TE Dok 2019/9/25 102 Ds 3/17y

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Veröffentlicht am 25.09.2019
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Norm

BDG 1979 §43 Abs1 und 2

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

DISZIPLINARERKENNTNIS

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, hat durch die Senatsvorsitzende PräsdLG Dr.Haberl-Schwarz und durch die weiteren Mitglieder RidOLG Dr. Nauta und BInsp. Zöhrer in der Disziplinarsache gegen GrInsp *** *** in Anwesenheit der Disziplinaranwältin EOStA Maga. Steger, des Disziplinarbeschuldigten GrInsp *** ***, seines Verteidigers Dr. Christian Stocker, RA in *** ***, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: GrInsp *** *** wird er von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe am *** in *** die Pflichten nach § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, dadurch schuldhaft verletzt, dass er den am *** geborenen Insassen *** ***, HNR ***, im Zuge dessen Verlegung in den Beobachtungshaftraum der Krankenabteilung der Justizanstalt *** geschlagen und getreten und dadurch Dienstpflichtverletzungen nach § 91 BDG begangen habe, gemäß § 126 Abs 1 BDG 1979

f r e i g e s p r o c h e n.

BEGRÜNDUNG:

Aufgrund einer von der Generaldirektion des Bundesministerium für Justiz am *** erstatteten Disziplinaranzeige (ON ***) wurde mit Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, vom ***, 2 Ds ***/***, gegen GrInsp *** *** ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes der Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs 1 und Abs 2 BDG 1979 iVm § 91 BDG 1979 eingeleitet. Zugrundegelegt wurde dieser Entscheidung der Verdacht, der Disziplinarbeschuldigte habe am *** den am *** geborenen Insassen der Justizanstalt *** *** *** im Zuge dessen Verlegung in den Beobachtungsraum der Krankenabteilung der Justizanstalt *** geschlagen und getreten. Aufgrund mangelnder Übereinstimmung von Tenor und Begründung des Einleitungsbeschlusses, wurde dieser mit Berichtigungsbescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom ***(ON ***) klarstellend berichtigt.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom *** (ON ***) die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Einleitungsbeschluss (ON ***) und gegen den Berichtigungsbescheid (ON ***) als unbegründet ab. In der Begründung dieser Entscheidung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass aufgrund einer vorliegenden Videoaufzeichnung substantiierte Anhaltspunkte für Verdachtsgründe in Richtung der verfahrensgegenständlichen Dienstpflichtverletzung vorliegen würden.

Aus Anlass des hinsichtlich GrInsp *** *** angenommenen Verdachts einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 1 und Abs 2 StGB wurde der Genannten mit Bescheid der Generaldirektion des Bundesministeriums für Justiz vom *** (ON ***) vorläufig suspendiert. Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz ordnete mit Bescheid vom ***. 2 Ds ***/***, die Suspendierung an, hob diese jedoch mit Bescheid vom *** (ON ***) wieder auf, nachdem ein von der Staatsanwaltschaft *** zu *** St ***/*** (unter anderem) gegen GrInsp *** *** wegen des Verdachtes des Vergehens der Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach §§ 83 Abs 1, 313 StGB am *** gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt worden war.

Aufgrund des abgeführten Beweisverfahrens trifft die Disziplinarkommission nachfolgende Feststellungen:

a) Zur Person:

Der am *** geborene Disziplinarbeschuldigte GrInsp *** *** ist als *** im Personalstand der Justizanstalt *** beschäftigt. Aus dieser Tätigkeit brachte er zur Zeit des verfahrensgegenständlichen Vorfalls ein durchschnittliches Nettoeinkommen von EUR *** monatlich ins Verdienen. Der Disziplinarbeschuldigte ist verheiratet und mit Sorgepflichten gegenüber seiner in Karenz befindlichen Gattin und zwei Kindern, darüber hinaus mit Verbindlichkeiten von rund EUR *** belastet. Disziplinär ist er vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall nicht in Erscheinung getreten.

b) Zur Sache:

Im Zuge der Verlegung des am *** geborenen Insassen der Justizanstalt *** *** *** in den Beobachtungsraum der Krankenabteilung der Justizanstalt *** (Grund für die Verlegung des Untersuchungshäftlings waren Schnittverletzungen am linken Ober- und Unterarm, welche sich der Genannten mit einer Rasierklinge selbst zugefügt hatte) wurde *** *** von den Justizwachebeamten BezInsp *** *** und GrInsp *** *** am *** um *** Uhr über Anordnung des Nachtdienstkommandanten BezInsp Johannes Wallner zum Beobachtungshaftraum der Krankenabteilung verlegt. Als bei Annäherung zum Beobachtungsraum der vor dem Untersuchungshäftling *** *** gehende BezInsp *** *** im Begriff war, die Haftraumtüre aufzusperren, nahm der Disziplinarbeschuldigte GrInsp *** *** wahr, dass *** *** hinter dem dem Häftling den Rücken zuwendenden BezInsp *** *** vorbeigehen wollte. GrInsp *** *** interpretierte diese Bewegung des *** *** als „bedenkliche Situation“, zumal der Häftling sich bereits während des Verbringens zum Beobachtungsraum aggressiv verhalten hatte und GrInsp *** *** sich deshalb in einer angespannten Gemütsverfassung befand. Aus diesem Grunde erachtete er zur Eigensicherung und zum Schutz seines Kollegen BezInsp *** *** für erforderlich, den Häftling, als dieser im Begriff war hinter dem Rücken des BezInsp *** *** vorbei weiterzugehen, mit einer raschen Handbewegung an der Schulter zurückzuhalten. Es kann nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass GrInsp *** *** dem vor ihm gehenden *** *** in diesem Zusammenhang einen Faustschlag gegen das rechte Schulterblatt versetzte.

Nachdem BezInsp *** *** in weiterer Folge die Türe des Beobachtungsraumes geöffnet hatte und *** *** aufforderte sich in diese Räumlichkeit zu begeben, führte GrInsp *** *** in frustrierter Gemütsverfassung eine einem Tritt gleichende Fußbewegung aus, wobei nicht jeglichen Zweifel ausschließend als erwiesen festgestellt werden kann, dass er darauf abzielte, den Häftling durch Versetzten eines Fußtritts am Körper zu berühren oder gar zu misshandeln oder zu verletzen. Somit kann auch nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass GrInsp *** *** durch ein von ihm gesetztes Verhalten schuldhaft ihn treffende Dienstpflichten verletzte, indem er zumindest ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, die ihn gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 treffende Verpflichtung, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Ebensowenig kann als erwiesen festgestellt werden, dass GrInsp *** *** schuldhaft – nämlich zumindest bedingt vorsätzlich - die ihn treffende Verpflichtung nach § 43 Abs 2 BDG, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verletzte.

Zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass der erkennende Senat in der Verhandlung jene Aufnahme der Videoüberwachungsanlage in Augenschein nahm, die den inkriminierten Sachverhalt aufzeichnete. Zwar lässt sich anhand dieses Beweismittels die vom Disziplinarbeschuldigten GrInsp *** *** ersichtliche Handbewegung denkmöglich auch als Schlag gegen die Schulter des Insassen *** *** interpretieren, jedoch kann auch unter Heranziehung des Videoaufnahme nach Auffassung der Disziplinarkommission die Verantwortung des GrInsp *** ***, wonach er in einer angespannten Gemütsverfassung den Eindruck hatte, der zuletzt aggressive *** *** wollte hinter dem ihm den Rücken zuwendenden BI *** vorbeigehen, nicht zweifelsfrei widerlegt werden. Es war daher im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er lediglich „zur Eigensicherung“ und zum Schutz seines Kollegen den Häftling an der Schulter mit einer rasche Handbewegung zurückzuhalten versuchte. Ebensowenig lässt sich anhand der vorliegenden Aufzeichnung der Videoüberwachungsanlage die weitere Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten in einer jegliche Zweifel ausschließenden Weise widerlegen, wonach er – nachdem BI *** *** die Haftraumtüre des Beobachtungsraumes geöffnet hatte - lediglich aus Frustration über das unangenehme Verhalten des Häftlings einen „Lufttritt“ auszuführen beabsichtigte, jedoch in keiner Weise intentierte, den Genannten durch einen Tritt am Körper zu misshandeln oder zu verletzen.

Auch die den Disziplinarbeschuldigten belastenden Angaben des *** ***- (ON ***, AS ***) können nicht dazu herangezogen werden, um Feststellungen treffen zu können, die einen Schuldspruch wegen schuldhafter Verletzung der in § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 normierten Dienstpflichten zu tragen vermögen. Der Untersuchungshäftling schilderte anlässlich der Einvernahme – abgesehen von sonstigen massiven Misshandlungen durch den Disziplinarbeschuldigten in Form der Versetzung mehrfacher Schläge gegen sein Gesicht - lediglich einen einzigen Fußtritt gegen seine Wade, wodurch er „hingefallen“ sei (ON ***, AS ***). Diese Angaben lassen sich mit dem Videobeweis nicht in Einklang bringen, zumal auf der Aufnahme eindeutig zu sehen ist, dass *** ***- durch den dem Disziplinarbeschuldigten nunmehr zum Vorwurf gemachten angeblichen Fußtritt jedenfalls nicht zu Sturz kam. Auch konnten anlässlich der zeitnahe durchgeführten ärztlichen Untersuchung des *** ***- weder in dessen Gesichtsbereich noch an dessen Wade Verletzungsfolgen festgestellt werden, welche zwangsläufig bei derartig schwerwiegenden Misshandlungen, wie sie vom Häftling behauptet werden, zu erwarten gewesen wären (Attest Dris *** *** in ON *** des Aktes *** St ***/*** der Staatsanwaltschaft ***).

Somit mangelt es an gesicherten Beweisergebnissen, um mit der für einen Schuldspruch erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen zu können, GrInsp *** *** habe zumindest bedingt vorsätzlich gegen die ihn treffende Dienstverpflichtungen verstoßen, nämlich gegen das Gebot, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs 1 BDG 1979) und gegen die weitere Verpflichtung, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis (Bescheid) ist (soweit nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde und eine Beschwer vorliegt) gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1, Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG):

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 BVG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs. 1 VwGVG).

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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