Entscheidungsdatum
03.01.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2197729-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 03.01.2021 erteilt.
IV. Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara (Untergruppe Sayed) zugehörig, schiitischer Moslem, verheiratet, gelangte (spätestens) am 04.11.2015 gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.01.2016 erfolgte die Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion XXXX . Dabei gab er an, er habe sich mit seinem Sohn illegal im Iran aufgehalten. Es hätte die Gefahr bestanden nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Die Sicherheitslagelage in Afghanistan sei sehr schlecht, die Taliban würden seine Heimatgegend kontrollieren. Er könne dorthin nicht zurückkehren. Die Ehefrau, seine Tocher und seine Geschwister würden noch im Iran aufhältig sein.
In der Einvernahme am 18.04.2018 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer ergänzend an, sein Vater hätte auch Grundstückstreitigkeiten in Afghanistan gehabt. Der Vater sei nach Afghanistan zurückgekehrt um in einem Gerichtsprozess das Grundstück von einer sehr einflussreichen Familie zurückzuerhalten, sei jedoch sehr schwer krank geworden und nach seiner Rückkehr in den Iran verstorben. Der jüngere Bruder des Vaters hätte aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit Sadat auch keinen Erfolg gehabt das Grundstück zurück zuerhalten, sei sogar inhaftiert worden und auch NCR hätte nicht helfen können.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 17.05.2018 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchteil VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 (Tagen) festgelegt.
Im Bescheid wurden die bisherigen Einvernahmen des Beschwerdeführers dargelegt sowie weiters in der Begründung festgehalten, dass nicht festgestellt werden hätte können, dass er aus asylrelevanten Gründen Afghanistan verlassen hätte. Es hätte nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei.
Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde insbesondere hervorgehoben, dass aus dem gesamten Verfahren keine Bedrohung oder Verfolgung wegen der Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Religion oder politischen Gesinnung vorgegangen wäre. Zu Spruchteil II. wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer keine Angaben betreffend eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention oder, dass es eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, gemacht hätte. Es sei festzuhalten, dass er in Afghanistan keiner Verfolgung ausgesetzt sei. Es hätte unter Berücksichtigung der aktuellen Feststellungen betreffend Afghanistan weiters nicht festgestellt werden können, dass er im Falle einer Rückkehr einem Personenkreis angehören würde, von welchem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage als dermaßen qualifiziert schutzbedürftiger darstelle, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Von einer finanziellen Notsituation des gesetzlichen Vertreters sei nichts berichtet worden. Es lasse sich keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ableiten.
Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass es keine Hinweise auf das Bestehen der Zuerkennungsvoraussetzung nach § 57 AsylG gäbe.
Zu Spruchteil IV. wurde zunächst festgehalten, dass der Beschwerdeführer nach Österreich illegal eingereist sei. Von einer Rückkehrentscheidung sei die gesamte Familie (auch der minderjährige Sohn) betroffen seien und daher sei eine Rückkehrentscheidung zulässig. Hinsichtlich des Privatlebens sei festzuhalten, dass keine schützenswerten, privaten und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich bestünden. Die Behörde würde die Bemühungen sich entsprechend an die Gesetze zu halten und sich in die Gesellschaft zu integrieren nicht verkennen. Er habe durch seine illegale Einreise den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen, denen hohe Bedeutung zukomme, widersprochen und es sei daher nach einer Gesamtabwägung eine Rückkehrentscheidung als gerechtfertigt anzusehen.
Da auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche auszusprechen gewesen. Auch Gründe für eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.
Mit Schriftsatz vom 05.06.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des Bescheides und brachte darin im Wesentlichen vor, dass entgegen der Ansicht der Behörde, ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei, denn die Feststellungen in Bezug auf die derzeitige Situation Afghanistan unrichtig seien. Der Beschwerdeführer und sein mj. Sohn seien außerhalb Afghanistan sozialisiert gewesen. Eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul oder anderen Provinzen, würden mangels eines sozialen oder familiären Netzwerks auch nicht zur Verfügung stehen. Es wurden Bestätigungen für Deutschkurse, diverse Empfehlungsschreiben, u.a. ein Empfehlungsschreiben des XXXX für den Sohn des Beschwerdeführers vorgelegt.
In der Beschwerdeergänzung vom 09.05.2019 wurde auf die besondere Vulnerabilität des minderjährigen Sohns des Beschwerdeführers hingewiesen.
An der Verhandlung am 03.12.2019 nahmen der Beschwerdeführer, sein minderjähriger Sohn ebenfalls als Beschwerdeführer, eine Beschwerdeführervertreterin, ein Behördenvertreter, zwei Vertrauenspersonen und eine Dolmetscherin teil.
Der Beschwerdeführer hielt seine Beschwerde und das bisherige Vorbringen aufrecht.
Er gab an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Sadat an, sei schiitischer Moslem und er hätte illegal im Iran gelebt. Als er etwa fünf Monate alt gewesen sei, hätten seine Eltern Afghanistan wegen des Bürgerkriegs verlassen. Seine Volksgruppe und seine Religion gehöre zu den Minderheiten in Afghanistan. Auf die Frage, ob er seine Religion auch in Österreich ausübe, antwortete er, er habe kein großes Interesse an religiösen Veranstaltungen teilzunehmen.
Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, bei der Erstbefragung habe er angegeben, dass er erst 2008 aus Afghanistan ausgereist wäre. Bei der belangeten Behörde und nunmehr bei der Verhandlung habe er erklärt, dass er schon im Alter von fünf Monaten aus Afghanistan weggezogen sei. Der Vater des Beschwerdeführers führte aus, dass er sich 2008 bereits im Iran aufgehalten hälte. Er führte weiter aus, er hätte 12 Jahre lang die Grundschule besucht und eine Fachausbildung als Industrieelektriker absolviert.
Vorhalt des Richters: "Bei der EB (AS 29) haben Sie lediglich fünf Jahre Grundschule angegeben, beim BFA (AS 304) hingegen, dass Sie 12 oder 13 Jahre die Schule besucht hätten und auch an einer technischen Schule maturiert hätten." Der Beschwerdeführer erklärte, er hätte den Dolmetscher nicht verstanden, dieser hätte so wie er auch, von etwas Anderem gesprochen.
Nachgefragt führte der Beschwerdeführer aus, er hätte gemeinsam mit dem Vater als Hilfsarbeiter illegal gearbeitet. Bei der Einreise in den Iran hätten sie einen befristeten Flüchtlingsausweis erhalten. Mit dem befristeten Ausweis hätte er die Schule besuchen können. Dann hätte es eine neue Rechtslage gegeben und es sei allen Ausländern verboten worden, im Iran zu studieren. Das sei im Jahr 1380 (2001/2002) gewesen. Er hätte im Iran gelernt, hätte jedoch nicht arbeiten und nicht an eine Universität gehen dürfen. So sei er gezwungen gewesen, Hilfsarbeitertätigkeiten zu verrichten. Die Flüchtlingsbehörde im Iran hätte von den Flüchtlingen Geld gefordert, um deren Aufenthalt zu verlängern.
Sein Vater sei zwischenzeitlich einmal nach Afghanistan wegen Grundstückstreitigkeiten zurückgekehrt, sei schwer krank geworden und nach der Rückkehr in den Iran verstorben. Seine Mutter und zwei Geschwister, sowie seine Frau und seine Tochter seien im Iran aufhältig. Eine Schwester würde sich in Österreich, als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, aufhalten und sei als Vertrauensperson bei der Verhandlung anwesend.
Seine Eltern hätten Afghanistan verlassen, als die Kommunisten und Bürgerkrieg geherrscht hätte. Auf der einen Seite seien die Kommunisten und auf der anderen Seite die jihaddistischen Gruppierungen gewesen. Die Familie des Vaters, Onkel und Tante, seien aus Afghanistan geflüchtet.
Er persönlich hätte keine Probleme mit afghanischen Behördenorganen, bewaffneten Organen, wie den Taliban oder afghanischen Privatpersonen gehabt. Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer er hätte ein schweres Leben im Iran gehabt, die befristete Aufenthaltsberechtigung hätte nicht verlängert werden können.
Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor: "Sie haben bei der EB (AS 39) davon gesprochen, dass Sie illegal im Iran waren und beim BFA (AS 304) haben Sie von einer Aufenthaltsberechtigungskarte gesprochen." Der Beschwerdeführer antwortete: "Anfänglich hatten wir eine Karte, in den letzten Jahren wurde dann die Karte nicht mehr
verlängert. Wir konnten das Geld dafür nicht bezahlen. .... Der
iranische Staat hat das offenkundig gesagt, dass wenn man kein Geld bezahlt, dann wird man abgeschoben. "
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, die Situation im Iran sei vor allem für die Kinder sehr schwierig gewesen. Es hätte viele Diskriminierungen gegeben. Sein Sohn sei auf der Straße geschlagen worden und er hätte nichts dagegen tun können.
Auf die Frage des Richters, warum er nur mit seinem Sohn und nicht mit seiner Ehefrau und Tochter ausgereist sei antwortete der Beschwerdeführer: "Ich konnte das Risiko nicht auf mich nehmen und meine Tochter und meine Frau mitzunehmen, es war nämlich sehr gefährlich und meine Tochter war auch sehr krank. Sie war damals noch sehr klein und schwach, sie hätte das nicht geschafft. Während der gesamten Reise, habe ich meinen Sohn auf meiner Schulter getragen und jetzt ist er Gott sei Dank größer geworden".
Er hätte niemanden mehr in Afghanistan, sein Cousin väterlicherseits sei nunmehr in Afghanistan auch ums Leben gekommen. Seine Mutter sei in der Stadt XXXX . Seine Tante sei bereits verstorben, sein Onkel lebe in derselben Stadt wie seine Mutter.
In Österreich habe er an vielen Aktivitäten teilgenommen. Er hätte drei Jahre beim XXXX gearbeitet. Er habe freiwillig bei einem Projekt namens XXXX gearbeitet. Er sei jetzt in einem österreichischen Verein in XXXX namens XXXX tätig. Er würde seinen Sohn zum Fußballtraining begleiten und arbeite zurzeit in einem Pflegeheim von der XXXX. Er würde dreimal oder viermal pro Woche arbeiten und einkaufen oder mit den alten Herrschaften spazieren gehen.
Zwischenzeitlich habe er auch das Deutschdiplom B1 erwerben können. Aufgrund mangelnder finanzieller Mitter hätte er den Besuch des Abendgymansiums nicht fortsetzen können.
Auf die Frage des Richters wie intensiv sein Kontakt zu seiner Schwester sei, antwortete der Beschwerdeführer: "Ich lebe in der Nähe von Graz und meine Schwester lebt in XXXX . Wenn mein Sohn Schulferien hat, dann nehme ich ihn mit und bringe ihn zu seiner Tante. Seine Tante liebt ihn sehr. Sie hat zwei Kinder, lebt aber alleine ohne Mann." Sein Sohn würde zurzeit die dritte Klasse der NMS besuchen und sehr gut in einem Verein, als Stürmer Fußballspielen.
Wenn er nach Afghanistan zurückkehren müßte, sei er wegen den Grundstückstreitigkeiten und den Bedrohungen aufgrund seines Vaters betroffen. Er würde außerdem einer Minderheit angehören und würde in Afghanistan schlecht behandelt werden.
Er könne sich mit seinem Sohn nicht in Herat oder in Mazar-e-Sharif niederlassen, weil die Leute (Anm. Grundstückschwiergkeiten) seien einflussreich, korrupt und hätten Kontakte zu der Regierung. Er würde sehr leicht gefunden werden, er sei ein Sayed, denn er sei der Sohn des XXXX .
"Behördenvertreter: Wie sollen diese Leute Sie finden, wenn es in Afghanistan kein Meldewesen gibt?
Beschwerdeführer: Wenn ein Afghane nach Afghanistan zurückkehrt, muss er sich dort registrieren lassen. Das nächste Thema und die nächste Sache ist, dass ich in mein Heimatdorf zurückkehren muss. Sie werden mich dann dort sehen und sagen "da ist der Sohn, des XXXX ". Sie werden meinen Sohn entführen. In Afghanistan sind wir Fremde, damit meine ich mich und meinen Sohn. Wenn ein Fremder überall in Afghanistan hinkommt, dann wird man ihn erkennen. Wenn man mich fragt, wessen Sohn ich bin, dann muss ich sagen, dass ich der Sohn des XXXX bin, ob in der Schule, im Krankenhaus oder woanders."
Die Beschwerdeführervertreterin hat eine ACCORD-Auskunft vom 25.10.2017 (a-10374) vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum Leben in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara (Untergruppe Sayed) an und ist schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist als Kleinkind mit seinen Eltern aus der Provinz Sar-i Pul aufgrund des herrschenden Bürgererkriegs in den Iran geflüchtet und dort aufgewachsen. Er hatte jedenfalls weder mit afghanischen Behördenorganen noch mit bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban Probleme. Die Gründe für das Verlassen des Irans war einerseits die mangelden Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für seine Kinder (für afghanische Staatsbürger) und anderseits die Furcht vor einer Zurückschiebung nach Afghanistan. Der Beschwerdeführer floh mit seinem mj. Sohn, um ihn zu schützen.
Im Iran verfügte die Familie ursprünglich über einen zeitweise berechtigten Aufenthalt, den sie später mangels finanzieller Mittel nicht mehr verlängern lassen konnten. Der Beschwerdeführer ist im Iran zur Schule gegangen und hat eine Ausbildung als Industrieelektriker absolviert. Der Beschwerdeführer heiratete im Iran und hat mit seiner Frau zwei Kinder. Da seine Tochter zu dieser Zeit zu krank, klein und schwach war, entschloss er sich nur mit seinem Sohn zu flüchten, welchen er überwiegend auf der Flucht trug. Seine Frau und seine Tochter verblieben bei der Mutter des Beschwerdeführers im Iran. Aus den gegebenen Umständen ist es für das Bundesverwaltungsgericht auch glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keinerlei Anknüpfungspunkte mehr in Afghanistan hat.
In Österreich hat der Beschwerdeführer sich integriert, an diversen Aktivitären teilgenommen und freiwillig in Projekten mitgearbeitet. Er geht drei- bis viermal pro Woche in ein Pflegeheim freiwillig und ehrenamtlich mitarbeiten. Er ist Mitglied im österreichischen Kulturverein XXXX . Er hat sich so wie sein Sohn einen Freundeskreis aufgebaut. Sein Sohn, 13 Jahre, besucht die dritte Klasse Mittelschule und spielt in einem steirischen Verein auf der Stürmerposition ausgezeichneten Fussball. Er spricht sehr gutes Deutsch und ist in der Schule bemüht gute Leistungen zu erbringen.
Der Beschwerdeführer pflegt Kontakt mit seiner in XXXX wohnenden Schwester, die alleinerziehende Mutter von zwei Buben ist, sowie zu seinem österreichischen Freundeskreis.
1.2 Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt (Auszüge aus den LIB):
1. Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019):
Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019
• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (15.4.2019):
Afghanistan: Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/-/204718, Zugriff 7.6.2019
• AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,
https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 7.6.2019
• AAN - Afghanistan Analysts Network (6.5.2018): Afghanistan's Paradoxical Political Party System: A new AAN report, https://www.afghanistan-analysts.org/publication/aan-papers/outside-inside-afghanistans-paradoxical-political-party-system-2001-16/, Zugriff 11.6.2019
• AAN - Afghanistan Analysts Network (13.2.2015): The President's CEO Decree: Managing rather thean executive powers (now with full translation of the document),
https://www.afghanistan-analysts.org/the-presidents-ceo-decree-managing-rather-then-executive-powers/, Zugriff 7.6.2019
• AM - Asia Maior (2015): Afghanistan 2015: the national unity government at work: reforms, war, and the search for stability, https://www.asiamaior.org/the-journal/asia-maior-vol-xxvi-2015/afghanistan-2015-the-national-unity-government-at-work-reforms-war-and-the-search-for-stability.html, Zugriff 7.6.2019
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Bundesrepublik Deutschland, Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration (6.5.2019): Briefing Notes 06. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010670/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_06.05.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 17.7.2019
• BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,
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• NZZ - Neue Zürcher Zeitung (27.1.2019): Amerika und die Taliban kommen sich näher,
https://www.nzz.ch/international/amerika-und-die-taliban-kommen-sich-naeher-ld.1454965, Zugriff 12.6.2019
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https://www.tolonews.com/elections-2019/iec-finalizes-presidential-elections-timeline, Zugriff 7.6.2019
• TN - Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,
https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 7.6.2019
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• USDOS - United States Department of State (29.5.2018):
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https://www.usip.org/sites/default/files/SR338-2014%20Presidential%20and%20Provincial%20Council%20Elections%20in%20Afghanistan.pdf, Zugriff 19.6.2019
• WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.-Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc-2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 18.6.2019
2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit
29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit
29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018
Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):
Taliban
Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o. D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).