Entscheidungsdatum
29.01.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2225705-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft des XXXX (alias XXXX), StA Pakistan, zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt
der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Mandatsbescheid, GZ XXXX vom 31.07.2019 ordnete das BFA gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft über XXXX (im Folgenden beteiligter Fremder oder kurz BF), geboren XXXX, StA. Pakistan zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung an. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF illegal nach Österreich eingereist ist und illegal nach Italien weiterreisen wollte. Er konnte im Zuge der fremdenrechtlichen Kontrolle am 31.07.2019 keine für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Personendokumente vorweisen und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Er verfügt nicht über ausreichende Barmittel um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er hat keine Berechtigung zu Verrichtung von Arbeit in Österreich, er kann sich nicht in der deutschen Sprache mit anderen Personen verständigen. In Österreich besteht weder eine berufliche noch soziale Verankerung, es gibt keine privaten oder familiären Anbindungen im Bundesgebiet. Demnach besteht ein beträchtliches Risiko des Untertauchens und liegt eine Ultima-Ratio Situation vor.
2. Der BF war am 31.07.2019 in XXXX beim Versuch von Österreich nach Italien zu reisen festgenommen worden.
3. Am 01.08.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylantrag.
4. Mit Bescheid vom 06.08.2019, GZ XXXX wurde der Asylantrag des BF abgewiesen.
5. Mit Erkenntnis des BVwG, GZ L527 2222485-1/4E vom 26.08.2019 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
6. Am 29.08.2019 wurde ein HRZ-Antrag an die pakistanische Botschaft gestellt, am 14.01.2012 erfolgt die Zustimmung der pakistanischen Botschaft.
7. Mit Erkenntnis vom 28.11.2019, GZ G302 2225705-1/8E, bestätigte das BVwG die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft.
8. Mit Erkenntnis vom 27.12.2019, GZ G301 2225705-2/6E, bestätigte das BVwG die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass der BF seit XXXX.2019, XXXX Uhr durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken. Solches wurde vom Fremden auch nicht, etwa in einer Schubhaftbeschwerde, geltend gemacht.
Festgestellt wird, dass die Behörde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats rechtzeitig und mit Nachdrücklichkeit geführt hat bzw. immer noch führt. Eine Zusage des Herkunftsstaates liegt bereits vor, sodass mit einer zeitnahen Abschiebung zu rechnen ist.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.
Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich, er hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen betreffend die Familiensituation und (soziale) Integration des BFs in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage.
Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des BFs ergibt sich aus seinem Verhalten seit der Einreise in das Bundesgebiet. Da die Zusammenarbeit mit dem potenziellen Herkunftsstaat des BFs grundsätzlich funktioniert, bestanden und bestehen keine Zweifel, dass eine Abschiebung jedenfalls innerhalb des gesetzlich möglichen Rahmens erfolgen kann.
Für eine grundsätzliche Unmöglichkeit der Überstellung gibt es keinen Hinweis und wurde solches auch nicht behauptet.
Die finanzielle Situation des BFs ergibt sich aus der Aktenlage und fügt sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des BFs. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d. g.F., lautet:
"§ 22a. [...]
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der Schubhaft aufgrund des Vorliegens einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auch weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Im gegenständlichen Fall liegt eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer 18 Monaten vor.
Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich schon vor dem Hintergrund der negativen Asylentscheidung und der versuchten Weiterreise nach Italien als verhältnismäßig, zumal der BF keiner legalen Beschäftigung bislang nachgegangen ist, über keine Barmittel verfügt, kein Reisedokument besitzt, über seine Identität getäuscht hat, keine familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet hat und keinen ordentlichen Wohnsitz aufweist.
Der BF weist auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens weder die erforderliche Vertrauenswürdigkeit noch eine ernst zu nehmende Kooperationsbereitschaft auf.
Die Fortsetzung der Schubhaft, welche nunmehr seit XXXX.2019 besteht, ist auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelung über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig.
Ein gelinderes Mittel ist im Hinblick auf sämtliche Umstände des vorliegenden Falles nicht geeignet.
Die Fortsetzung der Schubhaft erweist sich daher aus diesen Gründen als notwendig und auch als verhältnismäßig.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2225705.3.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020