TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/30 G314 2226871-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2020
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Entscheidungsdatum

30.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z2

Spruch

G314 2226871-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des nordmazedonischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreichs (VMÖ), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.11.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass es in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids zu lauten hat: "Gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG erlassen.".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.10.2019 in XXXX im Rahmen der Überprüfung eines Arbeitsunfalles bei der Beschäftigung als Arbeiter im Baugewerbe betreten. Am 22.10.2019 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vernommen. Mit den Schreiben des BFA vom selben Tag wurde er aufgefordert, sich zu seinem nicht rechtmäßigen Aufenthalt zu äußern und bis spätestens 25.10.2019 freiwillig auszureisen. Er erstattete eine entsprechende Stellungnahme und reiste am 25.10.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr in seinen Heimatstaat aus.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF durch seinen Aufenthalt in Österreich die Einwanderungsvorschriften missachtet habe. Er sei bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden. Da er über keine wesentlichen Geldmittel verfüge und sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sei ein Einreiseverbot zu erlassen. Der BF habe weder familiäre noch berufliche Anbindungen, die seinen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Ein zweijähriges Einreiseverbot sei notwendig, um die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu verhindern.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu das Einreiseverbot zu beheben oder dessen Dauer herabzusetzen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er unverzüglich freiwillig ausgereist sei. Bei der Erlassung des Einreiseverbots sei keine umfassende und nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt worden. Dir Behörde habe lediglich festgestellt, dass er bei einer unerlaubten Tätigkeit betreten worden sei, aber nicht begründet, warum er deshalb eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der BF ist nordmazedonischer Staatsangehöriger, am XXXX in XXXX geboren, und hat einen Wohnsitz in XXXX, wo er bis zu seiner Ausreise im August 2019 lebte. Er spricht Albanisch sowie Mazedonisch, ist verheiratet und hat drei Kinder. In seiner Heimat arbeitete er als XXXX. Seine Ehefrau, seine Kinder und weitere Familienmitglieder leben in Nordmazedonien. Entferntere Verwandte des BF leben auch in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Belgien und Australien (Reisepass AS 23; Niederschrift BFA AS 47 ff).

Der BF verfügt über einen nordmazedonischen Reisepass mit Gültigkeit von XXXX.2019 bis zum XXXX.2029 (Reisepass AS 23), mit dem er am XXXX.08.2019 über Ungarn in den Schengenraum einreiste (Einreisestempel AS 24). Dies war das erste Mal, dass er aus Nordmazedonien ausreiste. In der Folge reiste er weiter nach Deutschland, wo er Verwandte besuchte und seine Kopfschmerzen, die schon in Nordmazedonien ärztlich behandelt worden waren, medizinisch abklären lassen wollte (Niederschrift Finanzpolizei AS 26 ff; Niederschrift BFA AS 47 ff, insbesondere 51). Ungefähr einen Monat vor seiner Festnahme begab er sich von Deutschland nach Österreich, wo er ohne Wohnsitzmeldung bei Verwandten in St. Pölten sowie bei Freunden in Wels und in Linz Unterkunft nahm (Niederschrift Finanzpolizei AS 26 ff; Niederschrift BFA AS 49 ff; ZMR-Auszug).

Am XXXX.10.2019 war der BF auf einer Baustelle in XXXX als ein an die XXXX überlassener Arbeitehmer mit Stemm- und Schleifarbeiten für eine anschließende Verkabelung beschäftigt. Dabei verletzte er sich leicht und wurde im Krankenhaus ambulant versorgt, wo er von Polizeibeamten, die den Arbeitsunfall untersuchten, angetroffen wurde. Er wurde festgenommen, weil er weder über ein Visum noch über eine Aufenthaltsberechtigung oder eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügte, und zunächst vor der Finanzpolizei wegen des Verdachts einer Übertretung nach dem AuslBG und am nächsten Tag vor dem BFA zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vernommen (Anhalteprotokoll AS 3 ff; Niederschrift Finanzpolizei AS 25 ff; Polizeibericht AS 43 ff; Niederschrift BFA AS 47 ff; Schreiben Finanzpolizei vom 07.11.2019, AS 123 ff;

IZR-Auszug). Da er zusagte, dass er freiwillig ausreisen werde, wurde er anschließend entlassen (Niederschrift BFA AS 47 ff;

Entlassungsschein AS 81). Wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthalts (§ 120 Abs 1a FPG) wurde mit Organstrafverfügung vom XXXX.10.2019 eine Geldstrafe von EUR 500 eingehoben (Organstrafverfügung AS 35). Da der BF bei seiner Festnahme nur EUR 504 und DEN 300 (entspricht knapp EUR 5) bei sich hatte (Anhalteprotokoll AS 19), waren seine finanziellen Mittel durch die Zahlung dieser Strafe fast zur Gänze erschöpft (Niederschrift BFA AS 49 ff).

Der BF ging in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Seine Beschäftigung auf der Baustelle war nicht zur Sozialversicherung gemeldet (Versicherungsdatenauszug AS 251). Er wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt (Strafregisterauszug). Abgesehen von entfernten Verwandten, die in Österreich und in anderen Mitgliedstaaten leben und zu denen der BF in keinem Abhängigkeitsverhältnis steht, bestehen keine familiären, beruflichen oder anderen sozialen Bindungen zu Österreich oder zu anderen Staaten, für die das Einreiseverbot gilt (Niederschrift BFA AS 47 ff, insbesondere AS 53 ff).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Nummerierung der Verwaltungsakten beziehen.

Die Identität des BF wird durch die vorliegende Kopie aus seinem Reisepass bestätigt, aus dem auch sein Geburtsort und die Wohnanschrift in Nordmazedonien hervorgehen. Mazedonische sowie albanische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft naheliegend und können auch deshalb festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem vom BFA beigezogenen Dolmetsch für Albanisch problemlos möglich war.

Die Feststellungen zum Familienstand des BF und zu seiner Kernfamilie (Ehefrau und Kinder) beruhen auf seinen insoweit plausiblen und nachvollziehbaren Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA.

Der Umstand, dass der BF im am XXXX.08.2019 in den Schengen-Raum einreiste, ergibt sich aus dem im Reisepass ersichtlichen Einreisestempel. Dass er sich in der Folge nach Deutschland begab, ist auch ob der namentlichen Nennung seines XXXX, den er dort besuchte, plausibel. Aus den insoweit übereinstimmenden Angaben des BF gegenüber der Finanzpolizei und dem BFA ergibt sich weiters, dass er etwa einen Monat vor seiner Festnahme nach Österreich einreiste.

Zu seinem Aufenthaltsort in Österreich machte der BF unterschiedliche Angaben. Bei der Befragung vor der Finanzpolizei gab er an, er habe sich bei Freunden in XXXX und in XXXX aufgehalten. Vor dem BFA nannte er Freunde in XXXX sowie Verwandte in XXXX als Unterkunftgeber. Im Zentralen Melderegister (ZMR) scheint keine Wohnsitzmeldung des BF in Österreich auf, obwohl er sich bei seiner Festnahme schon ca. ein Monat lang im Bundesgebiet befand.

Dass der BF bei der Untersuchung eines Arbeitsunfalls im Baugewerbe, wo er als Hilfsarbeiter mit Stemmen und Schleifen für eine Verkabelung beschäftigt gewesen war, von Polizeibeamten betreten wurde, ergibt sich insbesondere aus dem Anhalteprotokoll vom XXXX.10.2019, dem Schreiben der Finanzpolizei vom XXXX.11.2019 und den Aussagen des BF selbst, der die unerlaubte Erwerbstätigkeit bei der Befragung durch die Finanzpolizei und das BFA zugab. Die weiteren Ermittlungen der Finanzpolizei ergaben, dass er der XXXX als Arbeitnehmer überlassen worden war.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF ein Visum, ein Aufenthaltstitel oder eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung erteilt wurde. Dies wird weder von ihm selbst behauptet noch ergibt es sich aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR). Im Schreiben vom XXXX.11.2019 weist die Finanzpolizei auf das Fehlen einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung hin.

Die Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des BF basieren auf seiner Schilderung vor der Finanzpolizei sowie dem BFA und dem Anhalteprotokoll. Die Reduzierung seiner finanziellen Mittel leuchtet aufgrund der Zahlung der Geldstrafe laut der aktenkundigen Organstrafverfügung vom XXXX.10.2019 ein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er über weitere finanzielle Mittel (zusätzlich zu dem Bargeld, das er bei seiner Festnahme bei sich hatte) verfügt, zumal er bei seiner Einvernahme keine zusätzlichen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erwähnte und vor der Finanzpolizei angab, er habe in Nordmazedonien zuletzt (aus gesundheitlichen Gründen) nicht mehr gearbeitet.

Der BF machte vor dem BFA widersprüchliche Abgaben zum Grund der Arbeitsaufnahme, zumal er einerseits meinte, Geld für die (für den folgenden Tag geplante) Heimreise zu benötigen, und andererseits erklärte, er habe seiner Familie Geld schicken wollen. Da er vor seiner Festnahme noch EUR 500 hatte, ist nicht nachvollziehbar, dass er die Arbeit annahm, weil er kein Geld für die Heimreise hatte. Es ist daher davon auszugehen, dass er durch "Schwarzarbeit" Geld für den Unterhalt seiner Familie verdienen wollte. Letztlich ist der Grund für die Arbeitsaufnahme hier nicht entscheidungswesentlich. Die divergierenden Angaben des BF zu seinem Aufenthaltsort im Inland, zu seiner finanziellen Situation und zu den Gründen für die Aufnahme der Beschäftigung lassen es aber nicht glaubhaft erscheinen, dass er sich bloß zu touristischen Zwecken und zum Besuch von Verwandten in Österreich aufhielt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF wird durch die Einsicht in das Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, belegt.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat zutage getreten, zumal sich sein Lebensmittelpunkt bislang in seinem Herkunftsstaat befand, wo seine Kernfamilie und andere Angehörige nach wie vor leben, und er seine in Österreich befindlichen Cousins dritten Grades bei der Befragung zunächst gar nicht erwähnt hatte.

Die freiwillige Ausreise des BF am 25.10.2019 ergibt sich aus der Ausreisebestätigung vom 28.10.2019.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Nordmazedonien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Nordmazedonische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art 4 Abs 1 iVm Anhang II der Visumpflichtverordnung (Verordnung [EU] 2018/1806) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Der BF durfte daher unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e SDÜ frei bewegen.

Der BF reiste zwar mit einem gültigen Reisepass ein und hatte am 21.10.2019 (ausgehend von seiner Einreise in den Schengen-Raum am 11.08.2019) die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer noch nicht überschritten, sein Aufenthalt war aber auf Grund der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG, weil er dadurch während seines Aufenthalts im Bundesgebiet die Bedingungen des visumfreien Aufenthalts, der nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, nicht einhielt. Die übrigen Fälle des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 31 Abs 1 FPG (Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG, Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates, asylrechtliches Aufenthaltsrecht, arbeitsrechtliche Bewilligung) kommen nicht in Betracht, weil keiner dieser Tatbestände erfüllt ist. Der BF verfügt weder über ein Visum gemäß § 24 FPG noch über eine Aufenthaltsberechtigung oder eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung. Auch der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass bei ihm eine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorlag.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Da sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, hatte das BFA zunächst gemäß § 58 Abs 1 Z 5 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung waren aber nicht erfüllt, weil der Aufenthalt des BF nie geduldet iSd §46a FPG war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Da der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG ("Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung", §§ 41 bis 45c FPG) fällt, ist die Entscheidung über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nach § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Eine Rückkehrentscheidung, die in das Privat-oder Familienleben des Fremden eingreift, ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Die Rückkehrentscheidung greift weder in das Familienleben des BF, dessen Kernfamilie in Nordmazedonien lebt, noch gravierend in sein Privatleben ein, zumal keine gesellschaftliche, soziale oder sprachliche Integration in Österreich besteht. Die gesundheitlichen Probleme des BF wurden bereits in seinem Heimatland behandelt. Bei der gemäß § 9 BFA-VG iVm Art 8 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass er sich nur kurz im Bundesgebiet aufhielt und sein Aufenthalt auf Grund der Erwerbstätigkeit entgegen den Bedingungen des visumfreien Aufenthalts nicht rechtmäßig war (§ 9 Abs 2 Z 1 BFA-VG). Die Kontakte zu in verschiedenen europäischen Staaten lebenden (entfernten) Verwandten können (wie offenbar bisher, zumal der BF seinen Heimatstaat nunmehr erstmals verließ) bei Besuchen in Nordmazedonien (oder in anderen, nicht vom Einreiseverbot umfassten Staaten) sowie durch grenzüberschreitende Kommunikationsmittel (z.B. Telefon, Internet, E-Mail) gepflegt werden, zumal kein besonderes Naheverhältnis vorliegt. Der BF hat (gemäß § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG maßgebliche) enge Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er einen Wohnsitz sowie zahlreiche Angehörige hat, als XXXX erwerbstätig war und ärztlich behandelt wurde. Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit iSd § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Sein unrechtmäßiger Aufenthalt und die Erwerbstätigkeit entgegen dem AuslBG sind gemäß § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG als Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zu seinen Lasten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG liegen nicht vor.

Wegen der fehlenden Verankerung des BF in Österreich und seines Lebensmittelpunkts in Nordmazedonien ist es nicht zu beanstanden, dass das BFA bei Abwägung der gegenläufigen Interessen zu dem Ergebnis kam, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib überwiegt, zumal diese Maßnahme zur Verwirklichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, namentlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohls des Landes, geboten ist. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK somit nicht verletzt; der damit verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF ist verhältnismäßig.

Da der BF aber bereits am 25.10.2019 aus Österreich ausgereist ist, kann die Rückkehrentscheidung nicht auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützt werden. Seit der Ausreise findet sie vielmehr in § 52 Abs 1 Z 2 FPG ihre Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren schon davor und somit jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist eingeleitet wurde (siehe dazu VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Da keine Gründe hervorgekommen sind, die die Rückkehrentscheidung unzulässig erscheinen lassen, ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids mit der Maßgabe, dass die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 1 Z 2 FPG (statt wie im angefochtenen Bescheid auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG) gestützt wird, zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Nordmazedonien gilt als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 4 HStV, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der dortigen Behörden spricht, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (siehe VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153). In Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, ist es nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044).

Unter Berücksichtigung der stabilen Situation in Nordmazedonien und der Lebensumstände des BF, der dort ein soziales und familiäres Netzwerk hat und medizinisch betreut wurde, liegen keine Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Daher ist auch Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach zB dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff; vgl. auch VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Für die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs 2 Z 7 FPG bedarf es der Feststellung der nach dem AuslBG nicht zulässigen Beschäftigung auf Grund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung der Erfüllung dieses Tatbestandes. Das BFA ist zu Recht davon ausgegangen, dass § 53 Abs 2 Z 7 FPG hier erfüllt ist, zumal der BF am 21.10.2019 von der Polizei im Rahmen der Überprüfung seines Arbeitsunfalls bei einer Beschäftigung als Arbeiter auf einer Baustelle ohne die dafür erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG betreten wurde.

Die Erfüllung eines Tatbestandes nach §53 Abs 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des §53 Abs 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung ausgeübte Erwerbstätigkeit stellen eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0371). Daher liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots von bis zu fünf Jahren vor.

Auf Grund des Verhaltens des BF, der aufenthaltsrechtliche Vorschriften missachtete und im Bundesgebiet einer Beschäftigung ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung, ohne entsprechenden Aufenthaltstitel und ohne Anmeldung zur Sozialversicherung nachging, gefährdet sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Wegen des Fehlens einer legalen Beschäftigung und seiner finanziellen Lage ist konkret zu befürchten, dass er dieses Verhalten auch in Zukunft fortsetzt. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass Wiederholungsgefahr besteht und für den BF keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann.

Obwohl sich der BF grundsätzlich kooperativ verhielt und innerhalb der ihm gesetzten Frist freiwillig ausreiste, ist eine Reduktion der Dauer des mit zwei Jahren ohnehin maßvoll bemessenen Einreiseverbots nicht möglich. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher ebenfalls zu bestätigen.

Zu den Spruchpunkten V. und VI. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Auf Grund der Betretung des BF, der sich ohne Wohnsitzmeldung und ohne ausreichende Unterhaltsmittel im Bundesgebiet aufhielt, bei einer Beschäftigung ohne Anmeldung zur Sozialversicherung, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden, zumal sich aus dem oben Gesagten ergibt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht erfüllt sind. Daraus ergibt sich, dass die Behörde gemäß § 55 Abs 4 FPG auch rechtskonform von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise absah.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG nicht erforderlich. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Zu Spruchteil B)

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).

Schlagworte

Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Resozialisierung,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226871.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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