TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W197 2119195-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W197 2119195-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2015, Zl. 1022365101-14742210, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.06.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei zusammengefasst an, dass er als Mitglied der politischen Partei BNP von Mitgliedern der regierenden Partei, der Awami-League, mit dem Umbringen bedroht worden sei. Am 16.12.2013 habe es eine Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern dieser Parteien gegeben und seien mehrere Mitglieder der BNP angezeigt worden, darunter auch der Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer werde aus diesem Grund von der Polizei gesucht und habe deshalb die Flucht ergriffen.

Am 12.05.2015 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er in Bangladesch nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Awami-League und Anhängern der Jubo Dal fälschlicherweise angezeigt worden sei und daher Angst um sein Leben gehabt habe.

Mit oben genanntem Bescheid vom 03.12.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 07.08.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX

Er ist bengalischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Distrikt XXXX in der Volksrepublik Bangladesch. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der oppositionellen politischen Partei Jubo Dal, einer Organisation der oppositionellen politischen Partei Bangladesch Nationalist Party. Der Beschwerdeführer wurde, nachdem es im Dezember 2013 zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Anhängern der Regierungspartei Awami-League und Anhängern der Jubo Dal gekommen war, aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung durch seine politischen Gegner fälschlicherweise wegen versuchten Mordes angezeigt. Gegen den Beschwerdeführer wurde in der Folge Anklage erhoben; das diesbezügliche, politisch motivierte Verfahren ist offen. Der Beschwerdeführer würde im Fall einer Rückkehr keinen Zugang zu einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren erhalten und könnte im Fall einer Verurteilung die Todesstrafe erhalten. Der Beschwerdeführer ist daher im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen und konkreten Verfolgung durch die bengalischen Behörden wegen seiner oppositionellen politischen Gesinnung ausgesetzt.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Volksrepublik Bangladesch:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 11.03.2019, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

"[...]

Politische Lage

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / GanJaprajatantri BamJlades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden". Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca.

8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 12.2018).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.10.2017).

Die Zivilbehörden haben eine effektive Kontrolle über das Militär und die Regierung verfügt über die notwendigen Mechanismen, um Missbrauch und Korruption zu ahnden. Allerdings macht sie hiervon immer weniger Gebrauch. Faktisch hat der Sicherheitsapparat ein Eigenleben entwickelt, das kaum mehr von der Regierung kontrolliert wird (AA 27.10.2017).

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste (USDOS 20.4.2018). Im Fokus der Kritik bezüglich Folter wie auch extralegaler Tötungen stehen dabei insbesondere die Angehörigen der Rapid Action Battalions (RAB) (ÖB 12.2018). Die Behörden gehen entsprechenden Anzeigen nur selten nach. Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death Prevention Act) aus dem Jahr 2013 wird aufgrund mangelndem politischen Willen und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden unzureichend umgesetzt (AI 23.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Missbrauch durch Sicherheitsbeamte bleibt weitgehend straflos (USDOS 20.4.2018).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt.

Sicherheitsbehörden wenden Bedrohungen, Schläge, Kneecapping [Anm.:

Schüsse ins Bein oder Knie] und Elektroschocks sowie manchmal Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe an, um Informationen von mutmaßlichen Aufständischen und Oppositionellen zu erlangen (USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung erscheinen politisch motiviert und manchmal werden Familienmitglieder von politischen Gegnern zu Opfern (HRW 17.1.2019). Doch auch vulnerable Gruppen und normale Bürger sind von Folter betroffen (OMCT 26.6.2018).

Gemäß der bangladeschischen NGO Odhikar starben im Jahr 2017 13 Personen an den Folgen von Folter; weiters werden für 2017 155 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 86 Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen berichtet (Odhikar 12.1.2018).

Trotz internationaler Verpflichtungen hat Bangladesch bisher keine Schritte zur Etablierung eines effektiven Opfer- und Zeugenschutzes getätigt und auch keine Prozeduren eingeleitet, die es Opfern ermöglicht, ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen. Folteropfer und deren Familien werden nach Anzeigen gegen Sicherheitsbeamte häufig bedroht und in vielen Fällen wird ihnen Geld angeboten, damit sie die Beschwerde zurückziehen. In den wenigen Fällen, die vor Gericht gelangen, sind die Opfer mit einem dysfunktionalen und parteiischem Justizsystem konfrontiert (OMCT 26.6.2018). In Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 27.10.2017).

Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019).

Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 12.2018).

Laut Transparency International haben im Jahr 2015 47% der befragten Haushalte und 49% der befragten Unternehmen Bestechungsgeld gezahlt (TI 30.5.2016). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf (AA 27.10.2017).

Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB 12.2018). Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Beamte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 27.10.2017). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen, die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 20.4.2018), beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 1.2018).

Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 20.4.2018).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Bangladesch verfügt über eine große, seit den 1970er Jahren wachsende Zahl an regierungsunabhängigen Menschenrechtsorganisationen (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018). NGOs können ihre Erkenntnisse veröffentlichen, jedoch sind Regierungsvertreter diesbezüglich nur selten interessiert oder kooperativ (USDOS 20.4.2018).

Die Schwerpunkte dieser Organisationen liegen eher im Bereich des sozialen Engagements, insbesondere der Bildungsarbeit und Gesundheitsversorgung der armen Landbevölkerung. Weit entwickelt sind auch Mikrokreditinstitutionen, deren Hauptzielgruppe der weibliche Teil der armen Bevölkerungsschichten ist. NGOs spielen ebenso eine wichtige Rolle für die Durchsetzung der Grundrechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen (ÖB 12.2018).

Menschenrechts-NGOs in Bangladesch üben oft harsche Kritik an der Regierung, sehen sich deswegen aber nicht generell staatlichen Repressionen ausgesetzt. Seit Ausrufung des Ausnahmezustandes kam es aber wieder zu einer Verschlechterung der Situation. Im Zuge der Anti-Korruptionskampagne der Übergangsregierung gerieten auch prominente NGO-Vertreter ins Visier der Behörden (ÖB 12.2018). Weiterhin werden häufig Berichte über Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Menschenrechtsverteidigern bekannt. Der Druck auf die Zivilgesellschaft durch die Regierung ist hoch (AA 27.10.2017). Menschenrechtsgruppen praktizieren Selbstzensur und Bedrohungen von Extremisten sowie eine zunehmend autoritär agierende Regierungspartei führte zu einer Kultur der Angst in der Zivilgesellschaft (USDOS 20.4.2018).

Die Menschenrechtsorganisation Odhikar war von einer Schmierkampagne betroffen, in der ihr "anti-staatliche und regierungsfeindliche" Aktivitäten und die "Verschwörung gegen das Land" vorgeworfen wurde (FIDH 9.1.2019). Die Bangladesh Election Commission (BEC) verbot Odhikar Wahlbeobachter bei der Parlamentswahl vom 30.12.2018 einzusetzen (FIDH 9.1.2019; vgl. AI 13.12.2018). Insgesamt wurden nur etwa 26.000 Wahlbeobachter akkreditiert (FIDH 9.1.2019).

Alle aktiven NGOs müssen beim Ministry of Social Welfare registriert sein. Sowohl lokale als auch internationale Organisationen, die zu sensiblen Themen wie Menschenrechte, indigene Bevölkerung, Rohingya Flüchtlinge oder Arbeitsrecht arbeiten, sehen sich mit formellen und informellen Restriktionen konfrontiert (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Durch eine Neuregelung der Regularien für die Annahme von Projektgeldern und Spenden aus dem Ausland wird die Arbeit vieler NGOs durch zusätzlichen bürokratischem Aufwand enorm erschwert (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018; USDOS 20.4.2018), insbesondere für NGOs, die sich kritisch gegenüber dem Staat oder der Regierung äußern (USDOS 20.4.2018). Gleichzeitig sorgen die neuen Richtlinien für stärkere Eingriffs- und Überwachungsmöglichkeiten durch die Regierung. Regelmäßig erfolgen Beschwerden, dass regierungskritische Menschenrechtsprojekte nur mit Einschränkungen genehmigt werden (AA 27.10.2017).

Viele Menschenrechtsorganisationen lassen sich den jeweiligen politischen Lagern zuordnen. Partikularinteressen und Rivalitäten spielen auch im Verhältnis der Menschenrechtsverteidiger untereinander eine Rolle. Die Darstellung angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch die unterschiedlichen Menschenrechtsorganisationen kann daher je nach politischer, ethnischer oder religiöser Herkunft variieren. Für Außenstehende ist es oft schwierig, sich ein zutreffendes Bild zu verschaffen (AA 27.10.2017).

Ombudsmann

Das Gesetz sieht die Institution eines Ombudsmannes vor, es wurde jedoch noch keiner ernannt. Auch in Haftanstalten gibt es keine Ombudsleute, an die Häftlinge Beschwerden vorbringen können (USDOS 20.4.2018). Es gibt keine Prozeduren für Opfer von Folter, ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen (OMCT 26.6.2018). Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC) (ÖB 12.2018).

[...]

Allgemeine Menschenrechtslage

Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 12.2018; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 12.2018).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 12.2018a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2017 sollen nach Angaben der bangladeschischen Menschenrechtsorganisation Odhikar 117 Personen durch Sicherheitskräfte getötet, 13 Personen dabei zu Tode gefoltert bzw. geprügelt worden sein (Odhikar 12.1.2018). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 12.2018, siehe auch Abschnitt 5).

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen weiters, auch aufgrund des Fehlens von Rechenschaftspflicht, Einschränkungen der Bürgerrechte inklusive der Rede- und Pressefreiheit, der Aktivitäten von NGOs, ein Mangel an Freiheit, um an politischen Prozessen teilzunehmen, Korruption, Gewalt und Diskriminierung basierend auf Geschlecht, Religion, Kaste, Stamm, inklusive indigener Personen, sexueller Orientierung und Genderidentität. Auch Menschenhandel, Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte und schlimme Formen der Kinderarbeit sind weiterhin ernsthafte Probleme (USDOS 20.4.2018).

Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018; für mehr Informationen zu NGOs siehe Abschnitt 8).

Im April brachte die EU während der jährlichen bilateralen Menschenrechtskonsultationen ihre Besorgnis über Berichte über außergerichtliche Tötungen und gewaltsames Verschwindenlassen zum Ausdruck und forderte von der Regierung das Problem der Gewalt und Belästigung von Gewerkschaftern anzugehen (HRW 17.1.2019).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, es wird jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 20.4.2018). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung und Blasphemie juristisch zu verfolgen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018).

Die Regierung unternimmt Anstrengungen den "Prevention and Suppression of Human Trafficking Act (PSHTA)" von 2012 umzusetzen, erreicht aber noch nicht die Minimalstandards zur Verhinderung von Menschenhandel. Für 2017 hat die Regierung 778 Fälle von Menschenhandel gemeldet, wobei ein Vergleich mit den Jahren davor nicht möglich ist. Verurteilungen sind selten, da nicht ausreichend Ressourcen für die Ermittlungen in allen Fällen bereitgestellt werden. Für Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel waren, stellt die Regierung für maximal fünf Tage Unterkunft in Schutzhäusern zur Verfügung. NGOs kritisieren, dass die Unterstützung nicht ausreichend ist und die Gefahr neuerlich Opfer zu werden hoch ist. NGOs unterstützen männliche Opfer, bieten jedoch keine Unterkunft an (USDOS 28.6.2018).

[...]

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017).

Es sind Fälle bekannt geworden, in denen politischen Gruppen, unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz, die Versammlungsfreiheit abgesprochen wurde (AA 27.10.2017). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 12.2018). Die Regierung beendete in verschiedenen Fällen verbotene Versammlungen gewaltsam (AA 27.10.2017). Im Jahr 2017 wurden mehrere Versammlungen von verschiedenen politischen Parteien verboten und angegriffen (Odhikar 12.1.2018). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 1.2018).

Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechts-Organisationen, wie "Bangladesh Center for Workers' Solidarity" Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der Bekleidungsindustrie, führen immer wieder zu Protesten. Im Zuge eines wochenlangen Streiks im Dezember 2016 wurden hunderte Arbeiter entlassen und zahlreiche Gewerkschaftsführer inhaftiert (FH 1.2018).

Die Regierung scheint in ihrer Macht gefestigt und es gibt politische Stabilität. Diese Stabilität wird jedoch durch häufige Zusammenstöße mit Oppositionsanhängern sowie durch Fraktionskämpfe innerhalb der Parteien auf lokaler Ebene bedroht. Die großen politischen Parteien haben starke Organisationsstrukturen in deren Basis und können über ihre Vorfeldorganisationen wie Studenten- und Berufsverbindungen mobilisieren. Alle politischen Parteien zeigen Tendenzen zu Klientelismus, der mithilft, die Parteibasen intakt zu halten. Politische Polarisierung, durch Nepotismus charakterisiert, führt zu einer Volatilität im Wahlverhalten. Parteien wie Jamaat Islami haben ideologische Verbindungen zu ihren Kadern und können diesen durch ihr umfangreiches wirtschaftliches Netzwerk Arbeitsplätze verschaffen (BTI 2018).

Die Mitgliedschaft oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führt nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung. Allerdings hat die Regierung seit dem Wahlboykott Anfang 2014 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen. Allein im Januar 2015 sollen 7.000 Aktivisten verhaftet worden sein, wobei auch vor hochrangigen Politikern nicht Halt gemacht wurde. Verhaftungen und strafrechtliche Verfahren werden traditionell mit Vorwürfen wegen Korruption, Steuerhinterziehung oder Erpressung begründet. Hinzu kommen nun auch Vorwürfe wegen Anstiftung zu bzw. Durchführung von Brandanschlägen (AA 27.10.2017). In vielen Fällen sind die Vorwürfe konstruiert (BTI 2018).

Im Vorfeld der 11. Parlamentswahl in Bangladesch, welche am 30.12.2018 stattfand, wurden, nach Angaben der Opposition, seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrat, Erpressung und Fischdiebstahl (FIDH 9.1.2019).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen bleiben hart und können bisweilen, wegen Überbelegung der Zellen und mangelhafter Sanitäranlagen, lebensbedrohlich sein (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017; ÖB 12.2018). Bis zu 200 Inhaftierte müssen auf ca. 40m² zusammen leben. Dies führt zu Gewaltakten zwischen den Inhaftierten und es besteht zudem die Gefahr religiöser Radikalisierung (AA 27.10.2017). Die offizielle Gesamtkapazität aller 68 Gefängnisse in Bangladesch liegt bei 34.167 Personen. Unabhängig davon sollen 2015 insgesamt 69.852 Personen landesweit inhaftiert gewesen sein, was 200 % der Gefängniskapazität entspricht Davon befanden sich 69 % in Untersuchungshaft oder warteten überhaupt erst auf den ersten Gerichtstermin (ÖB 12.2018).

Gefängnisinsassen sind oft mangelhaft ernährt und verstärkt Infektionskrankheiten ausgesetzt (ÖB 12.2018). Die medizinische Versorgung ist teilweise gegeben (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017), aber auch weibliche Gefangene werden von ausschließlich männlichen Doktoren untersucht (ÖB 12.2018). Gemäß der Menschenrechtsorganisation Odhikar sind im Jahr 2017 58 Personen in Haft verstorben (Odhikar 12.1.2018).

Obwohl das Gesetz eine gemeinsame Inhaftierung von jugendlichen und erwachsenen Straftätern verbietet, waren viele Minderjährige zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Trotz entsprechenden Gesetzen und Gerichtsurteilen wurden Kinder manchmal - gelegentlich zusammen mit ihren Müttern - inhaftiert. Obwohl Frauen in Sicherheitsunterbringung (meistens Opfer von Vergewaltigung, Menschenhandel und häuslicher Gewalt) (siehe auch Abschnitt 18.1) getrennt von Straftätern untergebracht werden müssen, haben die Behörden nicht immer separate Einrichtungen bereitgestellt (USDOS 20.4.2018).

Gemäß USDOS erlaubte die Regierung im Jahr 2017 Haftbesuche des "International Committee of the Red Cross" (USDOS 20.4.2018), dem entgegenstehend gibt die Österreichische Botschaft Neu Delhi an, dass die Regierung von Bangladesch keine Haftbesuche des "International Committee of the Red Cross" oder anderen Menschenrechtsorganisationen erlaubt (ÖB 12.2018). Es gibt keinen Ombudsmann, an den sich Häftlinge mit Beschwerden wenden können (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz ermöglicht es den Gefangenen aus religiösen Gründen zu fasten, garantiert jedoch keinen Zugang zu Geistlichen oder religiösen Dienstleistungen. Nur vor der Vollstreckung der Todesstrafe sind die Gefängnisbehörden verpflichtet, Zugang zu einem Geistlichen zu ermöglichen (USDOS 29.5.2018).

Nach wie vor problematisch ist die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Nach den letzten verfügbaren Zahlen waren circa zwei Millionen Zivil- und Strafverfahren ausständig (ÖB 12.2018).

Todesstrafe

In Bangladesch wurden seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 2001 mehrere hundert Personen hingerichtet. Die im Todestrakt einsitzenden Häftlinge dürften gegenwärtig etwas über tausend ausmachen (ÖB 12.2018). Im Jahr 2017 wurden sechs Männer durch Hängen hingerichtet und mindestens 273 Personen, darunter vier Frauen, zum Tode verurteilt, die meisten von ihnen wegen Mordes. Mindestens eine der 2017 zum Tode verurteilten Personen war zum Tatzeitpunkt minderjährig (AI 12.4.2018). Im Jahr 2018 wurden bis inklusive Mai 172 Todesurteile verhängt, jedoch keine Exekutionen durchgeführt (Odhikar 2019c).

Bangladesch hat im Dezember 2012 in der UN-Vollversammlung gegen das weltweite Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe gestimmt. Der signifikante Anstieg der Todesurteile fällt zeitlich mit der Einführung der "Speedy Trial" Tribunals (auf Grundlage des "Disruption of Law and Order Offences Act" 2002) zusammen. Laut Angaben des "Ministry of Law" von Bangladesch sollen solche Tribunale in den ersten Jahren nach deren Einrichtung über 300 Todesurteile verhängt haben (ÖB 12.2018).

Für zahlreiche Straftatbestände ist die Todesstrafe vorgesehen, u.

a. Mord, Vergewaltigung, Menschen- und Drogenhandel, Volksverhetzung und Hochverrat, aber auch Falschmünzerei und Schmuggel. Der "Anti-Terrorism Act" von 2009 stellt weiterhin jegliche terroristische Aktivität unter Todesstrafe, ein Zusatzgesetz von 2012 auch deren Finanzierung (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018). Insbesondere aus einer weiten gesetzlichen Definition des Terrorismusbegriffs kann eine missbräuchliche Anwendung resultieren (AA 27.10.2017). Laut Angaben bangladeschischer NGOs bestehe aufgrund der weit verbreiteten Korruption ein hohes Risiko, dass Unschuldige zu Tode verurteilt werden (ÖB 12.2018). Verurteilungen in absentia sind zulässig und kommen vor (AA 27.10.2017).

Mitte 2018 wurden die Strafbestimmungen für fahrlässige Tötung verschärft, wobei der Justizminister darauf hinwies, dass die absichtliche Tötung eines Menschen auch mittels eines Fahrzeugs als Mord klassifiziert werden und u. U. die Todesstrafe zur Folge haben könne (ÖB 12.2018).

Zum Tode Verurteilte haben automatisch das Recht auf Berufung beim "High Court" sowie anschließend auf ein Gnadengesuch an den Präsidenten. Hinrichtungen werden nur nach Ausschöpfung aller Instanzen vorgenommen (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017). Todesurteile werden i. d. R. durch den Obersten Gerichtshof in lange Haftstrafen umgewandelt. Unterinstanzlich verurteilte Todeskandidaten müssen grundsätzlich mit jahrelangen Wartezeiten rechnen, bis ihr Fall endgültig entschieden ist, es sei denn, es besteht ein politisches bzw. öffentliches Interesse an einem schnellen Verfahren (AA 27.10.2017).

Religionsfreiheit

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, betont aber auch das säkulare Prinzip. Sie verbietet Diskriminierung und schafft Gleichberechtigung für alle Religionen. Etwa 89 % der Bevölkerung ist sunnitischen Glaubens, 10 % werden dem Hinduismus zugerechnet.

[...]

Ethnische Minderheiten

Die bengalische Bevölkerungsgruppe macht mindestens 98 % der Gesamtbevölkerung aus, 1,1 % sind andere ethnische Gruppen. Die Regierung von Bangladesch erkennt 27 ethnische Gruppen an (CIA 19.2.2019).

[...]

Bewegungsfreiheit

Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 1.2018; vgl. AA 27.10.2017). Rechtliche Hindernisse, sich in anderen Landesteilen, mit Ausnahme der Chittagong Hill Tracts, niederzulassen, bestehen nicht. Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte (AA 27.10.2017). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox's Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 12.2018).

Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 12.2018; vgl. FH 1.2018; AA 27.10.2017). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die nur für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerung bei der Reisepassausstellung (ÖB 12.2018). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 20.4.2018). Seit Ende November 2015 können die alten, handgeschriebenen Pässe nicht mehr für Flugreisen genutzt werden (AA 27.10.2017). Ein Ausreiseverbot besteht für Verdächtige an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahre brauchen keinen gesetzlichen Vertreter um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 12.2018).

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017).

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren, da seine Identität - mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente - nicht abschließend geklärt werden konnte. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit sowie dem Herkunftsort des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers beruhen auf dessen im gesamten Verfahren im Wesentlichen widerspruchsfreien und nachvollziehbaren, in Übereinstimmung mit den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen stehenden Vorbringen, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung und dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck des erkennenden Richters.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung lebensnah und unter Angabe von Details geschildert, dass am 16.12.2013 im Zuge einer Veranstaltung Anhänger der Awami-League die Gegenveranstaltung, an welcher der Beschwerdeführer als Parteimitglied der Jubo Dal teilnahm, angriffen und es in der Folge zu Gewaltakten kam, wobei der Beschwerdeführer flüchtete und sich in weiterer Folge bei Verwandten versteckte, wo er erfuhr, dass die Polizei nach ihm sucht bzw. es eine Anzeige gegen ihn gibt. Der Dolmetscher bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass die im Verwaltungsakt einliegende Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen versuchten Mordes erstattet wurde. Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers deckt sich im Wesentlichen auch mit dem vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstatteten; das Vorbringen des Beschwerdeführers war sohin im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend und plausibel. Der Beschwerdeführer zeigte sich an einer Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren durchgehend bemüht und vermittelte im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Beschwerdeverhandlung insbesondere einen persönlich glaubwürdigen Eindruck. Er wirkte bestrebt, an ihn gerichtete Fragen konkret zu beantworten, Ungereimtheiten innerhalb seiner Angaben auszuräumen sowie von sich aus Beweismittel vorzulegen. Hierbei wird auch nicht verkannt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers Unstimmigkeiten aufgewiesen hat, die aber in Relation zu dem in Summe glaubwürdigen Gesamteindruck letztlich keine entscheidungsrelevante Bedeutung erkennen ließen bzw. teils logisch aufgeklärt wurden. So erklärte etwa der Beschwerdeführer auf den Vorhalt, dass er zuvor nicht angegeben habe, dass die Anzeige auf Mord laute, dass er schon wegen Mordes angezeigt worden sei, die Person sei jedoch erst später im Spital gestorben (AS 61); dass der Beschwerdeführer sich auf die Frage, warum er angezeigt worden sei, zunächst auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen ("Raufhandel") an sich bezog, im Rahmen derer die Anzeige gegen den Beschwerdeführer erfolgte (AS 55), ist dabei nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer konnte sein Verfolgungsvorbringen auch durch die Vorlage entsprechender, mit seinem Vorbringen übereinstimmender, Dokumente untermauern. Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente fest, dass die Anzeige verifiziert habe werden können und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch der Verfahrensgang übermittelt worden sei (AS 139). In der mündlichen Verhandlung war kein offensichtliches Verfälschungsmerkmal an den Urkunden erkennbar; sowohl der Inhalt der Urkunden als auch der zeitliche Ablauf stimmen mit den Schilderungen des Beschwerdeführers überein.

Die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle stehen auch im Einklang mit den herangezogenen Länderberichten, wonach sowohl der Sicherheitsapparat als auch die Gerichtsbarkeit tendenziell politischer Einflussnahme durch die jeweilige an der Macht befindliche Regierungspartei unterliegen und Fälle (partei-)politisch motivierter Verfolgung von Unterstützern der Opposition bestätigt werden:

Zum Justizwesen geht aus den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderberichten hervor, dass Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein Rückstau an offenen Fällen große Probleme darstellt und Gerichtsverfahren durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt sind, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern. Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen, während "[d]ie schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018 [...] auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin[deutet]".

Hinsichtlich der Sicherheitsbehörden ist den Länderberichten weiters zu entnehmen, dass die Sicherheitskräfte Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden" lassen; bei den Opfern handelt es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen sind noch immer weit verb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten