Unterkunft, Verpflegung, Bildung usw durch die Inanspruchnahme staatliche Sozialhilfeleistungen aufzukommen. Es steht Ihnen im Falle der Rückkehr wie bereits ausgeführt die Möglichkeit offen, staatliche Fürsorgeleistungen in Anspruch zu nehmen und Ihre Grundbedürfnisse auf dieser Weise zu sichern. Daher geht die Behörde davon aus, dass Sie in der Russischen Föderation eine neue Existenz aufbauen können.

Gemäß § 52a BFA-VG kann auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für ihren Neubeginn in der Russischen Föderation gewährt werden. RückkehrerInnen werden auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt. Die Bereitschaft zur Rückkehr ist darüber hinaus eng verbunden mit der Schaffung von Überlebensgrundlagen im Herkunftsstaat. Abgestimmt auf die individuelle Situation der Rückkehrenden sind verschiedene Formen der Unterstützung notwendig bzw. möglich: Schaffung des Zugangs zu Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten; Beschaffung von Arbeitsgeräten; Vermittlung zu den Hilfsorganisationen im Heimatland; finanzielle Unterstützung. Durch den Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zu Hilfsorganisationen in den jeweiligen Rückkehrländern soll der Neubeginn der rückkehrenden, in der Regel entwurzelten Menschen während der Anfangsphase erleichtert werden (vgl. hiezu www.caritas-wien.at/rueckkehrhilfe).

Das Rückkehrerprogramm von Österreich wird nach Auskunft von IOM Moskau von den lokalen Behörden weitgehend akzeptiert. Durch die Unterstützung bei der Reintegration und durch die Kontakte von IOM mit den Rückkehrern über NRO konnte man bestätigen, dass bislang keine Rückkehrer in Tschetschenien Probleme hatten. Rückkehrer, die Reintegrationshilfe erhalten, sollen nachhaltig zurückkehren, das heißt, nicht erneut ausreisen. Die Erfahrung - beispielsweise aus dem Kosovo oder Bosnien-Herzegowina - zeigt, dass Rückkehrer eher in ihrer Herkunftsregion bleiben, wenn sie dort Möglichkeiten haben, sich ein Einkommen zu schaffen.

Den Angaben Ihrer Mutter [...], StA.: Russische Föderation (IFA: 742268207), zufolge haben Sie familiäre Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation. Auch deshalb geht die erkennende Behörde davon aus, dass Sie im Falle einer Rückkehr aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte in keine ausweglose Lage geraten würden, da es sich um nahe Angehörige handelt.

Selbst wenn Sie derzeit keinen Kontakt mehr zur Ihren Bezugspersonen haben, ist zu erwähnen, dass aus den vorhandenen Unterlagen weiters hervorgeht, dass eine Ansiedelung in Tschetschenien auch für Personen ohne Beziehungen möglich ist.

Aus Ihrem Akt geht weder hervor, dass Sie an einer lebensbedrohenden Erkrankung leiden würden, noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behaupten oder bescheinigen. Aus den vorliegenden Länderinformationen ist zu entnehmen, dass Ihnen in der Russischen Föderation die medizinische Versorgung zugänglich ist.

Die Feststellung der Erreichbarkeit der Russischen Föderation beruht auf dem unzweifelhaften Vorhandensein eines internationalen Flughafens beispielsweise in Moskau, welcher durch verschiedene internationale Fluglinien regelmäßig angeflogen wird.

Das Bundesamt geht auf Grund der maßgeblich und nachhaltig geänderten Umstände im Vergleich zur Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung in Ihrem Asylverfahren am 19.10.2007, wie ausführlich dargelegt, davon aus, dass Sie keinen Schutz durch die Republik Österreich mehr benötigen und in die Heimat zurückkehren können."

Der Beschwerdeführer verfüge über einen Reisepass der Russischen Föderation und könnte auf dem Luftweg gefahrlos in seinen Herkunftsstaat einreisen. Es sei davon auszugehen, dass dieser im Herkunftsstaat in der Lage sein werde, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage geraten würde. Es habe somit nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer die Lebensgrundlage im Herkunftsstaat gänzlich entzogen sein werde und er infolge einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werden würde. Der Beschwerdeführer hätte in der Russischen Föderation Zugang zum dortigen Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem; er habe keine lebensbedrohende Erkrankung oder einen sonstigen außergewöhnlichen auf seine Person bezogenen Umstand behauptet. Ebensowenig hätten sich im Verfahren Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgung ergeben. Der Beschwerdeführer sei Anhänger einer radikal-islamischen Ideologie und hätte in Österreich hauptsächlich mit Personen aus der radikal-islamischen Szene verkehrt. Unbestätigten Gerüchten zufolge sei der Beschwerdeführer im März 2017 mit weiteren Personen nach Syrien ausgereist und hätte sich dort dem Islamischen Staat angeschlossen. Es liege daher der dringende Verdacht vor, dass der Beschwerdeführer das Verbrechen der terroristischen Vereinigung gemäß § 278b Abs. 2 StGB sowie das Verbrechen der kriminellen Organisation gemäß § 278a StGB begangen habe. Im Falle einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer zweifellos eine schwerwiegende und nachhaltige Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellen. Die Unterstützung des Beschwerdeführers von Akten des internationalen Terrorismus stünde in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Diesbezüglich finden sich im Bescheid die folgenden näheren beweiswürdigenden Erwägungen:

"Aus dem Bericht XXXX geht eindeutig hervor, dass Sie in Österreich bereits des Öfteren aufgrund Ihrer radikal-islamistischen Einstellung und Kontakten zu radikal-islamistischen Personen in Erscheinung getreten sind. Sie verkehrten hauptsächlich mit Personen aus der radikal-islamistischen Szene, welche auch vermehrt nach Syrien zum Islamischen Staat ausgereist sind. Sie sind vermutlich zwischen dem 28.03.2017 und XXXX mit zwei weiteren Personen nach Syrien ausgereist, um sich dort dem Islamischen Staat anzuschließen. Die Abgängigkeitsanzeige Ihrer Mutter vom XXXX untermauert diesen Verdacht und konnte auch Ihrer Abwesenheitskuratorin Ihren Verbleib nicht in Erfahrung bringen. Zudem sollen Sie unbestätigten Gerüchten zufolge während Kampfhandlungen in Syrien getötet worden sein.

Die von Ihnen ausgehende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich im Falle Ihrer Rückkehr ergibt sich bereits eindeutig aus dem Bericht des XXXX , sowie aus den bereits zuvor angeführten Erwägungen hinsichtlich Ihrer destruktiven und extremistischen religiösen Überzeugungen. Ungeachtet, dass dieser Schluss durch das XXXX als Grundlage für die Entscheidung der Behörde zu unterstellen ist, zumal das XXXX als Spezialbehörde Zugang zu Informationen hat, die der entscheidenden Behörde verwehrt sind und logischerweise nicht davon auszugehen ist, dass derartige Informationen durch die Verfahrenspartei selbst dargetan werden, ist das XXXX zur Überparteilichkeit, Objektivität, Angemessenheit, Konsequenz, Professionalität, Kompetenz und Transparenz und Kontrolle verpflichtet und werden zudem durch dieses sehr wohl strikte Beobachtungen der Vorgänge um religiöse Extremisten vorgenommen, und ist dieses auch mit anderen Geheimdiensten in der Informationsgewinnung eng vernetzt. Daher ist die Heranziehung der Informationen des XXXX , die im Verfahren einem Gutachten durch die Behörde im Rahmen der Rechtshilfe beigegebene Sachverständige im Sinne des § 52 AVG gleichkommen, jedenfalls zulässig. Zumal Ihre staatsfeindliche Einstellung integraler Bestandteil Ihrer gelebten religiösen Überzeugung ist, war für die Behörde auch davon auszugehen, dass diese Gefährlichkeit jedenfalls auch in Hinkunft bestehen wird und keinesfalls von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden kann.

Relevant ist für die Sicherheitspolitik in Österreich der sog. "Transnationale Dschihad" (oder Salafismus), nationaler oder ethnischer Dschihad betrifft in der Regel nur die unmittelbaren Bedroher. Ziel der Dschihadisten es, durch Einschüchterung und Destabilisierung des zivilisatorischen Rechtsstaates auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. (...)

Es ist daher zu befürchten, dass durch Sie als mögliches Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der § 278 bis 278b StGB auch die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet ist.

Letztlich aufgrund des UN-Berichtes vom 19.03.2015 ergibt sich, dass selbst die Vereinten Nationen dem Islamischen Staat Völkermord vorwerfen, wodurch für sich schon davon ausgegangen werden kann, dass es Ziel dieser Gruppierungen, also die IS selbst oder die Gruppen, die diese Ziele der IS aktiv direkt oder indirekt unterstützen, der auch Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit angehört haben, ist, die fünf Grundpfeiler des Rechtstaates wie Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Partizipation, Konfliktkultur, soziale Gerechtigkeit und Affektkontrollmechanismen nachhaltig und gewaltsam zu erschüttern bzw. auszulöschen, um gewaltsam einen islamistischen Gottesstaat zu errichten (in einer Interpretationsvariante der islamischen Lehre wird dies als "Jihad" bezeichnet), welcher solche Elemente nicht im geringsten beinhaltet und letztlich aufgrund seiner Willkür gegenüber den europäischen Grundrechten durch die Errichtung der "Shariah" (alleinige und absolute Gültigkeit des und volle Unterwerfung unter durch den Koran geoffenbarten göttlichen Gesetzes und Zurückweisung jeglicher anderer (unterdrückender) Gesetze -vgl. Sayed Outb, Milestones 2002/2014 S. 36ff) und liberalen Lebensweise massiv den europäischen demokratischen Wertehaltungen entgegen steht. Zur dahingehenden Quellenlage ist auf die den gegenwärtigen islamistischen (salafistischen) Strömungen zugrunde gelegte islamistische Literatur des Exponenten der Muslimbruderschaft Sayed Outb, (Buch "Milestones" 2002/2014, Islamic Book Service, New Delhi) zurückzugreifen ("Mittel der Jihad-Bewegung ist Überzeugung und Predigt für ihre Reformideen, aber auch physische Gewalt und die Organisationen und Autoritäten abzuschaffen, die sich gegen den Jihad stellen..."-S 55). Zwangsweise kann ein solcher Zustand selbstredend nur mit terroristischen Mitteln verwirklicht werden. Zur Definition einer "terroristischen Handlung" verweist Art. 1 Z 4 der Verordnung auf die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP. Danach bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" im Einzelnen näher umschriebene vorsätzliche Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind, wenn sie mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören.

Das Bundesamt kommt in einer Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass die oben erwähnten Tatsachen hinreichend rechtfertigen, dass Sie aus stichhaltigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich bzw. der dort lebenden Menschen darstellen. Zudem stellen Ihr radikal-islamistisches Gedankengut und Ihre Unterstützung einer kriminellen Organisation und terroristischen Vereinigung (dem "Islamischen Staat") einen Akt gegen die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen dar, da jegliche Form der Unterstützung von Akten des internationalen Terrorismus völlig diametral zu diesen stehen.

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (im Folgenden als LIB bezeichnet) ergibt sich, dass selbst bei sogenannten "Foreign Fighters" (damit gemeint sind terroristische Kämpfer vorwiegend nordkaukasischer Provenienz aus Syrien oder dem Irak), die in die Russische Föderation zurückkehren, ohne bereits in einem anderen Land hierfür verurteilt worden zu sein, bei der Strafverfolgung nach der Rückkehr die Höhe der Strafe davon abhängt, ob sie sich den Behörden stellen und kooperieren. Zudem sind keine Hinweise bekannt, dass die Sicherheitsbehörden in Ihrem Herkunftsland von Ihrer radikal-religiösen Gesinnung oder Ihrer Unterstützung des "Islamischen Staates" überhaupt Kenntnis erlangt hätten oder davon Kenntnis erlangen werden. Tatsächlich zurückkehrenden Kämpfern aus Syrien, die in noch keinem anderen Staat dieser Welt wegen dieser Kampfteilnahme verurteilt wurden, droht in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens bzw. des Nordkaukasus laut LIB bei Kooperation mit den Behörden keine unverhältnismäßige Strafverfolgung.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des EGMR vom 07.11.2017, Nr. 54646/17, X./Deutschland, und die entsprechende Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2017, Zl. BVerwG 1 VR 3.17, zu verweisen: In dieser Entscheidung wurde die Haltung des russischen Staates thematisiert, gegen islamistischen Terrorismus konsequent vorzugehen, sowie das Faktum, dass abgeschobene Kaukasier besondere Aufmerksamkeit russischer Behörden erfahren würden. Doch auch diese Informationen würden die Annahme nicht erlauben, dass der dt. Beschwerdeführer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder ähnliches erwarten würde, wobei das dt. BVerwG dabei Bezug auf eine Auskunft des russischen "Komitee zur Verhinderung von Folter" nimmt, wonach es nahezu ausgeschlossen erscheine, dass der (dt.) Beschwerdeführer "präventiv" gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK-widrigen Behandlung ausgesetzt würde, selbst wenn er im Falle seiner Abschiebung mit einer Befragung und Überwachung zu rechnen haben würde. Es würden keine Hinweise vorliegen, dass sich ein Fokus der russischen Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit Strafverfahren, die wegen Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet worden seien, auch auf Personen richten würde, die nicht aus Syrien, dem Irak oder der Türkei, sondern aus Westeuropa zurückkehren würden. Gegen Tschetschenen, die sich in Moskau oder in anderen Bereichen der Russischen Föderation niedergelassen hätten, würden Strafverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen heute kaum noch vorkommen. Auch diese Einschätzung wurde durch die zurückweisende Entscheidung des EGMR vom 07.11.2017 bestätigt.

Sie stammen ursprünglich aus dem Nordkaukasus und sind Sie insofern mit dem dt. Beschwerdeführer, der oben genannter Entscheidung zugrunde lag, vergleichbar. Daher muss auch bei Ihnen davon ausgegangen werden, dass Ihnen im Falle einer Ansiedlung in einem anderen Teil der Russischen Föderation nicht jedenfalls oder mit einer entsprechend beachtlichen Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die russischen oder tschetschenischen Sicherheitsbehörden drohen würde.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Russische Föderation für Sie eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Fall Ihrer Rückkehr in Ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wären.

Hinweise auf das sonstige Vorliegen einer allgemeinen Existenz bedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, flächendeckende Naturkatastrophen, sonstige Elementarereignisse) liegen ebenfalls nicht vor.

Es sind weder auf Grundlage der Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und der Russischen Föderation noch in Hinblick auf Ihre spezielle Situation Umstände bekannt geworden, die Sie nach der Rückkehr in die Russische Föderation in eine solcherart "unmenschliche Lage" versetzen würden, sodass Ihnen der subsidiäre Schutz aberkannt werden kann."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurden die Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sowie - alternativ - die Tatbestände des § 9 Abs. 2 Z 1 und 2 Asylg 2005 als erfüllt angesehen.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Österreich im März 2017 verlassen hätte und mit seinen in Österreich lebenden Eltern und Geschwistern kein aufrechtes Familienlebe führe. Sonstige soziale oder wirtschaftliche Bindungen hätten nicht festgestellt werden können.

Die Erlassung des Einreiseverbotes wurde mit dem festgestellten Naheverhältnis des Beschwerdeführers zu extremistischen/terroristischen Gruppierungen begründet. Bei der radikal-islamistischen Ideologie des Beschwerdeführers handle es sich zweifellos um eine Grundeinstellung, die mit den Werten des demokratischen und pluralistischen Rechtsstaates und den Grundwerten der Gesellschaft nicht vereinbar wäre.

2.3. Gegen den dargestellten Bescheid wurde mit Eingabe vom 06.11.2019 durch die Abwesenheitskuratorin des Beschwerdeführers die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde habe - näher angeführte - unrichtige Feststellungen getroffen, denen eine nicht nachvollziehbare und teils widersprüchliche Begründung zugrunde liegen würde. Die Behörde spreche einerseits davon, dass der Beschwerdeführer unbestätigten Gerüchten zufolge nach Syrien gereist wäre, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen, stelle gleichzeitig aber fest, dass dies definitiv so gewesen wäre. Richtigerweise wäre festzustellen gewesen, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im März 2017 nach Syrien ausgereist wäre, um sich dem IS anzuschließen. Andererseits führe die Behörde selbst aus, dass der Beschwerdeführer in Syrien vermutlich bei Kampfhandlungen getötet worden wäre. Die Behörde hätte das Verfahren aufgrund Ablebens des Beschwerdeführers einstellen müssen. Unbestätigte Gerüchte könnten nicht als Grundlage für eine Feststellung herangezogen werden und daher auch kein Einreiseverbot begründen. Ein schwerwiegendes Fehlverhalten des in Österreich unbescholtenen Beschwerdeführers stehe überhaupt nicht fest. Der Beschwerdeführer sei als siebenjähriges Kind mit seiner Mutter nach Österreich gekommen, sei hier aufgewachsen und hätte hier mehr als die Hälfte seines Lebens verbracht. Ein Leben im Rückkehrstaat wäre für ihn faktisch nicht möglich. Die Behörde habe keine weiteren Erhebungen dazu geführt, ob der Beschwerdeführer tatsächlich noch am Leben wäre oder getötet worden sei.

2.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 07.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation, er gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste im Jahr 2004 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.11.2004 durch seine damalige gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.10.2007, Zl. 267.144/0/1E-V/13/06, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2007 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des damals minderjährigen Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht zulässig ist. Dem Beschwerdeführer wurde - ebenso wie seinen Familienangehörigen - eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, welche im Fall des zwischenzeitlich volljährigen Beschwerdeführers zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2016 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 31.10.2018 verlängert wurde.

Die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat war in der angeführten Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates damit begründet worden, dass die Feststellungen zur allgemeinen Situation in der Russischen Föderation zur Annahme geführt hätten, dass der Beschwerdeführer keine hinreichende Basis einer ausreichenden Versorgungs- und Sicherheitslage innerhalb der Tschetschenischen Republik zu erwarten hätte, wodurch die Wahrung seiner vitalen Interessen gefährdet erscheine. Seitens der gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurden darüber hinaus keine individuellen Gefährdungsmomente in Bezug auf den damals Minderjährigen dargetan.

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation respektive Tschetschenien unverändert in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. In Bezug auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist mehr als zehn Jahre nach Beendigung des zweiten Tschetschenien-Krieges eine nachhaltige Verbesserung eingetreten. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer spricht Tschetschenisch und zumindest grundlegend Russisch und verfügt über zahlreiche Angehörige im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer, welcher sein Heimatland im Alter von sieben Jahren verlassen hat, leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer findet im Fall einer Rückkehr nach Tschetschenien Unterstützungsmöglichkeiten durch ein verwandtschaftliches Netz inklusive einer anfänglichen Wohnmöglichkeit vor. Der Beschwerdeführer ließ sich im Jänner 2017 einen russischen Reisepass ausstellen und hat die Möglichkeit, sich alternativ zu einer Rückkehr in seine Herkunftsregion Tschetschenien in einem anderen Landesteil niederzulassen.

1.3. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr im Bundesgebiet. Dieser wurde im März 2017 durch seine Mutter polizeilich als abgängig gemeldet. Sein seitheriger Aufenthalt ist unbekannt. Es steht nicht fest, dass der Beschwerdeführer nach Syrien gereist ist, um sich den Kämpfen auf Seiten des Islamischen Staat anzuschließen oder dass er im Zuge von Kampfhandlungen in Syrien getötet worden ist.

Fest steht, dass der Beschwerdeführer im Vorfeld seiner Ausreise aus Österreich beim XXXX wegen seiner radikal-islamistischen Einstellung und Kontakten zu radikal-islamistischen Personen auffällig geworden ist. Aufgrund des feststehenden Naheverhältnisses des Beschwerdeführers zu einer extremistischen bzw. terroristischen Organisation würde ein neuerlicher Aufenthalt im Gebiet der Mitgliedstaaten eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen.

1.4. Der unbescholtene Beschwerdeführer verfügt über kein aufrechtes Privat- oder Familienleben in Österreich. Im Bundesgebiet befinden sich die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers, gegen deren Personen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ebenfalls eine Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausgesprochen wurde (die diesbezüglichen Beschwerdeverfahren sind gegenwärtig vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Zahlen W111 1267143-2 u.a. anhängig). Der Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war zuletzt geduldet. Der Beschwerdeführer hat seine familiären und - angesichts seiner langjährigen Aufenthaltsdauer anzunehmenden - privaten Bindungen im Bundesgebiet durch seine Ausreise im Frühjahr 2017 aufgegeben.

1.5. Zur Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte Folgendes festgestellt:

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 19. Bewegungsfreiheit bzw. 19.2. Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens).

Bekanntlich werden innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten innerhalb Russlands seitens renommierter Menschenrechtseinrichtungen meist unter Verweis auf die Umtriebe der Schergen des tschetschenischen Machthabers Kadyrow im ganzen Land in Abrede gestellt. Der medialen Berichterstattung zufolge scheint das Netzwerk von Kadyrow auch in der tschetschenischen Diaspora im Ausland tätig zu sein. Dem ist entgegenzuhalten, dass renommierte Denkfabriken auf die hauptsächlich ökonomischen Gründe für die Migration aus dem Nordkaukasus und die Grenzen der Macht von Kadyrow außerhalb Tschetscheniens hinweisen. So sollen laut einer Analyse des Moskauer Carnegie-Zentrums die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren: Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht reiche allerdings nicht über die Grenzen der Teilrepublik hinaus. Zur Förderung der sozio-ökonomischen Entwicklung des Nordkaukasus dient ein eigenständiges Ministerium, das sich dabei gezielt um die Zusammenarbeit mit dem Ausland bemüht (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

-

ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 4. Rechtsschutz / Justizwesen).

Die russischen Behörden zeigen sich durchaus bemüht, den Vorwürfen der Verfolgung von bestimmten Personengruppen in Tschetschenien nachzugehen. Bei einem Treffen mit Präsident Putin Anfang Mai 2017 betonte die russische Ombudsfrau für Menschenrechte allerdings, dass zur Inanspruchnahme von staatlichem Schutz eine gewisse Kooperationsbereitschaft der mutmaßlichen Opfer erforderlich sei. Das von der Ombudsfrau Moskalkova gegenüber Präsident Putin genannte Gesetz sieht staatlichen Schutz von Opfern, Zeugen, Experten und anderen Teilnehmern von Strafverfahren sowie deren Angehörigen vor. Unter den Schutzmaßnahmen sind im Gesetz Bewachung der betroffenen Personen und deren Wohnungen, strengere Schutzmaßnahmen in Bezug auf die personenbezogenen Daten der Betroffenen sowie vorläufige Unterbringung an einem sicheren Ort vorgesehen. Wenn es sich um schwere oder besonders schwere Verbrechen handelt, sind auch Schutzmaßnahmen wie Umsiedlung in andere Regionen, Ausstellung neuer Dokumente, Veränderung des Aussehens etc. möglich. Die Möglichkeiten des russischen Staates zum Schutz von Teilnehmern von Strafverfahren beschränken sich allerdings nicht nur auf den innerstaatlichen Bereich. So wurde im Rahmen der GUS ein internationales Abkommen über den Schutz von Teilnehmern im Strafverfahren erarbeitet, das im Jahr 2006 in Minsk unterzeichnet, im Jahr 2008 von Russland ratifiziert und im Jahr 2009 in Kraft getreten ist. Das Dokument sieht vor, dass die Teilnehmerstaaten einander um Hilfe beim Schutz von Opfern, Zeugen und anderen Teilnehmern von Strafverfahren ersuchen können. Unter den Schutzmaßnahmen sind vorläufige Unterbringungen an einem sicheren Ort in einem der Teilnehmerstaaten, die Umsiedlung der betroffenen Personen in einen der Teilnehmerstaaten, etc. vorgesehen (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

-

ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

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Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018, GIZ 6.2018d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen-und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

-

AA -Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise-und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 28.8.2018

-

BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 28.8.2018

-

Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

-

EDA -Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018

-

GIZ -Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 28.8.2018

-

SWP -Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs-und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen

und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 21.5.2018). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es im ganzen Nordkaukasus 175 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 134 Todesopfer (82 Aufständische, 30 Zivilisten, 22 Exekutivkräfte) und 41 Verwundete (31 Exekutivkräfte, neun Zivilisten, ein Aufständischer) (Caucasian Knot 29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es im gesamten Nordkaukasus 27 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 20 Todesopfer (12 Aufständische, sechs Zivilisten, 2 Exekutivkräfte) und sieben Verwundete (fünf Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot 21.6.2018).

Quellen:

-

AA -Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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