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L66503 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde
1) des GL und 2) der KL, beide in E und beide vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien XIII, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Juni 1996, Zl. 710.763/02-OAS/96, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Schadenersatz wegen gesetzwidriger Abfindung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein von den Beschwerdeführern gestellter Antrag auf Schadenersatz für gesetzwidrige Grundabfindungen nach § 26a des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 (FLG) in der Fassung seiner am 28. Juli 1994 in Kraft getretenen 2. Novelle, 6650-4, im Instanzenzug zurückgewiesen.
Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden kann, hatte die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde mit Bescheid vom 29. Jänner 1992 den Beschwerdeführern gegenüber den Zusammenlegungsplan neu erlassen und ihnen eine andere Grundabfindung als die von den Beschwerdeführern zuvor übernommene zugeteilt. Dieser Bescheid vom 29. Jänner 1992, wird im nunmehr angefochtenen Bescheid begründend weiter ausgeführt, sei gegenüber den Beschwerdeführern mangels einer von ihnen dagegen erhobenen Berufung rechtskräftig geworden, durch die Berufungen zweier anderer, von der Änderung der Neueinteilung betroffener Parteien hinsichtlich aller von der neuen Grundeinteilung betroffenen Parteien aber erst am 20. Juli 1993 in Rechtskraft erwachsen. Die neue Abfindung sei dementsprechend im Jänner 1994 auch in der Natur übergeben worden und werde seit diesem Zeitpunkt von den Beschwerdeführern bewirtschaftet. Ausgehend von der Bestimmung des § 26a Abs. 3 FLG entstehe der in dieser Vorschrift geregelte Anspruch auf Schadenersetz für eine rechtswidrige Grundzuteilung - eine solche sei unbestritten vorgelegen - mit dem Ende dieser gesetzwidrigen Grundabfindung unabhängig von der Qualität der neuen Grundabfindung. Der entstandene Schadenersatzanspruch müsse rechtzeitig geltend gemacht werden, was auch für den Fall gelte, daß die neue Zuteilung der Grundstücke ebenfalls gesetzwidrig wäre. Dem Gesetz sei die gesetzgeberische Absicht zu entnehmen, die Benachteiligung einer Partei zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auszugleichen, ohne daß die Rechtmäßigkeit der neu verfügten Grundzuteilung hiefür von Belang sei. Die in Rede stehende Gesetzesbestimmung sei allerdings erst am 28. Juli 1994 in Kraft getreten und habe den ein Jahr früher beendeten Schadenersatzfall daher nicht erfassen können. Der am 30. Oktober 1995 von den Beschwerdeführern gestellte Entschädigungsantrag sei demnach vom Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden; daß der Landesagrarsenat den Antrag aus dem Grunde seiner Verspätung zurückgewiesen habe, während der Zurückweisungsgrund in Wahrheit im Fehlen einer Anwendbarkeit der betroffenen Bestimmung auf den betroffenen Fall gelegen sei, ändere an der Rechtmäßigkeit der bekämpften Zurückweisung nichts. Wenn die Beschwerdeführer vorbrächten, daß auf Grund unerledigter Berufungen anderer Parteien in ihre Abfindung bis Dezember 1995 hätte eingegriffen werden können, dann mag dies durchaus zutreffen und würde ein solcher Eingriff einen Zusammenlegungsplan, mit dem eine andere Grundabfindung zugewiesen wird, im Sinne des § 26a Abs. 3 FLG darstellen. Unter der Annahme, daß die mit Bescheid der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde vom 29. Jänner 1992 zugewiesene und in der Natur bewirtschaftete Abfindung der Beschwerdeführer rechtswidrig wäre, was von ihnen allerdings nicht behauptet wird, wäre ihnen ein eigener, getrennt zu betrachtender Anspruch auf Schadenersatz vom Jänner 1994 (Beginn der tatsächlichen Bewirtschaftung der neuen Abfindung) bis zur Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, mit dem diese andere Grundabfindung zugewiesen würde, bestehen. Tatsächlich sei aber mit den andere Parteien betreffenden Berufungserledigungen in die neue Abfindung der Beschwerdeführer ohnehin nicht eingegriffen worden.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom 30. September 1996, B 2682/96, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehren die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem aus § 26a FLG erfließenden Entschädigungsanspruch als verletzt zu erachten. Die Beschwerdeführer tragen vor, daß die belangte Behörde rechtsirrig davon ausgegangen sei, daß § 26a FLG im Beschwerdefall nicht anwendbar sei. Aus dem Fehlen einer Übergangsbestimmung könne ein solcher Schluß nicht gezogen werden. Die Ansicht der belangten Behörde, daß Abfindungen der Parteien jeweils für sich und getrennt betrachtet werden müßten, sei "völlig absurd". Diese Ansicht stehe in krassem Widerspruch zum "Zusammenlegungsverfahren an sich", von dessen rechtskräftiger Erledigung erst dann gesprochen werden könne, wenn über alle Berufungen sämtlicher Verfahrensparteien entschieden worden sei. Teilrechtskraft könne in einem Zusammenlegungsverfahren nicht entstehen. In einer anderen Angelegenheit habe die belangte Behörde eine gänzlich andere Auffassung vertreten. Mit dem Zeitpunkt, zu welchem der entschädigungsfähige Schaden entstehe, könne nur jener des Eintritts der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes gemeint sein. Unter der unrichtigen Annahme einer Teilrechtskraft wäre § 26a Abs. 3 FLG unanwendbar, weil keine Partei des Verfahrens jemals wissen könne, ob nunmehr schon Teilrechtskraft hinsichtlich der zugewiesenen Grundstücke eingetreten sei oder nicht, sei doch die Partei des Zusammenlegungsverfahrens nicht in der Lage, über den Verfahrensstand und allfällige Berufungen anderer Parteien Bescheid zu wissen. Da das Zusammenlegungsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung des § 26a Abs. 3 FLG am 28. Juli 1994 noch nicht rechtskräftig erledigt gewesen sei, müsse die angezogene Bestimmung zur Anwendung kommen können. Am 14. Dezember 1995 habe der Landeshauptmann von Niederösterreich den Beschwerdeführern mitgeteilt, daß erst wenige Tage vor seinem Schreiben eine Problemlösung habe gefunden werden können, mit welcher die Abfindung der Beschwerdeführer nicht mehr verändert würde. Da die Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Landesagrarsenat am 9. Jänner 1996 ihren Antrag wiederholt hätten, sei er jedenfalls fristgerecht erstattet worden. Wenn die Bestimmung des § 26a FLG tatsächlich erst ab dem 28. Juli 1994 gelten solle, dann hätte dies der Gesetzgeber klar und deutlich aussprechen müssen. Sollten die Beschwerdeführer hier einem Rechtsirrtum unterliegen, "beantragten" sie die Veranlassung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich des ersten Satzes des § 26a Abs. 3 FLG beim Verfassungsgerichtshof, weil der Halbsatz "mit dem eine andere Grundabfindung zugewiesen wird" "gleichheitssatz- und menschenrechtswidrig" sei. Nicht mit der Zuweisung könne der Fristenlauf angenommen werden, es sei vielmehr offenbar die Absicht des Gesetzgebers gewesen, diese Frist erst mit Ende des Verfahrens zum Laufen zu bringen.
Die belangte Behörde hat die Akten ihres Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mit "Schadenersatz für gesetzwidrige Grundabfindungen" überschriebene Bestimmung des § 26a FLG wurde mit dem am 28. Juli 1994 ausgegebenen Landesgesetzblatt 6650-4 ohne Normierung einer Übergangsbestimmung in das Niederösterreichische Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 eingefügt und normiert in ihrem ersten Absatz, daß eine Partei Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, der ihr aus der Bewirtschaftung einer gesetzwidrigen Grundabfindung erwachsen ist, gleichgültig ob sie diese Grundabfindung vorläufig (§ 22) oder endgültig (§ 27 Abs. 1) übernommen hat. Im zweiten Absatz dieses Paragraphen wird definiert, daß eine übernommene Grundabfindung dann gesetzwidrig ist, wenn sie den Voraussetzungen des § 17 Abs. 7 und 8 widerspricht. Der hier interessierende dritte Absatz der genannten Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
"(3) Der Antrag auf Schadenersatz muß bei sonstigem Anspruchsverlust binnen einem Monat nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, mit dem eine andere Grundabfindung zugewiesen wird, beim Landesagrarsenat eingebracht werden. Die Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Wirksamkeit der Anordnung der Übernahme der Grundabfindungen gemäß § 27 Abs. 1 zu laufen."
Diese landesgesetzliche Vorschrift war in Ausführung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 (in der Folge: FGG), BGBl. Nr. 103, in der Fassung der Flurverfassungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 903, als Ausführungsnorm erlassen worden. Die im gegebenen Zusammenhang interessierende Grundsatzbestimmung des Bundesgesetzes war als § 10 Abs. 5 FGG in das Grundsatzgesetz durch die FGG-Novelle 1993, BGBl. Nr. 903, eingefügt worden und hat folgenden Wortlaut:
"(5) War die einer Partei übergebene Abfindung gesetzwidrig, so kann diese Partei den Ersatz eines dadurch entstandenen Schadens begehren. Der Antrag ist innerhalb eines Monates nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan beim Landesagrarsenat einzubringen."
Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides stand die landesgesetzliche Vorschrift des § 26a FLG in Kraft und war von der belangten Behörde daher anzuwenden. Dies hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch getan, sie ist in der Untersuchung des Vorliegens der in § 26a Abs. 3 FLG normierten Anspruchsvoraussetzung einer Antragstellung binnen der dort genannten Frist aber zum Ergebnis gelangt, daß die dem Streitfall zugrundeliegende verfahrensrechtliche Sachverhaltskonstellation eine meritorische Anwendung der Bestimmung des § 26a FLG nicht zugelassen hatte. Der Unterschied des vom Landesagrarsenat gewählten Begründungsansatzes verspäteter Antragstellung durch die Beschwerdeführer zu dem von der belangten Behörde gewählten Begründungsansatz mangelnder Anwendbarkeit der betroffenen Vorschrift auf die vorliegenden Fallkonstellation reduziert sich auf einen Streit um Worte insofern, als sich der von der belangten Behörde eingenommene Standpunkt dahin verstehen läßt, daß die Beschwerdeführer mit einer Antragstellung nach § 26a FLG deswegen in jedem Fall zwangsläufig zu spät kommen mußten, weil Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes im Sinne des § 26a Abs. 3 FLG den Beschwerdeführern gegenüber zu einem Zeitpunkt eingetreten war, der geraume Zeit vor jenem lag, mit welchem die gesetzliche Bestimmung in Kraft trat, aus der die Beschwerdeführer ihren Anspruch ableiten.
Im Zentrum der Rechtsrüge der Beschwerdeführer steht das von der belangten Behörde gewonnene Verständnis vom Begriff der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes im Sinne des § 26a Abs. 3 FLG. Unter Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, meinen die Beschwerdeführer, könne nur der Eintritt der Rechtskraft des gesamten Zusammenlegungsplanes allen seinen Parteien gegenüber verstanden werden. Mit dieser Frage hat sich allerdings der Gerichtshof erst unlängst in seinem Erkenntnis vom 19. März 1998, 98/07/0030, in einem ähnlich gelagerten Fall befaßt, in welchem der Begriff der Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan in der Bestimmung des § 27 Abs. 9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982, LGBl. Nr. 82, in der Fassung LGBl. Nr. 26/1995, auszulegen war. Der Gerichtshof ist im genannten Erkenntnis in Auslegung dieser Vorschrift des Steiermärkischen Landesgesetzes, die - anders als die hier zu beurteilende Niederösterreichische Ausführungsnorm - den Wortlaut des § 10 Abs. 5 FGG wortgleich übernommen hat, zum Ergebnis gelangt, daß die Frist zur Antragstellung auf Ersatz des durch eine gesetzwidrige Abfindung entstandenen Schadens mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes allein gegenüber der die Entschädigung begehrenden Partei zu laufen beginnt und nicht erst mit jenem Zeitpunkt, zu dem der Zusammenlegungsplan allen Verfahrensparteien gegenüber unanfechtbar geworden ist. Zu den Erwägungen, die den Gerichtshof in Anwendung unterschiedlichster Interpretationsansätze zu diesem Ergebnis gelangen ließen, sei auf die Gründe dieses Erkenntnisses vom 19. März 1998, 98/07/0030, verwiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht eine Übertragung von Gründen und Ergebnis der im vorgenannten Erkenntnis zur Bestimmung des § 27 Abs. 9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982 gefundenen Auslegung auf die Bestimmung des § 26a Abs. 3 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 ungeachtet des Umstandes für geboten an, daß der Niederösterreichische Landesgesetzgeber seine Ausführungsnorm zu § 10 Abs. 5 FGG nicht, wie der Steiermärkische Ausführungsgesetzgeber, wortgleich mit der Grundsatznorm, sondern in sprachlich abweichender Weise gestaltet hat.
Die sprachliche Abweichung in der Gestaltung der Niederösterreichischen Ausführungsvorschrift besteht zunächst in dem dem Begriff des "Zusammenlegungsplanes" beigegebenen Relativsatz, "mit dem eine andere Grundabfindung zugewiesen wird". Dieser Relativsatz spricht in keiner Weise gegen die Übernahme der im hg. Erkenntnis vom 19. März 1998, 98/07/0030, angestellten Erwägungen auf die Niederösterreichische Landesrechtslage. Dieser Relativsatz stellt zum einen klar, daß dem Anspruchswerber mit dem Zusammenlegungsplan eine Abfindung zugewiesen worden sein muß, die sich von einer zu einem früheren Zeitpunkt übernommenen, im Sinne des § 26a Abs. 2 FLG gesetzwidrigen Abfindung unterscheidet; diese Anspruchsvoraussetzung folgt zwangsläufig aus der in § 10 Abs. 5 FGG statuierten Anforderung der Gesetzwidrigkeit einer früher übergebenen Abfindung. Zum anderen erlaubt der in die Ausführungsvorschrift des § 26a Abs. 3 FLG aufgenommene Relativsatz aber gerade den Schluß auf die - Relativsätzen generell innewohnende - Relativierung jenes Begriffes, dem er beigegeben wurde, nämlich des Zusammenlegungsplanes und seiner Rechtskraft. Daß der Niederösterreichische Landesgesetzgeber in § 26a Abs. 3 FLG die Frist für die Antragstellung mit der "Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, mit dem eine andere Grundabfindung zugewiesen wird," zu laufen beginnen läßt, indiziert insoweit damit auch für die Niederösterreichische Landesrechtslage die Anwendbarkeit der im hg. Erkenntnis vom 19. März 1998, 98/07/0030, angestellten Erwägungen.
Anders als in § 10 Abs. 5 FGG und in § 27 Abs. 9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982 wird vom niederösterreichischen Ausführungsgesetzgeber dem Wort "Rechtskraft" nicht der Ausdruck "formell" vorangestellt. Die aus dem in der Steiermärkischen Ausführungsnorm gleich wie im Grundsatzgesetz verwendeten Terminus der "formellen Rechtskraft" für die Steiermärkische Landesrechtslage vom Gerichtshof im Erkenntnis vom 19. März 1998, 98/07/0030, gezogenen Schlußfolgerungen lassen sich auf den ersten Blick auf die Niederösterreichische Rechtslage mangels Verwendung dieses Ausdrucks durch den niederösterreichischen Landesgesetzgeber nicht übertragen. Ein zweiter Blick gebietet jedoch anderes deshalb, weil ein Gesetz im Zweifel so auszulegen ist, daß sein Inhalt verfassungskonform bleibt. Für das Ausführungsgesetz eines Landesgesetzgebers führt diese Auslegungsregel zur Erforderlichkeit, das Ausführungsgesetz, soweit sein Wortlaut es gestattet, so auszulegen, daß es mit dem Grundsatzgesetz des Bundes in Übereinstimmung bleibt. Ein Verständnis des in § 26a Abs. 3 FLG gebrauchten Begriffes der "Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes", welches mit dem in der Grundsatznorm des § 10 Abs. 5 FGG ausdrücklich gebrauchten Begriff der "formellen Rechtskraft der Entscheidung über den Zusammenlegungsplan" in Widerspruch geriete, unterstellte der niederösterreichischen Ausführungsvorschrift eine die Verfassungssphäre berührende Abweichung vom Grundsatzgesetz, die einem Ausführungsgesetzgeber nicht ohne Not unterstellt werden darf. Auch die aus dem Begriff der "formellen Rechtskraft" im hg. Erkenntnis vom 19. März 1998 abgeleiteten Folgerungen lassen sich im Beschwerdefall demnach ziehen.
Wie im Falle des hg. Erkenntnisses vom 19. März 1998, 98/07/0030, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 letzter Satz VwGG somit ausdrücklich verwiesen wird, für die Rechtslage nach § 27 Abs. 9 des Steiermärkischen Zusammenlegungsgesetzes 1982 erkannt wurde, so ist auch für § 26a Abs. 3 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes zu erkennen, daß die Monatsfrist für die Antragstellung auf Zuerkennung von Schadenersatz für gesetzwidrige Grundabfindungen mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Zusammenlegungsplan, mit welchem dem Anspruchswerber eine andere Grundabfindung zugewiesen wird, allein diesem Anspruchswerber gegenüber rechtskräftig geworden ist. Dies war im Beschwerdefall nicht erst, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gemeint hat, der 20. Juli 1993, sondern vielmehr jener davor gelegene Zeitpunkt, zu welchem die den Beschwerdeführern offengestandene Berufungsfrist gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde vom 29. Jänner 1992 ungenützt abgelaufen war. Jede außerhalb der Monatsfrist ab diesem Zeitpunkt gestellte Antragstellung der Beschwerdeführer war nach § 26a Abs. 3 FLG im Sinne der Betrachtungsweise des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung "verspätet"; das Inkrafttreten der Bestimmung des § 26a FLG erst am 28. Juli 1994 mußte den Beschwerdeführern jede Möglichkeit einer Wahrung der in § 26a Abs. 3 FLG gesetzten Antragsfrist nehmen, weshalb sich die Bestimmung des § 26a FLG in der Sichtweise der belangten Behörde auf den Fall der Beschwerdeführer als "nicht anwendbar" erwies.
Zu dem von den Beschwerdeführern angeregten Herantreten an den Verfassungsgerichtshof mit dem Ziel der Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung. Was an dem Relativsatz in § 26a Abs. 3 FLG "gleichheitssatz- und menschenrechtswidrig" sein soll, kann der Gerichtshof nicht erkennen. Das - auch - aus diesem Relativsatz zu gewinnende Verständnis von der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes allein gegenüber dem potentiellen Anspruchswerber als dem maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die Monatsfrist für die Antragstellung auf Schadenersatz zu laufen beginnt, ist ein Interpretationsergebnis der Norm, das den Anspruchswerber besser stellt als jede andere denkmögliche Auslegung. Die vom Gerichtshof gefundene Interpretation gewährleistet Klarheit und Frühzeitigkeit der Durchsetzung des Schadenersatzanspruches. Den Zeitpunkt, zu dem die Partei einen ihr gegenüber erlassenen Zusammenlegungsplan hat rechtskräftig werden lassen, kennt die Partei; der weitere Gang des Zusammenlegungsverfahrens gegenüber anderen Verfahrensparteien braucht sie dann nicht mehr zu interessieren. Desgleichen ist die Partei des Zuwartens bis zum endgültigen Abschluß des Gesamtverfahrens enthoben und kann ihren Schadenersatzanspruch unverzüglich zu jenem Zeitpunkt geltend machen, zu dem sie aufgehört hat, die ihr (neu) zugewiesene Abfindung zu bekämpfen. Soweit sich dem Vorbringen der Beschwerdeführer schließlich noch die Auffassung entnehmen läßt, die Bestimmung des § 26a FLG sei deswegen verfassungswidrig, weil ihr vom Landesgesetzgeber nicht rückwirkende Kraft beigesetzt worden sei, kann auch dieses Argument den Verwaltungsgerichtshof zu einem Herantreten an den Verfassungsgerichtshof nicht bewegen. Daß gesetzlich angeordnete Rückwirkungen neuer Rechtsvorschriften den Verfassungsgerichtshof verschiedentlich dazu veranlaßt haben, Anordnungen der Rückwirkung von Gesetzen unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes als verfassungswidrig zu beurteilen, läßt die den Beschwerdeführern offenbar vorschwebende Argumentation gegenteiliger Stoßrichtung wenig aussichtsreich erscheinen. Daß ein neu erlassenes Gesetz vom Gesetzgeber nicht mit rückwirkender Kraft ausgestattet wurde, kann eine Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes schwerlich begründen.
Ob die Bestimmung des zweiten Satzes des § 26a Abs. 3 FLG in bezug auf ihre Vereinbarkeit mit Wortlaut und Gesetzeszweck des § 10 Abs. 5 FGG Bedenken erwecken könnte, war im Beschwerdefall, in welchem es um den Beginn der Antragsfrist und nicht um jenen der Entscheidungsfrist geht, nicht zu untersuchen.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grunde Abstand genommen werden; Art. 6 Abs. 1 EMRK stand dem nicht entgegen, weil die Beschwerdeführer in beiden Instanzen des Verwaltungsverfahrens ihren Standpunkt einer als Tribunal eingerichteten Behörde in öffentlicher Verhandlung vortragen konnten, von welchem Recht sie der Aktenlage nach auch Gebrauch gemacht haben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996070233.X00Im RIS seit
11.07.2001