Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Schriftführers Dr. Schöll in der Strafsache gegen Dejan V***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Lidija M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. September 2019, GZ 144 Hv 49/19k-253, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Konfiskationserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten Lidija M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Lidija M***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) und 15 StGB (B bis E, G und H) schuldig erkannt.
Danach hat sie vom 7. Februar 2019 bis zum 10. März 2019 in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung zur Ausführung strafbarer Handlungen durch Nenad A*****, Dejan R***** und Dejan V***** beigetragen, die (soweit hier von Relevanz) in 16 im angefochtenen Urteil näher beschriebenen Fällen dort genannten Geschädigten Wertgegenstände in dem 5.000 Euro übersteigenden Wert von zumindest 90.777 Euro durch Einbruch in Reihen-, Einfamilien- und Kleingartenhäuser weggenommen und dies (in sechs Fällen) versucht haben, indem sie jeweils mit ihnen zum Tatort fuhr und dort Aufpasserdienste leistete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Lidija M*****.
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) verkennt, dass die Tatrichter die Feststellungen zum Wert der Beute sowie zur gewerbsmäßigen Tatbegehung der Beschwerdeführerin im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (objektiv wie subjektiv) auf deren vollinhaltlich geständige Verantwortung in der Hauptverhandlung gegründet haben (US 13 und US 14 f, ON 252 S 18 ff).
Die kritisierte illustrative Erwähnung dort (angeblich) nicht vorgetragener Aktenstücke – nämlich der „im Akt erliegenden TÜ-Protokolle (AS 345 ff in ON 156)“ sowie der in „ON 45 AS 65 in ON 33 und ON 101“ enthaltenen Angaben der Angeklagten (vgl ON 252 S 37 f) – ist solcherart schon von vornherein nicht geeignet, Mangelhaftigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0113209 und RS0113210, siehe auch RS0099507; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 455, 462).
Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Beschwerdeführerin aus dem objektiven Tatgeschehen (US 14) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Die Behauptung, es wäre dem Urteil nicht deutlich zu entnehmen (Z 5 erster Fall), „aus welchen Gründen die Feststellung erfolgt [sei], wonach Vorsatz auf die kriminelle Vereinigung bestehe“, orientiert sich – trotz deren teilweiser Wiedergabe im Rechtsmittel – nicht an den Bezug habenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (US 14, vgl aber RIS-Justiz RS0119370).
Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) sieht in der im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) des Erstgerichts (US 22) erfolgten Berücksichtigung des Umstands, dass die Beschwerdeführerin „[z]usätzlich … noch von der Beute profitieren“ sollte, einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil das Vorliegen des Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung bereits für die Erfüllung des Tatbestands des § 127 StGB erforderlich sei. Sie geht jedoch daran vorbei, dass die Tatrichter diese Erwägung im Zusammenhang mit der Abstufung der Freiheitsstrafen der unmittelbaren Täter, die zum Teil aus der Beute ihre Schulden bei der Beschwerdeführerin zurückzahlen sollten (vgl US 22), und der Freiheitsstrafe der Beschwerdeführerin, die solcherart einen überproportionalen Anteil des Diebsguts erhalten sollte, anstellten. Die behauptete erschwerende Berücksichtigung des – ein Tatbestandselement des Diebstahls darstellenden – Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung liegt daher nicht vor.
Soweit die Beschwerdeführerin das Doppelverwertungsverbot auch durch die Beurteilung ihrer Beitragshandlungen als „wertvoll und wichtig“ (US 22; vgl § 34 Abs 1 Z 6 StGB, Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 15 f) verletzt sieht, spricht sie lediglich die Gewichtung des Erfolgs- und Handlungsunwerts (dazu eingehend Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 75 ff) an und bringt damit nur ein Berufungsvorbringen zur Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – in Bezug auf die Konfiskation nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO anhaftet.
Das Erstgericht sprach – ohne diese Strafe (RIS-Justiz RS0129178) einem konkreten Angeklagten zuzuordnen (vgl 11 Os 35/18h) – „gemäß § 19a StGB“ die Konfiskation des „sichergestellte[n] Einbruchswerkzeug[s]“ aus (US 8).
Nach § 19a Abs 1 StGB sind Gegenstände zu konfiszieren, die (soweit hier relevant) der Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat und die zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters stehen.
Da dem Ersturteil in Ansehung dieser Voraussetzungen jedoch keinerlei Feststellungen zu entnehmen sind, überschreitet der Ausspruch die Strafbefugnisgrenze (Z 11 erster Fall).
Hinzu kommt, dass das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (Z 11 dritter Fall, RIS-Justiz RS0088035 [insbesondere T7]).
Da das Konfiskationserkenntnis auch nicht mit Berufung angefochten wurde, war der Ausspruch der Konfiskation bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127645European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00001.20A.0226.000Im RIS seit
26.03.2020Zuletzt aktualisiert am
26.03.2020