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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde eines ausländischen Strafgefangenengegen ein Schreiben der Bundesministerin für Justiz betreffendÜbernahme der Strafvollstreckung durch den Heimatstaat mangelsBescheidqualität; kein Recht des Betroffenen auf Überstellung inseinen Heimatstaat zum weiteren StrafvollzugSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Beschwerdeführer - ein bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger, der seit 1976 in Österreich lebt - verbüßt derzeit eine über ihn mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.11.2003 wegen des (teils versuchten) Verbrechens nach §§28 Abs2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs3 erster Fall und Abs4 Z3 SMG, 15 StGB (ua. gewerbsmäßiger Handel mit mehr als 100 kg Heroin) verhängte Freiheitsstrafe von 18 Jahren in der Justizanstalt Graz-Karlau.
2. Mit Schriftsatz vom 2. August 2005 sowie mit weiteren Eingaben beantragte der Beschwerdeführer bei der Bundesministerin für Justiz (BMJ) seine Überstellung zum weiteren Strafvollzug nach Bosnien.
Nach Prüfung der Anträge durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien (die für eine Überstellung aufgrund der sozialen Integration des Beschwerdeführers in Österreich sowie angesichts der Annahme, dass das Begehren primär vom Wunsch auf vorzeitige Entlassung in Bosnien getragen sei, keinen Anlass fand) sowie nach Befassung des bosnischen Justizministeriums (das auf fehlende adäquate medizinische Behandlungsmöglichkeiten im bosnischen Strafvollzug verwies) erging seitens der BMJ folgendes, mit 13. Februar 2007 datiertes Schreiben an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers:
"Betrifft: Strafsache gegen M S -
Übernahme der Strafvollstreckung
zu Mag. D/WM
Mit Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 27.10.2005 teile ich Ihnen mit, dass aufgrund der Behandlungsmöglichkeiten in Bosnien und Herzegowina davon Abstand genommen wird, Bosnien und Herzegowina um die Übernahme der Strafvollstreckung zu ersuchen. Die jahrzehntelangen Bindungen des Genannten zu Österreich und seine familiären Beziehungen sowie die sich aus dem Gutachten des bosnischen Gerichtspsychiaters ergebenden besseren Behandlungsmöglichkeiten in Österreich lassen insgesamt einen Strafvollzug in Österreich vorteilhafter erscheinen.
Mit freundlichen Grüßen,
MMag. B. G.-F."
3. Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie - der Sache nach - auf Gleichheit Fremder untereinander behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erledigung begehrt wird. Nach Ansicht des Beschwerdeführers handle es sich bei der vorliegenden Enunziation um einen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid, der als individueller Hoheitsakt in die Rechte des Beschwerdeführers eingreife.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Bescheidqualität des angefochtenen Schreibens verneint, dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die Beschwerde ist nicht zulässig:
1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (zB VfSlg. 13.099/1992, 16.433/2002, 17.569/2005).
Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine behördliche Erledigung, die nicht als Bescheid bezeichnet und nicht in Spruch und Begründung gegliedert ist, ist auch dann als Bescheid zu werten, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren, objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (zB VfSlg. 15.893/2000, 16.859/2003, 17.569/2005).
Ob dies der Fall ist, kann sich daraus ergeben, ob die Behörde von Rechts wegen verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen; die Beurteilung der Frage nach der Bescheidqualität einer nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung ist daher vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage vorzunehmen (vgl. zB VfSlg. 13.723/1994, 14.912/1997, 17.501/2005).
2. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, ergibt sich weder aus den Bestimmungen des ua. mit (dem damaligen) Bosnien-Herzegowina abgeschlossenen Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen, BGBl. 524/1986, (wonach der Betroffene bloß den Wunsch auf Überstellung äußern kann) noch aus den Regelungen des §76 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl. 529/1979 idF BGBl. I 164/2004, (ARHG) das Recht eines Strafgefangenen auf Überstellung in seinen Heimatstaat zum weiteren Strafvollzug:
Nach §76 Abs1 ARHG kann der Bundesminister für Justiz - sofern Anlass gegeben ist - einen anderen Staat um die Übernahme der Vollstreckung einer rechtskräftigen Entscheidung, mit der eine Strafe ausgesprochen wurde, ersuchen. §76 Abs9 ARHG stellt ausdrücklich klar, dass der Betroffene keinen Anspruch auf Stellung eines solchen Ersuchens um Übernahme der Vollstreckung hat.
Schon nach der maßgeblichen Rechtsgrundlage besteht also kein Anspruch darauf, dass der Bundesminister für Justiz an einen anderen Staat ein Übernahmeersuchen zur Strafvollstreckung stellt.
Es liegt auch im Übrigen kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die belangte Behörde die Absicht hatte, gegenüber dem Beschwerdeführer einen Bescheid zu erlassen: Das bekämpfte Schreiben weist nicht die äußere Form eines Bescheides auf und ist seinem Wortlaut nach als bloße Mitteilung abgefasst. Es beschränkt sich darauf, dem Beschwerdeführer bekannt zu geben, dass davon Abstand genommen wird, den Heimatstaat um Übernahme der Strafvollstreckung zu ersuchen.
Bei der formlosen Erledigung der BMJ vom 13. Februar 2007 handelt es sich sohin um eine bloße Mitteilung, nicht aber um einen vor dem Verfassungsgerichtshof anfechtbaren Bescheid.
Damit fehlt es aber an einem tauglichen Beschwerdegegenstand. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Strafrecht, Strafprozeßrecht, Strafvollzug, Auslieferung,BescheidbegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B337.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009