Entscheidungsdatum
21.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
G310 2164768-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch den Mag. Timo Gerersdorfer, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2017, Zl.: XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 09.03.2017, GZ: XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers (BF) auf internationalen Schutz vom 28.02.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, die Abschiebung in den Kosovo gem. § 46 FPG für zulässig erklärt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die am 27.03.2017 gegen den oben angeführten Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde am 28.03.2017 zurückgezogen und erwuchs dieser mit 24.03.2017 in Rechtskraft.
Am 24.04.2017 meldete sich der BF von der freiwilligen Rückkehr ab und stellte am selben Tag beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Mit Eingabe vom 26.04.2017 und 28.04.2017 erstattete der BF, durch seinen Rechtsvertreter, eine Urkundenvorlage und Stellungnahme.
Am 04.05.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA.
Der BF wurde am XXXX.05.2017 in den Kosovo abgeschoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).
Dagegen richtet sich die erhobene Beschwerde, welche sich ausdrücklich nur gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides betreffend die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und die Rückkehrentscheidung richtet, mit den Anträgen, den angefochtenen Beschied aufzuheben und dem erstinstanzlich gestellten Antrag des BF stattzugeben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache der erstinstanzlichen Behörde zur ergänzenden Beweiserhebung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Mit der am 18.07.2017 beim BFA eingelangten Beschwerdeergänzung legte der BF weitere Unterlagen zum Nachweis der dauernden Unerfüllbarkeit der Einkommensgrenze zur Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: NAG) vor.
Die Beschwerde und die Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vorgelegt, wo sie am 19.07.2017 einlangten.
Mit Schreiben vom 28.10.2019 forderte das BVwG den Rechtsvertreter des BF im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme auf, binnen vier Wochen eine schriftliche Stellungnahme zur Entwicklung seines Privat- und Familienlebens, seiner beruflichen Situation bzw. zu sonstigen relevanten Änderungen seit Beschwerdeerstattung, unter Beantwortung der angeführten Fragen und unter Vorlage entsprechender Belege zu erstatten. Bislang langte keine diesbezügliche Stellungnahme ein.
Feststellungen:
Der BF wurde am XXXX in XXXX, Kosovo geboren, ist kosovarischer Staatsangehöriger und im Besitz eines am XXXX.09.2014 ausgestellten und bis zum XXXX.08.2024 gültigen kosovarischen Identitätsausweises. Die Muttersprache des BF ist Albanisch.
Der BF hielt sich nach eigenen Angaben seit Sommer 2015 bis zu seiner Abschiebung am XXXX.05.2017 durchgehend in Österreich auf und lebte seit Anfang 2016 gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin und nunmehrigen Ehefrau in deren Wohnung in XXXX. Im Bundesgebiet weist er lediglich eine Hauptwohnsitzmeldung von 02.03.2017 bis 18.05.2017 auf.
Der Aufenthalt des BF erwies sich nur im Zeitraum seit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 27.02.2017 bis zur Rechtskraft der Asylentscheidung am 24.03.2017 als rechtmäßig. Der BF hat bislang keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG gestellt.
Im Herkunftsstaat leben die Mutter und Geschwister, sowie andere Verwandte des BF mit denen er in regelmäßigen telefonischen Kontakt steht.
Seit XXXX.03.2017 ist der BF mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX, geb. am XXXX verheiratet. Diese hat ihre 2011 und 2015 geborenen Söhne als Stiefkinder und ein 2010 geborenes Mädchen als Pflegekind in die Ehe eingebracht. In XXXX hält sich auch ein Bruder des BF auf, zu dem er aber nur gelegentlich Kontakt hat.
Abgesehen von diesen familiären Bindungen verfügt der BF über keine nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Auch konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen. Der BF ist gesund und arbeitsfähig, ging im Bundesgebiet jedoch keiner Erwerbstätigkeit nach, war weder ehrenamtlich tätig noch Mitglied in einem Verein. Es liegen keine Nachweise über bestimmte Deutschkenntnisse oder die Absolvierung einer Deutsch-Sprachprüfung vor. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit und den familiären Beziehungen des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Die Identität des BF wird zudem durch den (dem BVwG in Kopie vorliegenden) unbedenklichen Personalausweis und eine Geburtsurkunde belegt, seine Heirat durch die Heiratsurkunde. Der Inlandsaufenthalt des BF ergibt sich aus seiner Aussage und der Wohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister (ZMR), seine Abschiebung aus dem Fremdenregister. Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister hervor. Im Verfahren sind keine Hinweise für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit hervorgekommen.
Es gibt keinen Hinweis dafür, dass dem BF ein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Insbesondere ist im Fremdenregister weder die Beantragung noch die Erteilung eines Aufenthaltstitels dokumentiert.
Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich.
Rechtliche Beurteilung:
Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde nur der Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides angefochten. Die übrigen Spruchpunkte blieben unangefochten und erwuchsen damit in Rechtskraft.
Zu Spruchteil A):
Der BF ist als Staatsangehöriger des Kosovo Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG persönlich beim BFA zu stellen. Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG und § 52 Abs. 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Bei der Beurteilung, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des BF auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit seiner Einreise einzubeziehen.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt folgendes:
Der ca. zweijährigen Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet, vom Sommer 2015 bis zu seiner Abschiebung am XXXX.05.2017, kommt für sich betrachtet keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (siehe VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191), auch wenn man berücksichtigt, dass sein Aufenthalt aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Den Antrag auf internationalen Schutz stellte der BF jedoch erst Ende Februar 2017 und damit beinahe eineinhalb Jahre nach seiner Ankunft im Bundesgebiet.
Da die Ehefrau und die Stiefsöhne und die Pflegetochter des BF in Österreich leben, greift die Rückkehrentscheidung in sein Familienleben ein. Dies wird jedoch maßgeblich dadurch relativiert, dass sich der BF bereits nach Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz am 09.03.2017 und dessen Rechtskraft mit 24.03.2017 seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2019/19/0136). Die Heirat des BF mit seiner damaligen Lebensgefährtin am XXXX.03.2017 und auch die Familiengemeinschaft mit den Stiefsöhnen und der Pflegetochter erfolgte damit bereits zu einem Zeitpunkt, als die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens der Ehegatten in Österreich in evidenter Weise klar war. Es kann auch nicht von einer über die Maße intensiven Verfestigung der Beziehung zwischen den Ehepartnern und den Stiefsöhnen bzw. der Pflegetochter ausgegangen werden, zumal der BF und seine Frau erst seit ca. Anfang 2016 liiert waren und der BF nur wenige Monate amtlich bei seiner Frau gemeldet war. Überdies ist die Ausübung sozialer und familiärer Kontakte, aufgrund des Abschiebung des BF und seiner damit verbundenen Abwesenheit im Bundesgebiet seit Mai 2017, derzeit ohnehin nur eingeschränkt möglich. Aus diesem Grund ist eine (vorübergehende) Trennung des BF von seiner in Österreich lebenden Ehefrau und den Kindern gerechtfertigt, zumal sie den Kontakt über Kommunikationsmittel wie Telefon und Internet sowie bei wechselseitigen Besuchen aufrecht halten können. In der Folge kann der BF auch vom Kosovo aus einen Antrag auf Erteilung eines von seiner Ehefrau abgeleiteten Aufenthaltstitels stellen.
Der BF hat zu berücksichtigende starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er einen erheblichen Teil seines Lebens verbrachte und sich derzeit laut Akteninhalt aufhält. Er spricht die Landessprache, hat in seiner Heimat die Schule besucht, einen Beruf erlernt und diesen auch ausgeübt. Dort leben auch seine Eltern, Geschwister und andere Verwandte, zu denen er eine gute Beziehung und regelmäßigen Kontakt pflegt.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt - insbesondere aufgrund der aufrechten Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat und seinem unter fünfjährigen Inlandsaufenthalt - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist. Da er vor seinem Aufenthalt in Österreich im Kosovo lebte, dort einen Beruf ausübte und über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, ist davon auszugehen, dass ihm keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er gesund und arbeitsfähig ist.
Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die Behörde hier zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib überwiegt. Dies insbesondere aufgrund der starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat und seines relativ kurzen Inlandsaufenthalts. Trotz der Beziehung zu seiner Ehefrau, seinen Stiefsöhnen und der Pflegtochter liegt hier keine so starke Bindung vor, die eine Rückkehrentscheidung unzulässig machen würde. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend oder auf Dauer) unzulässig erscheinen ließen, sodass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden ist.
Der BF kann für einen neuerlichen Aufenthalt in Österreich von seinem Heimatstaat aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG stellen. Es ist ihm zumutbar, einen allfälligen neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nach den gesetzlichen Vorgaben des NAG von dort aus zu legalisieren. Der Umstand, dass eine solche Antragstellung allenfalls
nachweis-, gebühren- und quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern.
Insoweit der BF vorbringt, dass es ihm aufgrund des nach dem NAG erforderlichen Mindesteinkommens unmöglich wäre einen Aufenthaltstitel zu erhalten und damit seine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 08.03.2011, C34/09, Ruiz Zambrano, rechtswidrig sei, so ist dem folgendes entgegenzuhalten:
Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09) zugrunde liegenden Sachverhalt schon dadurch, dass im gegenständlichen Verfahren nicht beide Elternteile Drittstaatsangehörige sind, sondern die Mutter und die minderjährigen Stiefsöhne und die Pflegetochter österreichische Staatsbürger sind und nur der BF Drittstaatsangehöriger ist, weshalb auch hier nicht von einem "gleichgelagerten" Sachverhalt auszugehen ist.
Vielmehr ist hier das Urteil des EuGH vom 10.05.2017 (Große Kammer), C-133/15, Chavez-Vilchez u.a., zu berücksichtigen, bei dem es um das Aufenthaltsrecht von drittstaatszugehörigen Elternteilen eines minderjährigen Unionsbürgers in dessen Heimatstaat ging.
Der EuGH hat in diesem Urteil Art. 20 AEUV dahingehend ausgelegt, dass für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Kind, das Bürger der Europäischen Union ist, gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm damit die Möglichkeit genommen würde, den Kernbestand seiner aus diesem Artikel folgenden Rechte tatsächlich in Anspruch zu nehmen, wenn seinem Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, ein Aufenthaltsrecht im fraglichen Mitgliedstaat verweigert würde, der Umstand, dass der andere Elternteil, der Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen, einen Gesichtspunkt von Bedeutung bildet, der aber allein nicht für die Feststellung genügt, dass zwischen dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und dem Kind kein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise besteht, dass sich das Kind bei der Verweigerung dieses Aufenthaltsrechts hierzu gezwungen sähe. Einer solchen Feststellung muss die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Interesse des Kindeswohls zugrunde liegen, so insbesondere des Alters des Kindes, seiner körperlichen und emotionalen Entwicklung, des Grades seiner affektiven Bindung sowohl zu dem Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch zu dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und des Risikos, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre.
Weiters ist Art. 20 AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, das Recht zum Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet zugunsten eines Drittstaatsangehörigen, der Elternteil eines minderjährigen Kindes ist, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und für das der Drittstaatsangehörige täglich und tatsächlich sorgt, von der Verpflichtung dieses Drittstaatsangehörigen abhängig zu machen, die Informationen beizubringen, anhand deren festgestellt werden kann, dass eine Entscheidung, mit der dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit das Aufenthaltsrecht versagt würde, dem Kind die Möglichkeit nähme, den Kernbestand der aus dem Unionsbürgerstatus folgenden Rechte tatsächlich in Anspruch zu nehmen, weil sie es dazu zwänge, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Jedoch haben die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats auf der Grundlage der von dem Drittstaatsangehörigen beigebrachten Informationen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, um im Licht aller Umstände des Einzelfalls beurteilen zu können, ob eine Entscheidung, mit der das Aufenthaltsrecht versagt wird, solche Folgen hätte.
Wesentlich für die Beurteilung der Zulässigkeit der gegen den BF angeordneten aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Lichte des Art. 20 AEUV ist somit die Klärung der Frage, ob sich die beiden minderjährigen Stiefsöhne und die minderjährige Pflegtochter als Österreicher und Unionsbürger gezwungen sähen, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihnen damit die Möglichkeit genommen würde, den Kernbestand ihrer aus Art. 20 AEUV folgenden Rechte tatsächlich in Anspruch zu nehmen, wenn ihrem drittstaatszugehörigen Vater ein Aufenthaltsrecht in Österreich verweigert würde. Dabei ist zunächst der Umstand von Bedeutung, dass der andere Elternteil, der Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für die Kinder allein wahrzunehmen.
Im vorliegenden Fall ist die Ehegattin des BF Österreicherin und Mutter der minderjährigen Stiefsöhne und Pflege- und Obsorgeberechtigte für ihre Pflegetochter. Unbeachtlich des Umstandes, dass der BF erst seit Anfang 2016 mit seiner Ehegattin eine Beziehung führt und mit dieser und den Kindern bis zu seiner Abschiebung im Mai 2017 im gemeinsamen Haushalt lebte, ist die Tatsache von maßgeblicher Bedeutung, dass der BF mangels eines eigenen Einkommens und auch mangels eigener Ersparnisse von sich aus keinerlei Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhalts für sich oder auch für die ganze Familie beisteuert.
Es kann somit nach Ansicht des erkennenden Gerichtes also davon ausgegangen werden, dass die Mutter als Elternteil, der Österreicher und somit Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und auch bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für die Kinder allein wahrzunehmen, selbst wenn sich der BF nicht mehr bei seiner Familie in Österreich aufhalten sollte.
Aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles im Interesse des Kindeswohles der minderjährigen Kinder (Alter der Kinder, körperliche und emotionale Entwicklung, Grad der affektiven Bindung sowohl zu dem Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch zu dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und Risiko, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht der Kinder verbunden wäre), kann das Bestehen eines tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem BF und den Stiefsöhnen bzw. der Pflegetochter in der Weise, dass sich die Kinder bei der Verweigerung eines Aufenthaltsrechtes für den BF gezwungen sähen, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, nicht festgestellt werden. Vielmehr ist es gerade die Kindesmutter, die schon bislang den Lebensunterhalt für ihre minderjährigen Söhne und die Pflegetochter in Österreich gewährleistet hat. Des Weiteren ist festzuhalten, dass von Seiten des BF weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde Informationen dahingehend beigebracht wurden, in welcher Weise zwischen ihm und den Stiefsöhnen bzw. der Pflegtochter trotz der bereits dargelegten Umstände ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des Urteils des EuGH in der Rechtssache Chavez-Vilchez anzunehmen wäre. Es wurden keine Umstände dargelegt, weshalb sich die Kinder bei der Verweigerung eines Aufenthaltsrechts für den BF jedenfalls gezwungen sähen, entweder allein (mit dem BF) oder auch gemeinsam mit ihrer österreichischen Mutter in den Kosovo (Herkunftsstaat des BF) zu ziehen und somit das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Ehefrau des BF mit den Kindern nach wie vor in XXXX lebt.
Aus den dargelegten Gründen kann daher der Behauptung in der Beschwerde, dass der angefochtene Bescheid wegen Verletzung des Art. 20 AEUV rechtswidrig wäre, nicht beigetreten werden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 21 Abs. 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).
Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal in der Beschwerde keine ergänzend zu berücksichtigenden Tatsachen vorgebracht wurden und keine entscheidungserheblichen Widersprüche in den Beweisergebnissen bestehen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren. Bei der Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK, die das Schwergewicht der Beschwerde bildet, handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung.
Schlagworte
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Resozialisierung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2164768.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020