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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §356 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, in der Beschwerdesache der F in A, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. November 1997, Zl. 311.753/1-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: P Gesellschaft m.b.H. in A), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. November 1997 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1994 die Änderung ihrer näher bezeichneten Betriebsanlage bewilligt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Verfahren in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und sonstigen Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen herbeizuführen. Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren nach dem Abs. 1 - von dem hier nicht in Betracht kommenden Sonderfall des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle abgesehen - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A, und seither in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein.
Im vorliegenden Fall enthält die Verhandlungsschrift der Erstbehörde vom 22. Juni 1992 zunächst die Erklärung der Beschwerdeführerin, sie befürchte, es könnten durch die in Rede stehende Änderung der Betriebsanlage für sie unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärm, Geruch und Erschütterungen auftreten. Im Rahmen der Wiedergabe des Gutachtens des umweltschutztechnischen Sachverständigen enthält die Verhandlungsschrift dessen nachfolgende Aussage:
"Zum Einwand der Nachbarin, sie befürchte, neben dem Lärm auch Körperschall und Geruch, wird festgestellt, daß die im westlichen Bereich des Betriebes zur Aufstellung gelangenden Fräsmaschinen und Metallsägen langsam laufende Maschinen sind, die keine Vibrationen oder Schwingungen verursachen, die in der Folge zu Körperschall führen könnten. Eine Geruchsbelästigung kann von den heute behandelten Maschinen nicht ausgehen. Geruchsemissionen sind möglich bei den Schweißplätzen und bei den Oberflächenbehandlungsanlagen."
Unter der Überschrift "Erklärungen" enthält diese Verhandlungsschrift schließlich u.a. die Erklärung des Vertreters der Beschwerdeführerin, "daß unter Einhaltung des im Sachverhalt beschriebenen Konsenses, insbesondere der Betriebszeiten (6.00 - 18.00 Uhr für den im Sachverhalt beschriebenen Westtrakt) sowie bei Erfüllung insbesondere der im umweltschutztechnischen Gutachten angeführten Auflagen, gegen die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung keine Einwände erhoben werden".
Am 6. Juli 1992 langte bei der Erstbehörde ein Schriftsatz der Beschwerdeführerin ein, indem sie einleitend darlegt, sie habe gegen das von der mitbeteiligten Partei eingebrachte Projekt keine Einwände erhoben, sofern die im Gutachten des Sachverständigen für Umweltschutztechnik genannten Auflagen erfüllt werden. Nunmehr habe sie aber in Erfahrung gebracht, daß die Einhaltung dieser Auflagen aus Gründen der Bauordnung nicht möglich sei, weshalb sie ihre am 22. Juni 1992 erteilte Zustimmung vollinhaltlich zurückziehe.
Der Inhalt der Verhandlungsschrift vom 22. Juni 1992 kann nur dahin verstanden werden, daß die Beschwerdeführerin zwar zunächst Einwendungen wegen befürchteter Belästigungen durch Lärm, Geruch und Erschütterungen erhoben, diese in der Folge aber wieder zurückgezogen hat. Daß dieser Inhalt der Verhandlungsschrift sich auch mit der Absicht der Beschwerdeführerin deckt, belegt ihr Schreiben vom 6. Juli 1992.
Es ist daher davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin bis zum Schluß der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz zwar zunächst durch die Erhebung von Einwendungen Parteistellung erworben, diese aber infolge deren Zurückziehung wieder verloren hat. Daran vermag die erst nach Abschluß dieser Verhandlung erklärte Zurückziehung der Zustimmung zum Projekt selbst dann nichts zu ändern, wenn man darin eine neuerliche Erhebung von Einwendungen erblicken wollte, weil nach § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 erst nach der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz erhobene Einwendungen den Nachbarn nur dann Parteistellung verschaffen können, wenn sie an der zeitgerechten Erhebung solcher Einwendungen ohne ihr Verschulden verhindert waren. Der Umstand aber, daß die Beschwerdeführerin in der baurechtlichen Zulässigkeit der von einem Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen irrte, schließt ein derartiges Verschulden aber nicht aus. Auch kann die erst nach Abschluß der Verhandlung erster Instanz erfolgte "Zurückziehung der Zurückziehung" der Einwendungen die in der Verhandlung verlorene Parteistellung nicht wieder vermitteln.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu Unrecht Parteistellung zuerkannt worden sein sollte (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N. F. Nr. 10.511/A).
In den in der Gewerbeordnung 1994 festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 leg. cit. durch einen nach § 77 oder nach § 81 in Verbindung mit § 77 leg. cit. ergehenden Genehmigungsbescheid nur im Rahmen ihrer nach § 356 Abs. 3 leg. cit. rechtzeitig erhobenen Einwendungen, mit denen sie ihre Parteistellung im Genehmigungsverfahren begründet haben, verletzt werden (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0211).
Da die Beschwerdeführerin, wie oben dargelegt, mangels rechtzeitiger Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen keine Parteirechte im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren erwarb, kann sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesbezüglichen Rechten verletzt sein.
Die Beschwerde war daher zufolge des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Eingehen auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997040250.X00Im RIS seit
20.11.2000