TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 W124 2151943-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W124 2151943-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er zu seiner Person an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er stamme aus der afghanischen Provin Uruzgan und habe seit seinem fünften Lebensjahr in Iran gelebt. Gemeinsam mit seinem Bruder sei er mit Hilfe eines Schleppers von Iran in die Türkei gebracht worden, von wo aus sie mit dem Schlauchboot nach Griechenland gelangt seien. Mit der Fähre seien sie nach Athen gereist und anschließend mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch ihnen unbekannte Länder nach Österreich gefahren.

Zu seinen Fluchtgründen führte er an, sein Bruder und er hätten in Afghanistan Probleme mit dem Glauben. Im Iran würden sie nicht anerkannt und im Fall einer Kontrolle nach Afghanistan abgeschoben werden. Seine Familie lebe seit 20 Jahren illegal in Iran. Aus Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan seien sie geflohen.

2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt). Zu seiner Person gab er an, er könne sein Geburtsdatum nicht nach afghanischer Zeitrechnung sagen. Seine Familie sei in den Iran gezogen, als er fünf Jahre alt gewesen sei. Er habe keine Dokumente. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass er 27 Jahre alt sei. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Seine Mutter lebe in Teheran. In Afghanistan habe er keine Angehörigen. Ende Sommer 2015 habe er Iran verlassen.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er wisse von seinen Eltern, dass damals die Hazara wegen ihrer Religion umgebracht worden seien und deshalb sei die Familie in den Iran gezogen. Persönlich sei er in Afghanistan nie belangt worden. In Iran habe er keine Dokumente gehabt. Deshalb sei er mehrmals von der Polizei geschlagen worden. Sowohl die Polizei, als auch die iranische Bevölkerung würden Afghanen als Dreck bezeichnen. Das Leben ohne Dokumente sei in Iran schwer gewesen. Das seien alle seine Fluchtgründe.

Auf Nachfrage gab er zu Protokoll, das erste Mal sei er im Jahr XXXX nach Herat abgeschoben worden. Dort habe er sich sieben bis acht Tage aufgehalten. Seine Familie habe ihm Geld geschickt, sodass er mit Hilfe eines Schleppers zurückkehren habe können. Zwischen der ersten und der zweiten Abschiebung liege ungefähr ein Jahr. Im Jahr XXXX sei er wieder nach Herat abgeschoben worden, wo er sich vier bis fünf Tage aufgehalten habe. Seine Mutter habe ihm vor der Abschiebung auf der Polizeistation Geld gegeben, was er verwendet habe. Er habe keine Möglichkeit gehabt, in den Herkunftsstaat zurückzukehren, da seine Familie keine Existenz in Afghanistan gehabt habe. Als Hazara wären sie von den Taliban umgebracht worden. Dies sei schon oft vorgekommen. Diese Informationen habe er von YouTube sowie von anderen Afghanen, die in Österreich leben. Es gebe keine ständige Sicherheit in Afghanistan, es würden dort auch Bomben explodieren. Erst vor kurzem sei eine Bombe vor einem Gericht in Afghanistan explodiert. Das wisse er aus den Nachrichten. Im Fall seiner Rückkehr habe er als schiitischer Hazara Angst vor den Taliban. Auf die Frage, warum seine Angehörigen weiter im Iran leben könnten, antwortete er, seine Mutter sei schon alt, mit ihr habe man nichts zu tun. Straffällig sei der BF im Herkunftsstaat nicht geworden.

3. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF im Wege nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen unter Wiedergabe verschiedener Berichte vor, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert habe. Die Provinz Uruzgan sei stark von Talibanangriffen betroffen und zähle zu den volatilen Provinzen. Zur Gruppenverfolgung der schiitischen Hazara wurde ausgeführt, dass das Länderinformationsblatt diesbezüglich keine Informationen enthalte. Unter Verweis auf Entscheidungen des UBAS wurde darauf hingewiesen, dass die Verfolgung von Hazara unter der Taliban-Herrschaft als Gruppenverfolgung eingestuft worden sei und kein Anlass bestehe, diese Einschätzung zu ändern. Untermauert wurde dieses Vorbringen durch verschiedene Berichte betreffend Vorfälle, bei denen Hazara getötet worden seien. Bereits vor dem Hintergrund dieser Berichte gelte das Gutachten von XXXX als widerlegt. Es sei offenbar die subjektive Meinung des Sachverständigen, dass Hazara nicht stärker als andere ethnische bzw. religiöse Bevölkerungsgruppen Afghanistans von den Umtrieben der Taliban betroffen wären. Allerdings sei es äußerst unlogisch, dass Taliban auf die gesamte afghanische Bevölkerung losgehen würden, zumal sie sich selbst zu einem Gutteil aus der sunnitisch-paschtunischen Bevölkerungsgruppe rekrutieren würden und somit kein Grund bestünde, eigene Glaubensbrüder, die noch dazu demselben traditionellen Ehrenkodex Pashtunwali unterliegen, ohne Anlass zu verfolgen. Tatsächlich würden die Taliban auch in kollektiver Weise gegen die afghanische Regierung und deren Verbündete, weiters gegen Personen, die sich aus ihrer Sicht unislamisch verhielten sowie gegen konkurrierende Aufständische, wie den islamischen Staat, vorgehen. Da die Schiiten einer abweichenden Glaubenslehre anhängen, würden sie sich auch gegen diese wenden. Dies gelte auch für Hazara, die zusätzlich zum schiitischen Glauben eine eng mit dem schiitischen Iran und mit dem Widerstand gegen das frühere Taliban-Regime verwobene Historie aufweisen. Hazarajat sei lange Zeit quasi die von Teheran aus unterstützte Hochburg des Widerstands gegen die Taliban gewesen, wie sich dies aus einem Erkenntnis des BVwG vom XXXX , ergebe. Letztlich sei es egal, ob hinter der Verfolgung primär religiöse Ablehnung oder aber eine im paschtunischen Ehrenkodex begründete Blutrache (im weiteren Sinn - kollektive Rache an Hazara für die von der Hezb-e Wahdat im Bürgerkrieg getöteten Taliban), oder aber schlicht eine auf der jahrhundertelangen Diskriminierung der Hazara aufbauende und während der jüngeren Kriegsvergangenheit vertieften Feindschaft stehe. Auch der allsommerliche Konflikt zwischen paschtunischen Kutschi-Nomaden und Hazara-Grundeigentümern beruhe auf der Einräumung von Weiderechten an letztere durch Emir Abdur Rahman Khan als Dank für die Unterstützung bei den Schiiten Pogromen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dieser Konflikt habe sich durch die Solidarisierugn und Infiltration der Kutschis durch Taliban zuletzt noch extrem verschärft.

Gerade Rasulys Einschätzung, dass Hazara in der afghanischen Verwaltung im Verhältnis zu anderen Bevölkerungsgruppen sogar überrepräsentiert seien, deute auf einen zusätzlichen, aus Sicht der Taliban bestehenden Verfolgungsgrund hin - eben den der Kollaboration mit der Regierung und ausländischen Besatzern. In den Medienberichten, welche von Rasuly in dem zu XXXX erstatteten Gutachten erwähnt werden, werde von der Bevölkerungsstruktur im betroffenen Gebiet ein Rückschluss auf die ethnische Zugehörigkeit der Anschlagsopfer gezogen. Dies könne jedoch nicht ohne weiteres als Beleg für die Absenz einer Gruppenverfolgung von Hazara verstanden werden, zumal nicht gesagt werden kann, inwieweit die Opfer der jeweiligen Bevölkerungsstruktur tatsächlich entsprochen haben oder ob es weitere Gründe für den Anschlag gegeben habe. Gerade in Kabul sei es bei Bombenanschlägen vor allem zu Hazara-Opfern gekommen. Dieser Umstand resultiere jedoch keineswegs in der Bevölkerungsstruktur Kabuls. Auch das Australian Refugee Tribunal sei bereits im Mai 2015 zu dem Schluss gelangt, dass eine Gruppenverfolgung schiitischer Hazara bestehe. Die durch politische Partizipation bewirkte wirtschaftliche Verbesserung mancher Hazara-Kreise sei auch keineswegs auf alle Hazara verallgemeinerbar, insbesondere bestünden diesbezüglich in der Hauptstadt Kabul beträchtliche Klassenunterschiede, mit der Folge, dass es selbst für Hazara mit Berufserfahrung kaum möglich sei, ohne persönliche Beziehungen am Kabuler Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aufgrund dieser Erwägungen sei von einer Gruppenverfolgung schiitischer Hazara durch Taliban und den Islamischen Staat auszugehen. Schließlich wurde beantragt, eine gutachterliche Stellungnahme des Diplom-Regionalwissenschaftlers und Leiter des AAN Thomas Ruttig einzuholen. In weiterer Folge wurde dargelegt, dass für den BF keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, wobei insbesondere die Situation in Kabul erörtert wurde.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Am XXXX erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts ausgeführt, dass das Bundesamt es unterlassen habe, sich mit dem verfahrensrelevanten Sachverhalt auseinanderzusetzen. Konkret sei nicht berücksichtigt worden, dass der BF vor allem als Hazara, der in Iran aufgewachsen sei, gravierenden Diskriminierungen ausgesetzt sei. Diesbezüglich seien keine ausreichenden Länderberichte eingeholt worden. Ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sei sohin nicht durchgeführt worden. Bereits aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sei dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Die belangte Behörde habe das Vorbringen des BF als glaubwürdig erachtet, spreche ihm jedoch die Asylrelevanz ab, ohne dies näher zu begründen. In der Folge wurde eine ACCORD-Anfragebeantwortung zur Lage der Hazara vom 24.06.2016 auszugsweise zitiert und vorgebracht, daraus ergebe sich, dass Hazara in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt seien. In der Folge wurde moniert, das Bundesamt habe die Stellungnahme vom

XXXX nicht gewürdigt. Hätte das Bundesamt das Verfahren nicht mit gravierenden Verfahrensfehlern belastet und das Vorbringen des BF einer richtigen rechtlichen Subsumtion unterzogen, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der BF einer GFK-relevanten Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sei. Hinsichtlich der Asylrelevanz einer Gruppenverfolgung wurde auf die Entscheidung des VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, verwiesen. In der Folge wurde ausgeführt, dass der BF in Afghanistan auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der in Iran aufgewachsenen Afghanen einer Verfolgung ausgesetzt sei. Die Lebensrealität im Iran sei weitaus westlicher und liberaler. Als Rückkehrer der zweiten Generation sei der BF leicht zu erkennen. Zur Bescheinigung wurde eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.06.2015 auszugsweise wiedergegeben. Unter anderem wird darin ausgeführt, dass Rückkehrende in zweiter Generation auf soziale Ablehnung in Afghanistan stoßen würden. Im Großen und Ganzen scheine es eine generelle negative Einstellung gegenüber Rückkehrenden zu geben, da ihnen vorgeworfen werde, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben. Ein weiterer Grund sei die Konkurrenz um Ressourcen. Diskriminierung finde aus ethnischen, religiösen und politischen Gründen statt. Abschließend wurde festgehalten, dass es sich beim BF um einen Rückkehrer der zweiten Generation handle, der gravierenden Diskriminierungen in Afghanistan ausgesetzt wäre. Der afghanische Staat sei im Übrigen weder schutzfähig, noch schutzwillig.

6. Am XXXX langte die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Nachreichung zur Beschwerde ein, in welcher klargestellt wurde, dass ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids Beschwerde erhoben werde. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde unter Verweis auf die Länderberichte ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert habe. In der Folge wurde erneut zur Verfolgung des BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft Stellung bezogen.

8. Mit Ladung vom XXXX wurde dem BF unter anderem das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 08.01.2019 sowie die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 übermittelt.

9. Am XXXX fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt.

Der BF brachte folgende Dokumente (in Kopie) in Vorlage:

* Bestätigung des Deutschkoordinationsteams vom XXXX (Beilage A);

* Kursanmeldung vom XXXX (Beilage B);

* Zeugnis für Integrationsprüfung A1 (Beilage C);

* Zeugnis vom XXXX (Beilage D);

* Teilnahmebestätigung vom XXXX (Beilage E);

* Zertifikat "Sprachpaket Deutsch und Integration" vom XXXX (Beilage F).

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: Ich bin bereit und gesund. Ich nehme auch keine Medikamente, die mich beeinträchtigen könnten.

[...]

R erklärt diese Aktenteile zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zum Inhalt der hier zu Grunde liegenden Niederschrift.

R weist Beschwerdeführer auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin. Der Beschwerdeführer wird aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Ebenso wird auf die Verpflichtung zur Mitwirkung einer Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

R: Bitte schreiben Sie Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort, also Provinz/Distrikt/Dorf, auf.

BF: Ich kann nicht so richtig schreiben. Dari kann ich überhaupt nicht schreiben, Deutsch ein bisschen. Ich bin im Dorf XXXX (phonetisch) geboren.

R: In welcher Provinz sind Sie geboren?

BF: In der Provinz Uruzgan. Ich kann auf Deutsch schreiben, aber ich kann die Namen nicht auf Deutsch schreiben.

R: In welchem Distrikt sind Sie geboren?

BF: Ich weiß es nicht, ich war nicht dort.

R: Haben Sie Ihre Eltern gefragt, wo Sie geboren sind?

BF: Ich habe nicht nachgefragt.

R: Hat es Sie interessiert woher Sie genau kommen?

BF: Wir haben gearbeitet, ich habe nie nachgefragt.

R: Haben Sie selbst jemals Interesse an Ihrem Herkunftsort gehabt, woher Sie genau stammen?

BF: Nein.

R: Mit wem haben Sie an der von Ihnen zumindest teilweise angegeben Geburtsadresse gewohnt?

BF: Mit meiner Familie.

R: Wenn Sie sagen Familie, aus welchem Personenkreis besteht, Ihrer Auffassung nach Ihre Familie?

BF: Meine Mutter, ich, ich hatte früher auch Brüder, die sind ums Leben gekommen. Ich habe auch nie nachgefragt wie sie geheißen haben.

R: Wie viele Brüder hatten Sie?

BF: Damals oder jetzt? Mein Bruder XXXX ist hier, in Österreich.

R: Wo halten sich Ihre anderen Geschwister auf?

BF: Ich habe keine weiteren Geschwister.

R: Wissen Sie welchen Aufenthaltsstatus Ihr Bruder XXXX hat?

BF: Subsidiären Schutz, er ist eben volljährig geworden.

R: Mit wem haben Sie, damals in Afghanistan an Ihrer Adresse gewohnt?

BF: Ich, meine Mutter und mein Vater.

R: Wo haben sich Ihre Brüder aufgehalten?

BF: Mein Bruder XXXX ist im Iran auf die Welt gekommen.

R: Wo haben sich die anderen Brüder aufgehalten?

BF: Als ich 5 Jahre alt war, sind sie ums Leben gekommen. Es hat mich auch nie interessiert, ich habe nie nachgefragt wie sie geheißen haben.

R: Wie viele Brüder hatten Sie gehabt?

BF: Zwei.

R: Hat es einen bestimmten Grund, wieso Sie nie, hinsichtlich Ihrer Brüder, nachgefragt haben?

BF: Meine Mutter hat mir nie etwas erzählt. Ich habe auch nie nachgefragt.

R: Gab es dafür einen bestimmten Grund, dass Sie nie nachgefragt haben?

BF: Ich habe sie nie gesehen. Ich kann mich daran nicht einmal erinnern.

R: Haben Ihr Brüder, als Sie klein waren, noch gelebt? Oder sind sie bereits zur Zeit Ihrer Geburt ums Leben gekommen?

BF: Vielleicht war ich 2 oder 3 Jahre alt, als sie gestorben sind. Ich kann mich daran nicht erinnern.

R: Haben Sie mit Ihren Eltern darüber gesprochen, woran Ihre beiden Brüder gestorben sind?

BF: Nein. Es war Krieg, es gab die Taliban.

R: Hat es Sie nicht interessiert, woran Ihre beiden Brüder gestorben sind?

BF: Nein, es war nicht interessant.

R: Haben Sie darüber gesprochen nachdem Sie Afghanistan verlassen haben und älter geworden sind?

BF: Nein.

R: Wie viele Geschwister hat Ihre Mutter?

BF: Sie hat niemanden. Ich habe nie nachgefragt. Sie sind alle in Afghanistan ums Leben gekommen.

R: Wie viele Geschwister hat Ihr Vater?

BF: Das weiß ich auch nicht.

R: Haben Sie jemals Ihre Eltern gefragt, wie viele Geschwister sie haben?

BF: Ich habe nie nachgefragt, sie waren in Afghanistan und sie sind dort ums Leben gekommen. Ich weiß es nicht.

R: Haben Sie mit Ihren Eltern über die Hintergründe des Ablebens Ihrer Onkel und Tanten gesprochen?

BF: Nein.

R: Warum haben Sie die genauen Hintergründe nicht interessiert?

BF: Ich war nie in Afghanistan, ich habe sie nie gesehen. Es war für mich nicht interessant.

R: Woher stammt Ihr Vater?

BF: Afghanistan, Uruzgan .

R: Woher stammt Ihr Vater genau?

BF: Das weiß ich nicht, ich habe nie nachgefragt.

R: Woher stammt Ihre Mutter?

BF: Ich weiß es nicht, ich habe nie nachgefragt. Ich glaube meine Mutter kommt aus XXXX .

R: Ist das ein Dorf, ein Distrikt oder eine Provinz?

BF: Es ist ein Dorf.

R: In welchem Distrikt?

BF: Ich war nicht in Afghanistan, ich weiß es nicht.

R: Wie alt waren Sie, als Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich war 5 Jahre alt.

R: Mit wem haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: Mit meiner Mutter und meinem Vater.

R: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

BF: Im Iran?

R: Nein, in Afghanistan.

BF: Ich habe nicht nachgefragt, ich weiß es nicht.

R: Wissen Sie ob Ihr Vater einen Beruf erlernt hat?

BF: Nein. In der Landwirtschaft war er.

R: In welchem Jahr haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: Ich bin Analphabet. Ich war damals 5 Jahre alt, ich weiß es nicht.

R: Warum haben Sie damals Afghanistan verlassen?

BF: Es herrschte Krieg, die Taliban haben Hazara und Schiiten getötet.

R: Warum konkret hat Ihre Familie Afghanistan verlassen? Hat es dazu einen konkreten Anlass gegeben?

BF: Weil wir Hazara sind. Weil wir Schiiten sind. Sie haben Hazara und Schiiten getötet und wir sind geflüchtet.

R: Wissen Sie, ob es einen konkreten Anlass Ihrer Familie gegenüber gegeben hat?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Haben Sie mit Ihren Eltern darüber gesprochen?

BF: Nein, ich weiß nur, dass wir Hazara sind und deswegen sind wir geflüchtet.

R: Wissen Sie, ob Sie persönlich damals einer Verfolgung ausgesetzt waren?

BF: Ich kann mich daran nicht erinnern.

R: Wo haben Sie sich aufgehalten, nachdem Sie Afghanistan mit 5 Jahren verlassen haben, bis Sie nach Österreich gekommen sind?

BF: Ich war im Iran und dann in Österreich.

R: Wo im Iran haben Sie sich aufgehalten?

BF: In der Stadt Teheran, im Stadtteil XXXX .

R: Haben Sie sich jemals in Afghanistan aufgehalten?

BF: Zwei Mal wurde ich aus dem Iran abgeschoben.

R wiederholt die Frage

BF: Nein.

R: Wo wurden Sie vom Iran aus abgeschoben?

BF: Nach Herat in Afghanistan.

R: Wie lange haben Sie sich dort aufgehalten?

BF: 7 bis 8 Tage lang.

R: Wann war das?

BF: Im Jahr XXXX , aber ich bin Analphabet ich kann es nicht genauer sagen.

R: War es das erste oder zweite Mal?

BF: Das erste Mal.

R: Wie viel Zeit ist zwischen der ersten und der zweiten Abschiebung vergangen?

BF: Ein Jahr.

R: Wohin wurden Sie beim zweiten Mal abgeschoben?

BF: Auch nach Herat.

R: Wo genau in Herat?

BF: Das war Grenzgebiet. Ich war in XXXX .

R: Wie lange haben Sie sich beim zweiten Mal in Afghanistan aufgehalten?

BF: 4 oder 5 Tage lang, ich kann mich nicht erinnern.

R: Wo haben Sie sich in den Zeiträumen, in denen Sie in Afghanistan gewesen sind, aufgehalten?

BF: Ich war in einem Hotel. Ich habe einen Schlepper gesucht.

R: Haben Sie für die Unterkunft in Afghanistan zahlen müssen?

BF: Ja.

R: War das teuer?

BF: Es war nicht sehr teuer. Man konnte dort essen und gratis schlafen.

R: Ist es in den Zeiträumen, in denen Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben, in denen Sie vom Iran nach Afghanistan abgeschoben wurden, zu irgendwelchen konkreten Vorfällen

Ihnen gegenüber gekommen?

BF: Nein.

R: Sie haben gesagt, Sie haben mit einem Schlepper Kontakt aufgenommen. Woher kannten Sie diesen Schlepper?

BF: Ich habe ihn nicht gekannt. Es gibt viele Schlepper dort. In den Hotels sind sehr viele Schlepper unterwegs.

R: Welcher Volksgruppe hat dieser Schlepper angehört?

BF: Es war ein Hazara. Es gibt dort aber auch Tadschiken und Hazara, alle Nationalitäten.

R: Wie viel Geld hat dieser Schlepper von Ihnen verlangt?

BF: Ich kann mich daran nicht erinnern. 300.000 oder 400.000 Toman.

R: Woher hatten Sie so viel Geld?

BF: Ich habe im Iran gearbeitet.

R: Ist es Ihnen im Iran gut gegangen?

BF: Es war nicht gut, aber ich habe gearbeitet und habe mein Brot verdient.

R: Als was haben Sie im Iran gearbeitet?

BF: Zum Beispiel auf der Baustelle und Gartenarbeiten verrichtet.

R: Wie lange haben Sie im Iran gelebt?

BF: 21 oder 22 Jahre.

R: Wann sind Sie das zweite Mal nach Afghanistan abgeschoben worden?

BF: Ein Jahr danach, XXXX .

R: Wann haben Sie den Iran verlassen?

BF: Richtung Europa?

R: Wie oft haben Sie, abgesehen von den zwei Abschiebung nach Afghanistan, den Iran verlassen?

BF: Gar nicht. Außer den zwei Abschiebungen.

R: Wann haben Sie den Iran endgültig verlassen?

BF: Vor ca. 3 Jahren.

R: Wo leben Ihre Eltern?

BF: Mein Vater ist verstorben, meine Mutter lebt im Iran.

R: Lebt Ihre Mutter alleine?

BF: Ja.

R: Lebt Ihre Mutter in einem Haus oder in einer Wohnung?

BF: Sie arbeitet in einem Garten. Sie lebt auch dort.

R: Ist Ihre Mutter Gärtnerin?

BF: Nein, aber sie arbeitet dort.

R: Stellt ihr Arbeitgeber die Unterkunft zur Verfügung?

BF: Ja.

R: Haben Sie auch bereits mit Ihrer Mutter in dieser Gärtnerei gewohnt?

BF: Nein.

R: Was war der Anlass, dass Sie den Iran verlassen haben?

BF: Ich hatte keine Dokumente im Iran. Die iranischen Polizisten haben mich geschlagen und geschimpft, weil ich illegal dort war.

R: Ist Ihre Mutter auch illegal im Iran?

BF: Ja.

R: Hat Ihre Mutter Probleme mit der iranischen Polizei?

BF: Sie ist älter. Sie wird nicht abgeschoben.

R: Haben Sie den Iran endgültig mit Hilfe eines Schleppers verlassen?

BF: Ja.

R: Wie viel haben Sie für den Schlepper bezahlen müssen?

BF: Ich bin mit meinem Bruder ausgereist. Wir haben pro Person 8 Mio. Toman bezahlt.

R: Woher hatten Sie so viel Geld?

BF: Ich habe im Iran gearbeitet. Mein Bruder hat gearbeitet und meine Mutter ebenfalls.

R: Was würden Sie, hypothetisch, bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchten?

BF: Ich war über 20 Jahre im Iran. Ich habe in Afghanistan keine Familie. Sie wissen, dass in Afghanistan Krieg herrscht. Ich bin Hazara und Schiit. Ich werde von den Taliban und der IS festgenommen und getötet.

R: Haben Sie mit den Taliban oder mit der IS Anknüpfungspunkte, die zu einer individuellen und konkreten Verfolgung geführt hätten?

BF: Nein.

R: Hatten Sie, während Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben, konkrete Probleme?

BF: Nein.

BFV an BF: Kennen Sie sich bei den gesellschaftlichen religiösen Verhaltensweisen in Afghanistan aus?

BF: Nein.

BFV: Sprechen Sie die, in Afghanistan üblichen, Landessprachen?

BF: Nein.

R: Wie haben Sie mit dem Hotel und dem Schlepper in Afghanistan kommuniziert? Welche Sprache haben Sie da gesprochen?

BF: Sie waren Hazara, das war meine Sprache.

R wiederholt die Frage

BF: Die haben dort alle Farsi gesprochen. Ich habe mit Ihnen Farsi gesprochen.

BFV: Welche unterschiedliche Lebensweise können Sie in Österreich leben, im Vergleich zur Lebensweise in Afghanistan?

BF: Hier gibt es Freiheit. Man kann hier lernen. Wenn man hier ein Problem hat, kann man zur Regierung gehen. In Afghanistan geht das nicht. Hier hat man Freiheiten. Man kann hier Arbeiten. In Afghanistan gibt es das nicht.

BFV: Glauben Sie, dass Sie aufgrund Ihrer Ethnie und Religion in Afghanistan ein selbstbestimmtes Leben führen können?

BF: Nein, das geht nicht. Die Hazara sind Schiiten, weil sie Schiiten sind. Deshalb werden sie von den Taliban getötet. Das kann man auch auf YouTube nachsehen. In Afghanistan ist nicht sicher, ob man nach Hause kommt, wenn man in der Früh arbeiten geht. Kleine Kinder können nicht einmal auf die Straße gehen und spielen. Vor kurzem wurde ein kleines Mädchen getötet.

BFV: Welche Einstellung haben Sie zu Afghanistan?

BF: Ich habe dort nicht gelebt, ich kenne die afghanische Kultur nicht. Deshalb kann ich dort nicht leben.

R unterbricht die Verhandlung um 10:18 Uhr. Die Verhandlung wird um 10:37 Uhr fortgesetzt.

Die Zeugin XXXX wird gemäß § 36A AVG in Verbindung mit §§ 48, 49 und 50 AVG belehrt.

R: Welchen Familienstand haben Sie?

Z: Verheiratet.

R: Haben Sie Kinder?

Z: Nein.

R: In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem BF?

BF: Ich kenne ihn seit XXXX aus einem Projekt. Das heißt XXXX der XXXX .

R: Sind Sie mit dem BF verwandt oder verschwägert?

Z: Nein.

BFV: Können Sie mir etwas zur Lebenseinstellung von XXXX erzählen?

Z: Wie bereits gesagt, ich kenne ihn seit XXXX und bin heute hier, weil ich sagen möchte, dass er mir stets sehr respektvoll gegenüber aufgetreten und ich habe es immer sehr geschätzt, dass er keinen Unterschied gemacht hat, ob er jetzt mit einer Frau oder einem Mann spricht. Ich finde er hat in der Zeit, in der er hier ist, die Werte die mir und uns wichtig sind immer so gelebt, dass ich keinen Unterschied gesehen hätte zwischen ihm und einer Person die z.B. hier geboren ist.

R: Wie oft haben Sie den BF gesehen?

Z: Im 1 oder 2 Wochen-Rhythmus.

RI: Was machen Sie beruflich?

Z: Ich habe bis XXXX als Kundenbetreuerin bei der Bank gearbeitet und dann habe ich mir eine Auszeit genommen.

BFV: Glauben Sie, dass der BF aufgrund seiner Lebenseinstellung in Afghanistan zurechtkäme

Z: Nachdem, was ich über Afghanistan weiß und nachdem was ich sehe, wie er hier lebt, kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Lebensweise, die er hier lebt und schätzt, dass er so in Afghanistan leben kann. Ich habe gelesen, dass es speziell für Hazara immer schon schwierig war, weil sie eben eine Minderheit sind und dazu komm auch noch, das habe ich auch gelesen, dass Rückkehrer aus Europa besonders gefährdet sind. Ich kann mir vorstellen, dass es bei ihm besonders zutrifft, weil er ebenso lebt wie wir hier leben, nach unseren Wertvorstellungen.

R: Wo haben Sie das gelesen?

Z: Das über die Hazara ist ein Artikel, den ich vor langer Zeit gelesen habe.

BFV: Die Zeugin hat gesagt, dass sie sieht wie er hier lebt. Was sehen Sie, wie er hier lebt?

Z: Ich sehe, dass er eben so lebt wie auch Österreicher leben. Wir haben z.B. noch nie eine Diskussion über ein religiöses Thema gehabt, weil bei uns beiden nicht wichtig ist. Das ist, denke ich, schon ein wichtiger Punkt, weil Religion Privatsache ist, die man vor sich herträgt. Ich sehe auch, und das finde ich ganz wichtig, dass er keinen Unterschied macht, wie er Frauen und Männer behandelt.

BFV: Keine weiteren Fragen.

BF: Ich habe keine Fragen an die Zeugin.

Die Zeugin wird um 10:53 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

R an BFV: Wollen Sie noch eine Stellungnahme abgeben?

BFV: Gemäß den eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Asylsuchender aus Afghanistan sind Personen die scheinbar "westliche Werte" angenommen haben, bzw. überhaupt aus dem "Westen" zurückkommende Menschen, die beschuldigt werden, "Ausländer" geworden zu sein, einer erheblichen Gefahr der Verfolgung durch Antiregierungsgruppen bis hin zu Folter oder Mord ausgesetzt. Eine solche Haltung, die in Afghanistan als "ausländisch" oder "westlich beeinflusst" wahrgenommen würde, spiegelt sich in den Aussagen und dem Verhalten des BF wieder, weshalb er genau dieser Gefahr akut ausgesetzt wäre. Des Weiteren würde seine Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung jede Skepsis extremistischer sunnitischer Antiregierungsgruppen weiter verstärken. So gehen dieselben Richtlinien ausdrücklich davon aus, dass Schiiten als Angehörige einer religiösen Minderheit im Einzelfall internationalen Schutzbedarf, aufgrund ihrer Religion, aufweisen können. Ich verweise auf das Urteil vom VwGH RA 2015/19/0180 vom 15.03.2016 hinsichtlich einer Kumulation von

Verfolgungsgründen: Der BF ist seit seinem fünften Lebensjahr außerhalb Afghanistans aufgewachsen, verfügt über keine Familie oder sonstiges soziales Netz in Afghanistan, ist junger Erwachsener, Angehöriger der Hazara, hat einen iranischen Dialekt und tritt "modern" denkend, moderne Interessen, nach selbstbestimmten Leben trachtend, auf. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF Verfolgung aus (unterstellten) politischen Gründen aufgrund seiner westlichen Gesinnung und seiner Afghanistan-ablehnenden Haltung, als Angehöriger religiöser und ethnischer Minderheit und als Rückkehrer, ausgesetzt. Ich verweise auf einschlägige Judikatur BVwG vom 18.04.2017, W 255 2145523-1, W 158 2171967-1 vom 17.07.2018, W 139 2141277-1 vom 24.07.2017, W 131 1438161-1 vom 09.01.2015, W 270 2155445-1 vom 02.07.2018 und W 138 2138692-1 vom 20.10.2017.

R an BF: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF: Nein.

10. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019 zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF

1.1.1. Der volljährige BF ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er stammt aus der afghanischen Provinz Uruzgan und spricht Dari. Im Alter von circa fünf Jahren flüchtete er mit seiner Familie in den Iran, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr XXXX gelebt hat. Der BF ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen und ist sohin mit den sozialen und kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut. Im Herkunftsstaat hat er keine sozialen Anknüpfungspunkte.

Gemeinsam mit seinem Bruder XXXX flüchtete er schlepperunterstützt vom Iran nach Österreich. Am XXXX stellte er nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. In Österreich ist der BF unbescholten.

1.1.2. Es steht nicht fest, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und/oder der Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft in Afghanistan der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist. Ferner besteht für ihn kein reales Risiko, dass er in Afghanistan aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Iran und/oder in Österreich verfolgt wird.

Es steht nicht fest, dass der BF in Iran oder in Österreich eine Lebensführung oder eine Haltung verinnerlicht hat, die den sozialen und kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans in einem solchen Ausmaß zuwiderläuft, sodass für ihn im Fall seiner Rückkehr das reale Risiko einer Verfolgung besteht. Ferner steht nicht fest, dass der BF aufgrund seiner Verhaltensweise und/oder seinem Selbstverständnis gegen die Geschlechternormen des Herkunftsstaates verstoßt und aus diesem Grund im Fall seiner Rückkehr der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann sohin insgesamt nicht festgestellt werden, dass der BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder von privaten Dritten verfolgt wird.

1.2. Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019:

1.2.1.1. Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.05.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015), und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.04.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.05.2019). Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für fünf Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.04.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.04.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.03.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 13.03.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 02.09.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21.10.2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.04.2019; vgl. USDOS 13.03.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28.09.2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14.11.2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden, und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben, und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.03.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 06.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.05.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.05.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004, USDOS 29.05.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.01.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 02.09.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.03.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 02.09.2019; vgl. AAN 06.05.2018, DOA 17.03.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 02.09.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert, und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht, und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.03.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss, und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.01.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.06.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.01.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.06.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.08.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 08.09.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.08.2019; vgl. NZZ 12.08.2019; DZ 08.09.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, MS 28.01.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigte Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.05.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere Warlords, statt (Qantara 12.02.2019; vgl. TN 31.05.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.02.2019; vgl. NYT 07.03.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.03.2019; vgl. WP 18.03.2019).

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.05.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019):

Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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