Entscheidungsdatum
29.08.2019Norm
AsylG 2005 §56Spruch
I412 1255563-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: RA Mag. Dr. Vera M. WELD gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 09.07.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte nach ihrer illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 26.07.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundeasylamtes vom 03.12.2004, Zl. XXXX abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt wurde.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 01.07.2009 rechtskräftig negativ entschieden.
2. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 18.03.2013 wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 FPG 2005 eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG 2005 ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen.
Mit Bescheid der Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 24.07.2013 wurde der dagegen erhobenen Berufung insofern Folge gegeben, als von der Erlassung eines Einreiseverbotes für den gesamten Schengen-Raum abgesehen wurde. Im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid bestätigt.
3. Die Beschwerdeführerin stellte am 04.12.2018 gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 56 Abs. 1 AsylG 2005.
4. Mit Verbesserungsauftrag vom 04.12.2018 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen vier Wochen ihren Antrag in deutscher Sprache ausführlich schriftlich zu begründen und ein gültiges Reisedokument und eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument, einen Nachweis der Krankenversicherung sowie Nachweise über den Rechtsanspruch auf Unterhalt (z.B. Lohnzettel) vorzulegen. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit der Heilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 im Falle der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden auf begründeten Antrag hingewiesen und ihr mitgeteilt, dass im Falle der Nichtbefolgung dieses Verbesserungsauftrages ihr Antrag mangels Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückzuweisen wäre.
5. In der Folge wurden von der Beschwerdeführerin folgende Dokumente vorgelegt:
* Geburtsurkunde sowie Geburtsbestätigung
* Eidesstattliche Erklärung über das Alter der Beschwerdeführerin
* E-Card der Beschwerdeführerin als Nachweis der Krankenversicherung
* A2 Zertifikat Deutsch vom 15.05.2013
* Mietvertrag von XXXX
* Bestätigung über ein gesichertes Wohnrecht, welches der Beschwerdeführerin von Sandra K. gewährt wird
* Zwei Gehaltsbesätigungen
In einer Stellungnahme vom 15.01.2019 wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit nahezu 15 Jahren ihren durchgehenden Lebensmittelpunkt in Österreich habe, Teil dieser Gesellschaft sei und es für sie und ihr Umfeld, insbesondere die mit ihr in Lebensgemeinschaft lebende Lebensgefährtin, undenkbar sei, an einem anderen Ort ihren Aufenthalt zu fristen. Dahingehend komme hinzu, dass Homosexualität in Nigeria illegal sei und mit Gefängnisstrafen bis zu 14 Jahren und 12 nördlichen Bundesstaaten mit der Todesstrafe bestraft werden könne.
6. Am 17.05.2019 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zu ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG und der beabsichtigten Abweisung gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG niederschriftlich einvernommen.
7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005, gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurückgewiesen.
8. Mit Schriftsatz vom 01.08.2019 erhob die im Verfahren rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin weder im Besitz eines Reisepasses noch einer sonstigen Identitätskarte sie. Ihre Identität könne allerdings auf Grund ihrer Geburtsurkunde, die der Behörde auch vorgelegt wurde, überprüft werden. Auf der Geburtsurkunde sei ein Lichtbild der Beschwerdeführerin angebracht, das dem Zweck der Identitätsfeststellung genügen könne. Die gesonderte Vorlage eines Reisedokuments sei sohin für diesen Zweck nicht unbedingt erforderlich.
Die Zurückweisung des Antrags aus bloß dem Grund, dass eines der angeforderten Dokumente begründeterweise nicht vorgelegt werden habe können, sei nicht verhältnismäßig. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin werde auf das bisherige Vorbringen verwiesen, betont werde, dass die Beschwerdeführerin homosexuell sei, im Bundesgebiet eine Beziehung zu ihrer Lebensgefährtin habe und die beiden auch eine gemeinsame Zukunft sehen würden. In Nigeria sei eine andere als eine heterosexuelle Orientierung nicht geduldet.
9. Mit Schreiben vom 13.08.2019 wurden Verwaltungsakt und Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wurde in Bezug auf den Status der Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen.
Ein gegen die Beschwerdeführerin in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung verhängtes Einreiseverbot für die Dauer von 18 Monaten wurde mit Entscheidung des UVS Wien vom 24.07.2013 behoben.
Die (im gesamten Verfahren rechtsfreundlich vertretene) Beschwerdeführerin legte im gegenständlichen Verfahren keinen Reisepass vor und stellte keinen Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 und § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG-DV. Sie wurde mit Verbesserungsauftrag aufgefordert, ein gültiges Reisedokument binnen eingeräumter Frist vorzulegen und von der belangten Behörde in Kenntnis gesetzt, dass im Falle der Nichtvorlage beabsichtigt sei, ihren Antrag wegen der fehlenden Vorlage der oben angeführten Unterlagen mangels Mitwirkung zurückzuweisen.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
In der Beschwerde wurden keine neuen Unterlagen bzw. Beweismittel vorgelegt und auch nicht vorgebracht, dass ein derartiger Antrag gestellt worden wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
§ 58 Abs. 11 AsylG 2005 lautet:
Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist 1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder 2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
Gemäß § 8 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 sind folgende Urkunden und Nachweise im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.
Gemäß § 4 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Mit Verbesserungsauftrag vom 04.12.2018 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr Antrag vom 04.12.2018 entsprechend zu begründen und mit den erforderlichen Dokumenten zu versehen sei. Weiters wurde sie über die Möglichkeit eines Antrages auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV im Falle der Nichtvorlage der erforderlichen Unterlagen informiert und über die Rechtsfolge des § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG 2005 belehrt. In der 4- wöchigen Frist kam die Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Dokumentenvorlage hinsichtlich des Reisepasses nicht nach und stellte auch keinen Antrag auf Mängelheilung im Sinne des § 4 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005.
In der niederschriftlichen Befragung wurde insbesondere auf den vermeintlichen Versagungsgrund gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG eingegangen, wonach nach Ansicht der Behörde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot bestehe und somit ein absoluter Versagungsgrund eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen vorliege.
In der Folge stützte sich die belangte Behörde bei der Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin jedoch nicht auf § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG, sondern wies diesen mangels Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurück.
Auch nach höchstgerichtlicher Judikatur (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2016, Zl. Ra 2016/21/0206 bzw. Ra 2016/21/0187 sowie vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0039 und vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0077) rechtfertigt die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments bei Unterbleiben eine Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG-DV grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung. Eine inhaltliche Prüfung des Antrages ist unter diesen Umständen mangels Zulässigkeit desselben nicht vorzunehmen.
Schließlich ist zu betonen, dass es der Beschwerdeführerin unbenommen bleibt, bei Vorlage der entsprechenden Dokumente bzw. unter Stellung eines Mängelheilungsantrages nach § 4 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 einen neuerlichen Antrag gemäß § 56 AsylG 2005 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu stellen.
Aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG und des unterbliebenen Mängelheilungsantrages ist daher der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuweisen gewesen.
Abschließend wird angemerkt, dass der Umstand, dass die belangte Behörde in irriger Annahme, dass gegen die Beschwerdeführerin eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot besteht, keine (neuerliche) Rückkehrentscheidung erlassen hat.
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jedoch nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat.
Eine Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung war daher nicht Inhalt des Spruchs des bekämpften Bescheids.
Auf den Umstand, dass sich die Ausnahmeregelegung des § 59 Abs. 5 FPG nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht (vgl. VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082), die mit einem Einreiseverbot verbunden sind, und ein solches nicht rechtskräftig erlassen wurde, wird jedoch hingewiesen, eine Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Abspruchs über den Antrag nach § 56 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH vom 21.02.2019, Ra 2018/22/0086).
4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Angesichts der Tatsache, dass feststeht, dass der Beschwerdeführer keinen Reisepass vorgelegt und auch keinen Mängelheilungsantrag gestellt hat, muss von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz ausgegangen werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte somit gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Homosexualität, Identität, Identitätsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I412.1255563.2.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020