TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/14 W164 2211154-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2020
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Entscheidungsdatum

14.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W164 2211151-1/14E

W164 2211152-1/19E

W164 2211154-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen drei Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , (1.) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF und (2.) XXXX sowie (3.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass

(1.) XXXX , (2.) XXXX und (3.) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin XXXX (BF1) ist Mutter des Zweitbeschwerdeführers XXXX (BF2) sowie des Drittbeschwerdeführers XXXX (BF3). Sie sind alle afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und bekennen sich zum sunnitischen Glauben. Die BF1 stellte am 09.01.2017 nach illegaler Einreise für sich und die minderjährigen Kinder (BF2-3) einen Antrag auf internationalen Schutz. Es liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

Bei der Erstbefragung am 09.01.2017 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF1 an, dass ihr Ehemann für den afghanischen Staat bei der XXXX behörde gearbeitet habe und durch den Angriff eines Selbstmordattentäters getötet worden sei. Danach seien die BF 1-3 von den Taliban bedroht worden, weshalb sie den Beschluss gefasst hätten, Afghanistan zu verlassen. Die BF1-3 hätten ihre Heimat vor ca. 3 Monaten verlassen. Das Ziel sei Österreich gewesen, weil die BF1 hier einen Bruder habe, der schon seit mehr als 15 Jahren hier lebe.

Am 27.02.2017 wurde die BF1 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) befragt.

Mit drei Bescheiden vom 01.03.2017 hat das BFA die Anträge auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, gem. § 61 Abs 1 FPG gegen die BF1-3 die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass gem. § 61 Abs 2 FPG die Abschiebung der BF1-3 zulässig sei. Gegen diese Bescheide erhoben die BF1-3 durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerden. Mit den Erkenntnissen W239 2150596-1/6E, W239 2150600-1/6E und W239 2150602-1/5E, hat das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden gem. § 21 Abs 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.

Die BF1 wurde in der Folge erneut am 11.09.2018 vom BFA befragt. Die BF1 legte ihre Tazkira, ihren Dienstausweis aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin, eine Bestätigung über von ihr geleistete gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde XXXX , eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses sowie eines Werte- und Orientierungskurse vor. Weiters wurde die Tazkira des BF3, die Schulzeugnisse des BF3, die Tazkira des verstorbenen Ehemannes, der Dienstausweis des verstorbenen Ehemannes XXXX , und ein für den verstorbenen Ehemann ausgestelltes Englischzertifikat vorgelegt. Die BF1 gab im Wesentlichen an, sie sei im Jahr XXXX in Kabul, Afghanistan geboren. In der Ersteinvernahme sei fälschlicherweise XXXX als Geburtsjahr angeführt worden. Die BF1 habe in Kabul von 1971 bis 1985 die Schule besucht, danach eine Ausbildung zum Lehramt gemacht und bis 01.10.2016 im XXXX , einem Gymnasium, als Lehrerin gearbeitet. Sie spreche Dari, Paschtu und ein wenig Englisch. Sie habe in Kabul im Bezirk XXXX gelebt. Seit XXXX - dem Tag des Attentats auf ihren Ehemann - sei sie verwitwet. Ihr Ehemann sei XXXX beim Afghanischen Geheimdienst gewesen. Er sei für die XXXX zuständig gewesen. Am XXXX sei ihr Ehemann im XXXX bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen. Etwa drei bis vier Wochen später habe die BF1 Drohanrufe von Taliban erhalten, wobei man ihr mitgeteilt habe, dass ihr Ehemann von den Taliban gezielt getötet worden sei, da er verweigert hätte, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Der BF1 sei vom Anrufer ferner gedroht worden, dass nunmehr auch sie und ihre Kinder (BF2-3) getötet würden. Es seien auch Drohbriefe unter ihrer Haustür hinterlegt worden. Diese habe der Bruder ihres verstorbenen Ehemannes (Schwager) an sich genommen und habe diesbezüglich die Polizei kontaktiert. Die Polizei habe aber mitgeteilt, dass sie nichts für die BF 1-3 tun könne und nicht in der Lage sei, für die Sicherheit der BF1-3 zu sorgen. Der Schwager der BF1 habe sie mit ihren Kindern (BF2-3) daraufhin bei sich zuhause in einem anderen Stadtteil Kabuls untergebracht und in weiterer Folge die Schleppung nach Österreich organisiert und finanziert.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt führte die BF1 aus, dass der ältere Sohn (BF2) seit dem Tod seines Vaters an einer psychischen Störung leide. Abgesehen von ihren beiden Söhnen habe die BF1 noch einen Bruder (mit seiner Familie) und eine Cousine in Österreich. Die BF1 habe Deutschkurse sowie einen Werte- und Orientierungskurs besucht und ehrenamtlich gearbeitet. Sie bekomme finanzielle Mittel aus der Grundversorgung. Sie würde in Österreich gerne als Lehrerin oder Hilfslehrerin arbeiten.

Das BFA hat die genannten Anträge auf internationalen Schutz mit drei Bescheiden vom 12.11.2018, (1.) Zl. 17-1139759604/170030209,

(2.) Zl. 17-1139760910/170030217, (3.), Zl. 17-1139759005/170030225 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die von der BF1 vorgebrachten Fluchtgründe unglaubwürdig seien. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF1-3 aufgrund der beruflichen Tätigkeit ihres Ehemannes/Vaters einer besonderen Gefahr und einer Verfolgung durch die Mitglieder der Gruppe der Taliban ausgesetzt gewesen wären. Es habe keine konkreten nachweisbaren Verfolgungshandlungen gegen die BF1-3 gegeben. Es habe zudem nicht festgestellt werden können, dass der Ehemann der BF2 bei den Sicherheitskräften tätig gewesen sei und innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte eine solch exponierte Position innegehabt hätte, dass die BF1-3 deshalb einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt gewesen wären. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass die BF1-3 eine Lebensweise angenommen hätten, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten Werten in Afghanistan darstellen würde. Sie hätten keine westliche Geisteshaltung angenommen bzw. würden aufgrund dessen keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegen.

Gegen die Spruchpunkte I., II., IV., V., und VI. dieser Bescheide erhoben die BF1-3 durch ihre im Spruch genannte Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde vorgebracht, die BF1 habe entsprechende Dokumente zur Feststellung ihrer Identität und zur Feststellung der Identität ihres verstorbenen Ehemannes vorgelegt. Diese hätten vom BFA nicht pauschal als nicht beweiskräftig eingestuft werden dürfen. Aus den vorgelegten Dokumenten ergebe sich der Umstand, dass die BF1 verwitwet sei und in Afghanistan als Lehrerin gearbeitet habe. Die Situation von Witwen in Afghanistan sei noch schlimmer als jene von Frauen allgemein. Berufstätige Frauen seien in Afghanistan zahlreichen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt. Die von Taliban erhaltenen Drohbriefe habe der Schwager der BF1 bei der Polizei im Rahmen einer Anzeige in Vorlage gebracht, weshalb sie nicht mehr verfügbar seien. Der Schwager der BF1 habe überdies zwischenzeitlich versucht, von der Dienststelle des Ehemannes Nachweise über den Anschlag und seine erfolgte Tötung zu erhalten. Dies sei jedoch mit Hinweis auf datenschutzrechtliche und Geheimhaltungsgründe verweigert worden. In Summe habe die BF1 ein in sich geschlossenes und immer gleichbleibendes Vorbringen erstattet. Der Staat Afghanistan sei nicht in der Lage, effektiven Schutz zu bieten. Die Taliban würden über ein landesweit überspannendes Informationsnetzwerk verfügen. Jede Familie könne jederzeit und überall gefunden werden. Die BF1 stamme aus Kabul, wo sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren massiv verschlechtert habe. Das Land sei zudem von einer Hungersnot wegen langanhaltender Trockenheit betroffen. Städte wie Herat und Mazar-e-Sharif seien von der daraus resultierenden Landflucht überlastet. Die BF1 sei eine selbstbewusste verwitwete Frau. Sie sei bestrebt, Deutsch zu lernen und in Zukunft in Österreich als Hilfslehrerin oder Lehrerin zu arbeiten.

Am XXXX wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, anlässlich derer die BF1 und ihre beiden Söhne (BF2-3) befragt wurden.

Die BF1 gab nach Erörterung des von ihr im erstinstanzlichen Verfahren geäußerten Wunsches auf Änderung ihres Geburtsdatums an, dass sie ihr mit XXXX festgestelltes Geburtsdatum nicht ändern möchte. Zu ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Afghanistan führte die BF1 aus, dass für Frauen an Schulen generell große Sicherheitsrisiken bestanden hätten. Sie sei deshalb als Vorsichtsmaßnahme gemeinsam mit anderen LehrerInnen und SchülerInnen in einem gemieteten Fahrzeug zur Schule gefahren. In der Schule habe die BF1 XXXX unterrichtet.

Der BF1 sei bewusst gewesen, dass der Job ihres Ehemannes gefährlich war, sie habe jedoch nie ausdrücklich mit ihm darüber gesprochen. Über den Tod ihres Ehemannes sei sie von einem seiner Kollegen am späten Nachmittag dieses Tages informiert worden. Später habe sie Anrufe von einem Mann erhalten, der sich als Mitglied der Taliban deklariert habe. Sie habe insgesamt drei Anrufe erhalten. Der Anrufer habe gesagt, dass sie (die Taliban) den Anschlag auf ihren Ehemann ausgeübt hätten und nun auch die BF1 und andere Familienangehörige töten würden. Forderungen habe der Anrufer nicht gestellt. Die BF1 sei danach weiterhin - jedoch mit Unterbrechungen - zur Schule gefahren. Die Kinder habe sie jedoch aus Angst für ca. einen Monat nicht zur Schule gehen lassen. Nach dem 40. Tag nach dem Tod ihres Ehemannes sei die BF1 mit ihren Kindern (BF2-3) zum Bruder ihres verstorbenen Ehemannes nach XXXX , einen anderen Stadtteil in Kabul, gezogen. Die BF1 sei auch danach - mit Unterbrechungen - zur Schule gefahren, die Kinder seien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Schule gegangen. Der Bruder ihres verstorbenen Ehemannes habe in weiterer Folge die Ausreise bzw. Schleppung organisiert.

Zu ihrem Aufenthalt in Österreich gab die BF1 an, dass sie demnächst zur Prüfung des Deutschkurses A1 antreten werde. Sie habe hier schon mehrere Kurse (Deutsch, Wertekurs, Alphabetisierung) besucht ca. 8 Monate lang für die Gemeinde ehrenamtlich gearbeitet. Ihr Wunsch sei, zunächst gut Deutsch zu lernen und dann in einem Kindergarten als Kindergärtnerin zu arbeiten. Die BF1 organisiere den Haushalt und die Einkäufe, sie werde dabei auch von ihren Söhnen (BF2-3) unterstützt. Bezüglich ihrer körperlichen Probleme befinde sich in ärztlicher Behandlung.

Vorgelegt wurden für die BF1 Bestätigungen über den Besuch von Deutsch- und Integrationskursen in der Zeit vom 26.03.2018 bis 11.07.2018 (Niveau A1), sowie von 21.12.2018 bis 02.10.2019 (Nievau A1/A2 binnendiff.) sowie eine Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde XXXX .

Für den BF2 wurden vorgelegt ein ÖSD Zertifikat Niveau A2 vom 21.12.2017, eine mit einer positiven Beschreibung versehene Bestätigung über die Teilnahme am XXXX Integrationskompass, ein ÖSD Zertifikat Niveau B1 vom 30.7.2019, eine Bestätigung des BFI über die Aufnahme zum Vorbereitungskurs für den Pflichtschulabschluss vom 22.11.2019, eine Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme am Bildungsangebot "Boardingkurse des BFI, Boardingkurs 5"vom 12.12.2019, eine Bestätigung der XXXX über ehrenamtliche Tätigkeit. Der BF2 gab an, ein Wunsch sei, nach dem Hauptschulabschluss den Beruf des Verkäufers erlernen.

Für den BF3 wurden vorgelegt eine mit einer positiven Beschreibung versehene Bestätigung über die Teilnahme am XXXX Integrationskompass, weiters ein Jahreszeugnis der NMS XXXX über positiven Abschluss der Dritten Klasse. Der BF3 gab an, hier in Österreich die Matura machen und danach einen Beruf erlernen zu wollen.

Das ebenfalls zur Verhandlung geladene BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.

Mit 16.12.2019 legte die Rechtsvertretung der BF1-3 ein ÖIF-Zertifikat über die von der BF1 erfolgreich abgelegte Integrationsprüfung A1 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) wurde am XXXX in der Stadt Kabul, Afghanistan geboren. Sie ist afghanische Staatsangehörige, bekennt sich zum sunnitischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Ihre Muttersprache ist Dari, sie spricht auch Paschtu und Englisch. Sie besuchte von 1972 bis 1985 die Schule in Kabul, und absolvierte danach die Ausbildung zum Lehramt. Bis kurz vor ihrer Ausreise aus Afghanistan (Oktober 2016) arbeitete sie als Lehrerin für XXXX im XXXX , einem Gymnasium. Die BF1 war in ihrer Heimat mit einem Mitarbeiter des afghanischen Geheimdienstes verheiratet. Ihr Ehemann wurde am XXXX während seiner beruflichen Tätigkeit bei einem Attentat in Kabul getötet. Nach dem Tod ihres Mannes wurde die BF1 von Taliban telefonisch und mittels hinterlegter Briefen bedroht. Ihr Schwager unternahm zunächst Versuche, sie unter den Schutz der Polizei zu stellen, was nicht gelang. Die BF1 wechselte daraufhin unterstützt von ihrem Schwager zunächst gemeinsam mit den beiden Söhnen ihren Wohnsitz in Kabul, reiste in weiterer Folge gemeinsam mit ihren beiden Söhnen unter Umgehung der Grenzvorschriften nach Österreich und stellte am XXXX für sich und ihre Söhne (BF2-3) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF1 leidet unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie steht in ärztlicher Behandlung und hat den Wunsch auch in Österreich berufstätig zu sein. Sie lebt in Österreich mit ihren Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft in XXXX . Die Familienmitglieder kümmern sich gemeinsam um den Haushalt und teilen sich die Erledigungen im Alltag. Die BF1 hat mehrere Kurse (Deutschkurse A1, A1/A2, Werte- und Orientierungskurs, Begleitkurs Alphabetisierung) besucht und die Integrationsprüfung A1 bestanden. Sie hat weiters ehrenamtlich gearbeitet und ist bestrebt, ihre Qualifikationen weiter auszubauen. Die BF1 ist strafgerichtlich unbescholten und nimmt aktuell Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Sportliche Aktivitäten sind er BF1 aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur eingeschränkt möglich.

Allgemeine Länderfeststellungen:

Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlassen. Es heißt ferner, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallsraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISIS)52 inzwischen trotz verstärkter internationaler und afghanischer Militäroperationen widerstandsfähig blieb. Sein kontinuierliches Engagement hinsichtlich Auseinandersetzungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Taliban scheint "anzudeuten, dass die Gruppe ihren geografischen Aktionsradius ausgeweitet und begonnen hat, ihre Präsenz auch über den Osten des Landes hinaus zu festigen". ISIS soll inländische und ausländische militärische Ziele und die Zivilbevölkerung angegriffen haben, wovon insbesondere religiöse Stätten, geistige Führer und Gläubige, Schiiten, Journalisten und Medienorganisationen betroffen waren, sowie Anschläge gegen Ziele verübt haben, die sich anscheinend gegen die internationale Gemeinschaft richteten. Es heißt, dass diese Angriffe konfessioneller Art "eine beängstigende Entwicklung im bewaffneten Konflikt Afghanistans" anzeigten.

Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen.

Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen.

Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.

Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.

Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.

Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.

In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.

Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.

Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen betreffend die Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan.

Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.

Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz der Frauenrechte weiterhin nur langsam umgesetzt werden, vor allem was das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen betrifft. Das Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge jedoch der Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend werde es nicht vollständig angewendet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Frauen hätten nur in sehr geringem Maße Zugang zur Justiz. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von gegen Frauen gerichteten Gewaltakten, einschließlich schwerer Verbrechen gegen Frauen, würden noch immer nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen geschlichtet, anstatt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. Berichten zufolge leiten sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften sowie Einrichtungen gemäß dem Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen zahlreiche Fälle, auch schwere Verbrechen, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiter und unterminieren dadurch die Umsetzung dieses Gesetzes und fördern die Beibehaltung schädlicher traditioneller Bräuche. Durch Entscheidungen dieser Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanen und Ausgrenzung ausgesetzt.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.

Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zur Abtreibung gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Es wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Tabus, die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie, ausschlaggebend dafür sind, dass Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt keine Anzeige erstatten.

Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt und seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.

Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.

Schädliche traditionelle Bräuche sind in Afghanistan weiterhin weitverbreitet und kommen in unterschiedlichem Ausmaß landesweit sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gemeinschaften und in allen ethnischen Gruppen vor. Die schädlichen traditionellen Bräuche, die in diskriminierenden Ansichten zur Rolle und Position der Frauen in der afghanischen Gesellschaft wurzeln, betreffen in unverhältnismäßig hohem Maße Frauen und Mädchen. Zu diesen Bräuchen gehören unterschiedliche Formen der Zwangsheirat, einschließlich Kinderheirat, Hausarrest und Ehrenmorde.4

"Korruption und Autoritätsmissbrauch sind der Grund dafür, dass Menschen, die Frauen ermorden oder vergewaltigen und Verbindungen zu einem Anführer [einer aufständischen Gruppe], einem Anwalt oder Richter haben, nicht bestraft werden [...] Sie wissen, dass sie keine Bestrafung fürchten müssen und zögern aufgrund dieser Straffreiheit nicht, Morde und Vergewaltigungen zu begehen."

[Übersetzung durch UNHCR]. IWPR, Afghanistan's Domestic Violence Loophole, 16. Januar 2017,

https://iwpr.net/global-voices/afghanistans-domestic-violence-loophole.

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören strenge Kleidungsvorschriften sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer, wie etwa Witwen und geschiedene Frauen, sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Lebensgrundlagen, sind sie kaum in der Lage zu überleben.

Obwohl Frauen seit 2001 einige Führungspositionen in der afghanischen Regierung und in der Zivilgesellschaft, einschließlich als Richterinnen und Parlamentsmitglieder, übernommen haben, werden Frauen im öffentlichen Leben und in öffentlichen Ämtern weiterhin bedroht, eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen. Es wird von immer häufigeren Angriffen gegen im öffentlichen Raum stehende Frauen berichtet, etwa gegen weibliche Parlamentsmitglieder, weibliche Mitglieder des Provinzrates, weibliche Staatsbedienstete, Journalistinnen, Rechtsanwältinnen, Polizeibeamtinnen, Lehrerinnen, Menschenrechtsaktivistinnen und in internationalen Organisationen tätige Frauen. Die Angriffe gehen von regierungsfeindlichen Gruppen, lokalen traditionellen und religiösen Machthabern, Mitgliedern ihrer Gemeinschaften und staatlichen Behörden aus. Die Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben wird oftmals als Überschreitung gesellschaftlicher Normen wahrgenommen und als "unmoralisch" verurteilt. Diese Frauen werden bedroht, eingeschüchtert, schikaniert oder Opfer von Gewaltakten, einschließlich Mord. Frauen im öffentlichen Leben kann von regierungsfeindlichen Kräften vorgeworfen werden, Werte und/oder Erscheinungsbilder übernommen zu haben, die mit westlichen Ländern in Zusammenhang gebracht werden. Sie können aus diesem Grund zur Zielscheibe werden. Berichten zufolge bleiben die Strafverfolgungsbehörden in Fällen von Schikanen und Angriffen gegen Frauen im öffentlichen Raum vielfach untätig.

Die gezielten Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte, insbesondere die afghanische nationale Polizei (ANP), gehen weiter. Beamte sowohl der ALP als auch der ANP wurden im Dienst und auch außer Dienst angegriffen. Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte auch Angehörige anderer Polizeikräfte in Afghanistan sowie ehemalige Angehörige der ANDSF ins Visier nehmen. Regierungsfeindliche Kräfte haben Berichten zufolge Familienangehörige von Personen mit den oben angeführten Profilen als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen. Insbesondere wurden Verwandte, darunter Frauen und Kinder, von Regierungsmitarbeitern und Angehörige der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte Opfer von Schikanen, Entführung, Gewalt und Tötung.

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. Eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, ist nicht gegeben in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben. Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative. Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.

Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente und Ausbildungsnachweise (wie unter Punkt 1. Verfahrensgang näher angeführt), weiters durch Einsichtnahme in die zitierten Feststellungen des UNHCR zur allgemeinen Lage in Afghanistan sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2019.

Die Identität der BF1 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihren Kindern (BF2-3) bestehender aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich. Die Angaben zum Gesundheitszustand der BF1 beruhen auf ihren glaubwürdigen Angaben sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen (neurologischer Befundbericht bzw. fachärztliche Bestätigung).

Die Ausführungen der BF1 erscheinen insgesamt lebensnahe und glaubwürdig. Die BF hat durch vorgelegte Ausbildungsnachweise und Nachweise über ehrenamtliche Arbeit ihre Bemühungen dargelegt, Deutsch zu lernen und sich in Österreich beruflich und gesellschaftlich zu integrieren. Die Leistungsnachweise der beiden Söhne und deren berufliche Pläne indizieren, dass diese in einer guten familiären Atmosphäre leben und erfolgreich dabei sind, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Aus den in der mündlichen Verhandlung gemachten unbedenklichen Angaben der BF1 und ihre Söhne (BF2-3) war abzuleiten, dass alle Familienmitglieder ihre Aufgaben im Alltag teilen und sich gegenseitig unterstützen.

Bezüglich der Gründe ihrer Ausreise nach Österreich hat die BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in unbedenklicher Weise dargelegt, dass sie bereits in Kabul ein weitgehend eigenständiges Leben mit einem Beruf als Gymnasiallehrerin führte, dass sie sich jedoch nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes, nachfolgenden Drohanrufen bzw. Drohbriefen und einer wenig hilfreichen Reaktion der damit befassten Polizeibehörde vor der Gewissheit sah, dass sie ihr gewohntes Leben nun als Witwe mit zwei noch minderjährigen Kindern nicht in Afghanistan würde weiterführen können. Die BF1 hat ihre Lebenssituation nachvollziehbar dargelegt; sie war in ihrem Auftreten authentisch und glaubwürdig und hat auf Fragen spontane und nachvollziehbare Antworten gegeben. Ihre Angaben stehen mit den oben herangezogenen allgemeinen Länderberichten über die aktuelle Situation in Afghanistan im Einklang. Die Ausführungen der BF1 werden insgesamt als glaubwürdig gewertet.

Der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde, dass für die BF1 - 3 keine Gefährdung bestehe da der Ehemann der BF1 kein ranghohes Polizeimitglied gewesen sei, wird unter Berücksichtigung der obigen allgemeinen Berichte zur Situation Afghanistans nicht gefolgt, da daraus hervorgeht, dass Staatsbedienstete aller Ränge - und deren Angehörige - zur Zielscheibe regierungsfeindlicher Kräfte werden können. Genaue Nachprüfungen zur beruflichen Tätigkeit des zu Tode gekommenen Ehemannes der BF1 erübrigen sich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Die Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Im vorliegenden Fall er

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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