TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/29 W155 2177319-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W155 2177310-1/9E

W155 2177319-1/8E

W155 2177311-1/7E

W155 2177316-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerden von

1. A XXXX R XXXX , geb. XXXX ,

2. Z XXXX T XXXX , geb. XXXX ,

3. M XXXX R XXXX , geb. XXXX und

4. M XXXX R XXXX , geb. XXXX ,

alle Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, alle vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX , Zahlen: 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX und 4. XXXX , nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird Folge gegeben.

II. Z XXXX T XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

III. A XXXX R XXXX , M XXXX R XXXX und M XXXX R XXXX wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 34 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

IV. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

V. Die Spruchpunkte II. bis IV. der angefochtenen Bescheide werden behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin am 02.11.2015 für sich und ihre beiden mit ihnen gemeinsam eingereisten minderjährigen Kinder, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, Anträge auf internationalen Schutz.

2. Zu ihren Fluchtgründen wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung und im Rahmen der Einvernahme durch die belangte Behörde am 17.08.2017 befragt.

3. Ihren typischen Tagesablauf schilderte die Zweitbeschwerdeführerin in der Einvernahme wie folgt: Sie putze täglich ihr Zimmer, dann würde sie kochen. Sie habe Kontakt mit anderen Frauen. Nachmittags habe sie Kontakt mit anderen Frauen, manchmal würden sie mit den Kindern spazieren gehen, ihre Kinder würden mit dem Vater schwimmen gehen, sie selbst gehe nicht mit, weil sie in Afghanistan auch nicht die Möglichkeit dazu gehabt habe. Sie habe auch Kontakt zu Österreichern, ihre Vertrauensperson Fritz sei ein Freund. Sie möchte in Österreich arbeiten, wisse aber noch nicht in welchem Beruf.

4. Mit Schriftsatz vom 28.08.2017 brachten die Beschwerdeführer vor, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine Person sei, die sich am als westlich wahrgenommenen Bild von Frauen orientiere. Sie trage kein Kopftuch, sei äußerst selbstständig und organisiere ihren Alltag gänzlich eigenständig. Auch die beiden Töchter, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, würden sie nach Werten erziehen, die jenen Normen, die in Afghanistan für Mädchen vorherrschten, widersprächen. Beispielsweise hätten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin kein Problem damit, dass ihre Töchter am Schwimmunterricht teilnehmen würden.

Weiters zitierten die Beschwerdeführer aus einer wissenschaftlichen Arbeit aus den Jahren 2014/2015.

5. Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Asylanträge (Spruchpunkte I.) und die Anträge auf Gewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkte II.) ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III.) und stellte fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen betrage (Spruchpunkte IV.)

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubhaft gewesen seien.

6. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der inzwischen rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen Frauen seien und daher der sozialen Gruppe der Frauen angehören würden. Darüber hinaus habe die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Zeit in Österreich einen westlichen Lebensstil angenommen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.11.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer den Erst- bis Drittbeschwerdeführerin - in Anwesenheit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und einer Dari-Dolmetscherin - Gelegenheit geboten wurde, Vorbringen zu erstatten und auf Fragen bzw. Vorhalte des Gerichts zu antworten. Insbesondere wurde die Zweitbeschwerdeführerin eingehend zu ihrer Lebensgestaltung befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen sind deren leibliche minderjährige Kinder.

2. Die Beschwerdeführer sind nicht vorbestraft.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin vermittelt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung den Eindruck einer selbstbewussten und selbstbestimmten jungen Frau, die sich der sozio-kulturellen Unterschiede zwischen der Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft und ihrer Rolle in der österreichischen Gesellschaft bewusst ist. Sie lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, neuerlich nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Sie selbst lebt in Österreich nicht nach dieser Tradition. Sie ist nicht traditionell afghanisch bekleidet, insbesondere trug sie nicht einmal ein Kopftuch. Sie führt ein Leben, dass jenem einer "westlich" geprägten Frau entspricht. Der Erstbeschwerdeführer befürwortet die Entwicklung seiner Frau, er hat erkannt, wie Frauen in Afghanistan unterdrückt werden. Er befürwortet den Kleidungsstil seiner Frau. Er gibt selbst zu, im ersten Jahr in Österreich noch eher afghanische Denkweisen gehabt zu haben, inzwischen denke er europäisch.

Die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind in einem anpassungsfähigen Alter und haben ihren Lebensmittelpunkt im Kreis der Familie.

Zur allgemeinen Lage der Frauen in Afghanistan (LIB 2018, Fassung 04.06.2019, S. 328)

Die Lage der afghanischen Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet. In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was Großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist. Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsgemäße Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Art. 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligungen oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte. Auch kann sich die konkrete Situation von Frauen je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden.

Zu den Bildungsmöglichkeiten für Frauen in Afghanistan (LIB S. 328-329)

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt. Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung. Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben.

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind. In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen. Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren

3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert. Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon 77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht.

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können. Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies". Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc.

Zur Berufstätigkeit von Frauen in Afghanistan (LIB S. 330-332)

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit. Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung.

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen.

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach.

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert. Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019. In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde.

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts. Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes.

Politische Partizipation und Öffentlichkeit (LIB S. 332-333)

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt. Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018. Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden. Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt. Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen.

Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen.

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung (LIB S. 333-334)

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte. Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit.

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z.B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden. Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen. Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land.

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig; und bietet rechtlichen Schutz für Frauen.

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert. Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt.

Frauenhäuser (LIB S. 334-335)

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren. Die EVAW-Institutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z.B. Frauenhäuser).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben. Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen.

Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung (LIB S. 335-336)

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord. Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt.

Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAW-Gesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden.

Familienplanung und Verhütung sowie Ehrenmorde (LIB S. 336-337)

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen.

Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben. Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter.

Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt.

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt und kommen auch weiterhin vor. Laut AIHRC waren von 277 Mordfällen an Frauen im Jahr 2017 136 Ehrenmorde. Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist das Misstrauen eines Großteils der afghanischen Bevölkerung in das juristische System.

Festgestellt wird, dass die LIB vom 13.11.2019 keine entscheidungsrelevanten Änderungen für die Situation der Frauen ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer in den Erstbefragungen und vor der belangten Behörde, in die bekämpften Bescheide, in die Beschwerdeschriftsätze sowie durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

1. Die Feststellungen zu den Verwandtschafts- und Familienverhältnissen ergeben sich aus den unbedenklichen Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen des Behördenverfahrens und in der mündlichen Verhandlung vor Gericht.

2. Die Feststellungen zur Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergeben sich bezüglich des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister und bezüglich der Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen aus deren Strafunmündigkeit.

3. Die Feststellungen zum Lebensstil der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus ihren und den Angaben des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch die belangte Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung, überwiegend aus dem persönlichen Eindruck, den die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung hinterlassen hat. Sie schildert ihren Tagesablauf wie folgt: Sie bereitet das Frühstück für die Familie zu und bringt die Kinder in die Schule. Danach besucht sie einen Deutschkurs und geht Einkaufen. Nach dem Mittagessen werden die Aufgaben gemacht, die Viertbeschwerdeführerin wird dabei von der Zweitbeschwerdeführerin unterstützt. Danach geht die Zweitbeschwerdeführerin mit ihren Kindern in den Park oder in die Bücherei oder trifft sich mit einer Freundin. Um 19 Uhr ist die Familie zu Hause, spielt Familienspiele und um halb 9 gehen sie schlafen. Am Wochenende geht die Familie manchmal schwimmen, ins Kino, in den Park bzw. in ein Restaurant. Die Zweitbeschwerdeführer trifft sich in ihrer Freizeit mit Frauen und Männern. Sie geht mit ihrer Freundin ins Schwimmbad, ins Kino oder ins Sprachcafé. Die Zweitbeschwerdeführerin geht zu den Elternsprechtagen bzw. in die Schule, falls es dort etwas zu erledigen gibt. Auch ist aus dem Vergleich ihrer Aussagen vor der belangten Behörde und vor dem Gericht eine Entwicklung ablesbar:

Zwar hat der Erstbeschwerdeführer gleich nach der Ankunft erkannt, dass seine Gattin kein Kopftuch mehr tragen müsse, trotzdem gab er an, dass er im ersten Jahr in Österreich noch tendenziell afghanischen Denkmustern gefolgt sei, wohingegen er nunmehr europäisch denke. Wenn die Zweitbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde noch angibt, dass nicht sie, sondern ihr Mann mit den Kindern schwimmen gehe - und dies damit begründete, dass sie diese Möglichkeit in Afghanistan auch nicht gehabt habe -, so führte sie vor Gericht aus, dass auch sie inzwischen schwimmen gehe. Als Erklärung führte sie an, dass sie das Schwimmangebot im Freibad nicht wahrnehmen wollte. Auch bezüglich der Finanzen hat die Beschwerdeführerin einen vom afghanischen Rollenbild deutlich abweichenden Lebensstil angenommen: Das Geld werde nicht vom Mann verwaltet, sondern sie beobachtet, wieviel vom Bargeld, das in einem Schrank verwahrt wird, noch vorhanden ist, sie kauft auch öfters ein. Der Erstbeschwerdeführer kocht für die Familie und holt die Töchter zu Mittag von der Schule ab. Die Lebensmittel werden zum Großteil von der Zweitbeschwerdeführerin gekauft, der Erstbeschwerdeführer teilt seiner Frau regelmäßig die zu kaufenden Lebensmittel mit. Die Zweitbeschwerdeführerin beantwortet auch Fragen in Deutsch und legt ihre Ausbildungspläne dar, die Prüfung für B1 steht im Jänner an. Sie vermittelt glaubhaft, dass sie nach einer Ausbildung strebt, um später berufstätig sein zu können (VH-Schrift, S 12,13). Ihr nächstes Ziel ist der Hauptschulabschluss. Das Vorbringen war insbesondere deshalb glaubwürdig, da sich die Aussagen des Erst- mit jenen der Zweitbeschwerdeführerin decken. Ihr Selbstbewusstsein drückt sie mit dem Wissen um ihre Stärke und Kraft, die sie noch weiter ausbauen will, aus (VH-Schrift, S 14). Ihre Haltung wird durch die Bekanntschaften und Freundschaften, die sie in Österreich pflegt, verstärkt.

Die Feststellungen zu ihrer Kleidung, die durchaus attraktiv gestaltet ist (ihre Oberbekleidung war ausgeschnitten, sie zeigte Dekolleté), ergibt sich aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung und den diesbezüglichen Antworten des Erstbeschwerdeführers.

Das Vorbringen zum Bewusstsein der Zweitbeschwerdeführer ob der sozio-kulturellen Unterschiede der Frauenrollen in Österreich und Afghanistan ergibt sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung (Protokoll Seite 13):

"RI: Worin sehen Sie den größten Unterschied zu Ihrem Leben, welches Sie in Afghanistan führten und jenem, welches Sie jetzt in Österreich führen?

BF2: Es ist ein großer Unterschied. Ich bin ein anderer Mensch geworden. In Afghanistan war ich nur zu Hause. In Afghanistan musste ich ein Kopftuch und eine Burka tragen. Hier bin ich frei, ich kann meine Träume leben."

Zusammengefasst sind keine Gründe hervorgekommen, die Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführer bezüglich Lebensstil in Österreich in Zweifel zu ziehen.

Zu den Länderfeststellungen

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen, zusammengefasst im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, Fassung 04.06.2019. Die aktuelle Fassung vom 13.11.2019 wurden im vorliegenden Fall berücksichtigt und haben keine entscheidungsrelevanten Aspekte für das vorliegende Verfahren ergeben.

Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen bestand kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Sie erwiesen sich für das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin auch als hinreichend aktuell. Die getroffenen Länderfeststellungen enthalten eine Vielzahl von Berichten, legen damit ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan dar und beziehen sich zudem auch auf die persönlichen Umstände der Zweitbeschwerdeführerin.

Die Rechtsvertreter der BF haben auf das bisherige Vorbringen und die westliche Orientierung der weiblichen Beschwerdeführer verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) I. der angefochtenen Bescheide

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I 2005/100, lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[...]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat;

dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

[...]"

"2. Hauptstück

Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten

1. Abschnitt

Status des Asylberechtigten

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."

"4. Abschnitt

Sonderbestimmungen für das Familienverfahren

Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), BGBl. 1955/55, lautet auszugsweise:

"Kapitel I

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

Definition des Ausdruckes "Flüchtling"

A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer:

[...]

2. sich infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Falls jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, ist unter dem Heimatland jedes Land zu verstehen, dessen Staatsangehöriger er ist; wenn jemand ohne triftige, auf wohlbegründeter Furcht beruhende Ursache sich des Schutzes eines der Staaten, dessen Staatsangehöriger er ist, nicht bedient, soll er nicht als eine Person angesehen werden, der der Schutz des Heimatlandes versagt worden ist."

Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren.

Nicht entscheidend ist, ob die Asylwerberin schon vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine derartige Lebensweise gelebt hatte bzw. deshalb bereits verfolgt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass sie diese Lebensweise im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich angenommen hat und bei Fortsetzung dieses Lebensstils im Falle der Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsste (vgl. etwa VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994-1000).

In der Rechtsprechung des VwGH ist keine (Mindest-)Dauer festgelegt worden, während derer eine Asylwerberin einen "westlich orientierten" Lebensstil gelebt haben muss, um davon ausgehen zu können, dass dieser ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Diese Beurteilung erfordert stets eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles.

Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. idS VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388).

(VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301)

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin der sozio-kulturellen Unterschiede zwischen der Stellung der Frau in Afghanistan und in Österreich bewusst ist, sie lehnt diese ab und artikuliert ihre Meinung hierüber auch öffentlich. Im Gegensatz zu den stark patriarchalen afghanischen Gesellschaftsstrukturen regelt in ihrer Familie die Zweitbeschwerdeführerin die finanziellen Belange. Die Zweitbeschwerdeführerin hat bereits klar umrissene Wünsche für ihre Zukunft. Ihre Freizeit gestaltet die Zweitbeschwerdeführerin (so es die Familienbedürfnisse zulassen; sie ist Mutter zweier Töchter im Alter von 7 und 13 Jahren) zu einem relevanten Teil ohne ihren Mann gemeinsam mit Freundinnen und Freunden, in Parks und Büchereien bzw. schwimmen zu gehen sind einige der Freizeitaktivitäten.

Die Zweitbeschwerdeführerin kleidet sich weder traditionell afghanisch noch auf eine Art und Weise, die mit den Kleidungsusancen in den afghanischen Großstädten nicht in Widerspruch steht.

Die Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin spiegelt somit ihre Anerkennung und Ausübung ihrer Grundrechte, insbesondere der Gedanken- und Gewissensfreiheit, der Meinungsfreiheit, der persönlichen Freiheit und der Erwerbsfreiheit wider. Insbesondere das erstarkte Selbstbewusstsein der Zweitbeschwerdeführerin ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die in Österreich gelebte Praxis eben nicht nur eine geänderte habituelle Praxis ist, sondern die Lebensführung in Österreich zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität der Zweitbeschwerdeführerin geworden ist.

In Afghanistan wäre die in Österreich praktizierte Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin keinesfalls aufrechtzuerhalten. Für afghanische Frauen ist die Teilnahme am öffentlichen Leben nach wie vor in rechtlicher, beruflicher, politischer oder sozialer Hinsicht mit Diskriminierungen, (sexuellen) Belästigungen, Gewalt und Drohungen verbunden. Hinzu kommt, dass kulturelle und gesellschaftliche Sitten sowie auch strenge Kleidervorschriften nach wie vor die Bewegungsfreiheit von Frauen und zwar auch in den Städten einschränken und überdies gerade für Frauen ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich bzw. gemeinhin unvorstellbar ist.

Diese mit einer selbstbestimmten Lebensweise einer Frau - wie von der Zweitbeschwerdeführerin praktiziert - verbundene ständige Bedrohung ist in ihrer Gesamtheit als von asylrelevanter Intensität zu beurteilen (vgl. EGMR 20.07.2010, 23505/09, wonach für Frauen, welche sich nicht in die ihnen von der Gesellschaft, der Tradition und dem Rechtssystem zugewiesene Geschlechterrolle einfügen, eine besondere Gefahr, misshandelt zu werden, besteht). Die demgegenüber stehende (einzig denkbare) Alternative der Unterdrückung dieser Lebensweise kann aus asylrechtlicher Sicht nicht gefordert werden, bzw. wäre eine solche den eigenen Prinzipien widerstrebende Anpassung - wie oben ausgeführt - ohnedies einer Verfolgung in asylrechtlicher Intensität gleichzusetzen (vgl. VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994). Die reale Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ergibt sich aus dem Widerspruch der Lebensweise der Zweitbeschwerdeführer mit den traditionell-afghanischen Werten und der sozio-kulturellen Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft. Da diese Werthaltung und diese Rolle selbst in der moderatesten in Afghanistan gelebten Form (insbesondere in den Großstädten) mit dem "westlich orientierten" Frauenbild nicht in Einklang zu bringen ist, besteht die reale Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung für eine "westlich orientierte" Frau im gesamten Staatsgebiet Afghanistans, weshalb der Zweitbeschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Der Zweitbeschwerdeführerin war somit gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der Erstbeschwerdeführer als Ehemann, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen als leibliche minderjährige Kinder sind Angehörige der Zweitbeschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 22 AsylG 2005. Sie sind nicht vorbestraft und es läuft auch kein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten, weshalb die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gegeben sind und dem Erst-, und den Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen gemäß §§ 3 und 34 Abs. 2 AsylG 2005 Asyl zu gewähren war.

Da der Zweitbeschwerdeführerin bereits aus dem Titel der "westlichen Orientierung" und in der Folge den übrigen Beschwerdeführern gemäß § 34 Abs. 1 und 2 AsylG Asyl zu gewähren war, war auf das übrige asylrelevante Fluchtvorbringen nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 15.11.2018, 2018/19/0004).

Zu Spruchpunkt A) II. bis IV. der angefochtenen Bescheide

Durch die Asylgewährung bleibt für eine Gewährung subsidiären Schutzes bzw. eine Rückkehrentscheidung kein Platz, weshalb die Spruchpunkte II. bis IV. der angefochtenen Bescheide zu beheben waren.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
geschlechtsspezifische Verfolgung, westliche Orientierung,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W155.2177319.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten