TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 W112 2120592-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §55

Spruch

W112 2120592-1/52E

W112 2120590-1/27E

W112 2120589-1/28E

Schriftliche Ausfertigung des am 15.07.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, 2. mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, und 3. mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, die Minderjährigen vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2015, 1. Zl. 830716306-1660649,

2. Zl. 830716404-1660637 und 3. Zl. 830716502-1660629, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2, 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Ihnen wird gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Es wird gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers. Am 13.05.2013 stellten die Beschwerdeführer Asylanträge in XXXX . Sie warteten den Ausgang des Verfahrens nicht ab, sondern reisten gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet weiter und stellten hier am 31.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.05.2013 gab die Erstbeschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass ihr Lebensgefährte am 06.01.2013 in XXXX verhaftet und mitgenommen worden sei. Es sei ihm die Flucht nach Österreich gelungen. Im Februar 2013 seien mehrere Männer zur Erstbeschwerdeführerin nachhause gekommen und haben nach ihrem Lebensgefährten gefragt. Die Erstbeschwerdeführerin habe dessen Aufenthaltsort nicht verraten. Zwei Tage später seien die Männer wiedergekommen und hätten die Erstbeschwerdeführerin mit einem Elektroschocker gefoltert. Nach ca. einer Woche seien neuerlich Männer zu ihrem Haus gekommen, da sie nicht zuhause gewesen sei, hätten diese das Haus der Erstbeschwerdeführerin angezündet. Die Erstbeschwerdeführerin sei bei verschiedenen Bekannten untergekommen und sei am 09.05.2013 Richtung Europa geflüchtet.

3. Einer vom Bundesasylamt eingeholte gutachterliche Stellungnahme vom 18.06.2013 zufolge littdie Erstbeschwerdeführerin an keiner krankheitswertiger psychischen Störung. Sie habe keine Einbußen in Kognition oder Aufmerksamkeit, keine traumatypischen Symptome, keine Zeichen von Angst oder Schreckhaftigkeit.

4. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 29.10.2013 vom Bundesasylamt zu ihrem Gesundheitszustand und dem ihrer Kinder - dem Zweit- und Drittbeschwerdeführer - niederschriftlich einvernommen. Die weitere Einvernahme wurde zum Zweck der Durchführung der Einvernahme mit einer Referentin desselben Geschlechts vertagt.

5. Ein vom Bundesasylamt eingeholtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 17.11.2013 ergab, dass die Erstbeschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung mit leichtgradigen depressiven Reaktionen litt. Sie war allseits orientiert und in der Lage schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit war bei diesem Krankheitsbild nicht auszugehen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestand im Falle einer Überstellung in die Russische Föderation nicht die reale Gefahr, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Zur Behandlung der Anpassungsstörung kamen - unter Beachtung der Nebenwirkungen --alle gängigen antidepressiven Medikamente in Frage.

6. Die Erstbeschwerdeführerin legte am 02.09.2014 eine psychotherapeutische Stellungnahme vom 13.08.2014 vor, aus der hervorging, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt (XXXX), an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (XXXX) und unter dem Tod eines Familienangehörigen (XXXX) litt. Der chronifizierte XXXX der Erstbeschwerdeführerin bedurfte besonderer Sorgfalt sowohl im Umgang als auch bei jeglicher Befragung in Bezug auf das belastende Ereignis.

7. Am 20.01.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin bekannt, Österreich freiwillig verlassen zu wollen, und stellte für sich und ihre Kinder einen Antrag auf Übernahme der Heimreisekosten.

8. Am 28.07.2015 fand die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin durch das dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) durch eine weibliche Verfahrensleiterin statt. Die Erstbeschwerdeführerin gab betreffend ihre Fluchtgründe im Wesentlichen an, dass sie wegen ihres Mannes nach Österreich gekommen sei. Sie selbst habe keine eigenen Probleme in der Russischen Föderation gehabt. Ihr Mann sei von 2005 bis 2009 wegen einer "Drogengeschichte" im Gefängnis gewesen. Nach seiner Haftentlassung habe ihr Mann als XXXX gearbeitet, sie haben die Wohnung renoviert, ein weiteres Kind bekommen und haben in Frieden gelebt. Im XXXX 2013 sei ihr Mann von drei Männern mitgenommen worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihn danach nicht mehr gesehen, sie habe dann die Heimat verlassen und erst in XXXX erfahren, dass sich ihr Mann in Österreich befinde.

Für den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Betreffend ihren Rückkehrwunsch gab die Erstbeschwerdeführerin einerseits an, dass dieser immer noch bestehe. Andererseits führte sie aus, dass sie aktuell nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wolle und die Rückkehrvorbereitungen abgebrochen habe.

In Österreich lebe die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen zusammen von der Grundversorgung. Sie sei weder in einem Verein tätig noch gehe sie einer Arbeit nach.

9. Das Bundesamt vernahm die Erstbeschwerdeführerin am 16.12.2015 neuerlich ein. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass sich an ihren Fluchtgründen seit der Einvernahme im Juli 2015 nichts geändert habe. Sie habe bereits sämtliche Gründe, warum sie ihre Heimat verlassen habe, geschildert. Andere Gründe habe sie nicht. In Österreich versorge die Erstbeschwerdeführerin ihre Kinder und kümmere sich um den Haushalt. Der Zweitbeschwerdeführer besuche die XXXX Klasse XXXX schule und der Drittbeschwerdeführer gehe in den Kindergarten.

10. Das Bundesamt wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit den Bescheiden vom 28.12.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION (Spruchpunkt II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005. Unter einem erließ es gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ihnen wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen nicht habe glaubhaft machen können, zumal sie nichts über die Probleme ihres Ehemannes habe angeben können. Betreffend den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer habe sich aus dem Ermittlungsverfahren keine Verfolgung ihrer Person und keine wohlbegründete Furcht vor einer solchen aus den Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ergeben. Ebenso drohe den Beschwerdeführern im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Bei der Erstbeschwerdeführerin handle es sich um eine arbeits- und selbsterhaltungsfähige Frau, die vor ihrer Ausreise im Elternhaus gelebt habe, wo sie nun wieder Unterkunft nehmen könnte. Psychische Erkrankungen seien in Russland behandelbar. Darüber hinaus können die Beschwerdeführer auf Angehörige im Herkunftsstaat zurückgreifen. Da sich der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer in der Obsorge der pflege- und unterhaltspflichtigen Familienmitglieder befinden und eine Trennung nicht bevorstehe, sei eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ableitbar. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben der Beschwerdeführer ein, da sie alle gemeinsam mit dem Ehemann der Zweitbeschwerde-führerin bzw. dem angeblichen Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers im selben Umfang von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien. Die Beschwerdeführer haben auch keine besonders enge Beziehung zu anderen Verwandten in Österreich. Ebenso greife die Rückkehrentscheidung auch nicht in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Privatlebens ein. Die Erstbeschwerdeführerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig, übe keine regelmäßige, legale Beschäftigung aus und habe sich um eine solche auch nicht bemüht. Sie lebe von der Grundversorgung. Auch sei sie weder Mitglied in einem Verein, noch in einer Organisation ehrenamtlich tätig. Die Bindung der Erstbeschwerdeführerin zum Herkunftsstaat sei wesentlich stärker als zu Österreich, da sie den Großteil ihres Lebens in Russland verbracht habe, dort sozialisiert worden sei und die dortige Sprache spreche. Auch leben nahe Verwandte der Erstbeschwerdeführerin nach wie vor im Herkunftsland. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass es der Erstbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Das Familienleben des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers beschränke sich auf ihre Familie. Weitere Bindungen oder private Interessen in Österreich seien nicht erkennbar.

11. Mit Schreiben vom 29.12.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin bekannt, dass der Drittbeschwerdeführer nie eine Geburtsurkunde gehabt habe und sie bei der Ankunft in Österreich die Geburtsurkunde des Sohnes ihrer Schwester vorgelegt habe.

12. Gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 28.12.2015 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und fochten die Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung in vollem Umfang an. Sie beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge die angefochtenen Bescheide zur Gänze beheben und den Beschwerdeführern Asyl gemäß § 3 AsylG 2005 gewähren; in eventu möge das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Beschwerdeführern den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen und Spruchpunkt III. aufheben; zudem möge es feststellen, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und daher feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 vorliegen und den Beschwerdeführern gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen ist; in eventu möge es die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und zur Durchführung eines neuen Verfahrens und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt zurückverweisen; jedenfalls möge das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführen und die Erstbeschwerdeführerin ohne Anwesenheit ihres Ehemannes einvernehmen sowie das Verfahren der Beschwerdeführer im Familienverfahren mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. dem Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers führen sowie eine gemeinsame Entscheidung mit diesem im Familienverfahren erlassen.

Begründend führte die Beschwerde aus, dass die Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführte habe und die Erstbeschwerdeführerin nicht ausreichend detailliert befragt habe. Der Erstbeschwerdeführerin sei es aufgrund ihres psychischen Zustandes nicht möglich gewesen ihre eigenen Fluchtgründe vorzubringen, weshalb ihr nunmehriges Vorbringen nicht vom Neuerungsverbot umfasst sei.

Die belangte Behörde hätte bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens Feststellungen dazu treffen müssen, dass die Erstbeschwerdeführerin vor ihrer Heirat gemeinsam mit ihrer Schwester festgenommen und im Gefängnis von Soldaten serienvergewaltigt worden sei. Während ihr Mann im Gefängnis gewesen sei, habe die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Schwester in einem XXXX gearbeitet. Ihre Schwester habe dort einen reichen Kommandanten kennengelernt. Es sei dann ein inoffizielles Gesetz von XXXX erlassen worden, dass unter anderem Frauen, die alleine im XXXX arbeiten, getötet werden sollten. Der Kommandant habe ein Treffen mit ihrer Schwester vereinbart, von dem diese nicht mehr zurückgekommen sei. Als die Erstbeschwerdeführerin die Leiche ihrer Schwester identifiziert habe, habe ein Polizist ihre Daten aufgenommen und ihr gedroht sie auf die Fahndungsliste zu setzen, wenn sie nicht auf die Polizeistation komme. Die Erstbeschwerdeführerin sei deshalb mit ihrer Stiefmutter dorthin gegangen. Der Polizist habe sie beschimpft und gefragt, wer ihre Schwester umgebracht habe. Die Erstbeschwerde-führerin habe dann ein Telefonat des Polizisten mithören können, woraus sie geschlossen habe, dass der Polizist der Mörder ihrer Schwester gewesen sei und dieser mit der Polizei zusammenarbeite. Die Erstbeschwerdeführerin habe danach in Angst und versteckt in Russland gelebt. Nachdem ihr Mann aus dem Gefängnis entlassen worden sei, seien sie immer wieder umgezogen. Nachdem ihr Mann im Jahr 2013 verschwunden sei, seien Männer zwei Mal zu ihr nachhause gekommen und haben sie misshandelt; beim dritten Mal sei sie nicht zuhause gewesen, weshalb ihr Haus angezündet worden sei. Sie sei in Russland auch diskriminiert worden, weil ihr Vater Tschetschene und ihre leibliche Mutter Russin gewesen sei.

Weiters wurde vorgebracht, dass der Drittbeschwerdeführer nicht XXXX , sondern XXXX heiße und sein Geburtsdatum nicht der XXXX , sondern der XXXX sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei zudem nicht der leibliche Sohn von XXXX , sondern der Sohn ihres Ex-Mannes, welcher ermordet worden sei.

Der Rückkehrwunsch der Erstbeschwerdeführerin sei auf den psychisch schlechten Zustand, ihre Verwirrung und die Angst der Erstbeschwerdeführerin, dass man ihr die Kinder wegnehme, zurückzuführen. Sie habe diesen Wunsch nicht mehr. Zudem habe sie in der Heimat niemanden, der sie unterstütze, weil niemand Probleme wegen ihr bekommen wolle. Darüber hinaus haben die Verwandten ihrer Stiefmutter weder die Erstbeschwerdeführerin noch ihre bereits verstorbene Schwester gemocht.

Die belangte Behörde habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, da es lediglich allgemein gehaltene Länderfeststellungen, die sich nicht auf die spezielle Situation der Beschwerdeführer beziehen, herangezogen habe. Aufgrund des unzureichenden Ermittlungsverfahrens habe das Bundesamt keine ganzheitliche Würdigung ihres individuellen Vorbringens vorgenommen.

Der Erstbeschwerdeführerin drohe aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu ihrem Mann sowie aus politischen Gründen, wegen der Weigerung ihres Mannes mit XXXX zusammenzuarbeiten, und aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in XXXX allgemein sowie zur sozialen Gruppe der Frauen in XXXX , die sich nicht sittengemäß (wie es dem Frauenbild XXXX entspricht) verhalten haben und aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu ihrer Schwester, die aus diesem Grund ermordet worden sei (Ehrenmord), Verfolgung in der Russischen Föderation. Zudem könne die Erstbeschwerdeführerin aufgrund der heftigen Traumatisierung und der posttraumatischen Belastungsstörung nicht in die Russische Föderation zurückkehren. Der Erstbeschwerde-führerin sei deshalb der Status der Asylberechtigten jedenfalls jedoch der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Das Bundesamt habe die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nur unzureichend geprüft und von seinem Ermessen rechtswidrig Gebrauch gemacht, insbesondere sei das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Rückkehrentscheidung hätte für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen und es hätte den Beschwerdeführern gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen erteilt werden müssen.

Unter einem wurden medizinische Unterlagen betreffend die Erstbeschwerdeführerin, eine Bestätigung des Kindergartenbesuchs des Drittbeschwerdeführers und eine Schulbesuchsbestätigung betreffend den Zweitbeschwerdeführer vorgelegt.

13. Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 24.07.2018 auf, gravierende Veränderungen an ihrem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu ihren Fluchtgründen und ihrer Identität sowie Unterlagen und Dokumente betreffen ihre aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 07.08.2018 legten die Beschwerdeführer medizinische Unterlagen, Bestätigungen und Befunde betreffend die Erstbeschwerdeführerin vor, aus denen sich ergab, dass diese Psychotherapie in Anspruch nahm und in medizinischer Behandlung stand. Betreffend den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer wurden Schulzeugnisse, ein Patientenbrief und eine Bestätigung des Kinderschutzzentrums XXXX vorgelegt. Es wurde zudem bekanntgegeben, dass die Erstbeschwerdeführerin nunmehr von ihrem Mann getrennt lebe.

14. Die Beschwerdeführer legten mit Schreiben vom 13.09.2018 jeweils eine Bestätigung vor, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Therapie und der Zweitbeschwerdeführer in psychotherapeutischer Betreuung befand. Der Zweitbeschwerdeführer befinde sich auf der Warteliste für einen Psychotherapieplatz.

15. Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.11.2018 auf, alle persönlichen Dokumente (Reisepass, Geburtsurkunde, usw.) im Original zur mündlichen Verhandlung mitzubringen.

16. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.01.2019 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer und einer Vertreterin des Bundesamtes durch.

Die Befragung der Erstbeschwerdeführerin gestaltete sich wie folgt:

"R: Ich entnehme dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), dass Sie XXXX , Staatsangehörigkeit: Russische Föderation,

Volksgruppe: XXXX , moslemischer Glaube, traditionell verheiratet mit XXXX , sind. Ist das korrekt?

BF: Das ist korrekt.

R: Wann und wie haben Sie XXXX kennengelernt?

BF: Ich habe ihn 2004 kennengelernt, aber ein genaues Datum kann ich nicht mehr angeben. Ich habe im Bezirk XXXX gelebt. Mein erster Mann ist verstorben und ich bin zu meiner Mutter umgezogen. Ich habe bei meiner Mutter gelebt und dort hat es einen militärischen Stab gegeben.

R: Wann und wie haben Sie ihn geheiratet?

BF: Ein oder zwei Monate später haben wir geheiratet. Das genaue Datum kann ich nicht sagen. Wir haben nach muslimischen Ritus mit einem Mullah geheiratet.

R: Ihr Mann hat Sie 2004 geheiratet, Sie ihn bereits 2003 (lt. Erstbefragung). Können Sie das erklären?

BF: Nein, das kann nicht sein. Das kann nicht sein, dass ich früher ein anderes Jahr angegeben habe.

R: Es geht darum, dass Sie und Ihr Mann ein anderes Jahr angegeben haben.

BF: Ich habe nicht gesagt, dass das im Jahr 2003 war.

R: Wann sind Sie zusammengezogen?

BF: Im Bezirk XXXX haben wir zusammengelebt und dann sind wir nach XXXX übersiedelt zur Großmutter.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich kann Ihnen alles schildern, was passiert ist, aber ich tue mir schwer mit Zeitangaben.

R: Wie viel Zeit verging zwischen Zusammenziehen und Hochzeit?

BF: Wir sind gleich zusammengezogen.

R: Wie haben Sie Beziehung während der Haft gelebt und wie lange war er in Haft?

BF: 2006 wurde er festgenommen, aber ich kann den Monat nicht sagen. Freigelassen wurde er 2009 oder 2010 am 27.10.09. Ist der Oktober der 9te oder 10te Monat?

R: Der 10te.

BF: Dann war das am 27.10.2009.

R: Wie haben Sie die Beziehung während der Haft geführt?

BF: Wir haben uns sehr geliebt und uns sehr gut verstanden. Ich habe nie gedacht, dass ich einen Tag ohne sein kann.

R wiederholt die Frage.

BF: Wir haben uns Fotos geschickt. Ich kann Ihnen das sogar zeigen. Mir ging es schlecht.

R: Sie haben Ihm also per Post Fotos geschickt.

BF: Nein, wir haben uns per Telefon geschrieben.

R: Meinen Sie damit Mobiltelefon?

BF: Ja.

R: Wie oft haben Sie sich per Mobiltelefon geschrieben?

BF: Je nachdem, welche Möglichkeit er dazu hatte. Nicht jeden Tag. Es hat Tage gegeben, wo er mir viele Male schreiben konnte. Manchmal hat er mich am nächsten Tag angerufen, das war unterschiedlich. Es war so, dass ein Freund von ihm ein Telefon hatte und das ging nur, wenn er Zugang zu diesem Telefon hatte.

R: Ich habe Probleme damit mir vorzustellen, dass Mobiltelefone in russischen Gefängnissen erlaubt sind. In österreichischen Gefängnissen sind sie verboten. XXXX hat auch angegeben, wegen quasi politischer Anklagen inhaftiert gewesen zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Zugang zu einem Mobiltelefon bekommt.

BF: In Russland ist alles möglich. Ich weiß es nicht, es war wirklich so. Ich habe auch ein Foto von XXXX und zwei anderen am Handy. Man sieht Gitter.

R: Warum haben Sie das Foto nicht gleich vorgelegt?

BF: Man hat mich nicht danach gefragt. Man hat uns nie nach sowas gefragt.

R: Hatten Sie auch auf andere Weise Kontakt zu XXXX zu dieser Zeit?

BF: Ich habe ihn auch besucht und ihm gutes Essen geschickt.

R: Wie oft haben Sie ihn besucht?

BF: Alle vier Monate ca., aber ich kann mich nicht genau erinnern.

R: Beschreiben Sie, wie so ein Besuch abgelaufen ist.

BF: Zuerst hat man alles übergeben und es wurde alles aufgeschrieben. Manchmal ist es dann nicht gelungen ihn zu sehen. Manchmal haben wir drei Nächte dort übernachtet.

R: Wo haben Sie übernachtet?

BF: Im Gefängnis.

R: Hat das Gefängnis ein Gästehaus?

BF: Dort gibt es eine gesonderte Stelle für die Besucher. Einzelne Zimmer.

R: Von wann bis wann bestand die Hausgemeinschaft?

BF: Wir haben nicht wie eine normale Familie, wie Mann und Frau gelebt. Wir haben das vielleicht einen Monat lang gemacht und haben uns danach lange nicht gesehen. Wir haben miteinander telefoniert. Wir haben gefragt, wo der andere ist, haben uns getroffen und dann sind wir auseinandergegangen.

R: Von wann bis wann haben Sie nach der Haftentlassung von XXXX fix zusammengelebt?

BF: Nicht lange. Wir haben in XXXX gelebt. Wir haben eine Wohnung gemietet.

R: Wie lange?

BF: Ich weiß es nicht mehr.

R: Ungefähr wann vor der Ausreise haben Sie nicht mehr zusammengewohnt?

BF: Wir haben bis zur Ausreise zusammengelebt.

R: Wann und wie haben Sie sich von ihm scheiden lassen?

BF: Ich habe mich hier von ihm scheiden lassen. Ich bin nach XXXX übersiedelt, ich kann mich daran auch nicht mehr erinnern.

R: Laut Stellungnahme vom 09.08.2018 (OZ 18) ist XXXX seit 18.04.2016 mit XXXX zusammen. Führt er beide Beziehungen parallel?

BF: Nein, er war mit XXXX zusammen.

R: Waren Sie da noch verheiratet oder geschieden?

BF: Wir haben uns scheiden lassen.

R: Das heißt im April 2016 waren Sie schon geschieden?

BF: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wann er sie kennengelernt hat.

R: Leisten er Ihnen oder den Kindern Unterhalt?

BF: Er liebt XXXX sehr und XXXX liebt ihn auch sehr. Wenn er Geld hat, dann gibt er uns Geld.

R: XXXX befand sich XXXX in Strafhaft. Wie lebten Sie in der Zeit die Beziehung?

BF: Ich wusste nicht, dass er sich im Gefängnis befindet. Ich wusste das nicht.

R: Sie hatten in diesem Zeitraum keinen Kontakt zu ihm?

BF: Ja, wir hatten keinen Kontakt. Ich wusste nichts von ihm.

R: Sie waren mit XXXX und XXXX seit 28.07.2017 im Grundversorgungsquartier XXXX untergebracht - wie XXXX 23.02.2018-27.06.2018. Haben Sie in der Zeit wieder mit XXXX zusammengelebt?

BF: Nein.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu XXXX aktuell!

BF: Wir verstehen uns sehr gut. Wir werden niemals dem anderen etwas Schlechtes wünschen.

R: Sind Sie voneinander abhängig?

BF: Ich brauche seine Hilfe.

R: Wie konkret leistet er Hilfe?

BF: Ich brauche Hilfe, ich habe ein Kind ohne Vater. Er spricht immer mit ihm und er sagt "Papa" zu ihm.

R: Von welchem Kind sprechen Sie?

BF: XXXX .

R: Beschreiben Sie die Beziehung der Kinder zu XXXX aktuell!

BF: Sie ist gut. Die Beziehung ist so wie eine Beziehung zwischen Vater und Sohn. Ich weiß, dass er nicht der Vater ist. Ich denke jeden Tag darüber, wie er zu den Kindern ist.

R: Leben die Kinder mit ihm zusammen?

BF: Nein, sie leben bei mir.

R: Wer macht Haushalt, Gewandt und Essen für die Kinder?

BF: Ich.

R: Wer geht mit den Kindern zu Ärzten, Behörden oder Elternsprechtagen?

BF: Wenn ich es schaffe, dann mache ich es. Aber wenn es mir nicht gut geht, dann rufe ich ihn an.

R: Meinen Sie jetzt, dass er die Kinder zur Schule bringt oder Elternsprechtage.

BF: Ich meine die Elternsprechtage.

R: Wie viele Tage in der Woche verbringen die Kinder bei XXXX ?

BF: Zwei Tage am Wochenende. Die Frau hat ja auch ein Kind, XXXX , die Kinder spielen miteinander. Ich rufe immer an und frage, wie es ihnen geht.

R: Was machen Sie in dieser Zeit?

BF: Ich erhole mich. Ich erhöhe die Dosis meiner Tabletten und schlafe.

R: Gab es häusliche Gewalt (Hinweis auf Aussageverweigerungsrecht, falls häusliche Gewalt von Ihnen ausging)?

BF: Welche Gewalt?

R erläutert die Frage.

BF: Nein.

R: Wurde gegen XXXX jemals eine Wegeweisung oder ein Betretungsverbot erlassen?

BF: Nein.

R: Wurde XXXX jemals aus diesem Grund angezeigt? Gab es ein Strafverfahren?

BF: Nein. Er ist nicht so ein Mann.

R an BFV: Laut der Kinder- und Jugendhilfe der XXXX (OZ 18) wurde 30.01.2014-26.06.2014 eine Abklärung durchgeführt auf Grund einer Gefährdungsmeldung Ihres Vertragspartners, der XXXX . Was war die Ursache der Gefährdungsmeldung?

BF: Da gab es eine Frau namens XXXX , eine Ukrainerin. Ich weiß nicht, welche Beziehung es zwischen XXXX und XXXX gegeben hat. Dort hat er ein Einzelzimmer bekommen. Das war noch bevor ich dort hingekommen bin. Als ich dort war, war er in einem Einzelzimmer untergebracht. XXXX hat sich gut mit XXXX verstanden. Wir haben dann eine andere Unterkunft bekommen und XXXX und ich haben begonnen viel zu streiten. Dann hat XXXX eine Meldung gemacht, ich glaube am ehesten, dass sie das beim Jugendamt gemacht hat. Wir hatten dann zwei oder drei Termine, ich kann mich nicht genau erinnern. XXXX hat XXXX sehr verteidigt.

R: Nach der Einreise lebten Sie eine Woche in der XXXX , dann zwei Monate lang in der XXXX , dann ein Jahr lang in XXXX , bis Sie unabgemeldet privat verzogen. Warum und zu wem zogen Sie nach XXXX ?

BF: Weil wir immer miteinander gestritten haben.

R. Bei wem und wo haben Sie dann gelebt?

BF: In einer Pension, ich kann mich nicht genau erinnern. Dort war ein großes "Wasser". Das war eine Pension.

R: Einen Monat später wurden Sie wieder in XXXX in das Betreuungsquartier aufgenommen. Anfang 2016 ersuchten Sie um die Überstellung in ein Quartier in XXXX angesucht und lehnten Unterkünfte in XXXX , XXXX und XXXX ab. Warum wollten Sie dort nicht hin? In XXXX waren Sie ohnedies vier Monate lang untergebracht!

BF: Ich weiß es nicht. Ich wollte hier leben, aber jetzt will ich das nicht mehr.

R: Was meinen Sie mit "hier"?

BF: Ich meine damit XXXX .

R: Sie hatten zwei Kinder bei sich im Alter von XXXX Jahren und XXXX Jahren - also kindergarten- und schulpflichtig. Die waren schon drei Jahre lang in XXXX aufhältig. Warum haben Sie sie aus diesem Umfeld herausreißen wollen, noch dazu während des Schuljahres?

BF: Ich stand unter Stress. Ich wollte mit jemandem sprechen, ich wollte mehr Menschen um mich herumhaben. Ich bin auch ein Mensch, ich will das auch.

R: Bei wem lebten Sie in der XXXX , in der XXXX und in der XXXX ?

BF: In der XXXX war ich einfach angemeldet, aber habe nicht dort gelebt.

R: Wie meldet man sich einfach an?

BF: Ich hätte dort leben können, aber dort war noch eine Frau.

R: Wo haben Sie dann mit den Kindern gelebt?

BF: Bei einer Freundin namens XXXX .

R: Haben Sie in der XXXX und der XXXX gelebt oder waren Sie dort auch nur angemeldet?

BF: Nur angemeldet. Ich habe bei XXXX gelebt. Sie hat einen behinderten Sohn. Ich habe für ihn gekocht und geputzt.

R: Leben Sie aktuell in einer Beziehung?

BF: Nein.

R: Wie ist Ihr Gesundheitszustand? Benötigen Sie aktuell Medikamente oder Therapien?

BF: Ja, psychisch. Von der Ambulanz haben ich einen Befund.

BFV legt vor:

• Röntgenbefund auf Verdacht auf XXXX

• Psychosoziale Behandlung

BF: Das ist alles.

R: Sie haben im Zulassungsverfahren angegeben, dass Sie XXXX haben?

BF: Ja, ich habe tatsächlich ein XXXX . Das hat man mir bereits in XXXX gesagt.

R: Das soll seit 2013 nicht behandelt worden sein?

BF: Man hat mir gesagt, dass man dafür 200.000 zahlen muss.

R: In Österreich soll das nicht behandelt worden sein?

BF: Nein.

R: Und XXXX ?

BF: Nein, er braucht keine Medikamente.

R: Braucht XXXX Medikamente oder Therapien?

BF: Er braucht keine Medikamente, aber er bekommt Psychotherapie.

R: Wurden Sie, XXXX oder XXXX in der Russischen Föderation behandelt?

BF: Ja, XXXX war in Behandlung. Er hat vier Jahre lang gehustet. Es war dann die Frage, ob er XXXX hat oder nicht. Hier wurde gesagt, dass er nicht XXXX hat, aber zuhause hat er zweimal eine XXXX gehabt.

R: Und XXXX ?

BF: Ich habe XXXX in der russischen Föderation nicht ins Krankenhaus gebracht.

R: Laut Akt kam er mit einem XXXX auf die Welt, ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht behandelt wurde.

BF: Nein, es hat keine Behandlung gegeben. Hier wurde er auch untersucht. Ich habe ihn zu einer Ärztin gebracht, aber sie hat gesagt, dass alles normal ist.

R: Haben Sie, XXXX oder XXXX Österreich seit Ihrer Asylantragstellung einmal verlassen?

BF: Nein.

R: Besitzen Sie außer dem asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

BF: Nein.

R: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

BF: Ja, ich habe weitschichtige Verwandte. Hier zum Beispiel, hier gibt es meine Stiefmutter (D: Das kann auch Pflegemutter bedeuten, es heißt "Mutter die man sich nimmt"), ihren Bruder, er heißt XXXX .

R: Handelt es sich bei der Freundin XXXX um die Frau des Bruders Ihrer Pflegemutter?

BF: Nein, sie heißt nur auch XXXX . Das ist nur eine Freundin.

R: Seit wann lebt Ihre Pflegemutter in Österreich?

BF: Sie lebt nicht in Österreich und war nie hier.

R: Wie ist der Kontakt zu Ihrem Pflegeonkel XXXX und seiner Familie?

BF: Wir haben einen guten Kontakt, wir besuchen uns manchmal. Das ist alles.

R: Wie war die Beziehung zu XXXX , als Sie noch in Russland waren?

BF: Manchmal ist er zur Schwester gekommen und wir sind auch hingekommen. Das waren normale verwandtschaftliche Beziehungen.

R: Warum geben Sie in der Stellungnahme vom 07.08.2018 an, dass Sie keine Verwandten in Österreich haben?

BF: Weil ich keine leiblichen Verwandten hier habe. Die Pflegemutter ist ja keine richtige Mutter. Ich habe hier keine leiblichen Verwandten.

R: Haben Sie in der Russischen Föderation noch Verwandte? Wenn ja:

welche?

BF: Väterlicherseits habe ich noch Verwandte, aber ich habe keinen Kontakt mehr zu ihnen.

R: Wo leben Ihre Verwandten genau?

BF: Sie leben im Dorf XXXX , in XXXX .

R: Wie geht es Ihren Verwandten in XXXX ?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Laut der Einvernahme am 29.07.2015 haben Sie folgende Verwandte in der Russischen Föderation:

-

Pflegemutter XXXX , geb. XXXX , whft. In XXXX , bezieht eine staatliche Pension und arbeitet zusätzlich XXXX

-

Schwester XXXX , geb. XXXX, whft. In XXXX , ehem. Mitarbeiterin am

XXXX , betreibt nun eine große XXXX ; 3 Kinder: XXXX , XXXX und XXXX

-

Schwager XXXX , Beamter beim Militär

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Tante mütterlicherseits XXXX in XXXX

-

Frau des Bruders XXXX der Pflegemutter, XXXX und zwei Kinder, whft. In XXXX , wiederverheiratet, Gatte arbeitet in XXXX

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Frau des Bruders XXXX der Pflegemutter, XXXX und drei Kinder, whft, in XXXX ; der Geliebte arbeitet und sorgt für die Familie

-

Frau des Bruders XXXX der Pflegemutter, XXXX und vier Kinder, hat wechselnde Beziehungen, die Kinder wachsen bei der Pflegemutter auf.

Stimmen diese Angaben?

BF: Ich korrigiere, dass die Tante XXXX heißt und nicht XXXX . Stadt XXXX , Gebiet XXXX , vier bis fünf Fahrstunden von XXXX entfernt. Die übrigen Angaben stimmen.

R: Warum hat die Pflegemutter, die Ihren Angaben zufolge nur eine Bekannte Ihrer Mutter ist, denselben Nachnamen wie Ihr Vater und Sie?

BF: Nein, das ist nicht mein Geburtsname. Es gab keine Geburtsurkunden und Dokumente. Sie hat für uns alles erledigt, deswegen tragen wir ihren Familiennamen.

R: Wie heißen Sie dann wirklich?

BF: XXXX . Es gibt aber keine Papiere auf diesen Namen.

R: Wie heißt Ihre Schwester dann wirklich?

BF: Sie heißt XXXX .

R: Haben Sie in der Russischen Föderation enge Freunde? Wenn ja, wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihnen?

BF: Ich habe keine Freunde dort. Ich habe nur Kontakt mit der Mutter und XXXX und mit einem alten Mann, namens XXXX . Sonst habe ich keinen Kontakt.

R: Haben Sie in Österreich enge Freunde? Wenn ja, wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihnen?

BF: Ich habe auch hier keine Freunde.

R: Besuchen Sie in Österreich Deutschkurse oder Berufsqualifizierungsmaßnahmen?

BF: Ja ich habe in der XXXX einen Kurs besucht. Dann hat mir das Jugendamt vorgeworfen, dass ich das Kind allein gelassen habe. Dann bin ich in XXXX übersiedelt. Dort haben wir auch Kurse bekommen, diese waren im November zu Ende. Dann sind wir in XXXX übersiedelt und habe den Berater gesagt, dass ich auf einen Kurs warte.

R: Welche Ausbildung hat XXXX , der jetzt XXXX Jahre alt ist, in Österreich gemacht?

BF: Alle Schulen.

BFV legt dazu die Zeugnisse der letzten drei Jahre und Integrationsbestätigung der Lehrerin vor.

R: Besucht er immer noch die XXXX schule in XXXX ?

BF: Ja.

R: In der XXXX Klasse?

BF: Ja.

R: Welche Ausbildung haben Sie in der Russischen Föderation absolviert?

BF: Keine.

R: Sie haben die Grundschule nicht besucht?

BF: Nein.

R: Das ist ungewöhnlich. Warum?

BF: Als ich schulpflichtig war, gab es den ersten und den zweiten Krieg. Wir hatten keine Möglichkeit die Schule zu besuchen.

R: Wieso können Sie dann so gut Russisch?

BF: Als ich hierherkam, konnte ich nicht wirklich gut Russisch. Auch jetzt kann ich nicht gut Russisch.

R an D: Wie ist die Verständigung mit der BF?

D: Ich verstehe die BF vollkommen problemlos. Die BF spricht nicht perfekt Russisch, aber es gibt keine Probleme.

R: XXXX reiste mit XXXX Jahren ins Bundesgebiet ein. Welche Ausbildung machte er in der Russischen Föderation?

BF: Drei Klassen.

R: Sie gaben an, dass er eine Privatschule besuchte. Beschreiben Sie die Schule und die Ausbildung! War das ein Internat?

BF: Das war eine Internatsschule, weil es mir so schwer war. Ich habe ihn dort abgegeben. Ich habe ihn aber oft besucht.

R: Woher hatten Sie das Geld dafür?

BF: Ich habe gearbeitet.

R: Als was haben Sie gearbeitet?

BF: Bis zu meinem zweiten Kind habe ich einen reichen Mann kennengelernt. Ich habe in einem XXXX gearbeitet. Dann habe ich auf XXXX gearbeitet und Spachtelarbeiten und Stuckaturen gemacht. Ich habe jede Arbeit angenommen, auch als Klofrau oder Reinigungskraft auf Toiletten.

R: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) in Österreich Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

BF: Ich habe eine Arbeit gefunden, bei einem Araber. Ich habe ein Papier genommen und bin zum AMS gegangen, aber ich habe dort ein Schreiben bekommen, dass ich nicht arbeiten darf.

R: Haben Sie in Österreich bislang eine Berufstätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit ausgeübt?

BF: Ja, ich habe geputzt. Ich kenne drei ältere Damen, bei denen habe ich geputzt. Ich habe von den Frauen niemals Geld gefordert, wenn sie mir Geld geben wollen, dann tun sie das. Ich putze sehr ordentlich. Ich bekomme manchmal sogar etwas mehr Geld von ihnen. Das ist eine ältere Dame. Eine XXXX hat mir gesagt, dass ich dort hinkommen kann und für vier Stunden putzen kann. Diese hat das dann weitererzählt und so habe ich dann bei anderen geputzt.

R: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt, seit Sie in Österreich leben?

BF: Ich arbeite sonst nicht. Ich gehe vielleicht einmal im Monat dieser Tätigkeit nach. Ich bekomme das Geld von der Pension und das reicht uns auch.

R: Bekommen Sie das Geld oder XXXX ?

BF: Ich bekomme das Geld.

R: Welche Ausbildung macht XXXX ?

BF: Er geht in die XXXX Klasse Volkschule, davor hat er die XXXX schule besucht und davor den Kindergarten. Ich kann mich nicht mehr erinnern, vor wie lange.

R: Welche Sprachen sprechen XXXX und XXXX ?

BF: Untereinander sprechen sie Deutsch und mit mir Tschetschenisch, sonst nichts.

R: Können Sie Russisch?

BF: Nein.

R: Welche Fernsehsendungen schauen sie?

BF: Sie schauen YouTube, weil wir keinen Fernseher haben.

R: In welcher Sprache schauen Sie fern?

BF: Deutsch und Russisch.

R: Ich gehe dann davon aus, dass sie zumindest grundlegend Russisch können, sonst würden sie das Fernsehen ja nicht verstehen.

BF: Nein, aber ich zwinge sie dazu, damit sie zumindest ein bisschen Russisch können.

R: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

BF: Können Sie sich an meine Vertrauensperson vom letzten Mal erinnern?

R: Ja.

BF: Wir gehen zusammen zu den XXXX .

R: Seit wann?

BF: Seit wir übersiedelt sind. Sie kommt und wir lesen und lernen gemeinsam.

R: Welche Übersiedlung meinen Sie?

BF: Sie kam bereits in der XXXX zu uns.

R: Haben Sie Belege dazu?

BF: Nein.

R: Sind Sie den XXXX beigetreten?

BF: Nein, noch nicht.

R: Noch nicht?

BF: Wir gehen dorthin, sie kommt jeden Samstag zu uns. Bevor sie kommt putzen wir zuhause. Sie gefällt uns sehr. Wir hören uns das gemeinsam an, damit meine ich auch XXXX und XXXX .

R: Warum haben Sie dieses Vorbingen erst jetzt getätigt?

BF: Sie haben mich nicht danach gefragt.

R: Warum haben Sie es nicht von sich aus vorgebracht?

BF: Ich wusste das nicht.

R an BFV: Warum haben Sie der BF nicht dazu geraten, das früher anzugeben?

BFV: Ich höre auch zum ersten Mal davon.

R: Wie verbringen Sie den Alltag in Österreich?

BF: Ich lese. Sie lässt mir Bücher da, die ich lese.

R: In welcher Sprache lesen Sie die Bücher?

BF: In Russisch.

R: Wie können Sie lesen, wenn Sie nie in der Schule waren?

BF. Für meine Bedürfnisse kann ich schon lesen und schreiben, aber nicht fehlerfrei.

R: Was machen Sie sonst noch?

BF: Ich koche und putze. Ich hole das Kind, essen und dann gehen wir schlafen.

R: Jetzt sprechen Sie nur von einem Kind.

BF: Von dem jüngeren, der ältere kommt von selbst.

R: Beschreiben Sie das soziale Umfeld von XXXX in Österreich und in der Russischen Föderation!

BF: Er ist ein sehr guter Junge, er ist ein sehr kluger Junge. In der Schule ist nicht alles wirklich sehr gut, aber sonst schon. Er ist menschlich ein guter Junge.

R wiederholt die Frage.

BF: Er beschäftigt sich mit dem Telefon. Er liest Bücher auf Deutsch. Früher hatte er noch Zusatzunterricht gehabt, in Mathematik usw., aber das macht er nicht mehr.

R: Wie verbringt XXXX seine Freizeit?

BF: Auch so.

R: Also lesen und mit dem Handy spielen?

BF: Ja.

R: Schildern Sie Ihren Lebenslauf bis zur Ausreise aus der Russischen Föderation! Wo und mit wem zusammen haben Sie wann gelebt?

BF: Bis zum achten Lebensjahr habe ich bei meiner Mutter im Bezirk XXXX gelebt. Dann habe ich und meine Schwester bei meiner Pflegemutter gelebt, im Bezirk XXXX , in der Straße XXXX . Dort habe ich mein ganzes Leben gelebt.

R: Haben Sie bis zur Ausreise dort gelebt?

BF: Ich habe woanders gelebt, wenn ich Probleme hatte.

R. Wann haben Sie woanders

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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