TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 W119 2203937-1

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W119 2203937-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. 7. 2018, Zl 1093050409-151663582/BMI-EAST_WEST, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer brachte gemeinsam mit seinen Eltern (Zlen W119 2203940 und W119 2203938) und seiner zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen Schwester am 31. 10. 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz ein.

Der Vater des Beschwerdeführers gab bei seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung nach dem AsylG an, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und nach traditionellem Ritus verheiratet zu sein. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte er aus, dass seine Tochter in Afghanistan verheiratet gewesen sei. Sie habe sich jedoch von ihrem Ehemann zu trennen beabsichtigt, was dieser habe verhindern wollen. Daraufhin habe sie einen Selbstmordversuch unternommen und sei in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Von dort sei sie entführt und vergewaltigt worden. Sie sei von ihrer Familie zurückgeholt worden, wobei sein Sohn verletzt worden sei. Aus Furcht, dass ihm oder seiner Familie etwas zustoßen könne, habe er gemeinsam mit seinen Angehörigen Afghanistan verlassen.

Anlässlich der am 10. 4. 2018 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) berichtigte der Vater des Beschwerdeführers eingangs die anlässlich der Erstbefragung getätigte Angabe, wonach seine Tochter nicht verheiratet, sondern verlobt gewesen sei. Ihr Selbstmordversuch habe in Afghanistan, die Entführung erst im Iran stattgefunden. Sein Sohn sei bereits in Afghanistan verletzt worden, nachdem er versucht habe, seine Schwester in den Iran zu bringen.

Da er keine Ausbildung erhalten habe, sei er hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig gewesen. Er habe nach seiner Eheschließung weiterhin im Haus seines Vaters gelebt.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass es einen Anführer namens XXXX gegeben habe, der die Bevölkerung aufgerufen habe, gegen die Taliban Widerstand zu leisten. Da dadurch Probleme entstanden seien, habe er sich zwei Jahre in Herat versteckt gehalten. Danach habe ihn sein Vater davon verständigt, dass er wieder zurückkehren könne, weil sich die Situation entspannt habe. Eines Tages seien er und eine andere Person von den Taliban gesucht und festgenommen worden. Er sei dabei am Körper verletzt worden. Sein Vater habe versucht, ihn freizubekommen. Dies sei nur dadurch gelungen, dass sein Vater den Taliban schriftlich seine XXXX -jährige Enkelin (Tochter des Beschwerdeführers) versprochen habe. Dieser Talib und die anderen seien danach verschwunden gewesen. 15 Jahre später seien diese wiederaufgetaucht und hätten seine Tochter verlangt. Er habe ihnen erklärt, dass auf dem Schriftstück seine Tochter dem XXXX zur Frau gegeben hätte werden sollen. Diese Männer hätten erklärt, dass XXXX gestorben sei und sie dessen Söhne seien. Darauf sei seine Tochter mit einem Talib verlobt worden. Sie sei dagegen gewesen, worauf sie sich im Hof mit einem Benzinkanister habe anzünden wollen. Eine Nachbarin habe dies verhindern können. Einige Tage später habe sie sich die Pulsadern aufzuschneiden versucht. Sie sei im Krankenhaus verarztet worden. Er habe danach seine im Iran lebenden Söhne kontaktiert, damit diese seine Tochter abholen würden. Danach habe es einen Streit zwischen den Taliban und seinen Söhnen gegeben, wobei seine Söhne verletzt worden seien. Die Nachbarn hätten Schlimmeres verhindert. Danach habe er seine Tochter mit seinen Söhnen in den Iran geschickt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23. 7. 2018, Zl 1093050409-151663582/BMI-EAST_WEST, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung vom 23. 7. 2018 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 20. 8. 2018 Beschwerde.

Am 10. 10. 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der sich die Eltern des Beschwerdeführers beteiligten. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 1. 11. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den minderjährigen Sohn des XXXX , dem mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2203940, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und dem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als sein minderjähriger Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde dem Vater des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem minderjährigen Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W119.2203937.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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