TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/17 W260 2167074-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2020
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Entscheidungsdatum

17.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W260 2167074-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 21.07.2017, Zahl 1120232506/160886009, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung am 25.06.2016 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu an, dass er aus dem Distrikt Zaukai, Provinz Kunar, in Afghanistan stammen, der Volksgruppe der Paschtunen angehören würde und sunnitischer Moslem wäre.

Seine Ehefrau und Tochter, seine Eltern sowie eine Schwester würden in Afghanistan leben. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, er hätte als Soldat für das Militär gedient. Er und weitere Kollegen hätten ein Gefängnis bewacht, in dem auch Taliban inhaftiert gewesen wären. Ein Kommandant namens XXXX hätte immer wieder Taliban freigelassen. Deshalb wäre es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kollegen auf der einen Seite und dem Kommandanten XXXX auf der anderen Seite gekommen. XXXX hätte den Beschwerdeführer von September bis Dezember 2015 in Haft genommen. Während dieser Zeit wäre der Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban ermordet worden. Der Beschwerdeführer würde sich vor den Taliban sowie vor Kommandant XXXX fürchten.

3. Am 22.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein einer eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu.

Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, er hätte in Afghanistan acht Jahre lange die Schule besucht und anschließend für den Holzhandel seines Vaters gearbeitet. 2011 wäre er der Armee beigetreten und hätte bis zu seiner Flucht als Militärpolizist gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, sein Leben wäre in Afghanistan wegen den Taliban und seinem Kommandanten XXXX in Gefahr. Dieser hätte immer wieder Gefangene der Taliban freigelassen. Der Beschwerdeführer und seine Kollegen hätten sich gegen dieses Vorgehen aufgelehnt. Es wäre zu einem Schusswechsel mit den Bodyguards des Kommandanten gekommen. Ein Kollege des Beschwerdeführers wäre verletzt worden. Er und seine weiteren Kollegen wären von XXXX drei Monate illegal im Gefängnis angehalten worden. Dann hätte sie der Kommandant "einfach so" freigelassen. Der Beschwerdeführer hätte sich dann versteckt gehalten. Dazu hätte ihm sein Vater geraten, da die Taliban Drohbriefe geschickt und den Bruder des Beschwerdeführers getötet hätten. Der Beschwerdeführer hätte Anzeige gegen XXXX erstatten wollen. Seine Kollegen hätten ihm aber erzählt, dass XXXX Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet hätte, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer aus dem Gefängnis geflüchtet wäre und seinen Kameraden angeschossen hätte. Sein Vater hätte daher die Ausreise mittels Schlepper organisiert. Der Beschwerdeführer legte Beweismittel zu seiner militärischen Tätigkeit, Drohbriefe sowie Integrationsunterlagen vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid vom 21.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass er tatsächlich beim Militär gedient habe. Auch die darauf aufbauende, behauptete Verfolgung durch die Taliban und einen Kommandanten der Armee habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, da die Angaben des Beschwerdeführers vage und nicht plausibel seien. Zudem bestehe für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul.

5. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde ein.

Der Beschwerdeführer wiederholte darin im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und argumentierte, die belangte Behörde hätte Ermittlungen in Afghanistan hinsichtlich der Echtheit seines vorgelegten Militärausweises unterlassen und ihm - ohne weitere Ermittlungen anzustellen - den Kern seines Fluchtvorbringens, dass er für das afghanische Militär tätig gewesen wäre, nicht geglaubt.

Zudem wären die Länderfeststellungen der belangten Behörde mangelhaft. Der Beschwerdeführer hätte sein Fluchtvorbringen ausreichend glaubhaft gemacht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul wäre entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 08.08.2017 wurde der Bezug habende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht und langte dieser am 09.08.2017 ebendort ein.

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.10.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 08.02.2018 anberaumt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsberaterin und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.

Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen, Fotos und Unterlagen über seine militärische Tätigkeit vor, die als Beilagen ./I und ./II zum Akt genommen wurden.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, welche dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurden. Aktualisierung Länderinformationsblatt Stand 30.01.2018 in VH eingebracht; Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachten vom 5.3.2017; Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Schreiben vom 04.05.2015; Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, Interne Schutzalternative; Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.07.2016, Afghanistan Taliban-Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

9. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 01.03.2018 eine schriftliche Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial.

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 13.11.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, sowie eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen und Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

11. Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde gaben keine Stellungnahme ab.

12. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 19.12.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass keine Verurteilungen aufscheinen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren.

Er ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Kunar in Afghanistan geboren und aufgewachsen. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt dort ein Haus und Grundstücke. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan hielt er sich für kurze Zeit in Jalalabad und Kama in der Provinz Nangarhar auf.

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Ehefrau, seiner minderjährigen Tochter, seinen Eltern und einer Schwester. Diese leben in Kabul.

Der Beschwerdeführer besuchte acht Jahre lang die Schule und arbeitete anschließend für den Holzhandel seines Vaters.

Im Juni 2011 trat der Beschwerdeführer in die afghanische Armee ein, absolvierte eine mehrmonatige Grundausbildung sowie eine Funkausbildung und begann Anfang 2012 seinen aktiven Dienst für die Militärpolizei. Er fuhr Patrouille und war in einem Militärgefängnis in tätig.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Juni 2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2015 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer weist Deutschkenntnisse auf den Niveau A2 auf.

Der Beschwerdeführer pflegt soziale Kontakte, auch zu österreichischen Bekannten. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus keine nennenswerten Integrationsschritte gesetzt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gewalt durch die Taliban aufgrund seiner politischen Gesinnung, weil er als Militärpolizist für die afghanische Armee gearbeitet hat. Es droht ihm auch Gewalt durch seinen ehemaligen Kommandanten XXXX , der ein Verbündeter der Taliban ist.

Die Echtheit der vorgelegten Drohbriefe sowie der vorgelegten Militärausweise kann nicht festgestellt werden.

Die staatlichen Behörden in Afghanistan können dem Beschwerdeführer in seiner Heimatregion noch in einem anderen Teil Afghanistans keinen Schutz vor Verfolgung durch die Taliban bieten. Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative nicht zur Verfügung.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019, in den UNHCR Richtlinien vom August 2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.3.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.3.1.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten.

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US- Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren.

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.

1.3.1.2. Herkunftsprovinz Kunar

Die Provinz Kunar befindet sich in Ostafghanistan. Sie grenzt im Norden an die Provinz Nuristan, im Süden an die Provinz Nangarhar, im Westen an die Provinz Laghman und im Osten an die Durandlinie.

Kunar hat folgende Distrikte: Asadabad, Khas Kunar/Khaskunar, Noorgul/Noorgul, Sawkai/Chawki, Narang, Sarkano/Sarkani, Marawar/Marawara, Shigal/Shigal Wa Sheltan, Dangal/Dangam, Asmar, Ghazi Abad/Ghaziabad, Nari, Watapur, Chapa Dara/Chapadara und Dara-e-Pech/Pech; die Provinzhauptstadt ist Asadabad. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 465.706 geschätzt. In der Provinz leben Teilstämme der Paschtunen und Nuristani.

In Kunar stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+358 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kunar 31 Hektar an Opiumfeldern umgewidmet.

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

In den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zählte Kunar zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans: Aufständische der Taliban und des IS waren in einigen Distrikten aktiv. Verlautbart wurde auch, dass al-Qaida-Aufständische in einigen Distrikten aktiv sind.

Kunar gehört zu den Provinzen, in denen sicherheitsrelevante Vorfälle bedeutend waren. Auch zählt Kunar zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Dabei werden u.a. Taliban und IS-Kämpfer getötet. Im Rahmen von Luft- bzw. Drohnenangriffen werden Aufständische getötet. Auch wurden Anführer des IS in Afghanistan, wie z.B. Abu Sayed, getötet. Im Rahmen von Luftangriffen wurden auch Mitglieder der pakistanischen Taliban Tehreek-e-Taliban (TTP) getötet. Unter ihnen befand sich der Sohn des pakistanischen TTP-Chefs Mullah Fazlullah.

In der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen.

Pakistanische Sicherheitskräfte feuern Granaten und Mörser auf die Provinz Kunar ab. Betroffen sind die Distrikte Asmar, Shigal wa Sheltan, Marwara, Sarkano, Dangam, Nari und Khaskunar; zahlreiche Familien mussten Ende 2017 aus den betroffenen Distrikten flüchten.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kunar

Unterschiedliche terroristische Organisationen sind in der Provinz in abgelegenen Distrikten aktiv; zu diesen Gruppierungen zählen die Taliban, der IS und auch al-Qaida. Konflikte zwischen aufständischen Gruppierungen fanden statt.

In der Provinz sind Taliban-Kämpfer aktiv, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban- Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind. Die TTP hat in der Vergangenheit enge Kontakte zu al-Qaida gepflegt.

Die konkrete Mitgliederanzahl der al-Qaida, unter anderem in der Provinz Kunar, ist umstritten.

Die konkrete Anzahl von IS-Kämpfern in Kunar ist nicht bekannt, Schätzungen zufolge soll es sich um einige Hunderte handeln. Die afghanische Regierung wurde bezichtigt, landesweit die Zahlen zu IS-Kämpfern aufzublähen. Die IS-Kämpfer in der Provinz Kunar sollen angeblich von Ausländern ausgebildet werden. IS Anführer hatten im Juli 2017 in der Provinz Kunar, im Distrikt Shigal wa Sheltan, ihren Stützpunkt. Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar Mitglieder zu rekrutieren; die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen. Trotzdem ist fraglich, ob der IS tatsächlich Kontrolle in der Provinz Kunar ausübt.

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Kunar registriert.

1.3.2. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.3.3. Rechtsschutz/ Justiz

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof, den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat, eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat.

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht. Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt.

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich.

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte.

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um.

Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt.

Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar.

1.3.4. Sicherheitsbehörden

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA- Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.

Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.

1.3.5. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft.

Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

Die Mehrheit der Taliban sind Paschtunen.

Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln.

1.3.6. Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter, vom 28.07.2016:

"(...)

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden können. Den Quellen kann auch entnommen werden, dass die Taliban es größtenteils aufgegeben haben, mit Drohbriefen vorzugehen.

(...)

Daily Caller, eine US amerikanische Onlinezeitung, berichtet, dass Afghanen in der Hoffnung sich nach Europa als Flüchtlinge einschleichen zu können, gefälschte Todesdrohbriefe - angeblich von den Taliban gesendet - kaufen.

Todesdrohungen - übermittelt durch handgeschriebene Briefe - haben eine lange Tradition in der Region und wurden normalerweise jenen übermittelt, die mit den internationalen Kräften kollaborierten. Obwohl die Taliban diese Methoden größtenteils aufgegeben haben, haben Fälscher diese übernommen und verkaufen Briefe auf dem Briefpapier des islamischen Emirates für US$ 1.000 pro Stück.

Ein Fälscher, Mukhamil, gab an, dass aktuell nur 1 Prozent der Briefe ernsthafte Bedrohungen sind. Mukhamil entnimmt einfach ein Talibanlogo aus dem Internet, setzt es ins Dokument ein und behauptet dann, dass der Briefkäufer für die US arbeitet und ernsthaften Strafen ausgesetzt sein wird.

(...)

Die Associated Press - eine multinationale, profitfreie Nachrichtenagentur mit Sitz in New York City - berichtet, dass die handgeschriebenen Nachrichten auf dem Briefpapier des sogenannten islamischen Emirates traditionellerweise an jene gesendet wurden, die angeblich für die afghanischen Sicherheitskräfte oder die US - geführten Truppen gearbeitet haben; es wurden deren "Verbrechen" aufgelistet und sie wurden gewarnt, dass die "militärische Kommission" über ihre Strafen entscheidet.

Dieser Tage sagen die Taliban, dass sie diese Praxis aufgegeben haben, während jene, die die gefälschten Briefe verkaufen, ein riskantes Geschäft mit zehntausenden Afghanen betreiben, die nach Europa fliehen und darauf hoffen, um Asyl anzusuchen. Fälscher geben an, dass ein überzeugender Drohbrief bis zu US$ 1.000 kosten kann.

(...)

Ein Beamter des afghanischen Geheimdienstes, National Directorate of Security, wies die Behauptung der Existenz diese Briefe ebenfalls zurück und sagte, dass es ganz klar war, dass viele Menschen diese kauften, um ihren Asylgrund zu stärken. Niemand wurde in Zusammenhang mit Fälschung verhaftet.

(...)".

1.3.7. Auszug aus der BFA Arbeitsübersetzung vom 23.08.2017, Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne:

"(...) Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen 'Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen (...)".

1.3.8. Auszug aus den UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei:

"(...) Die gezielten Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte, insbesondere die afghanische nationale Polizei (ANP), gehen weiter."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde, in den im Verfahren erstatteten Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten (Tazkira).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Afghanistan waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

Die Feststellungen zum Sprachniveau und den Integrationsschritten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den im gesamten Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers lautet auf das Wesentliche zusammengefasst, ihm würde Gewalt durch die Taliban sowie durch seinen, den Taliban nahestehenden Kommandanten XXXX drohen. Sein Kommandant hätte immer wieder ungerechtfertigt Taliban aus dem Gefängnis entlassen und den Beschwerdeführer und seine Kollegen, die diese Missstände angesprochen hätten, verhaften lassen und schließlich aus dem Dienst entlassen und unter falschen Anschuldigen Anzeige gegen den Beschwerdeführer und seine Kollegen erstattet. Abgesehen davon hätten die Taliban herausgefunden, dass der Beschwerdeführer für staatliche Stellen arbeitet und ihn schriftlich bedroht. Da er deren Aufforderungen, seine militärische Tätigkeit zu beenden und sich ihnen anzuschließen, nicht nachgekommen wäre, hätten sie seinen Bruder ermordet.

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens ist bis auf die angeblichen Drohbriefe schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, weitgehend widerspruchsfrei, substantiiert und angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten.

Der Beschwerdeführer zeichnete insbesondere in der mündlichen Verhandlung in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle, präsentierte keine einstudierte lineare Fluchtgeschichte und vermittelte so den Eindruck, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben.

2.2.2. An dieser Stelle wird beweiswürdigend folgendes hervorgehoben:

2.2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte sowohl in der Erstbefragung, als auch in der Einvernahme bei der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung beim Bundesverwaltungsgericht die fluchtauslösenden Ereignisse, nämlich die Probleme mit seinem, den Taliban zugehörigen Kommandanten XXXX , sowie die weitere Bedrohung durch die Taliban und Tötung seines Bruders durch die Taliban, da der Beschwerdeführer Militärangehöriger war, gleichbleibend, widerspruchsfrei und auf Nachfragen detailliert vor.

Der Beschwerdeführer schilderte seinen beruflichen Werdegang und seine Tätigkeit für das afghanische Militär, welche der Grund für seine Probleme im Herkunftsstaat ist, im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend und anschaulich.

Er konnte glaubhaft machen, dass er ab Juni 2011 eine mehrmonatige militärische Grundausbildung absolviert hat und Anfang 2012 seinen aktiven Dienst als Militärpolizist begonnen hat. Zunächst fuhr der Beschwerdeführer Patrouille, dann arbeitete er in einem Gefängnis in Srobi.

Seine Angaben konnte er auch durch vorgelegte Beweismittel belegen. So legte er in der Einvernahme bei der belangten Behörde diverse Fotos vor, die ihn in militärischer Kleidung und Pose zeigen (vgl. AS 131ff).

Weiters legte er einen Militärausweis vor, ausgestellt am 24.06.2011, gültig bis 24.06.2014 (vgl. AS 143). Eine von der belangten Behörde in Auftrag gegebene Urkundentechnische Untersuchung vom 11.07.2017 hat ergeben, dass es sich dabei um ein Beweismittel ohne jegliche urkundentechnisches Sicherheitsmerkmal handelt. Über die Authentizität des Beweismittels kann daher nicht entschieden werden (vgl. AS 159ff). Die belangte Behörde wertete diesen Umstand daher dahingehend, dass die behauptete militärische Laufbahn des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist (vgl. AS 257f).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei diesem Beweisanbot nicht, dass in zahlreichen Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht die Echtheit von Unterlagen aus Afghanistan zweifelhaft ist.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren gilt es dazu auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle mitsamt den angeführten Beweisanboten präsentierte und sein Aussageverhalten aus Sicht des erkennenden Richters keine einstudierte, sondern eine lineare Fluchtgeschichte ist und ebenso den Eindruck vermittelte, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben. In der Beschwerdeverhandlung legte der Beschwerdeführer zudem Kopien von Militärausweisen von Freunden vor (Konvolut Beilage ./II zum Verhandlungsprotokoll vom 08.02.2018), um die von der belangten Behörde zu dieser Thematik (Echtheit des Militärausweises des Beschwerdeführers) erstatteten Untersuchungsergebnisse zu entkräften (vgl. S6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018).

Dazu ist auszuführen, dass auch diese Kopien nicht die Echtheit des vorgelegten Militärausweises des Beschwerdeführers bestätigen und die Urkundenuntersuchung der belangten Behörde entkräften. Die Vorlage dieser Beweismittel zeigt aber, dass der Beschwerdeführer bemüht ist, die Richtigkeit seiner Aussagen zu untermauern und trägt die Vorlage dieser Beweismittel, deren Fälschung nicht bewiesen werden konnte in Zusammenschau mit dem - wie bereits erwähnten - stimmigen und gleichbleibenden Fluchtvorbringen dazu bei, dass die Erzählungen des Beschwerdeführers glaubwürdig sind.

Der Beschwerdeführer konnte auch schlüssig erklären, weshalb der vorgelegte Ausweis nur von 24.06.2011 bis 24.06.2014 gültig war, er allerdings bis zu seiner Ausreise Ende 2015 Militärangehöriger war.

Beim vorgelegten Ausweis handelt es sich um den alten, abgelaufenen Ausweis des Beschwerdeführers. Der aktuelle Ausweis wurde dem Beschwerdeführer von seinem Kommandanten abgenommen, nachdem der Beschwerdeführer aus der ungerechtfertigten Inhaftierung entlassen wurde (vgl. S 6 und S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018 sowie AS 116).

2.2.2.2. Der Beschwerdeführer konnte zudem in diesem Zusammenhang die Probleme mit seinem Kommandanten XXXX nachvollziehbar und glaubhaft schildern: In der Einvernahme bei der belangten Behörde (vgl. AS 116) und in der Beschwerdeverhandlung gab er im Wesentlichen gleichbleibend an, dass Kommandant XXXX mit den Taliban zusammengearbeitet hat und immer wieder inhaftierte Taliban - ohne die Ermittlungsbehörden zu informieren - einfach freigelassen hat. Da der Beschwerdeführer und seine Kollegen diese Machenschaften von XXXX nicht guthießen und ihn mit seinem Verhalten konfrontierten, kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der ein Kollege des Beschwerdeführers von einem Schuss von XXXX s Bodyguards getroffen wurde und der Beschwerdeführer und seine Kollegen im Anschluss daran mehrere Monate zu Unrecht inhaftiert wurden. Etwaige Ungereimtheiten in seinen Aussagen konnte er in der Beschwerdeverhandlung nachvollziehbar aufklären. Dem Beschwerdeführer wurde seine Aussage (lt. AS 120) vorgehalten, wonach am Militärstützpunkt fünf Bodyguards, die laut seiner Schilderung keine Militärangehörigen waren, aufhältig waren und er sich selbst als Mitglied der Militärpolizei unbewaffnet bewegt hat.

Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass die Personen Bodyguards vom Kommandant XXXX gewesen wären, die auch zum Militär gehört hätten. Es wären die eigenen Männer gewesen. Sie hätten nur den Kommandanten geschützt. Er meine damit, dass es auch Soldaten gewesen wären. Er selbst wäre zum Stützpunkt gekommen und hätte die Waffen hingestellt. Er hätte keine Pistole gehabt. Pistolen hätten sie von den Franzosen bekommen, aber sie hätten sie nicht tragen dürfen. Sie hätten M16 Maschinengewehre gehabt (vgl. S 18 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018).

Auch die nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis weiterführenden Probleme mit seinem Kommandanten sind nachvollziehbar: Der Beschwerdeführer gab im Verfahren diesbezüglich gleichbleibend an, dass er nach drei Monaten aus der ungerechtfertigten Haft entlassen worden sei. Kommandant XXXX hätte ihm den aktuellen Militärausweis sowie seine Uniform abgenommen und hätte den Beschwerdeführer und seine Kollegen gehen lassen. Der Beschwerdeführer und seine Kollegen hätten geplant, Kommandant XXXX anzuzeigen. Dieser sei ihnen aber zuvorgekommen und hätte Anzeige gegen den Beschwerdeführer und seine Kollegen wegen Waffendiebstahls und der Verletzung eines Kameraden erstattet (vgl. AS 116 sowie S 21 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018).

Auch wenn es - wie vom Beschwerdeführer vorgebracht (vgl. auch S 21 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018) - keine militärische Anklage gegen ihn gegeben hat und somit von staatlicher Seite keine Verfolgung bzw. Probleme zu erwarten sind, so hat er dennoch lebensnah dargelegt, dass er im Blickfeld von Kommandant XXXX steht. Er hat sich einen Vorgesetzten zum Feind gemacht, der beste Verbindungen zu den Taliban hat, gleichzeitig aber auch eine gehobene Stellung in den Reihen des afghanischen Militärs innehat.

Dass der Beschwerdeführer daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan von Seiten des afghanischen Staates Schutz und Hilfe zu erwarten hat, ist in diesem Zusammenhang nicht zu erwarten.

2.2.2.3. Der Beschwerdeführer bringt auch vor, dass er bzw. sein Vater drei Drohbriefe der Taliban erhalten haben, weil der Beschwerdeführer Militärangehöriger war und dass in Folge dessen der Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban getötet wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch bei den drei vorgelegten Drohbriefen der Taliban natürlich nicht, dass in zahlreichen Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht die Echtheit von Unterlagen aus Afghanistan zweifelhaft ist. Außerdem ist auf die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 07.03.2019 eingebrachten und von den Parteien nicht beanstandeten Länderberichten, insbesondere der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter, vom 28.07.2016 zu verweisen.

Dieser Anfragebeantwortung ist zusammengefasst zu entnehmen, dass gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden können (siehe dazu Feststellungen oben).

Die Chance, dass der Beschwerdeführer zu jenen 1 Prozent zählt, deren Drohbriefe - wie in der Anfragebeantwortung dargelegt - tatsächlich ernsthafte Bedrohungen enthalten, ist natürlich sehr gering. Unabhängig von der Frage nach der Echtheit der vorgelegten Drohbriefe ist aber auch in diesem Zusammenhang auszuführen, dass der Beschwerdeführer den Sachverhalt rund um die Bedrohung durch die Taliban aufgrund seiner Militärangehörigkeit, im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei geschildert hat.

2.2.2.4. Der Beschwerdeführer konnte auch im Beschwerdeverfahren folgende Ungereimtheiten aufklären:

So wurde er in der Beschwerdeverhandlung befragt, wieso die Taliban erst nach ca. vier Jahren aktiven Dienst davon Kenntnis erlangten, dass er Angehöriger der afghanischen Streitkräfte war und die Drohbriefe geschickt haben. Der Beschwerdeführer erklärte dazu, er wäre sehr selten nach Hause gegangen. Er wäre oft acht/neun Monate lang nicht zu Hause gewesen, er wäre immer am Stützpunkt im Einsatz gewesen. Sogar seine Onkel väterlicherseits wussten nichts von seiner Tätigkeit (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 08.02.2018).

2.2.2.5. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch im Lichte der in den Feststellungen zu Afghanistan enthaltenen Ausführungen, insbesondere zum Vorgehen der Taliban gegen Mitarbeiter von Armee und Polizei sowie zu den Rekrutierungsversuchen der Taliban, plausibel.

Den Feststellungen ist zu nämlich zu entnehmen, dass Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung prioritäre Ziele der Aufständischen sind. Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert. Weiters ist den Feststellungen zu entnehmen, dass die Taliban bemüht sind, Personen mit militärischem Hintergrund sowie militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren und dass die Taliban überwiegend Paschtunen sind und Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen weniger üblich ist. Der Beschwerdeführer passt in dieses Bild, zumal er als Mitglied der afghanischen Armee zu den Gegnern der Taliban gehört. Außerdem wurde er von den Taliban zunächst aufgefordert, seine Tätigkeit beim Militär aufzugeben und in einem weiteren Schritt aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen.

Seine Volksgruppenzugehörigkeit rundet das Bild ab.

Dass das Fluchtvorbringen der Wahrheit entspricht, ergibt sich für den erkennenden Richter auch aus den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer ist ein knapp 27jähriger Familienvater, der in Afghanistan vor seiner Ausreise einen sicheren und - für afghanische Verhältnisse - gut bezahlten Job beim Militär innehatte.

Die Ehefrau, eine kleine Tochter, Eltern und Schwester des Beschwerdeführers haben in geordneten Verhältnissen in der Provinz Kunar gelebt. Die Familie besitzt ein Haus und Grundstücke, musste aber aufgrund der Probleme des Beschwerdeführers die Herkunftsregion verlassen und nach Kabul ziehen.

Ein derart stabiles berufliches und familiäres Umfeld grundlos aufzugeben, erscheint nicht nachvollziehbar. Die Bedrohung durch die Taliban ist daher auch deshalb sehr wahrscheinlich.

2.2.3. Die durch die Länderberichte belegte, über einen langen Zeitraum äußerst volatile Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers, Kunar, die hohe Präsenz der Taliban und die Vielzahl von sicherheitsrelevanten Vorfälle zeigen, dass derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden im Hinblick auf die dortige Verfolgung durch die Taliban den Beschwerdeführer hinreichend schützen können.

Dem Beschwerdeführer steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da die Taliban in ganz Afghanistan ein Netzwerk an Spitzeln und Nachrichtendiensten haben, wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht.

Es ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es den Taliban gelingen wird, den Beschwerdeführer, der glaubhaft als Militärpolizist in einem afghanischen Gefängnis gearbeitet hat und somit eine Stellung innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte innehatte, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu finden und sich herumsprechen würde, dass er von seiner Flucht zurückgekehrt ist und ihm bei einer Rückkehr in weiterer Folge Gewalt von Seiten der Taliban droht. Ebenso ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan Probleme mit seinem ehemaligen Kommandanten XXXX , der die Taliban unterstützt, aber droht. Dass der afghanische Staat derzeit landesweit nicht in der Lage ist, den Beschwerdeführer vor dieser Bedrohung hinreichend zu schützen, zeigt sich aus den Länderberichten, wonach die Taliban im gesamten Staatsgebiet wieder an Einfluss gewinnen und viele Teile des Landes unter ihrer Kontrolle haben.

2.2.4. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet und wird eine weitere beweiswürdigende Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Fluchtgründen nicht vorgenommen.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen.

Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Insbesondere wurde auch mit den Ausführungen in den Stellungnahmen des Beschwerdeführers den verwendeten Berichten nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Stattgabe der - zulässigen - Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines erörtert - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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