TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 W159 2197877-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W159 2197877-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 30.04.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 34 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig, schiitischen moslemischen Glaubens und traditionell verheiratet, gelangte mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern (spätestens) am 02.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 05.11.2015 erfolgte die sicherbehördliche Erstbefragung durch die das Bezirkspolizeikommando XXXX .

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, aufgrund des Krieges in Afghanistan hätte er sich 27 Jahre im Iran aufgehalten. 2014 sei er von den iranischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach einem Aufenthalt von etwa fünf Monaten sei er in den Iran zurückgekehrt. Er habe sich im Iran illegal aufgehalten. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er dort von den Taliban verfolgt werde. Deswegen habe er sich entschlossen mit seiner Familie nach Europa zu fliehen.

Am 10.01.2018 erfolgte die Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde.

Der Beschwerdeführer brachte ein Konvolut von Arztbefunden und -bestätigungen sowie Dokumente die Kinder betreffend in Vorlage. Nachgefragt bestätigte er, dass er im Iran Drogen genommen hätte und nunmehr, seit er sich in Österreich aufhalte, keine mehr konsumiere.

Der Beschwerdeführer gab an, habe in Herat gelebt und sei im Alter von etwa sechs Jahren mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Er hätte sobald es möglich gewesen sei auf Baustellen gearbeitet. Vor etwa acht Jahren sei die Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängert worden. Vor etwa sieben Jahren sei er von den iranischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben worden, nachdem er nicht in den syrischen Krieg ziehen hätte wolle. Er habe sich etwa vier Monate in Afghanistan aufgehalten und sei illegal in den Iran zurückgekehrt, weil seine Familie sich dort weiter aufgehalten hätte. Er habe keine Angehörigen mehr in Afghanistan. Er hätte die letzten Jahre nicht mehr gearbeitet. Seine Frau hätte den Lebensunterhalt als Schneiderin bestritten.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid von 30.04.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § Abs. 8 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 Asyl wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Es bestehe eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung aus GFK Gründen glaubhaft machen hätte können.

Die Beschwerde wurde durch den Rechtsvertreter eingebracht und langte am 05.06.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Der Bescheid wurde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften sowie unrichtiger Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung angefochten.

Am 22.10.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und seine zwei Töchter, alle als Beschwerdeführer, zwei Vertrauenspersonen, der Rechtsvertreter und ein Dolmetscher teilnahmen. Die belangte Behörde war entschuldigt nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei Schiite, jedoch kein streng Gläubiger.

Er habe Afghanistan als Kind verlassen und hätte sich dann im Iran aufgehalten. Alle seine Familienangehörigen (seine Mutter, zwei Brüder, zwei Schwestern) würden im Iran leben.

Die Familie hätte zuerst eine Aufenthaltsberechtigung besessen. Als es seiner Frau aufgrund der Schwangerschaft nicht gut gegangen sei, sei sie etwa 45 Tage im Krankenhaus gewesen sei. Danach sei die Aufenthaltsbestätigung nicht mehr verlängert worden.

Weil er trotz illegalen Aufenthalts zur Arbeit gegangen sei, sei er aufgegriffen und abgeschoben worden. Er habe sich etwa vier Monate in Afghanistan aufgehalten. Als er wieder in den Iran unterwegs gewesen sei, sei sein Bus von den Taliban überfallen worden. Angehörige der Volksgruppe der Hazara seien geschlagen worden. Von allen Businsassen sei Geld erpresst worden.

Nach der Rückkehr aus Afghanistan sei es für den Beschwerdeführer noch schwieriger im Iran gewesen. Die Kinder hätten nicht mehr die Schule besuchen können und der Beschwerdeführer hätte Angst gehabt, bei etwaiger illegaler Arbeit erwischt zu werden.

Er würde zurzeit in Österreich keine Drogen konsumieren. Er und seine Frau würden ehrenamtlich im Sozialmarkt arbeiten. Er würde dort bis zu viermal wöchentlich tätig sein. Es sei ihm versprochen worden, er könne offiziell arbeiten, sobald er eine Arbeitserlaubnis besitzen würde.

Er habe Kontakt zu Österreicherinnen und Österreichern. Er sehe die Veränderungen im Leben seiner Frau und seiner Töchter und denke, es gehe ihnen hier besser. Sie hätten die Möglichkeit die Schule zu besuchen und würden Freiheiten genießen, die sie früher nicht gehabt hätten. Seine Töchter hätten hier in Österreich, einem demokratischen Land, das Recht ihre Männer selbst auszusuchen. Er als Vater hätte nicht einmal ihre Schuhe auswählen können, geschweige denn ihre Männer.

Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, dass das Einkommen der Familie seine Frau verwalten würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig, schiitischer Moslem und traditionell verheiratet. Er ist mit seiner Ehefrau und drei Kindern (zwei Töchter und ein Sohn, alle zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig) am 02.11.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Er hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Bundesgebiet hält er sich mit Ehefrau und seinen drei Kindern auf. Diese sind ebenso Staatsangehörige von Afghanistan.

Glaubhaft ist, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eine westlich orientierte Frau ist, die sich seit ihrer Ankunft ein freies und selbstbestimmtes Leben lebt und von ihrem Mann unterstützt wird. Sie und der Beschwerdeführer, ihr Ehemann, sowie ihre Kinder haben sich in Österreich integriert.

Eine persönliche Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in Afghanistan konnt der Beschwerdeführer nicht dartun (siehe rechtliche Begründung).

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde mit einem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag der Status von Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Beweis wurde erhoben:

Beweis wurde erhoben durch Einvernahmen des Beschwerdeführers

-

durch Beamte des Bezirkspolizeikommandos XXXX am 05.11.2015 sowie

-

durch das BFA, Regionaldirektion Oberösterreich am 10.01.2018,

-

durch Befragung des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau, seiner Töchter, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.10.2019 sowie durch Vorhalt der länderkundlichen Dokumente durch das Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF zuerkannt, ihr kommt damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu.

Es war daher nicht erforderlich, die verfahrensrelevanten Teile des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation als länderspezifische Feststellungen in das gegenständliche Erkenntnis aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idF BGBl. I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.03.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, 92/01/0792; 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass "Herkunftsstaat" jener Staat ist, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalts zurückgegriffen (vgl. etwa VwGH 10.12.2009, 2008/19/0977, sowie zu der insofern weiterhin maßgeblichen früheren Rechtslage etwa VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240 mwN und 17.02.1994, 94/19/0936).

Die Fluchtgründe müssen sich auf eine Bedrohung im Herkunftsstaat beziehen und nicht auf einen anderen Staat, um asylrelevant zu sein. Wenn keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde, ist die Abweisung des Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen (VwGH 02.06.2006, 2004/20/0240).

Vorgänge, die sich im Iran ereignet haben sind im vorliegenden Fall rechtlich nicht relevant, da die Verfolgungsgefahr anhand des Herkunftsstaates zu prüfen ist und dieser unbestrittenermaßen Afghanistan ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich das Vorhandensein einer Gruppenverfolgung von Hazara in Afghanistan verneint (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329, jüngst VwGH vom 28.08.2019, Ra 018/14/0308).

Auf eine Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß in Afghanistan allein aufgrund des Umstandes, Hazara und im Iran gelebt zu haben, lässt sich aus den dem Verfahren zugrunde gelegten Länderinformationen ebenso nicht erschließen.

Den Vorgängen in Afghanistan fehlte es entweder wegen des langen Zeitablaufes an Aktualität oder an Asylrelevanz (Gelderpressung aus kriminellen Motiven), wobei er selbst "grundsätzlich" Probleme mit bewaffneten Gruppierungen in Afghanistan verneinte.

Eine Asylgewährung aus eigenen Verfolgungsgründen kommst daher nicht in Frage.

§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.

Ehegatten führen ebenso wie Kinder mit ihren Eltern ipso iure ein Familienleben.

Mit seiner Ehefrau führt der Beschwerdeführer ein Familienleben. Er und seine Ehefrau sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005.

Im Fall des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl im Familienverfahren vor, weil dem Antrag seiner Ehefrau stattgegeben wurde. Das Ermittlungsverfahren betreffend die Ehefrau des Beschwerdeführers ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eine "westliche Lebensweise" angenommen hat. Sie konnte zum Entscheidungszeitpunkt eine entsprechende innere Wertehaltung glaubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vermitteln. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht der Ehefrau des Beschwerdeführers vor Verfolgung im Sinne der GFK wohlbegründet ist.

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau leben mit ihren Kindern zusammen. Es besteht ein enger Familienzusammenhalt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach dem Beschwerdeführer ein Familienleben getrennt von seiner Ehefrau und seiner Familie in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Zuge eines Familienverfahrens gegeben sind.

Dem Beschwerdeführer war daher Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 02.11.2015 - und somit vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Vielmehr wurden die in dem vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen auf Basis der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte entschieden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W159.2197877.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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