TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/16 G314 2198561-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2019
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Entscheidungsdatum

16.10.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
GebAG §17
GebAG §18 Abs1 Z1
GebAG §23 Abs3
GebAG §6
GebAG §7
GebAG §8
VwGVG §28 Abs2

Spruch

G314 2198561-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der Revisorin beim Oberlandesgericht XXXX gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX vom 23.04.2018 betreffend Zeugengebühren (Grundverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX) zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

wie folgt abgeändert:

"In der Rechtssache XXXX des Bezirksgerichts XXXXwerden die Gebühren des Zeugen XXXX für die Teilnahme an der Verhandlung vom 11.04.2018 wie folgt bestimmt:

Reisekosten gemäß §§ 6 bis 8 GebAG EUR 13

(Massenbeförderungsmittel von XXXX nach XXXX und retour)

Entschädigung für Zeitversäumnis EUR 28,40

(Pauschalentschädigung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG für zwei Stunden á EUR 14,20)

Summe EUR 41,40."

B) Der Zeuge Dr. XXXX wird gemäß § 23 Abs 3 GebAG aufgefordert, den

zuviel erhaltenen Betrag von EUR 451,60 binnen 14 Tagen bei sonstiger Einbringung nach dem GEG zurückzuzahlen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit der Ladung vom 05.02.2018 wurde XXXX (im Folgenden: der Zeuge) im Verfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX für den 11.04.2018 ab

9.10 Uhr als Zeuge geladen. Er leistete der Ladung Folge, wurde am angegebenen Tag vernommen und um 9.55 Uhr entlassen.

Am 11.04.2018 machte er Reisekosten von EUR 13 geltend. Mit der Eingabe vom 13.04.2018 begehrte er unter Vorlage der Bestätigung seines Steuerberaters vom 12.04.2018, wonach sich in den Jahren 2015, 2016 und 2017 durchschnittlich ein (aus den Umsatzerlösen abzüglich der variablen Kosten ermittelter) Deckungsbeitrag von rund EUR 240 pro Leistungsstunde ergebe, außerdem seinen Verdienstentgang für die Zeit von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Kostenbeamtin im Namen des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX wurden die Gebühren des Zeugen antragsgemäß mit EUR 493 bestimmt, bestehend aus Reisekosten von EUR 13 und einer Entschädigung für Zeitversäumnis von EUR 480 (Verdienstentgang zwei Stunden á EUR 240).

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Revisorin beim Oberlandesgericht XXXXam Sitz des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, mit der sie die Bestimmung der Zeugengebühren mit EUR 41,40 (Reisekosten EUR 13 und Pauschalentschädigung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG für zwei Stunden á EUR 14,20) anstrebt. Der Zeuge habe nur einen durchschnittlichen Verdienstentgang unter Vorlage der Bestätigung einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft über die Umsatzerlöse der letzten drei Jahre begehrt und nicht einmal einen konkreten Einkommensentgang behauptet.

Die Beschwerde wurde (ohne Beschwerdemitteilung gemäß § 10 VwGVG und ohne Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG) samt den Akten des Justizverwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt.

Das BVwG übermittelte u.a. dem Zeugen eine Kopie der Beschwerde mit der Aufforderung, binnen vier Wochen dazu Stellung zu nehmen und Bescheinigungsmittel für die Höhe des konkreten Verdienstentgangs vorzulegen, weil die Bestätigung des Steuerberaters nicht ausreichend sei. Der Zeuge erstattete keine Stellungnahme.

Auftragsgemäß übermittelte das Bezirksgericht XXXX dem BVwG den Akt des Grundverfahrens XXXX.

Feststellungen:

Der Zeuge ist ein Arzt für Allgemeinmedizin und betreibt seine Ordination an der Adresse XXXX. Am Vormittag des 11.04.2018 wäre die Ordination an sich von 7.30 Uhr bis 11.30 Uhr geöffnet gewesen. Aufgrund der Befolgung der Zeugenpflicht musste der Zeuge die Zeit von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr außerhalb seiner Arbeitsstätte verbringen.

Der Zeuge hat nicht glaubhaft gemacht, wie viele Patienten, die eine unaufschiebbare Behandlung benötigten, er am 11.04.2018 zwischen 8.30 Uhr und 10.30 Uhr ohne die Verhinderung aufgrund der Zeugeneinvernahme behandelt hätte und welche Einnahmen er dabei nach dem Abzug der variablen Kosten erzielt hätte.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Justizverwaltungsakten.

Die Zeugenladung für den 11.04.2018 liegt vor. Die Einvernahme des Zeugen geht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll hervor. Die Notwendigkeit seiner Anwesenheit bei Gericht zwischen 9.10 Uhr und 9.55 Uhr wurde vom Richter des Grundverfahrens auf dem Formular "Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung" bestätigt.

Die selbständige Erwerbstätigkeit des Zeugen als Arzt für Allgemeinmedizin ergibt sich aus dem von ihm vor dem Bezirksgericht XXXX angegebenen Beruf und aus dem aktenkundigen Ausdruck aus dem Internet, aus dem auch die Ordinationszeiten hervorgehen. Dies stimmt mit den aktuell im Internet verfügbaren Informationen (XXXX überein. Da der 11.04.2018 ein Mittwoch war, ergeben sich daraus Ordinationszeiten am Vormittag von 7.30 bis 11.30 Uhr.

Der Zeuge hat das ihm infolge der Zeugeneinvernahme tatsächlich entgangene Einkommen trotz einer ausdrücklichen Aufforderung nicht entsprechend konkret bescheinigt, obwohl ihm mitgeteilt worden war, dass die vorgelegte Bestätigung des Steuerberaters dafür nicht ausreiche. Diese belegt die Höhe seines tatsächlichen Einkommensentgangs infolge der Zeugenvernehmung insbesondere deshalb nicht, weil nicht nachvollziehbar ist, welche ärztlichen Behandlungen an anderen Tagen nachgeholt werden konnten.

Der Zeuge macht im Wesentlichen einen pauschalen Verdienstentgang pro Stunde geltend, ohne konkrete, ihm ein Einkommen vermittelnde Tätigkeiten während des Zeitraums seiner Verhinderung anzugeben. Dafür wäre es etwa erforderlich gewesen, dass er (allenfalls schätzungsweise) angibt, wie viele Akutpatienten die Ordination am 11.04.2018 zwischen 8.30 Uhr und 10.30 Uhr aufgesucht hätten, die unaufschiebbare Behandlungen, die nicht nachgeholt werden konnten (z.B. weil sie einen anderen Arzt aufsuchten), benötigt hätten, und welche Einnahmen er nach dem Abzug allfälliger Auslagen durch diese Behandlungen erzielt hätte.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 1 Abs 1 GebAG haben ua natürliche Personen, die als Zeugen in gerichtlichen Verfahren tätig sind, Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz. Gemäß § 3 Abs 1 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen neben dem Ersatz der notwendigen Reise- und Aufenthaltskosten (Z 1) die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit der Zeuge durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet (Z 2).

Gemäß § 18 Abs 1 GebAG gebühren einem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis EUR 14,20 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die ihm eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht (Z 1) oder, anstatt der Entschädigung nach Z 1, beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst (Z 2 lit a), beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen (Z 2 lit b), anstatt der Entschädigung nach lit a oder b die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter (Z 2 lit c) oder die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft (Z 2 lit d). Gemäß § 18 Abs 2 GebAG hat der Zeuge im Falle des Abs 1 Z 1 den Grund des Anspruches, im Falle des Abs 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

Gemäß § 19 Abs 1 GebAG hat der (aus dem Inland geladene, vgl. § 16 GebAG) Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen nach Abschluss seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Der Zeuge hat gemäß § 19 Abs 2 GebAG die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen, soweit nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen. Gemäß § 20 Abs 2 GebAG kann er vor der Gebührenbestimmung aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.

Von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbständig Erwerbstätigen kann nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, das verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 28.04.2003, 2000/17/0065).

Der selbständig Erwerbstätige ist für die Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht nach den für ihn sonst geltenden Honorarsätzen oder in Anlehnung an sein sonstiges Einkommen zu entlohnen, sondern lediglich für einen konkreten Einkommensentgang zu entschädigen (VwGH 15.04.1994, 92/17/0213). Wesentlich ist dabei insbesondere, ob es dem Zeugen möglich und zumutbar war, die betreffenden Tätigkeiten nach seiner Rückkehr vom Gericht selbst durchzuführen, wobei auch die Dringlichkeit oder Terminisierung der versäumten Arbeiten eine Rolle spielen kann (VwGH 20.6.2012, 2010/17/0099).

Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der dem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch § 18 und § 19 Abs 2 GebAG keineswegs verschlossen ist. Die Schätzung des tatsächlichen Einkommensentgangs, der durch eine bestimmte Zeitversäumnis verursacht wird, ist jedoch der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen keineswegs gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein. Fehlt es einem Antrag auf Bestimmung der Zeugengebühr an der konkreten Behauptung, dass der Antragsteller infolge seiner Abwesenheit eine bestimmte Tätigkeit nicht habe verrichten können und ihm dadurch ein bestimmter Einkommensverlust entstanden sei, so wird der Obliegenheit, den konkreten Verdienstentgang unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten, nicht entsprochen (VwGH 22.11.1999, 98/17/9357).

Im Beschwerdeverfahren sind die dem Zeugen zustehenden Reisekosten (EUR 13) und der Zeitraum, für den ihm eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht (zwei Stunden), nicht strittig. Zu klären ist, ob dem freiberuflich als Arzt tätigen Zeugen anstelle des ihm mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannten tatsächlich entgangenen Einkommens gemäß § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG nur der Pauschalbetrag gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG als Entschädigung für Zeitversäumnis zu vergüten ist.

Der Zeuge ist seiner Obliegenheit, einen konkreten Vermögensnachteil durch den Entgang von Verdienstmöglichkeiten unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten, nicht nachgekommen. Die vorgelegte Bestätigung des Steuerberaters über den in den drei vorangegangenen drei Jahren durchschnittlich pro Leistungsstunde erzielten Deckungsbeitrag ist - worauf die beschwerdeführende Revisorin zu Recht hinweist - keine geeignete Grundlage für die Ermittlung des konkreten Einkommensentgangs iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG. Der Zeuge hat nicht konkret behauptet, dass er infolge seiner Abwesenheit bestimmte unaufschiebbare Tätigkeiten nicht habe verrichten können. Der auf Stunden umgerechnete Deckungsbeitrag der vergangenen Jahre, der durch den Abzug der variablen Kosten von den Umsatzerlösen ermittelt wird, entspricht nicht dem "tatsächlich entgangenen Einkommen" iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG (ähnlich Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 18 GebAG E 33, 36 und 47 sowie § 20 GebAG E 17).

Da bei einem selbständig Tätigen wie dem Zeugen davon auszugehen ist, dass jeder Verlust an üblicher Arbeitszeit auch einen Vermögensnachteil bewirkt (siehe Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 18 GebAG E 37), steht ihm (neben den unstrittigen Reisekosten von EUR 13) jedenfalls die Pauschalentschädigung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG für den gemäß § 17 GebAG relevanten Zeitraum von zwei Stunden zu. Eine darüber hinausgehende Entschädigung für Zeitversäumnis ist nicht möglich, weil der Zeuge die Höhe des ihm konkret infolge der Zeugenvernehmung verloren gegangenen Einkommens weder behauptete noch glaubhaft machte. Der Bescheid ist daher - dem berechtigten Beschwerdeantrag der Revisorin folgend - entsprechend abzuändern.

Da die Gebühr des Zeugen, die stets vor Rechtskraft zu zahlen ist (siehe Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 21 GebAG Anm 7, § 22 GebAG Anm 8 und § 23 GebAG Anm 7) durch diese Entscheidung herabgesetzt wird, ist er gemäß § 23 Abs 3 GebAG zur Zurückzahlung des zuviel erhaltenen Betrags unter Setzung einer Frist von 14 Tagen aufzufordern. Bei nicht rechtzeitiger Zurückzahlung ist der Betrag nach den für die Einbringung der gerichtlichen Gebühren und Kosten geltenden Vorschriften einzubringen.

Die Durchführung einer - ohnehin nicht beantragten - mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil von der mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Arzt, Behauptungspflicht, Glaubhaftmachung, Konkretisierung,
Pauschalvergütung, Reisekostenvergütung, Revisor,
Rückzahlungsverpflichtung, selbstständig Erwerbstätiger,
Vermögensnachteil, Zeitversäumnis, Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2198561.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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