TE Bvwg Beschluss 2020/1/23 G314 2226557-1

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G314 2226557-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowakischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.11.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots:

A) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene

Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein XXXX slowakischer Staatsangehöriger, der die deutsche Sprache gut beherrscht, wurde im Bundesgebiet, wo er erstmals im August 1993 mit Hauptwohnsitz gemeldet war, seit 2005 neun Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei einmal eine Zusatzstrafe iSd §§ 31, 40 StGB verhängt wurde. Zuletzt wurde er am XXXX.2019 in XXXX festgenommen und wird seither in österreichischen Justizanstalten angehalten, nachdem er davor seit 21.12.2005 wiederholt in seinen Herkunftsstaat abgeschoben worden war. Derzeit werden eine zehnmonatige Freiheitsstrafe laut dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, eine 20-monatige Freiheitsstrafe laut dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, eine zwölfmonatige Freiheitstrafe laut dem Widerrufsbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX zur bedingten Strafnachsicht laut dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, ein einmonatiger Strafrest laut dem Widerrufsbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX zur bedingten Entlassung laut dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, eine einmonatige Zusatzstrafe laut dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, und eine 70-tägige Ersatzfreiheitsstrafe laut dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, vollzogen. Das errechnete Strafende ist am XXXX.2022. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, wurde gegen den BF eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt, die laut Strafregister noch nicht vollzogen wurde.

Hinsichtlich der mit dem Urteil vom XXXX verhängten Strafe und der jeweils mit Beschluss vom selben Tag widerrufenen bedingen Strafnachsicht und bedingten Entlassung war dem BF mit dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, ein Strafaufschub gemäß § 39 SMG bis 03.01.2019 gewährt worden, um sich notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen (sechsmonatige stationäre und anschließend 18-monatige ambulante Behandlung) zu unterziehen. Es ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht nachvollziehbar, ob er sich diesen Maßnahmen unterzogen hat oder ob, allenfalls wann und aus welchen Gründen, der Strafaufschub widerrufen wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Behörde begründet das Aufenthaltsverbot im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, der trotz bestehender Aufenthaltsverbote immer wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt sei. Mit dem Bescheid vom XXXX.06.2006 sei gegen ihn ein bis 30.04.2015 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, mit dem Bescheid vom XXXX.12.2015 ein bis 04.01.2021 befristetes. Das BFA traf in der Bescheidbegründung zwar Feststellungen zum Fehlen eines Familienlebens des BF in Österreich, der ledig sei und mit seinem XXXX-jährigen Sohn nur eine Woche lang (von 19. bis 26.07.2018) in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, aber keine zu einem allfälligen Privatleben und zu den Kriterien des § 9 Abs 2 Z 1, 3, 4, 5, 7, 8 und 9 BFA-VG. Es stellte die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF anhand der Eintragungen im Strafregister fest und traf (disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung) lediglich hinsichtlich der Urteile vom XXXX und vom XXXX ergänzende Feststellungen zu den zugrundeliegenden Taten des BF und den Strafzumessungsgründen. Zur Aufrechterhaltung von in Österreich bestehenden Bindungen verweist das BFA den BF im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auf briefliche, telefonische und elektronische Kontakte sowie Besuche der Familienmitglieder in seinem Heimatland. Es geht ohne nähere Begründung davon aus, dass der BF gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig ist, obwohl sich aus den Akten ergibt, dass er drogenabhängig (und möglicherweise nach wie vor in einer Substitutionsbehandlung) ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den Bescheid zu beheben, in eventu, die Dauer des Aufenthaltsverbots zu reduzieren. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt und die Zulassung der ordentlichen Revision beantragt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und den angefochtenen Bescheid ohne vorhergehende Einvernahme des BF erlassen habe. Es habe seine engen privaten Bindungen in Österreich (Aufenthalt seit dem Kleinkindalter, Lehrabschluss, Arbeitstätigkeit, Wohnsitz in XXXX gemeinsam mit Lebensgefährtin und Sohn, Fehlen von Slowakischkenntnissen und anderen Bindungen zur Slowakei) nicht erhoben und die Gründe für seine wiederholte Wiedereinreise nicht berücksichtigt. Auch der Umstand, dass der BF Delikte in Bezug auf kleine Suchtgiftmengen lediglich zur Finanzierung der eigenen Sucht begangen habe, und die in der Vergangenheit absolvierten und nunmehr auch wieder beabsichtigten Therapien hätten keine Berücksichtigung gefunden. Die rechtliche Beurteilung sei unrichtig, weil der BF als EWR-Bürger zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Die Gefährdungsprognose der Behörde sei rechtswidrig, weil er hier nur wegen seiner Sucht straffällig geworden sei und aufgrund der Therapiebemühungen von keiner Gefährdung auszugehen sei. Die Feststellungen zu den Straftaten, die den Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbots bilden würden, seien unzureichend. Ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot sei unverhältnismäßig. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verletze Art 8 EMRK, weil der BF in Österreich ein Familienleben führe. Zu dessen Nachweis wird die Einholung von Melderegisterauszügen der Lebensgefährtin und des Sohnes des BF beantragt.

Das BFA erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde, in der auf die Aufforderung vom 05.09.2019 hingewiesen wird, mit der dem BF die Möglichkeit geboten worden sei, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel vorzulegen. Er spreche laut der erkennungsdienstlichen Evidenz des Innenministeriums sehr wohl Slowakisch; außerdem sei sein Reisepass am XXXX.05.2017 in XXXX ausgestellt worden. Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ergebe sich, dass er nie mit seinem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt habe. Die Obsorge für diesen sei dem Land XXXX übertragen worden; er lebe seit XXXX bei einer Pflegefamilie. Der BF habe nicht nur Delikte in Bezug auf kleine Suchtgiftmengen zur Finanzierung seiner Sucht begangen, sondern eine breite Palette von Delikten (u.a. schweren Raub, Körperverletzung, gewerbsmäßigen Diebstahl sowie Vergehen nach dem WaffG und dem SMG).

Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss dieser Stellungnahme und diverser Bestandteile der Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 11.12.2019 mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vor. Dem BVwG wurden - neben den BF betreffenden Auskünften aus der Personeninformation, dem kriminalpolizeilichen Aktenindex und der erkennungsdienstlichen Evidenz des Innenministeriums, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister, dem ZMR und des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger - Vollzugsinformationen vom 07. und vom 11.11.2019, eine Ausfertigung des Urteils des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX, ZMR-Auszüge von XXXX (geboren am XXXX), die Besucherliste einer Justizanstalt vom 13.11.2019 sowie eine Kopie aus dem Reisepass des BF vorgelegt, ebenso die Auskunft des Bezirksgerichts XXXX vom 03.12.2019 betreffend die Übertragung der Obsorge für XXXX an das Land XXXX und den am 29.11.2019 erstellten ZMR-Auszug von XXXX. Die Beschwerde und die Aktenbestandteile langten am 12.12.2019 beim BVwG ein.

Mit dem Schreiben vom 02.01.2020 forderte das BVwG das BFA auf, umgehend sämtliche für die Bescheiderlassung maßgeblichen Aktenbestandteile vorzulegen, insbesondere sämtliche Urteile betreffend strafgerichtliche Verurteilungen des BF, sämtliche bislang gegen ihn erlassenen Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen und sämtliche Unterlagen über frühere Abschiebungen. Die unvollständige Aktenvorlage löse keine Entscheidungsfrist aus.

Daraufhin wurde dem BVwG zunächst die Vollzugsinformation vom 08.01.2020 nachgereicht. Am 15.01.2020 wurden weitere Aktenbestandteile übermittelt, und zwar neben Abfragen aus diversen Registern (soweit entscheidungswesentlich) Ausfertigungen des Beschlusses des Landesgerichts XXXX vom XXXX.11.2015 über die bedingte Entlassung des BF, der Urteile des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX und des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX sowie des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX über den Strafaufschub gemäß § 39 SMG bis 03.01.2019, Vollzugsinformationen vom 07.09.2015, 10.12.2015, 28.08.2019 und 12.09.2019, Unterlagen betreffend die Abschiebung des BF am 21.12.2015, betreffend seine Festnahme und Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthalts am 06.06.2016 sowie am 09.06.2016, die an diesen Tagen mit dem BF vor dem BFA aufgenommenen Niederschriften, Mandatsbescheide betreffend die Anordnung der Schubhaft vom 06.06.2016 und vom 10.06.2016, Unterlagen zur Abschiebung des BF am 07.06.2016 und am 14.06.2016, die an ihn gerichtete Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 14.11.2016, mehrere Strafverfügungen wegen Schwarzfahrens, Unterlagen betreffend die Festnahme und Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthalts vom 27.02.2019 sowie betreffend die Abschiebung des BF am 01.03.2019.

Insbesondere folgende Aktenbestandteile liegen dem BVwG nach wie vor nicht vor: die in der Stellungnahme des BFA angeführte Aufforderung zur Stellungnahme vom 05.09.2019, die Urteile betreffend die weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen des BF (insbesondere die Urteile vom XXXX und vom XXXX), allfällige Unterlagen zum Nachweis der dem BF bei dem Strafaufschub nach § 39 SMG aufgetragenen gesundheitsbezogenen Maßnahmen und allfällige Entscheidungen über den Widerruf des Strafaufschubs sowie Ausfertigungen der Bescheide vom XXXX.06.2006 und vom XXXX.12.2015 betreffend die Erlassung von Aufenthaltsverboten gegen den BF. Letztere werden insbesondere benötigt, um die Gründe für die damalige Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nachvollziehen zu können, um sie von den Gründen für das nunmehrige Aufenthaltsverbot abgrenzen zu können. Nachweise für die Vaterschaft des BF zu XXXX (z.B. die Geburtsurkunde) sind ebensowenig aktenkundig wie Informationen zu allfälligen Kontakten zwischen Vater und Sohn. Außerdem fehlen nähere Informationen zu den im IZR dokumentierten Abschiebungen des BF am 15.03.2016, 12.04.2016, 28.12.2018, 29.03.2019, 11.05.2019 und 16.05.2019.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben angeführte Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG sowie aus den durchgeführten Abfragen im IZR, ZMR und Strafregister. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen insoweit nicht vor, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über eine Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wie die vorliegende dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG dann meritorisch zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, die dann an die rechtliche Beurteilung, von der das Gericht ausgegangen ist, gebunden ist.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009). Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13), wie sie hier vorliegen.

Trotz der Aufforderung vom 02.01.2020 liegen dem BVwG nach wie vor die für eine Sachentscheidung notwendigen Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vor. Insbesondere ohne nähere Informationen zu den bisher gegen den BF erlassenen Aufenthaltsverboten und den Gründen dafür, zu den von ihm (insbesondere danach) begangenen Straftaten, den Strafzumessungsgründen, dem Strafvollzug und einem allfälligen Strafaufschub gemäß § 39 SMG, zu seinen in Österreich und in der Slowakei bestehenden privaten und familiären Bindungen sowie zu seinem Gesundheitszustand und allfälligen Therapien kann nicht beurteilt werden, ob die Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbots (zusätzlich zu dem offenbar bereits bestehenden und nach wie vor gültigen Aufenthaltsverbot) notwendig ist und in dieser Dauer den privaten und familiären Verhältnissen des BF entspricht.

Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren ergänzende Erhebungen zu diesen Umständen und anschließend anhand entsprechender konkreter Feststellungen eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose (unter Angabe des anzuwendenden Gefährdungsmaßstabs) und eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, vornehmen müssen. Dabei ist zu beachten, dass die Überlegungen des BFA zum fehlenden gemeinsamen Haushalt des BF mit seinem Sohn nur auf Meldeauszügen beruhen und diesen insoweit fälschlich eine über deren bloßen Indizcharakter hinausgehende Bedeutung beimessen (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0010 und 30.08.2018, Ra 2018/21/0129) sowie dass die Aufrechterhaltung des Kontakts mittels moderner Kommunikationsmittel mit dem XXXX geborenen Sohn des BF kaum möglich ist (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0128). Im Zusammenhang mit der in der Beschwerde geäußerten Therapiebereitschaft und dem Strafaufschub nach § 39 SMG wird allenfalls auch die Rechtsprechung des VwGH zu den Auswirkungen eines solchen Strafaufschubs auf Erlassung und Durchsetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu beachten sein (siehe VwGH 19.05.2015, Ra 2015/21/0001 und 24.01.2019, Ra 2018/21/0240).

Da das BFA somit noch keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts gesetzt hat, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob gegen den BF ein (weiteres) Aufenthaltsverbot verhängt werden muss und wenn ja, für wie lange. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist noch keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

Da zu den tragenden Sachverhaltselementen noch keine Beweisergebnisse vorliegen, zur Klärung des relevanten Sachverhalts zusätzliche Ermittlungen notwendig sein werden und dadurch bedingte Weiterungen des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden können, führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG die Erhebungen selbst durchführt, zumal das BFA der Aufforderung des BVwG zur Vorlage der relevanten Aktenbestandteile ohne Begründung nicht vollständig nachkam.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit insoweit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226557.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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