TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/25 W109 2211772-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W109 2211772-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch CARITAS Diözese Graz-Seckau, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 04.12.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.04.2019 und am 24.05.2019 zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des

angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde von XXXX vom 19.12.2018 betreffend die Spruchpunkte II. bis VI. wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX wird der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 25.11.2020 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 29.04.2016 stellte der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und ein Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet gemeinsam mit seinem älteren Bruder einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 30.04.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, stamme aus Laghman und habe vier Jahre die Schule besucht. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er könnte wegen der Taliban nicht in Afghanistan leben und wolle sich weiterbilden. Dies sei wegen der Sicherheitslage nicht möglich. Die Taliban hätten ihn mit dem Tod bedroht, er habe Angst, getötet zu werden.

Am 06.09.2016 wurde der Beschwerdeführer zu seiner möglichen Ausweisung nach Bulgarien befragt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen, ausgesprochen, dass Bulgarien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei und die Außerlandesbringung gegen den Beschwerdeführer angeordnet. Die Abschiebung nach Bulgarien sei demzufolge zulässig.

Der am 27.10.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangten Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht - nach Behebung seiner Entscheidung vom 01.02.2017 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.12.2017 - mit Beschluss vom 22.02.2018 statt und behob den bekämpften Bescheid vom 14.10.2016.

Am 29.05.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer möglichen Ausweisung seines Bruders nach Bulgarien und zum Verhältnis zu seinem Bruder befragt.

Am 01.10.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe vier Jahre die Schule besucht. Diese sei dann von den Taliban geschlossen worden und er habe eine Koranschule besuchen müssen, wo man ihm gesagt habe, er solle als Selbstmordattentäter auftreten. Deshalb habe er sich zuhause versteckt. Wer nicht in der Koranschule erschienen sei, sei geschlagen und gefragt worden, warum er gefehlt habe. Der älteste Bruder des Beschwerdeführers habe überdies als Leibwächter des Präsidenten gearbeitet. Sie seien deshalb von den Taliban bedroht worden. Der älteste Bruder hätte den Präsidenten ermorden sollen. Sie hätten auch einen Drohbrief erhalten. Die Taliban hätten gedroht, die Familie umzubringen, hätten sie nach einer Zeit zuhause aufgesucht, geschlagen und mitgenommen. Auf Intervention der Dorfältesten seien sie wieder freigekommen und der älteste Bruder habe dann die Flucht organisiert. Der Vater sei 2008 am Heimweg vom Dienst als Flugzeugtechniker auf den Flughafen Kabul von den Taliban aus dem Auto gezerrt worden und seither verschollen.

Am 10.10.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei bereits gezielt in das Visier der Taliban geraten, indem er sich der Zwangsrekrutierung entzogen habe sowie wegen der beruflichen Tätigkeit des Bruders. Mit Schutz des afghanischen Staates sei nicht zu rechnen. Auch sei der Vater seit Jahren verschollen. Der Beschwerdeführer leide auch an psychischen Problemen und sei die notwendige medizinische Versorgung im Herkunftsstaat nicht verfügbar. Der Beschwerdeführer sei auch als Angehöriger der sozialen Gruppe der psychisch Kranken asylrelevanter Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Außerdem sei die Sicherheitslage schlecht und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht verfügbar.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.12.2018, zugestellt am 07.12.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers seien nicht schlüssig, lebensnah oder nachvollziehbar. Er habe nicht plausibel erklären können, warum er sich nicht an die Polizei gewandt oder innerhalb des Landes verzogen sei. Auch habe er es problemlos geschafft, aus Afghanistan auszureisen, ohne dass die Taliban ihn gehindert hätten, obwohl er eigenen Angaben zufolge landesweit verfolgt werde. Auch dass Mutter, ältester Bruder und Schwestern noch in Afghanistan leben würden und nur der Beschwerdeführer und sein älterer Bruder ausgereist seien, sei nicht nachvollziehbar. Auch habe er bei der Erstbefragung nichts vom nunmehr Erzählten erwähnt. Der Beschwerdeführer könne sich in Afghanistan eine neue Existenz aufbauen und auf die im Herkunftsstaat aufhältigen Familienangehörigen zurückgreifen.

3. Am 20.12.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Bescheid werde wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten. Der Beschwerdeführer habe seine Identität widerspruchfrei dargelegt und medizinische Unterlagen ins Verfahren eingebracht. Diese seien nicht gewürdigt und die Erkrankung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Vorbringen sei zudem substantiiert und nachvollziehbar. Eine Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismitteln sei nicht erfolgt und die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht nachvollziehbar. Auch sei weder die Minderjährigkeit noch die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers berücksichtigt worden. Eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz sei wegen der Sicherheitslage nicht möglich und eine innerstaatliche Fluchtalternative dem minderjährigen, besonders vulnerablen, zudem psychisch erkrankten Beschwerdeführer nicht zumutbar. Dem Beschwerdeführer drohe im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen habe und ihm deshalb von den Taliban eine oppositionelle religiöse und politische Gesinnung unterstellt werde und wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie des Vaters und des Bruders wegen deren jeweiliger beruflicher Tätigkeit.

Am 09.04.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den mit Ladung vom 14.03.2019 in das Verfahren eingebrachten Länderberichten am Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 12.04.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und er hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen habe und wegen der beruflichen Tätigkeit von Bruder und Vater, aufrecht. Außerdem würde man ihm im Fall der Rückkehr vorwerfen, er habe seinen Glauben gewechselt.

Am 24.05.2019 wurde die Verhandlung unter Beiziehung von Dr. Sarajuddin Rasuly als Sachverständiger im Beisein des Beschwerdeführers, seiner bevollmächtigten Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu fortgesetzt. Die belangte Behörde verzichtete abermals auf die Teilnahme.

Am 06.06.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zur mündlich in der Verhandlung am 24.05.2019 erstatteten Einschätzung des Sachverständigen am Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, die Einschätzung des Sachverständigen würde die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers stützen.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

-

ÖIF Prüfungszeugnis A1 vom 10.07.2017,

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Medizinische Unterlagen,

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Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote,

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Schulbesuchsbestätigungen,

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Schulnachricht des Beschwerdeführers,

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Empfehlungsschreiben,

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Kopie eines "Taliban-Drohbriefes",

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Kopien von Ausweisen des Vaters,

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Kopie vom Dienstausweis des Bruders,

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Kopie einer Auszeichnung des Bruders,

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Österreichischer Schülerausweis des Beschwerdeführers,

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Mitgliedsausweis des Vaters von der kommunistischen Partei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX in einem Dorf in der Provinz Laghman geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch etwas Englisch und Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist laut in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Er leidet an Schlafstörungen und ist deshalb und wegen eines Verdachts auf posttraumatische Belastungsstörung in psychotherapeutischer Behandlung und nimmt Escitalopram 5 mg und Trittico 150 mg ein.

Die Familie des Beschwerdeführers stammt aus einem Dorf in der Provinz Laghman, Distrikt Qarghai, wo der Beschwerdeführer aufwuchs und vier Jahre die Schule besuchte. Mutter, ältester Bruder und zwei Schwestern sind in Afghanistan aufhältig. Zu ihnen besteht Kontakt. Die Familie besitzt ein Haus und Grundstücke in Laghman.

Dass der Beschwerdeführer Angehörigen oder Bekannten in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif leben kann, kann nicht festgestellt werden.

Der ältere Bruder des Beschwerdeführers, mit dem der Beschwerdeführer gemeinsam einreiste, ist unbekannten Aufenthaltes. Das Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingestellt.

Der Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der älteste Bruder des Beschwerdeführers arbeitet seit dem Jahr 2014 in Kabul als Security im Präsidentschaftspalast. Der Vater war bis zum Jahr 2008 als Flugzeugtechniker am Flughafen Kabul tätig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen der Tätigkeit des Bruders von den Taliban bedroht, geschlagen, mitgenommen und wieder freigelassen wurde. Dass der Bruder des Beschwerdeführers aufgefordert wurde, den Präsidenten oder einen anderen Politiker zu töten, wird nicht festgestellt.

Dem Beschwerdeführer drohen wegen der beruflichen Tätigkeit des Bruders keine Übergriffe durch die Taliban. Auch wegen der beruflichen Tätigkeit des Vaters oder wegen dessen vormaliger Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei drohen dem Beschwerdeführer keine Übergriffe.

Dass der Beschwerdeführer sich der Zwangsrekrutierung durch die Taliban entzogen hat, kann nicht festgestellt werden. Im droht für den Fall der Rückkehr nicht die Gefahr, zwangsrekrutiert zu werden.

Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen dem Beschwerdeführer keine Übergriffe, weil er aus dem westlichen Ausland zurückkehrt und ihm Apostasie unterstellt würde.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe oder Misshandlungen wegen seiner psychischen Erkrankung durch private oder staatliche Akteure.

1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Seit dem Jahr 2001 zählte die Provinz Laghman zu den relativ friedlichen Provinzen, in den letzten Jahren haben die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen in der Provinz zugenommen. Es kommt zu Kampfhandlungen und Zusammenstößen zwischen Streitkräften der Regierung und Aufständischen sowie zu Kämpfen zwischen Aufständischen (Taliban und IS). Hiervon betroffen sind insbesondere die Distrikte Mehtarlam, Alingar und Alishing. Der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers steht unter Regierungskontrolle. Die Talibanpräsenz ist gering. Die sichere Anreise des Beschwerdeführers ins Herkunftsdorf ist jedoch nicht gewährleistet.

Im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, von Aufständischen angegriffen, misshandelt oder getötet zu werden oder im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung zu Tode zu kommen, misshandelt oder verletzt zu werden.

In Afghanistan gibt es - trotz diesbezüglich Bemühungen von staatlicher Seite - kein zuverlässiges Unterstützungssystem für rückkehrende Kinder und Jugendliche. Eine Nachbetreuung ist praktisch nicht existent und es gibt keine auf unbegleitete Minderjährige spezialisierten Reintegrationsprogramme.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Lebenswandel im Herkunftsstaat und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben im Lauf des gesamten Verfahrens. Auch die belangte Behörde erachtete die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers als glaubhaft und legte sie ihrer Beurteilung zugrunde. Von seinen Deutschkenntnissen machte der Beschwerdeführer im Lauf der mündlichen Verhandlung am 12.04.2019 eindrucksvoll gebrauch, wo er beinahe fließende Deutsch sprach (Verhandlungsprotokoll S. 8-9). Zur Herkunft ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer durchgehend angab, aus Laghman zu kommen und befragt vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 24.05.2019 Herkunftsdistrikt und Dorf im Detail nannte und angab, es handle sich um zwei Dörfer (Verhandlungsprotokoll S. 5). Eines der beiden Dörfer hatte der Beschwerdeführer auch in der Erstbefragung am 30.04.2016 als Wohnsitzadresse im Herkunftsstaat angegeben (AS 11).

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Feststellung zum Verbleib von Mutter, ältestem Bruder und Schwestern des Beschwerdeführers in Afghanistan beruhen darauf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 30.04.2016 zunächst angab, Mutter, ältester Bruder und zwei Schwestern würden sich noch im Herkunftsstaat aufhalten (AS 11). In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.09.2016 gab der Beschwerdeführer überdies an, er habe zuletzt in der Provinz Laghman gemeinsam mit seiner Familie gelebt, bis der Bruder und er beschlossen hätten, zu flüchten (AS 83). Auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 01.10.2018 gab der Beschwerdeführer an, Bruder, Mutter und zwei Schwestern seien unverändert in Afghanistan aufhältig (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 528).

Zwar hat der Beschwerdeführer seit seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 01.10.2018 angegeben, seit 2,5 Jahren keinen Kontakt zur Familie zu haben sowie, dass es Attentate neben dem Präsidentenpalast gegeben habe und er nicht wisse, ob sein Bruder noch am Leben sei, insbesondere, weil sein Bruder in diesem Fall Kontakt aufgenommen hätte (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 529). Diese Angabe tätigte der Beschwerdeführer allerdings erst, als ihm von der belangten Behörde nach freier Schilderung seiner Fluchtgründe vorgehalten wurde, dass seine Familie noch in Afghanistan lebe (Einvernahmeprotkoll S. 5, AS 529). Befragt zum Verbleib seiner Familie gab der Beschwerdeführer zunächst lediglich an, sie sei in Afghanistan aufhältig und die finanzielle Lage der Familie sei gut (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 528). Es wäre allerdings davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, wenn er nicht weiß, wo seine Familie lebt und ob sie überhaupt noch lebt, seine diesbezügliche fehlende Information kundtut, statt den Stand im Zeitpunkt seiner Ausreise einige Jahre zuvor referieren. Zwar wiederholt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2019 die Angabe, er habe keinen Kontakt zu seinen Angehörigen und wisse nicht, ob sie noch leben (Verhandlungsprotokoll S. 6). Hierbei zeigte sich der Beschwerdeführer jedoch völlig unberührt. Weiter gewinnt das Bundesverwaltungsgericht aus dem gesamten Aussageverhalten des Beschwerdeführers (siehe dazu auch unten unter 2.2.) den persönlichen Eindruck, dass der Beschwerdeführer davon Abstand nimmt, sich auf die Wiedergabe von Fakten zu beschränken, wenn er eine fiktive Variation auf Grundlage realer Umstände als für seinen Verfahrensausgang günstiger einschätzt.

Die Feststellung zum Grundbesitz der Familie in Laghman beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2019 (Verhandlungsprotokoll S. 6) sowie in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 01.10.2018 (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 528).

Dass der Beschwerdeführer Angehörigen oder Bekannten in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif leben kann, konnte nicht festgestellt werden, weil es hierauf im Lauf des Verfahrens keine Hinweise gab und vor dem Hintergrund der Herkunft der Familie des Beschwerdeführers auch nicht per se wahrscheinlich erscheint, dass er Angehörige oder Bekannte in den genannten Städten hat.

Die Feststellungen zum Verbleib des Bruders, mit dem der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet eingereist ist, sowie zu dessen Verfahren ergeben sich einerseits daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht in das Zentrale Melderegister Einsicht genommen und festgestellt hat, dass der Bruder über einen Wohnsitz im Bundesgebiet nicht verfügt. Weiter ist im eingeholten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem hinsichtlich des Bruders ersichtlich, dass dessen Verfahren nach § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt wurde sowie, dass er bereits am 03.09.2018 wegen unbekannten Aufenthaltes aus der Grundversorgung abgemeldet wurde. Dass er sonst in Europa in Erscheinung getreten wäre, ist nicht amtsbekannt.

Zum Aufenthalt des Vaters ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer durchgehend - erstmals bereits in der Erstbefragung am 30.04.2016 (AS 11) angegeben hat, dass der Vater seit dem Jahr 2008 verschollen ist. Was der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, ist, dass der Vater verstorben ist oder tot aufgefunden wurde. Folglich konnte der Aufenthalt des Vaters nicht festgestellt werden.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der älteste Bruder des Beschwerdeführers seit dem Jahr 2014 als Security im Präsidentschaftspalast arbeitete, beruht im Wesentlichen auf den Angaben des Beschwerdeführers. Auch hat der Beschwerdeführer dazu eine Ausweiskopie des Bruders vorgelegt. Aus dieser Kopie geht hervor, dass der Beschwerdeführer "Beschützer des Palastes" ist und für das "Präsidium zum Schutz des Präsidenten der Republik arbeitet".

Zum vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Tätigkeit des Bruders geschilderten Bedrohungsszenario ist den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte Familienangehörige von Regierungsmitarbeitern und Angehörigen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen haben. Insbesondere seien Verwandte Opfer von Schikanen, Entführung, Gewalt und Tötung geworden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54 f.).

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch die vom Beschwerdeführer behauptete persönliche und individuelle Betroffenheit von diesem Risiko nicht glaubhaft. Zunächst beschränkt sich der Beschwerdeführer in seinen Schilderungen auf allgemeine Aussagen, beschreibt aber selbst auf Nachfrage keinen lebendigen Ereignisablauf. Hierbei übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des von ihm geschilderten Fluchtauslösenden Vorfalles noch sehr jung - etwa 13 oder 14 Jahre alt - war, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung und Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen verlangt. Insbesondere ist die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" zu messen und muss aus der Entscheidung erkennbar sein, dass darauf und auch auf den Blickwinkel, aus dem die Schilderung der Fluchtgründe erfolgt, Bedacht genommen wurde. Demnach bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150 mwN).

Allerdings steht das Vorbringen des Beschwerdeführers nebst seine geringen Dichte und seines niedrigen Detailgrades im Wesentlichen nicht im Einklang mit den Länderberichten und der Expertise des der mündlichen Verhandlung am 25.05.2019 beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen.

So führte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zum Themenkreis des oben zitierten UNHCR-Riskoprofiles im Detail aus, dass Personen, die wieder der Bruder des Beschwerdeführers als Mitglied des Präsidiums der Schutztruppe des Präsidenten arbeiten, falls sie sich auf der Hauptstraße befinden oder in ihre Dörfer zurückkehren, von den Taliban festgenommen und bestraft werden. Die Familien würden aber meist in ihren Dörfern leben. Diese würden von den Taliban aufgefordert, dass sie ihre Angehörigen in Kabul überreden, dass sie ihren Job aufgeben sollen oder sie würden mit einer Geldstrafe bestraft. Wenn etwa in Großstädte gehen und nicht in Talibanherrschaftsbereichen leben würden, seien sie für die Taliban nicht so interessant. Wenn sich ein Bodyguard eines Präsidenten oder Ministers besonders hervorhebe und bei einem Angriff auf einen Konvoi einen Talib töte oder besonders schwer verletze, so entstehe eine Todfeindschaft und die Familie des getöteten Talib würde mit Unterstützung der Talibangruppe versuchen, den Täter zu erreichen und wenn sie ihn nicht erreichen könne, den Mitgliedern seiner Familie etwas antun.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht in einem Talibanherrschaftsbereich lebte und lebt, sondern in einem Gebiet, das unter Regierungskontrolle bzw. unter Einfluss der Regierung steht (siehe dazu im Detail sogleich unten). Weiter hat der Beschwerdeführer nichts angegeben, was darauf hindeutet, dass der Bruder des Beschwerdeführers öffentlich in Erscheinung getreten ist oder im Sinne der Ausführungen des Sachverständigen in eine Todfeindschaft verwickelt wäre. Er gibt viel mehr an, nicht zu wissen, ob der Bruder öffentlich in Erscheinung getreten ist (Verhandlungsprotokoll vom 24.05.2019, S. 5) und begründet die von ihm behauptete Entführung seiner Person durch die Taliban damit, dass dem Bruder Angst gemacht hätte werden sollen (S. 4). Damit deutet nichts im Vorbringen des Beschwerdeführers auf die Entstehung einer Todfeindschaft hin.

Auch erscheint das vom Beschwerdeführer beschriebene Vorgehen, um den Bruder unter Druck zu setzen, nicht plausibel. So stimmt dieses zunächst nicht mit den Erläuterungen des Sachverständigen überein, demzufolge üblicherweise eine Geldstrafe zu bezahlen ist. Weiter sollen die Taliban zunächst mehrmals mündlich gedroht haben, den Beschwerdeführer (und seinen anderen Bruder) entführt und wieder freigelassen und dann noch einen Drohbrief geschickt haben. Nachdem aber der Bruder des Beschwerdeführers nach mehrmaliger mündlicher Drohung dem Drängen der Taliban nicht nachgegeben haben und auch nach Entführung seiner beiden Brüder nicht eingelenkt haben soll, erscheint eine erneute Aufforderung mittels Drohbrief nicht Freilassung der Entführten nicht plausibel, war doch bereits klar, dass der Bruder der Forderung nicht nachkommen wird. Im Übrigen ist der Drohbrief mit 18.12.2015 datiert (Einvernahmeprotokoll S. 2, AS 526), während der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung am 30.04.2016 angab, etwa zweieinhalb Monate zuvor - und damit etwa Mitte Februar - den Entschluss zur Ausreise gefasst zu haben. Damit wären nach Erhalt des Drohbriefes erneut zwei Monate bis zur Ausreise ereignislos verstrichen. Diese Tatenlosigkeit der Taliban bei der Umsetzung ihrer Drohung passt jedoch weder zur Berichtslage hinsichtlich des Vorgehens der Gruppierung, noch zur vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohung. Weiter leben Mutter und Schwestern des Beschwerdeführers weiterhin unbehelligt im Herkunftsdorf (siehe hierzu bereits oben) und verfügt die Familie dort weiterhin über Grundbesitz, obwohl dem bereits zitierten UNHCR-Risikoprofil zu entnehmen ist, dass die Taliban auch Frauen und Kinder angreifen. Angesichts der bereits aufgezeigten Ungereimtheiten geht das Bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegte Kopie eines "Taliban-Drohbriefes" kein Abbild eines echten Dokumentes darstellt, das von den Taliban stammen würde.

Damit decken sich die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers nicht mit den vom Bundesverwaltungsgericht zur Lage im Herkunftsstaat eingeholten Informationen und sind die vom Beschwerdeführer geschilderten ausreiseauslösenden Umstände nicht glaubhaft. Folglich wurden entsprechende Negativfeststellungen getroffen.

Nachdem sich spezifische Umstände, die den Beschwerdeführer für die Taliban besonders interessant machen, nicht ergeben haben und der Beschwerdeführer aus einem Dorf unter Regierungskontrolle stammt, wo seine Verwandten im Übrigen noch unbehelligt leben, ist für den Fall der Rückkehr mit Übergriffen von Seiten der Taliban gegen den Beschwerdeführer wegen der Tätigkeit des Bruders nicht zu rechnen und das Bundesverwaltungsgericht gelangt zu einer entsprechenden Feststellung.

Die Tätigkeit des Vaters als Flugzeugtechniker am Flughafen von Kabul hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen durchgehend angeben. Hieraus lässt sich allerdings für sich genommen noch nicht ableiten, dass der Beschwerdeführer deshalb im Fall der Rückkehr von Übergriffen der Taliban bedroht wäre.

Zur Entführung des Vaters ist zunächst auszuführen, dass diese von der Straße weg wegen seiner Tätigkeit als Flugzeugtechniker für die Armee grundsätzlich plausibel ist. So ist den UNHCR-Richtlinien zu entnehmen, dass es zu Angriffen auf Zivilisten kommt, die der Zusammenarbeit oder der "Spionage" für regierungsnahe Kräfte, darunter die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, verdächtigt werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe c) Zivilisten, die mit den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften/regierungsnahen Kräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen, S. 48). Allerdings liegt die vom Beschwerdeführer geschilderte Entführung des Vaters bereits über zehn Jahre zurück und ist hieraus seither für den Beschwerdeführer keine Bedrohung entstanden. Insbesondere haben die Taliban auch den Vater selbst erwischt, weswegen ein Interesse am Beschwerdeführer als Druckmittel gegen den Vater ausgeschlossen ist (siehe dazu das bereits zitierte UNHCR-Risikoprofil unter Buchstabe k).

Hinsichtlich der (ehemaligen) Mitgliedschaft des Vaters bei der kommunistischen Partei ist auszuführen, dass der Sachverständige von einer grundsätzlichen Gefährdung wegen einer solchen Mitgliedschaft von Seiten regierungsfeindlicher Gruppierungen oder der Regierung nicht ausgeht. Risikoerhöhende Aspekte hat der Beschwerdeführer dagegen nicht dargelegt und hat der Sachverständige auch erläutert, dass der Vater des Beschwerdeführers nicht vom Sturz des kommunistischen Regimes bis 2008 unbehelligt im Dorf hätte leben können, wenn ihm tatsächlich wegen seiner Mitgliedschaft bei den Kommunisten Gefahr drohen würde (Verhandlungsprotokoll vom 24.05.2019, S. 8-9). Damit erscheint es nicht als plausibel, dass der Beschwerdeführer zehn Jahre nach dem Verschwinden des Vaters wegen der Mitgliedschaft des Vaters bei der kommunistischen Partei behelligt werden sollte. Folglich wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer wegen der beruflichen Tätigkeit des Vaters oder wegen dessen vormaliger Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei keine Übergriffe drohen.

Zur vom Beschwerdeführer behaupteten Zwangsrekrutierung ist auszuführen, dass sich die Erzählung des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der Länderberichte als nicht plausibel erweist. So gibt der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe die Schule besucht und diese sei von den Taliban geschlossen worden und sei er dann in eine Religionsschule geschickt worden, wo man ihn unterrichtet habe, dass Ungläubige das Land erobert hätten und sie gegen sie kämpfen und Selbstmordanschläge verüben sollen. Wenn er der Religionsschule ferngeblieben und dabei gesehen worden sei, sei er geschlagen worden (Verhandlungsprotokoll vom 12.04.2019 S. 6 und Einvernahmeprotokoll S. 4-5, AS 528-529). Zwar berichten etwa die UNHCR-Richtlinien unter anderem davon, dass regierungsfeindliche Kräfte Kinder für Selbstmordanschläge und als menschlichen Schutzschild oder für die Beteiligung an Kampfeinsätzen rekrutieren würden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59 ff.).

Unter Berücksichtigung des Herkunftsdistriktes des Beschwerdeführers erscheint es allerdings nicht wahrscheinlich, dass die Taliban dort in der vom Beschwerdeführer geschilderten Weise vorgegangen sein und derart offen agiert und eine Schule geschlossen haben sollen. So berichtet das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, dass die Provinz Laghman seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen zählte. Zwar wird auch berichtet, es sei zu einer Zunahme der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen gekommen, der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers war davon aber, soweit ersichtlich, kaum betroffen. Auch finden sich in den Ausführungen keine Hinweise darauf, dass es zu einer Verlagerung der Aktivitäten Aufständischer vom Herkunftsdistrikt in andere Distrikte gekommen wäre oder dass der Distrikt, nach einer Phase der Instabilität nach 2001 wieder stabilisiert hätte werden können (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.20. Laghman). Auch aktuell ist der Distrikt dem EASO COI Report, Afghanistan Security situation von Juni 2019 zufolge als unter Regierungskontrolle stehend bzw. als unter dem Einfluss der Regierung stehend eingestuft (Kapitel 2.21 Laghman, insbesondere Tabelle auf S. 203), wobei auch hier nicht berichtet wird, dass der Distrikt nach einer Phase der Instabilität wieder hätte stabilisiert werden können. Weiter lässt sich der EASO Country Guidance:

Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) entnehmen, dass Schulschließungen grundsätzlich nicht (mehr) der Zielsetzung der Taliban entsprechen (Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 7. Educational personnel, S. 54-55). Zwar wird auch von Übergriffen auf Schulkinder und Angriffen auf Schulen in von den Taliban kontrollierten Gegenden berichtet (Länderinformationsblatt, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 04.06.2019). Wie bereits oben ausgeführt, war und ist die Talibanpräsenz im Herkunftsdistrikt bislang gering und stand und steht der Herkunftsdistrikt bislang unter Regierungskontrolle. Damit entspricht die Erzählung des Beschwerdeführers nicht der Berichtslage und erweist sich folglich als nicht plausibel. Nachdem aber der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass er konkret und individuell von einer Schulschließung und einem anschließenden Koranschulbesuch mit Zwangsrekrutierungsversuch betroffen war, erweist sich auch die Rückkehrbefürchtung, dass dem Beschwerdeführer, weil er sich der Zwangsrekrutierung bereits in der Vergangenheit entzogen hat, Übergriffe von Seiten der Taliban drohen, als unplausibel. Zur Aktualität der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens zum Themenkreis Zwangsrekrutierung herangezogenen Länderberichte ist im Übrigen anzumerken, dass sich die Erzählung des Beschwerdeführers, aus der er seine Rückkehrbefürchtung ableitet, auch auf einen bereits länger zurückliegenden Zeitpunkt bezieht. Aktuellere Entwicklungen der Sicherheitslage sind damit für die Frage, ob die Schilderung des Beschwerdeführers zu einem Fluchtauslösenden Vorfall plausibel ist, nicht relevant.

Zur allgemeinen Zwangsrekrutierungs-Gefahr für Teenager bzw. junge Männer ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass es den Taliban im Allgemeinen nicht an freiwilligen Rekruten fehle. Nur in Ausnahmefällen würden sie auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen, wobei der Focus hier auf Personen mit militärischem Background liege. Auch in Situationen akuter Anspannung würde es zu Zwangsrekrutierung von Seiten der Taliban kommen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 6. Individuals at risk of forced recruitment by armed groups, S. 53-54). Auch die UNHCR-Richtlinien berichten allgemein, dass es zu Zwangsrekrutierungen an Kindern und Erwachsenen kommt. Regierungsfeindliche Kräfte würden Gebiete, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben würden, Kämpfer rekrutieren und dabei fallweise auch Zwangsmaßnahmen einsetzen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59 ff.). Eine Betroffenheit des Beschwerdeführers von diesen Ausnahmefällen für den Fall der Rückkehr wurde allerdings - abgesehen von der bereits oben als nicht glaubhaft gewerteten Erzählung - nicht dargetan und war auch nicht ersichtlich. So stammt der Beschwerdeführer nicht aus einem Gebiet unter Taliban-Kontrolle und verfügt nicht über militärisches Wissen. Entsprechend wurde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich der Zwangsrekrutierung durch die Taliban entzogen hat sowie, dass ihm für den Fall der Rückkehr nicht die Gefahr droht, zwangsrekrutiert zu werden.

Zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr keine Übergriffe drohen, weil er aus dem westlichen Ausland zurückkehrt und ihm Apostasie unterstellt würde, ist auszuführen, dass die UNHCR-Richtlinien zwar Fälle von Rückkehrern erwähnen, die von Aufständischen bedroht, gefoltert und ermordet worden seien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Riskoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen [S. 52 f.]). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass systematisch Übergriffe gegen Rückkehrer stattfinden. Insbesondere berichtet die EASO, Country Guidance, dass das Risiko für Männer, als verwestlicht wahrgenommen zu werden, minimal ist und von den spezifischen individuellen Umständen abhängt, auch wenn ebenso Erwähnung - wie auch in den UNHCR-Richtlinien - Erwähnung findet, dass Aufständische Personen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, Angriffsziel von Aufständischen werden und als unislamisch wahrgenommen werden können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as "Westernised", S. 65 f.). Die vom Beschwerdeführer geäußerte Rückkehrbefürchtung im Zuge der mündlichen Verhandlung am 12.04.2019 erschöpft sich allerdings darin, dass ihm im Fall der Rückkehr vorgeworfen werden würde, er hätte seinen Glauben gewechselt und würde er als Ungläubiger bezeichnet werden (Verhandlungsprotokoll S. 7). Damit legt der Beschwerdeführer nicht konkret dar, inwiefern und aufgrund welcher spezifischen Umstände er individuell von einem der oben dargelegten Risiken betroffen sein sollte und konnte der Beschwerdeführer seine diesbezügliche Rückkehrbefürchtung nicht glaubhaft machen.

Hinsichtlich der geltend gemachten Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner psychischen Erkrankung ist den UNHCR-Richtlinien zu entnehmen, dass Personen, die etwa an einer psychischen Erkrankung leiden, Misshandlungen durch Mitglieder der Gesellschaft, auch durch Angehörige ihrer eigenen Familie, ausgesetzt sein können, da die Krankheit als Bestrafung für von den Betroffenen oder ihren Eltern begangene Sünden betrachtet werde (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 9. Personen mit Behinderung, insbesondere geistiger Behinderung, und Personen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, S. 91 f.). Ähnlich berichtet auch die EASO Country Guidance, dass unter anderem Menschen mit psychischen Erkrankungen oft stigmatisiert würden und dass Misshandlungen durch die eigene Familie oder die Gesellschaft auftreten würde, wobei der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge nicht von einer automatischen Betroffenheit aller psychisch Kranken in Afghanistan auszugehen ist, sondern die Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall zu erfolgen habe, etwa Art und Sichtbarkeit der Erkrankung, Wahrnehmung durch die Familie, etc. (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 15. Persons living with disabilities and persons with severe medical issues, S. 67 f.). Für den Beschwerdeführer haben sich im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte ergeben, dass gerade er von derartigen Übergriffen betroffen sein könnte. Demnach handelt es sich beim Fluchtvorbringen hinsichtlich der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers um vage Mutmaßungen, ohne das eine Gefährdung konkret dargelegt worden wäre. Folglich wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr keine Übergriffe oder Misshandlungen wegen seiner psychischen Erkrankung durch private oder staatliche Akteure drohen.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinien (insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Laghman ergeben sich im Wesentlichen aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.20.Laghman) sowie aus der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel

III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe

c. Indiscriminate violence, Unterabschnitt Laghman, S. 107-108), wobei sich beiden Länderberichten im Wesentlichen übereinstimmend entnehmen lässt, dass insbesondere die Distrikte Mehtarlam, Alingar und Alishing betroffen sind (siehe auch die obigen Ausführungen unter 2.1. zum Herkunftsdistrikt). Die Feststellung, dass die sichere Anreise des Beschwerdeführers nicht gewährleistet ist, beruht zunächst darauf, dass die Straßen in Afghanistan allgemein unsicher sind. So berichtet das Länderinformationsblatt, dass die Sicherheit auf den afghanischen Straßen vor allem unter der Präsenz von Aufständischen, Zusammenstößen zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte leidet (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit). Der Beschwerdeführer müsste aber, um sein Herkunftsdorf zu erreichen, zunächst über einen der internationalen Flughäfen nach Afghanistan einreisen, die sich in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif, Kandahar und Kabul (Stadt) befinden (Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan) und von dort aus auf der Straße weiterreisen, wobei sein Herkunftsdorf über die Grand Trunk Road, Abschnitt Kabul-Dschalalabad, der auch durch den Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers führt, zu erreichen wäre (Abschnitt Grand Trunk Road - Autobahnabschnitt Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway). Insofern wäre der Beschwerdeführer in jedem Fall zu einer Durchreise durch die Provinz Kabul gezwungen, wobei insbesondere für den Distrikt Surubi (im Osten an der Grenze zu Laghman), den der Beschwerdeführer durchqueren müsste, von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet wird (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, insbesondere Abschnitt Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure). Auch militärische Operationen aus der Luft und am Boden von Seiten der afghanischen Sicherheitskräfte finden im Distrikt Surubi statt, die auch zivile Opfer fordern (Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung). Insbesondere für den minderjährigen Beschwerdeführer ist damit eine sichere Durchreise in sein Herkunftsdorf nicht gewährleistet. Folglich wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die Gefahr droht, von Aufständischen angegriffen, misshandelt oder getötet zu werden oder im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung zu Tode zu kommen, misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellungen zur Rückkehrerbetreuung hinsichtlich Kindern und Jugendlicher basieren auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Unterkapitel 23.1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

(UMF).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul sowie auf den UNHCR-Richtlinien (dazu sogleich). So lässt sich dem aktuellen Länderinformationsblatt keine Trendumkehr hinsichtlich der Verschlechterung der Sicherheitslage erkennen, sondern wird viel mehr von einer Zunahme der zivilen Opfer um 2 % berichtet (Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung), wobei als Hauptursache für zivile Opfer Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen genannt werden. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem aktuelleren Länderinformationsblatt keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel an der Aktualität der Einschätzung und Informationen der UNHCR-Richtlinien hegt. Dementsprechend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Kabul die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Wie oben ersichtlich könnte er dieser Gefahr nur entgehen, indem er alltägliche Wege und Aktivitäten vermeidet, was sich als klar lebensfremde Erwägung erweist.

Zur Plausibilität, Seriosität und Aktualität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, in der Fassung der Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 sowie in der Fassung der Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die zitierten Berichte in das Verfahren eingebracht. Hinsichtlich des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, ist insbesondere davon auszugehen, dass der belangten Behörde als Erstellerin des Berichtes der Inhalt hinlänglich bekannt ist, während die Informationen ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers herangezogen wurden. Folglich stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.1. Zum Fluchtvorbringen hinsichtlich Zwangsrekrutierung:

Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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