Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.755,26 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2018, GZ 53 R 174/18x-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Juni 2018, GZ 25 C 1435/16z-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
2. Der Antrag auf Anberaumung einer Revisionsverhandlung wird abgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit dem Jahr 2007 (Mit-)Eigentümer einer Liegenschaft, die südlich des Flughafens S***** liegt und sich – bei Landeanflügen von Süden her – in dessen Einflugschneise befindet.
Am 11. 1. 2015 landete gegen 15:30 Uhr ein Flugzeug des Typs Boeing 767 der Fluglinie Trans-Aero von Süden kommend am Flughafen S***** und überflog dabei die Liegenschaft des Klägers in einer Höhe von rund 60 m. Das Flugzeug war älteren Baujahres und zählte zu den „lauteren“. Damals herrschten für die Jahreszeit typische Wetterverhältnisse, wobei die Windstärke 14 Knoten betrug, keine Windböen auftraten und die Windrichtung zwischen Nordwesten und Westen wechselte. Die Sichtweite betrug über 10 km, es gab keinen Niederschlag, die Wolken waren hoch. Es herrschten insgesamt für einen Landeanflug aus Süden unauffällige Wetterverhältnisse und es war normaler Flugbetrieb möglich. Während des Anflugs des Flugzeugs auf den Flughafen lag die – bei einer dauerhaften Messstelle gemessene – Lärmbelastung bei 86,7 dB.
Während des Landeanflugs befand sich der Kläger im Garten seines Hauses und unterhielt sich mit seinem Nachbarn. Es gab sehr schlechtes Wetter. Die beiden empfanden den Wind als sehr stark bzw stürmisch. Welche Windgeschwindigkeiten am Grundstück des Klägers herrschten und ob dort tatsächlich böiger Wind vorlag, konnte nicht festgestellt werden. Während das Flugzeug die Liegenschaft des Klägers überflog, verschlugen die Ohren des Klägers und er hatte anschließend ein „Wattegefühl“ in den Ohren.
In den bescheidmäßig bewilligten Zivilflugplatzbedingungen für den Flughafen wurden Betriebszeiten festgelegt. Für Landungen besteht danach in der Randzeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr ein Grenzwert für die Schallbelastung von 84 dB. Außerhalb dieser Randzeit wurde nur für Abflüge ein Grenzwert von 98 dB angeordnet, für Landungen dagegen keiner.
Die beklagte Partei ist Betreiberin des Flughafens und für den ordnungsgemäßen Betrieb des Flughafens verantwortlich. Weiters ist sie Eigentümerin der Liegenschaft. In ihrer Funktion als Betreiberin des Flughafens stellt sie die für Start- und Landevorgänge „am Boden“ erforderliche und notwendige Infrastruktur, wie zB Startbahnen, Landepisten, Gangway, Beleuchtung, Landesystem, Check-In, Parken etc zur Verfügung. Sie ist für den betriebsbereiten Zustand verantwortlich.
Der Flughafen kann sowohl nordseitig, als auch von Süden her angeflogen werden. Die konkrete Anflugroute wird jeweils von der örtlichen Flugsicherung, der Austro Control GmbH, bestimmt. Auch die Anflugkarten werden von der Austro Control GmbH erstellt. Auf die Entscheidung über die zu wählende Anflugroute hat die beklagte Partei keinen Einfluss und auch keinerlei Mitspracherecht.
Die beklagte Partei ist auch nicht zu einer Sperre des Flughafens wegen schlechter Witterungsbedingungen berechtigt. Eine Sperre des Flughafens aufgrund zu hoher Windgeschwindigkeiten erfolgt weder durch den Flughafenbetreiber noch durch die Flugsicherung. Es fällt in die Entscheidungsmacht des jeweiligen Piloten, ob er unter den jeweils gegebenen Wetterverhältnissen eine Landung durchführt, mit dieser zuwartet oder auf einen anderen Flughafen ausweicht. Wenn die Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit des Flughafens beeinträchtigt ist – etwa aufgrund eines technischen Defekts oder wenn wegen starken Schneefalls eine Räumung der Pisten erforderlich ist – teilt die beklagte Partei dies der Flugsicherung mit, die wiederum die Piloten darüber informiert, dass eine Landung kurzfristig nicht möglich ist. Die beklagte Partei steht nicht in (Funk-)Kontakt mit den Piloten.
Im vorliegenden Fall war ein Südanflug durchaus möglich. Es gab zwischen der von der Austro Control GmbH verordneten Flugroute und der tatsächlichen Anflugroute des Flugzeugs keine relevanten Abweichungen und/oder Auffälligkeiten. Auch ereignete sich kein außerordentliches Ereignis wie zB ein Fehlanflugverfahren, Absturzgefahr oder ein Durchstartmanöver. Trotz Festlegung der Anflugroute durch die Austro Control GmbH liegt die Letztentscheidung darüber, welche Anflugroute und Anflughöhe tatsächlich gewählt wird, beim jeweiligen Piloten. Für den Anflug über die Südroute besteht keine vorgegebene Mindesthöhe. Die Entscheidung darüber, wie in welcher Höhe der Landevorgang erfolgt, liegt in der Hand und Verantwortung des jeweiligen Piloten.
Der Kläger begehrt Zahlung von 5.755,26 EUR (Schmerzengeld und Heilbehandlungskosten) sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden. Die Boeing 767 sei am 11. 1. 2015 gegen 15:30 Uhr im Endanflug auf die Landebahn der beklagten Partei durch Sturmböen in derart starke Turbulenzen geraten, dass sie massiv an Höhe verloren und die Liegenschaft des Klägers in einer jedenfalls unzulässigen Höhe überflogen habe. Die Maschine sei beinahe abgestürzt, der Kläger habe sich in Lebensgefahr befunden. Aufgrund dieses Landeanflugs habe die gemessene Lärmbelastung bei einer rund 300 m entfernt gelegenen Lärmmessstation 85,6 dB betragen. Unter den am 11. 1. 2015 gegebenen Wetterbedingungen hätte die beklagte Partei die Landebahn nie freigeben dürfen bzw hätte sie den Flughafen sperren müssen oder zumindest keine Landungen mehr erlauben dürfen. Durch den Vorfall habe der Kläger, der sich zum Vorfallszeitpunkt gerade im Garten seines Hauses aufgehalten habe, einen beidseitigen Tinnitus nach Schalltrauma erlitten. Er befinde sich noch immer in laufender ärztlicher Behandlung und leide an psychischen Belastungen.
Die beklagte Partei sei nicht nur Infrastrukturerhalter, sondern Betreiberin des Flughafens, weshalb sie für Schäden, welche sich aus dem Betrieb des Flughafens ergeben, hafte. Auch habe die beklagte Partei die sie treffenden Verkehrssicherungspflichten verletzt. Überdies handle es sich bei einem Flughafen um eine Anlage gemäß § 364a ABGB. Die beklagte Partei hafte daher gemäß § 364 Abs 2 ABGB wegen Verschuldens, in eventu gemäß § 364a ABGB, allenfalls analog § 364a ABGB verschuldensunabhängig für Schäden, welche aus dem Betrieb der Anlage resultieren. Da der Heilungsverlauf des Klägers noch nicht abgeschlossen sei und dieser noch immer an einem Pfeifen in den Ohren sowie unter einer Hochtonschwäche leide, sei das erhobene Feststellungsbegehren berechtigt.
Die beklagte Partei hielt dem Klagebegehren entgegen, sie sei als reine Infrastruktureinrichtung nicht passiv legitimiert. Sie habe weder auf die Flugzeugführung noch auf die Wahl der Anflugroute oder auch die Flugsicherung, die der Austro Control GmbH obliege, Einfluss. Überdies habe letztlich der jeweilige Pilot die endgültige Entscheidungsbefugnis, ob und wie der Landeanflug gestaltet werde. Für die beklagte Partei habe keine Möglichkeit bestanden den Flughafen zu sperren, vielmehr treffe sie eine Betriebspflicht. Sie müsse daher Landungen ermöglichen, wohingegen die Austro Control GmbH darüber entscheide, ob eine Landeerlaubnis erteilt werde.
Davon unabhängig sei bei dem konkreten Anflug die vorgeschriebene minimal zulässige Flughöhe von 50 m vom Piloten der Boeing 767 mit einer Flughöhe von 60 m eingehalten worden. Auch hätten die Wetterbedingungen für einen Landeanflug von Süden her vorgelegen. Das anfliegende Flugzeug habe den einschlägigen Vorschriften entsprochen, weshalb es berechtigt gewesen sei, am Flughafen zu landen.
Die beklagte Partei sei weder kausal für den Eintritt eines Schadens beim Kläger verantwortlich, noch treffe sie ein wie auch immer geartetes Verschulden, noch habe sie rechtswidrig gehandelt bzw ein Schutzgesetz verletzt. Auch bestehe kein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch. Zwar sei es richtig, dass es sich beim Flughafen um eine behördlich genehmigte Anlage (§ 364a ABGB) handle, jedoch bestünde lediglich ein Anspruch, wenn das ortsübliche Ausmaß an Immissionen überschritten worden wäre, was hier nicht der Fall gewesen sei.
Das Erstgericht, das die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt hatte, wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Eine allgemeine Schadenersatzpflicht scheitere am mangelnden Verschulden der beklagten Partei, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht überdies an ihrer fehlenden Einflussmöglichkeit auf die gewählte Anflughöhe. Ein nachbarrechtlicher Ersatzanspruch nach § 364a ABGB komme bereits mangels einer ortsunüblichen Immission nicht in Betracht. Landevorgänge über die Liegenschaft des Klägers seien auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Boeing 767 die Liegenschaft des Klägers in einer Höhe von rund 60 m überflogen und die Lärmbelastung 86,7 dB betragen habe, nicht als ortsunüblich zu qualifizieren. Zum einen gebe es keine vorgeschriebene Mindestanflughöhe, zum anderen außerhalb der Randzeit (also auch zum Vorfallszeitpunkt) für Landungen keinerlei Einschränkungen der Lärmemissionsgrenzwerte.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht erörterte in rechtlicher Hinsicht, es lägen weder ortsunübliche Lärmimmissionen noch nachbarrechtliche Einwirkungen vor. Die Luftverkehr-Lärmimmissionsschutzverordnung – LuLärmIV (BGBl II Nr 364/2012) beziehe sich auf „Vorhaben“, die einer Genehmigung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000, BGBl Nr 697/1993) bedürften, und könne nicht zur privatrechtlichen Prüfung der Ortsunüblichkeit einer Lärmbelastung herangezogen werden. Überdies sehe die Verordnung den Schutz der Nachbarn nur in deren Gebäuden vor und gewährleiste daher keinen „Außenraumschutz“. Der Kläger sei seit 2007 Eigentümer des Grundstücks, das sich in der Einflugschneise befinde. Es müsse ihm schon damals klar gewesen sein, dass er ein von Fluglärm beeinträchtigtes Grundstück erworben habe. Mit einer im Gebiet vorherrschenden Immission müsse sich der neu hinzukommende Nachbar aber abfinden. Eine Gesundheitsschädlichkeit des Lärms im Sinne einer Dezibelstärke, die unweigerlich beim Durchschnittsmenschen in der Lage des Klägers zu Gesundheitsschädigungen führe, sei nicht hervorgekommen. Die Lärmbelastung habe einer üblichen Belastung entsprochen, die selbst die in der Randzeit festgelegte Lärmgrenze nur geringfügig überschritten habe. Feststellungen zur Kausalität einer beim Kläger infolge des Landeanflugs eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung seien daher obsolet.
Entscheidendes Kriterium für den Unterlassungsanspruch und auch den verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch aus dem nachbarrechtlichen Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB gegen den Grundnachbarn sei überdies, dass diesem die Störung in irgendeiner Weise zugerechnet werden könne. Dafür sei ein gewisser Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission erforderlich. Ein solcher sei hier zu verneinen, weil die beklagte Partei überhaupt keine Einflussmöglichkeit auf die die Immission bewirkende Flugbewegung habe. Die Entscheidung darüber liege ausschließlich bei der die Flugsicherung ausübenden Austro Control GmbH und dem Piloten.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht komme nicht in Frage, weil keine konkrete Gefahr vorgelegen habe, die die beklagte Partei erkennen hätte müssen und die Schutzmaßnahmen von ihr gefordert hätte. Es habe eine völlig unauffällige Wetterlage geherrscht, auch eine ortsübliche, selbst den Grenzwert von 84 dB für die Randzeit nur geringfügig überschreitende Lärmbelastung von 86,7 dB sei keine Gefahrenquelle, die ein Tätigwerden des Flughafens erfordert hätte.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu klären seien. Dies gelte für die Fragen, „ob und unter welchen Voraussetzungen nachbarrechtliche Ansprüche im Zuge der Landung eines Verkehrsflugzeuges auf einem öffentlichen Zivilflugplatz gegen den Zivilflugplatzhalter“ bestünden, und „inwieweit den Grundeigentümer und Zivilflugplatzhalter deliktische Verkehrssicherungspflichten bei widrigen Wetterverhältnissen oder im Lichte von Anrainerprotesten über Lärmimmissionen“ träfen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig im Sinne der ersten Zulassungsfrage des Berufungsgerichts; sie ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, Lärmemissionen von Verkehrsflugzeugen seien analog zu Baumaschinen auf Baustellen als nachbarrechtliche Einwirkungen zu qualifizieren. Die Klägerin sei Grundeigentümerin und Betreiberin des Flughafens, ihr komme die Verfügungsgewalt über die Anlage und damit „unbestreitbar“ die Befugnis zu, diesen zu sperren und die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen Gefahrenquellen zu beherrschen. Planmäßig den Flughafen anfliegende Flugzeuge seien ihr deshalb zuzurechnen. Bei anderer Sichtweise wäre ein Flughafenbetreiber von jeglicher Haftung nach § 364a ABGB ausgenommen und Nachbarn vom Lärmschutz völlig ausgeschlossen. Die festgestellte Lärmimmission von 86,7 dB überschreite „sämtliche in Österreich bzw weltweit anerkannte Lärmgrenzwerte“ um mehrere Dezibel, sei gesundheitsschädlich und könne daher niemals ortsüblich sein. Dennoch seien Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers unterblieben. Die ÖAL-Richtlinien könnten Anhaltspunkte für die zulässigen Grenzwerte geben, ebenso § 2 LuLärmIV, der eine Grenze von 62 dB(A) vorsehe, sowie weitere (näher bezeichnete) Quellen. Nur diese Lärmbeeinträchtigung müsse der Kläger dulden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen begründe einen „klaren Verstoß“ gegen Art 8 EMRK. Die Erkennbarkeit der Gefahrenquelle für die beklagte Partei ergebe sich schon aus den Beschwerden der Anrainer über den Fluglärm seit dem Jahr 2011.
Die beklagte Partei führt dagegen ua ins Treffen, auch gesundheitsschädliche Immissionen müssten geduldet werden, wenn sie beim Erwerb der Liegenschaft vorhersehbar gewesen seien. Dem Kläger sei beim Erwerb der Liegenschaft im Jahr 2007 die Existenz des Flughafens, der seit 1960 die Flugpiste in Nord-Süd-Richtung nutze, bekannt und das An- und Abfliegen sei seit Jahrzehnten ortsüblich gewesen. Die vom Kläger genannten (Rechts-)Grundlagen zur Ortsunüblichkeit der festgestellten Lärmimmission seien entweder nicht anwendbar oder überhaupt nur unverbindliche Empfehlungen. Auch eine Verletzung des Art 8 EMRK liege nicht vor, weil bei Prüfung einer allfälligen Verletzung dieser Bestimmung nach der Judikatur des EGMR eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, bei der auch wirtschaftliche Interessen und die Tatsache des Erwerbs potenziell beeinträchtigten Eigentums zu berücksichtigen seien.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Der Kläger macht Ersatzansprüche aus einem Personenschaden geltend und stützt sich dazu auf nachbarrechtliche Ansprüche und solche aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.
I. Zum nachbarrechtlichen Anspruch:
I.1. Anspruchsgrundlagen:
I.1.1 Nach § 364 Abs 1 ABGB findet die Ausübung des Eigentumsrechts nur insofern statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff erfolgt, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Die Eigentümer benachbarter Grundstücke haben bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen.
Der Eigentümer eines Grundstücks kann nach Abs 2 dieser Bestimmung dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen, darunter Geräusche, insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RS0010587).
I.1.2 Bei Beeinträchtigung durch eine behördlich genehmigte Anlage auf dem Nachbargrund in einer das Maß des § 364 Abs 2 ABGB überschreitenden Weise ist der Grundbesitzer gemäß § 364a ABGB nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.
Dieser sog Ausgleichsanspruch tritt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs an die Stelle der sonst nach § 364 Abs 2 ABGB zustehenden Untersagungsbefugnis und kann daher nur unter den gleichen Voraussetzungen geltend gemacht werden, also nur auf den Ersatz jenes Schadens gerichtet sein, der auf eine das ortsübliche Maß übersteigende Einwirkung und eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des eigenen Grundes zurückzuführen ist (RS0010671).
I.1.3 Im vorliegenden Fall gehen beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass es sich beim Flughafen der beklagten Partei um eine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB handelt (vgl auch RS0010689; Eccher/Riss, KBB5 § 364a Rz 2), sodass der Ersatzanspruch des Klägers anhand der erörterten Rechtsprechung zu prüfen ist.
I.2. Zur nachbarrechtlichen Haftung des Flughafenbetreibers:
I.2.1 Der Ausgleichsanspruch kommt nach der Rechtsprechung nur bei solchen Schädigungen in Frage, die in irgendeiner Weise mit der Verfügungsmacht des Grundeigentümers zusammenhängen, sei es, dass dieser die Liegenschaft in einen Schaden hervorrufenden Zustand versetzt oder in einem solchen belässt, sei es, dass er auf seiner Liegenschaft eine schadenstiftende Tätigkeit verrichtet oder deren Verrichtung durch Dritte duldet (RS0010448).
I.2.2 Koziol beschränkt die Eingriffshaftung hingegen auf denjenigen, der die behördlich genehmigte Anlage betreibt, dem daher der Eingriff gestattet wurde und der deshalb nicht mehr den auf Rechtswidrigkeit und Verschulden beruhenden Schadenersatzansprüchen ausgesetzt ist (Eingriffs- und Gefährdungshaftung im Nachbarrecht, RdW 2013/12, 3 [7]). Auch der Oberste Gerichtshof bejaht die Haftung des Betreibers einer behördlich bewilligten Anlage auf fremdem Grund (vgl 9 Ob 1/18i mwN).
Im vorliegenden Fall ist die Beklagte nicht nur Grundeigentümerin, sondern auch Betreiberin des Flughafens. Als solche ist sie daher jedenfalls passiv legitimiert.
I.2.3 Folgerichtig gehen Koziol/Apathy/Koch (Haftpflichtrecht III3 C/2 Rz 31 mwN aus dem deutschen Schrifttum) davon aus, dass Nachbarn eines Flughafens einen auf § 364a ABGB gestützten Anspruch nur gegen den Betreiber des Flughafens haben, wenn sie durch die startenden und landenden Flugzeuge der den Flughafen benützenden Luftfahrtgesellschaften gestört werden, und nicht gegen die Fluggesellschaften selbst. Bei diesen handle es sich um Dritte, die zwar – erlaubtermaßen – am Entstehen der Emission mitwirkten, aber nicht Inhaber der genehmigten Anlage seien.
I.3. Zur Gefährdungshaftung als mögliche nachbarrechtliche Haftungsgrundlage:
I.3.1 Bei genehmigten Anlagen scheidet ein deliktischer Schadenersatzanspruch mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens und Verschuldens aus. Es gebührt vielmehr ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch, weil die Rechtsordnung einen bewussten Eingriff in fremde, sonst geschützte Interessen gestattet (RS0010449 [T15]; Koziol, Eingriffs- und Gefährdungshaftung im Nachbarrecht, RdW 2013/12, 3). Diese Eingriffshaftung erfasst aber nur jene Immissionen, die durch die Anlagengenehmigung gedeckt, also typischerweise mit ihr verknüpft sind (RS0119688). Bei untypischen und daher nicht genehmigten Immissionen besteht dagegen weiter ein Unterlassungsanspruch (Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht III³ C/2 Rz 16). Das entspricht jener Rechtsprechung, wonach ein Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB besteht, wenn sich der Inhaber der genehmigten Anlage nicht an die im Genehmigungsbescheid erteilten Auflagen hält (RS0010645).
I.3.2 In der Lehre hat sich, beginnend mit Jabornegg (Bürgerliches Recht und Umweltschutz, Gutachten zum 9. ÖJT [1985], 74 ff), überwiegend die Auffassung durchgesetzt, dass § 364a ABGB nicht nur eine Eingriffs- sondern auch eine Gefährdungshaftung umfasst. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass bei einer Betriebsanlagengenehmigung nicht nur die mit dem Betrieb notwendig verbundenen schädlichen Immissionen, sondern auch die durch die Anlage hervorgerufenen (abstrakten) Gefahrenerhöhungen für Leben, Gesundheit und Eigentum (auch) der Nachbarn berücksichtigt (und erlaubt) werden, was bei Unfällen im Rahmen des § 364a ABGB zu einer Ersatzpflicht führen müsse (vgl auch Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung [1994] 318 ff; Koziol, Eingriffs- und Gefährdungshaftung im Nachbarrecht, RdW 2013/12, 3 f und 8; zum Meinungsstand vgl Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht III³ A/5 Rz 3 FN 3).
I.3.3 Der Oberste Gerichtshof hat im Anschluss an diese Lehrmeinungen mehrfach – stets allerdings nur obiter – geäußert, dass § 364a ABGB auch eine Gefährdungshaftung „enthält“ (vgl etwa 8 Ob 636/88; 5 Ob 3/99y; 5 Ob 21/19b; RS0111420). Davon ausgehend hat er eine Gefährdungshaftung in Analogie zu § 364a ABGB dann bejaht, wenn in Fällen fehlender behördlicher Genehmigung eine Regelungslücke anzunehmen war. Dies wurde zB in Fällen von baubehördlich bewilligten Bauvorhaben angenommen, bei denen infolge des mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Anscheins der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen die Abwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wurde, oder bei ohne behördliche Genehmigung durchgeführten Arbeiten, wenn der Schaden bereits eingetreten war, ehe der von dieser Einwirkung Betroffene faktisch die Möglichkeit zur Ausübung seines Untersagungsrechts nützen konnte (1 Ob 620/94; 5 Ob 444/97y = RdU 1998, 148/121 [Kerschner]; 5 Ob 3/99y; krit zu dieser Rsp Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht III³ A/5 Rz 17 mwN). Darüber hinaus wurde eine Haftung analog § 364a ABGB auch dann angenommen, wenn ein Immissionsschaden auftrat und einerseits der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert war und andererseits für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkuliertes Risiko darstellte, das er zu seinem Nutzen eingegangen war (RS0111420 [T1]).
Die dazu ergangenen Entscheidungen betreffen aber allesamt Sachschäden bzw Vermögensschäden.
I.3.4 Da die Eingriffshaftung nur jene Immissionen erfasst, die durch die Anlagengenehmigung gedeckt sind, bewusste Einwirkungen auf die Gesundheit – im Gegensatz zu bloß abstrakten Gesundheitsgefährdungen – aber keinesfalls durch die Anlagengenehmigung gedeckt sein können (vgl Koziol, Eingriffs- und Gefährdungshaftung im Nachbarrecht, RdW 2013/12, 6; Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht III³ C/2 Rz 18 ff), besteht konsequenterweise insoweit auch keine Eingriffshaftung. Als Anspruchsgrundlage kommt in solchen Fällen – abgesehen von der die allgemeinen Voraussetzungen, insbesondere Rechtswidrigkeit und Verschulden, erfordernden Verschuldenshaftung – nur eine direkt aus § 364a ABGB abzuleitende Gefährdungshaftung in Betracht.
I.4 Zur nachbarrechtlichen Ersatzfähigkeit von Personenschäden:
I.4.1 Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 671/78 SZ 51/114 die Ersatzfähigkeit von Personenschäden abgelehnt und ausgeführt, dass es sich bei dem dem beeinträchtigten Grundeigentümer in § 364a ABGB eingeräumten Ersatzanspruch um keinen Schadenersatzanspruch ex delicto, sondern um einen aus dem Gesetz entspringenden, dem Anspruch auf Entschädigung wegen Enteignung verwandten Ausgleichsanspruch handle, somit den Gegenwert für die dem Anrainer auferlegte Eigentumsbeschränkung. Die dort vom Kläger behauptete gesundheitliche (psychische) Beeinträchtigung seiner Person habe mit diesem Ausgleichsanspruch nichts zu tun. Eine Gefährdungshaftung wurde in dieser Entscheidung nicht erwogen.
In der Entscheidung 8 Ob 129/09w musste mangels Kausalität auf den dort geltend gemachten Personenschaden nicht eingegangen werden.
I.4.2 In der Lehre hat Kerschner, (Kausalitätshaftung im Nachbarrecht? RdU 1998, 10) ursprünglich die Ansicht vertreten, dass auch bei einer analogen Anwendung des § 364a ABGB die davon geschützten Rechtsgüter „beim Liegenschaftseigentum angebunden“ und deshalb konsequenterweise Personenschäden nicht erfasst seien. Kerschner/Wagner (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364a Rz 188) halten den Ersatz von Personenschäden im Bereich der Gefährdungshaftung immerhin für überlegenswert, meinen aber, die stärkeren Gründe würden dagegen sprechen. An anderer Stelle (Rz 217) führen sie jedoch aus, dass die Rechtsgüter Leben und Gesundheit mittelbar über die Nutzungsmöglichkeiten der Liegenschaft erfasst würden. Da im Gefährdungshaftungsbereich des § 364a ABGB keinesfalls die Abwehr bzw Unterlassung bei konkreter Gefährdung ausgeschlossen sei, könne für diesen Bereich auch die Haftung für Personenschäden mit guten Argumenten überlegt werden.
Gimpel-Hinteregger (Grundfragen der Umwelthaftung, 323 f) begründet die Haftung für Personenschäden im Rahmen des § 364a ABGB mit der Gefährdungshaftung. Sie geht bei ihrer Argumentation zwar auch auf die systematische Stellung des § 364a ABGB im Eigentumsrecht ein, stellt jedoch fest, dass der Schutz von Leben und Gesundheit des Grundbesitzers (und der mit ihm lebenden Familienmitglieder) durchaus vom Wortlaut des § 364a ABGB erfasst sei. Im Rahmen der Gefährdungshaftung sei es teleologisch zwingend, die Haftung auch auf Schäden an Leben und Gesundheit von Menschen auszudehnen, da wesentlicher Anlass für die Genehmigungsbedürftigkeit von Anlagen iSd GewO die Vermeidung von Gefährdungen von Leben und Gesundheit der Nachbarn sei (vgl auch Eccher/Riss, KBB5 § 364a Rz 1).
Koziol, der früher noch eine Haftung für Personenschäden nach § 364a ABGB abgelehnt hatte (Haftpflichtrecht II2 [1984] 331 FN 10), bejaht nun ebenfalls einen Ersatzanspruch bei Personenschäden im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 364a ABGB, weil es ein Wertungswiderspruch wäre, wenn Nachbarn nach der für sie günstigeren Haftungsnorm nur Ersatz für Sachschäden, nicht aber für Personenschäden verlangen könnten (Eingriffs- und Gefährdungshaftung im Nachbarrecht, RdW 2013/12, 9).
I.4.3 Nach Ansicht des erkennenden Senats ist zu bedenken, dass die Regelung des § 364a ABGB zuletzt in der III. TN des ABGB im Jahr 1916 geändert wurde. Angesichts der zwischenzeitigen Entwicklung der Wertvorstellungen, die sich in der dargestellten Änderung der Lehrmeinungen widerspiegelt, und dem ohne Zweifel gegebenen Vorrang der Gesundheit gegenüber den Vermögensinteressen, erscheint es – trotz der weiterhin bestehenden Einordnung der nachbarrechtlichen Bestimmung im sachenrechtlichen Teil des ABGB – konsequent, Personenschäden in die Haftung nach dieser Bestimmung miteinzubeziehen. Tatsächlich wäre es ein Wertungswiderspruch, könnten diese nur unter den allgemeinen Voraussetzungen eines deliktischen Schadenersatzanspruchs, also insbesondere Rechtswidrigkeit und Verschulden des Betreibers der Anlage, geltend gemacht werden, nachrangige Sach- und Vermögensschäden aber unabhängig davon.
I.4.4 Der Senat gelangt daher zu dem Zwischenergebnis, dass von der Genehmigung einer Anlage nach § 364a ABGB die abstrakte Gefährdung der körperlichen Sicherheit mitumfasst ist. Verwirklicht sich die Gefahr und entsteht daraus tatsächlich ein Personenschaden, kommt neben der allgemeinen Verschuldenshaftung nur die direkt aus § 364a ABGB resultierende Gefährdungshaftung in Betracht.
I.5. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob und welche Einwendungen dem Betreiber der Anlage gegen die ihn treffende Gefährdungshaftung zur Verfügung stünden, kann im vorliegenden Fall aber aus folgenden Überlegungen letztlich unterbleiben:
I.5.1 Grundsätzlich bestehen der nachbarrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB und der Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB nur bei Ortsunüblichkeit der Immission.
Wie bereits in Pkt I.1. ausgeführt wurde, sind die örtlichen Verhältnisse in zweifacher Hinsicht zu berücksichtigen, einerseits für das Maß der Immission und andererseits für das Maß der Beeinträchtigung (RS0010587). Der Ausdruck „örtlich“ ist dabei nicht so zu verstehen, dass es auf die Verhältnisse innerhalb der gesamten politischen Gemeinde ankommt, sondern auf die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu dem, von dem die Störung ausgeht, und die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften (RS0010678).
I.5.2 Determinanten der Ortsüblichkeit sind die Art der Einwirkung und der Grad der Störungseignung, der Charakter der Gegend und das öffentliche Interesse (RS0010678, RS0106616) sowie die Dauer und die Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse (RS0010678 [T6]).
I.5.3 Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen ist, ist nicht allein auf Grund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu prüfen. Die Ortsüblichkeit ist ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff (7 Ob 286/03i; Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung, 278 f), weil das Nachbarrecht dem Ausgleich der Interessen des Einwirkenden und des (der) Betroffenen dient und daher im hohen Maß der wertenden Auslegung zugänglich sein muss (7 Ob 286/03i; 1 Ob 6/99k; Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 15). Dieser sozialrelevante Interessenausgleich erfordert es, die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens auch Bedacht nimmt (1 Ob 6/99k).
I.5.4 Der Kläger stützt sich im vorliegenden Fall nicht auf die allgemein und dauerhaft vom Flughafen ausgehende Lärmimmission, sondern auf jene eines ganz bestimmten einzelnen Landeanflugs, somit eines einmaligen Ereignisses. Zu diesem ist festgestellt, dass die dabei erreichte Lärmimmission mit 86,7 dB gemessen wurde. Die beklagte Partei hat in ihrer Berufungsbeantwortung diese Feststellung bekämpft und statt dessen die Feststellung eines – auch vom Kläger behaupteten – Werts von nur 85,6 dB begehrt. Das Berufungsgericht hielt die Differenz zwischen diesen Werten zu Recht für irrelevant.
I.5.5 Tatsächlich liegen nämlich beide Werte nur geringfügig über dem für die Randzeit von 22:00 bis 23:00 Uhr behördlich festgelegten maximalen Immissionswert von 84 dB, wohingegen für Landungen untertags überhaupt kein Grenzwert besteht. Der behördlich festgelegte Grenzwert für die Randzeit ist auch keineswegs ungewöhnlich, war doch auch in dem der Entscheidung 8 Ob 135/06w zugrunde gelegenen Fall für einen anderen für die zivile Luftfahrt genutzten Flughafen ein solcher maximaler Lärmemissionswert von 84 dB bzw 85 dB erlaubt. Im Übrigen kann als notorisch vorausgesetzt werden, dass Werte von 85 dB etwa dem Lärm von mittleren Straßenverkehr entsprechen und 90 dB einem Lastwagen, also Lärmimmissionen, denen Menschen, die im dicht besiedelten Gebiet oder an Durchzugsstraßen wohnen, regelmäßig ausgesetzt sind (Brockhaus, Enzyklopädie21, Band 16, 345).
Dazu kommt, dass der Immissionswert den Kläger, wie festgestellt, als einmaliger Spitzenwert bei einem bestimmten Überflug und nicht – wie bei Verkehrslärm an einer Hauptverkehrsstraße – als Dauerbelastung traf. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt auch von den vom Kläger in seiner Revision genannten Lärmschutzwerten, die Dauerbelastungswerte regeln (vgl zB § 3 LuLärmIV).
I.5.6 Misst man die hier gegebene Situation an den erwähnten Determinanten der Ortsüblichkeit, also an der Art der Einwirkung und am Grad der Störungseignung, an dem seit Jahrzehnten durch den Betrieb des Flughafens geprägten Charakter der Gegend und am öffentlichen Interesse (RS0010678, RS0106616), und zieht man in Betracht, dass auch „schleichende Veränderungen“ der Lärmentwicklungen (vgl 2 Ob 94/00p), ausgehend von seit Jahrzehnten bestehenden Betrieben zu dulden sein können, so ist der zu beurteilende Überflug, bei dem es nach den Feststellungen keine relevanten Abweichungen von der verordneten Anflugroute, keine sonstigen Auffälligkeiten und keine außerordentlichen Ereignisse, wie Absturzgefahr oder ein Durchstartmanöver gegeben hat, als ortsübliches Manöver zu qualifizieren. Demzufolge hat die Beklagte den ihr nach der Rechtsprechung obliegenden Beweis erbracht, dass der vom Kläger behauptete Eingriff die vom Gesetz gezogenen Schranken nicht überschritten hat (vgl 10 Ob 25/11s mwN).
I.5.7 Nach der Rechtsprechung zu § 364 Abs 2 ABGB findet die Ortsüblichkeit aber dort ihre Grenzen, wo die Benutzung der Nachbarliegenschaft so weit beeinträchtigt ist, dass es auch zu Schäden an der Person des Nachbarn kommt (7 Ob 80/14m; 10 Ob 25/11s; 7 Ob 286/03i; vgl auch 2 Ob 236/99s; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 279). Derartige Immissionen müssen grundsätzlich immer untersagbar sein.
So wie aber bereits bei der Beurteilung, ob die ortsübliche Nutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt ist, nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks abzustellen ist (RS0010557), also auf das subjektive Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten (RS0010607), ist auch im Zusammenhang mit der Haftung für die Gesundheit schädigende Immissionen nicht auf eine besondere Sensibilität des Nachbarn Bedacht zu nehmen. Letztere kann schon nach § 364 Abs 2 ABGB für sich allein nicht zum Anlass genommen werden, die Einwirkung gänzlich zu untersagen. Vielmehr kommt es bereits in diesen Fällen darauf an, dass die Immission überhaupt – also für die Gesundheit betroffener Menschen ganz allgemein und nicht nur für übersensible Menschen – gesundheitsgefährdend bzw gesundheitsbeeinträchtigend ist (7 Ob 80/14m; 6 Ob 166/13z; 10 Ob 25/11s; 1 Ob 6/99k; RS0010607 [T9]; RS0010557 [T8]).
Da diese für den Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB geltenden Kriterien auch für die Haftung nach § 364a ABGB bei genehmigten Anlagen maßgeblich sind, kann diese Wertung auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden.
I.5.8 Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten und in Punkt I.5.6 bereits erörterten tatsächlichen Umstände sowie der gebotenen wertenden Betrachtung scheidet aber, ohne dass es dazu einer weiteren Klärung der am Wohnort des Klägers herrschenden, vom Flugbetrieb unabhängigen ortsüblichen Lärmbelastung oder der Anzahl der Überflüge und der davon ausgehenden Lärmimmission bedürfte, eine nachbarrechtliche Haftung für die vom Kläger allenfalls erlittene Gesundheitsschädigung aus.
Dies folgt zusammengefasst daraus, dass die nachbarrechtliche Haftung nach § 364a ABGB zwar grundsätzlich auch Gesundheitsschäden erfassen kann, die sich aus der Verwirklichung einer von der Anlagengenehmigung gedeckten abstrakten Gefährdung ergeben. Allerdings muss das schädigende Ereignis (oder die schädigende Dauerbelastung) das Kriterium der Ortsunüblichkeit iSv § 364 ABGB erfüllen. Trifft das – wie hier – nicht zu, besteht kein Anlass für eine verschuldensunabhängige Haftung des Anlagenbetreibers.
I.6. Soweit der Kläger Art 8 EMRK verletzt sieht, ist er auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verweisen, wonach es bei der nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Interessenabwägung von großem Gewicht ist, wenn der Beschwerdeführer – wie dies das Berufungsgericht vom Kläger unbeanstandet hervorhob – das Eigentum erwarb, obwohl ihm die Situation, über die er sich beschwert, zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen ist (vgl EGMR 22. 11. 2011, Bsw 24202/10). Art 8 EMRK ist nicht dahin auszulegen, dass jedes Individuum Wohnung unter speziellen Umweltstandards nehmen kann (EGMR 21. 7. 2011, Bsw 38182/03).
II. Zur Verkehrssicherungspflicht:
Der Kläger geht weiterhin davon aus, dass der beklagten Flughafenbetreiberin „unbestreitbar“ das Recht zur Flughafensperre zukomme, „die auch bei anderen Umständen auf Flughäfen immer wieder wahrgenommen wird“, wie etwa bei Eis oder Schnee oder einem defekten Flugzeug auf der Landebahn.
Gemäß § 120a LFG hat jedoch nicht die beklagte Partei, sondern die Austro Control GmbH die zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs erforderlichen An- und Abflugverfahren festzulegen und die dazu erforderlichen Anordnungen zu treffen, wobei auf die Abwehr von den der Allgemeinheit aus dem Luftverkehr drohenden Gefahren, wie insbesondere eine möglichst geringe Immissionsbelastung, Bedacht zu nehmen ist.
Hingegen trifft die beklagte Partei als Halterin eines öffentlichen Flugplatzes eine gesetzliche Betriebspflicht (§ 63 iVm § 75 Abs 5 LFG). Auch die Betriebszeiten des Flughafens mussten behördlich genehmigt und in der in der Luftfahrt üblichen Weise verlautbart werden (§ 3 Zivilflugplatz-Betriebsordnung [ZFBO]).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein in der Unterlassung einer „Flughafensperre“ erblickter rechtswidriger und schuldhafter Verstoß der beklagten Partei gegen eine Verkehrssicherungspflicht auszuschließen. Auf den (angeblichen) Widerspruch in den Feststellungen zur Wetterlage muss nicht eingegangen werden.
III. Diese Entscheidung konnte in nichtöffentlicher Sitzung ergehen; ein Recht des Revisionswerbers auf Abhaltung der von ihm beantragten Revisionsverhandlung besteht nicht (RS0043689, RS0043679).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E127623European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00012.19G.0130.000Im RIS seit
26.03.2020Zuletzt aktualisiert am
08.11.2021