TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 W195 2219517-1

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Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AVG §35
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W195 2219517-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX , nachdem er zuvor illegal in das Bundesgebiet einreiste, einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag an, sein Name sei XXXX , er stamme aus Nigeria und sei dort am XXXX geboren worden. Seine Flucht begründete der Beschwerdeführer damit, dass seine Eltern im Jahr 2010 bei einem Bombenanschlag der Gruppierung XXXX ums Leben gekommen seien. Das Leben als Waisenkind sei danach in Nigeria sehr schwierig für ihn gewesen, es habe sich niemand um ihn gekümmert, daher habe er sich entschlossen Nigeria zu verlassen.

I.2. Am XXXX langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Verständigung des Landesgerichts Wiener Neustadt betreffend eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers unter dem Namen XXXX zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten (Probezeit: 3 Jahre), ein (Akt des BFA, AS 89 ff).

I.3. Im Auftrag des BFA erfolgte am XXXX eine Begutachtung hinsichtlich der Volljährigkeit des Beschwerdeführers durch einen Sachverständigen im Zentrum für Anatomie und Zellbiologie, Abteilung für Anatomie/Knochenlabor an der Medizinischen Universität XXXX . Aus dem Gutachten des Sachverständigen vom XXXX geht hervor, dass "im gegenständlichen Fall das höchstmögliche Mindestalter nach der vorliegenden Befundkonstellation [...] nach einfacher Wahrscheinlichkeit zum Untersuchungszeitpunkt (17.03.2016) mit 18.3 Jahren anzunehmen ist. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum lautet 28.11.1997, es kann damit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (06.10.2015) von einem Mindestalter mit 17,85 Jahren ausgegangen werden" (Akt des BFA, AS 115).

I.4. Daraufhin teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom XXXX mit, dass das BFA festgestellt habe, dass er spätestens am XXXX geboren worden sei.

I.5. In seinen Einvernahmen vor dem BFA am XXXX sowie XXXX führte der Beschwerdeführer befragt zu seinem Fluchtgrund aus, dass er sich mit Freunden einer Demonstration in XXXX angeschlossen habe, hinsichtlich XXXX und dass sie alleine sein wollen, Unabhängigkeit haben wollen". Nach einigen Stunden hätten Leute aus dem Norden ein Feuer auf die Demonstranten eröffnet und dabei sei einer seiner beiden Freunde umgekommen. Die Leute aus dem Norden hätten anschließend auch den anderen Freund mit einer Machete am Oberarm verletzt und gemeint, dass der Beschwerdeführer und sein Freund getötet werden würden und sich nirgends verstecken könnten.

I.6. Schließlich wurde der Antrag mit Bescheid des BFA vom XXXX hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria ausgesprochen, der Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer verblieb illegal im österreichischen Bundesgebiet.

1.7. Der Beschwerdeführer wies sich daraufhin im Zuge einer Fremdenkontrolle am XXXX mit einem portugiesischen Reisepass lautend auf den Namen XXXX , aus.

I.8. In Folge leitete die Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA) der Landespolizeidirektion Wien mit E-Mail vom XXXX das seitens Europol durchgeführte und vom Bundesministerium für Inneres, Bundeskriminalamt übermittelte Abfrageergebnis zu dem Beschwerdeführer, an das BFA weiter, wonach der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX eingereist sei. Am XXXX habe er den portugiesischen Staatsbürgerschaftsantrag XXXX gestellt, der dann auch per XXXX gewährt worden sei.

I.9. Anschließend erließ das BFA mit Bescheid vom XXXX gegen den Beschwerdeführer alias XXXX . Portugal, XXXX . Nigeria, XXXX Nigeria, XXXX Nigeria, XXXX Nigeria, ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Außerdem wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt und der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

I.10. In Folge verhängte das BFA über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX , eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 726,00. In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, dass das Gesetz einen offenbaren Mutwillen verlange und dies dann anzunehmen sei, wenn die wider besseres Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehe, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar sei. Dies manifestiere sich auch darin, dass sich der Fremde sowohl während der Erstbefragung als auch im Rahmen der stattgefundenen Einvernahmen im Asylverfahren sowie im Zuge des Beschwerdeverfahrens als nigerianischer Staatsbürger ausgegeben habe und unter folgenden Identitäten bekannt sei: XXXX , geboren am XXXX , geboren am XXXX , geboren XXXX Die vorliegenden Tatsachen seien so eklatant, dass das BFA zum Schluss komme, dass es sich bei allen Angaben im Rahmen des Asylverfahrens um wissentlich und vorsätzlich falsch dargestellte Sachverhalte sowohl zur Person als auch zum Fluchtgrund handle, um die Behörde mutwillig zu beschäftigen. Außerdem komme den Aussagen des Asylwerbers im Asylverfahren eine zentrale Bedeutung zu und der Fremde habe den Antrag auf internationalen Schutz bewusst unrichtig begründet und ausgeführt, dass er nigerianischer Staatsbürger sei, obwohl er in Wahrheit Staatsbürger der Republik Portugal sei.

I.11. Gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe richtet sich die vom Beschwerdeführer, gegenständlich erhobene Beschwerde vom XXXX . Darin wird ausgeführt, dass die Behörde die Pflicht habe, für die Durchführung aller, zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein könne, einzugehen habe. Den Anforderungen habe die belangte Behörde nicht genügt und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Der Beschwerdeführer habe sich im Zuge seines Aufgreifens im österreichischen Bundesgebiet stets kooperativ verhalten. Er habe im Rahmen der Kontrolle seiner Person einen portugiesischen Reisepass und Personalausweis vorgelegt und dabei keinerlei Anstalten gezeigt, sich den Beamten zu widersetzen. Insofern habe sich der Beschwerdeführer nach den einschlägigen Bestimmungen des AVG vorbildlich und rechtskonform verhalten. Solle der Beschwerdeführer tatsächlich unter fremden Identitäten im Bundesgebiet bekannt sein, so sei er diesbezüglich zu befragen und seien entsprechende Beweismittel einzuholen. Zudem könne das Auftreten unter einer anderen Identität vielerlei Gründe haben, mitunter auch mit dem Asylantrag in Verbindung stehen. Aus dem tatsächlichen aktenkundigen Verhalten des Beschwerdeführers sei keine Begründung für die Verhängung einer Mutwillensstrafe zu sehen.

I.12. Aufgrund telefonischer Nachfrage vom XXXX übermittelte das BFA dem BVwG das von der nigerianischen Botschaft ausgestellte Heimreisezertifikat des Beschwerdeführers vom XXXX , aus dem die nigerianische Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers hervorgeht, sowie den genauen Bericht der Überstellung nach Nigeria.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX als XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Nigeria einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt.

1.2. Im Gutachten zur Altersfeststellung vom XXXX stellte der Sachverständige ein höchstmögliches Mindestalter nach der vorliegenden Befundkonstellation mit einfacher Wahrscheinlichkeit zum Untersuchungszeitpunkt mit 18,3 Jahren fest. Das daraus "fikitve" Geburtsdatum ist der XXXX . Demnach war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am XXXX 17,85 Jahre alt (Akt des BFA, AS 95).

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX vom BFA unter dem Namen XXXX als nigerianischer Staatsangehöriger einvernommen.

1.4. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria ausgesprochen.

Das BFA stellte ein Rücknahmeersuchen an die Botschaft der Bundesrepublik Nigeria (Akt des BFA AS 405).

1.5. Am XXXX wies sich der Beschwerdeführer im Zuge von Fremdenkontrollen gegenüber Beamten mit einem portugiesischen Reisepass lautend auf den Namen XXXX , Staatsangehörigkeit Portugal, Geburtsort Republik Sao Tome, aus.

1.6. Das Ergebnis der Ermittlungen hinsichtlich der Identität des Beschwerdeführers, eingelangt via Europol am XXXX , ergab, dass der Beschwerdeführer am XXXX mit einem XXXX reiste. Unter dem Namen XXXX , stellte der Beschwerdeführer am XXXX den portugiesischen Staatsbürgerschaftsantrag zur Zahl XXXX . Die portugiesische Staatsbürgerschaft wurde dem Beschwerdeführer mit XXXX gewährt (E-Mail vom XXXX des Bundesministeriums für Inneres/Bundeskriminalamt, AS 13; Europol AS 55).

1.7. Daraufhin wurde mit XXXX im Verfahren des BFA der Verfahrensstatus des Beschwerdeführers "ad acta" gelegt und als Änderungsgrund "Staatsbürger von Portugal" festgehalten.

1.8. Der Beschwerdeführer wies sich auch bei einer Amtshandlung der PI XXXX im Zusammenhang mit dem Suchmittelgesetz mit dem portugiesischen Reisepass lautend auf den Namen XXXX , Geburtsort Republik Sao Tome , aus.

1.9. Mit Bescheid vom XXXX erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Portugal, alias XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, XXXXlias XXXX geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Nigeria, XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, erteilte keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. In den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers wurde festgehalten, dass die Identität feststeht, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Portugal, heiße XXXX und sei am XXXX geboren .

1.10. Mit XXXX verhängte das BFA über den Beschwerdeführer XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Portugal, alias XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX geboren am XXXX

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, eine Mutwillensstrafe in Höhe von €

726,00, da der Beschwerdeführer sich als nigerianischer Staatsbürger ausgegeben habe und unter den genannten Identitäten bekannt sei.

1.11. In Folge stellte das nigerianische Konsulat in Wien am XXXX , das Heimreisezertifikat des Beschwerdeführers lautend auf den Namen XXXX für den Herkunftsstaat Nigeria aus und führte in diesem an "This is to certify that XXXX has stated that he is a NIGERIAN and I have no reason to doubt his statement. This certificate is valid only for the journey to NIGERIA."

1.12. Mit Urteil des Landesgericht XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX wiederholt wegen Verbrechen/Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt.

1.13. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in das Anhaltezentrum XXXX gebracht und am XXXX nach Nigeria abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere den Bescheid hinsichtlich der Verhängung der Mutwillensstrafe des BFA vom XXXX , die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das BVwG vom XXXX , die Ermittlungsergebnisse zu der Identität des Beschwerdeführers, eingelangt via Europol vom XXXX mit der Korrespondenz des BFA sowie das von der Botschaft Nigeria ausgestellte Heimreisezertifikat des Beschwerdeführers vom XXXX . Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.

Es liegen keine Gründe vor an der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse, insbesondere an dem von der Botschaft Nigeria ausgestellten Heimreisezertifikat lautend auf den Namen XXXX , zu zweifeln, wonach es sich bei dem Beschwerdeführer um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelt. Der Beschwerdeführer bediente sich sohin falscher Identitätsdokumente, oder auch anderer unlauterer Mittel, um an den portugiesischen Reisepass lautend auf den Namen XXXX zu gelangen und führte damit in weiterer Folge das BFA in die Irre. Es geht deutlich aus den Bescheiden vom XXXX (Erlassung des Aufenthaltsverbotes) sowie XXXX (Mutwillensstrafe) hervor, dass der Beschwerdeführer das BFA dazu veranlasste fälschlicherweise zu glauben, dass er XXXX heiße, er nicht in Nigeria, sondern in Sao Tome am XXXX geboren sei und ihm rechtmäßig die portugiesische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX als Staatsangehöriger von Nigeria einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX in Bezug auf den Herkunftsstaat XXXX abgewiesen. In Folge wies sich der Beschwerdeführer im Rahmen von Fremdenkontrollen unter falschem Namen XXXX , Geburtsdatum XXXX , Geburtsort XXXX und Herkunftsstaat (Portugal) mit einem portugiesischen Reisepass aus. Mit XXXX wurde die portugiesische Staatsbürgerschaft lautend auf den Namen XXXX durch eine Europol Ermittlung bestätigt und das BFA verhängte über den Beschwerdeführer mit Bescheiden vom XXXX und XXXX zum einen ein Aufenthaltsverbot, sowie zum anderen eine Mutwillensstrafe, in der Annahme, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Portugal sei, sich bisher aber vor dem BFA als nigerianischer Staatsangehöriger ausgegeben habe. Auf Grund der Ausstellung des Heimreisezertifikates bestätigte sich jedoch wiederum die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wies sich daher unter falschem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Herkunftsstaat vor den österreichischen Behörden aus und ließ das BFA dadurch im falschen Glauben, dass er rechtmäßig die portugiesische Staatsbürgerschaft besitze sowie sein Geburtsort nicht Nigeria, sondern die Republik Sao Tome sei.

Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Gegenständlich liegt die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers darin begründet, dass er angab nigerianischer Staatbürger zu sein, sich in Folge von Personenkontrollen jedoch mit einem Reisepass des Staates Portugal unter falschem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Herkunftsstaat auswies und das BFA dahingehend behelligte und mutwillig beschäftigte, da die Behörde im Zuge des Nachweises der Identität mit dem portugiesischen Reisepass in der Folge annehmen musste, dass der Name des Beschwerdeführers XXXX sei, er ursprünglich aus der Republik Sao Tome komme und rechtmäßig die portugiesische Staatsbürgerschaft besitze. Das BFA änderte daraufhin den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers von Nigeria auf Portugal und setzte entsprechende Maßnahmen, bis das BFA wiederum Kenntnis darüber erlangte, dass die Botschaft Nigeria ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer lautend auf den Namen XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, ausstellte und sich der Beschwerdeführer daher nach dem abweisenden Asylbescheid mit portugiesischen Dokumenten vor den österreichischen Behörden auswies. Mutwilligkeit ist darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer sich im Bewusstsein der Unrichtigkeit mit einem portugiesischen Reisepass, aus welchem ein falscher Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Herkunftsstaat hervorgegangen ist, nach dem abweisenden Bescheid vom XXXX auswies, wodurch auch das BFA veranlasst war die neue Staatsbürgerschaft zu berücksichtigen. Die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. die Zweck- und die Nutzlosigkeit seiner dergestalt behaupteten Identität war dem Beschwerdeführer jedenfalls bewusst und die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg (Verhinderung der Abschiebung nach Nigeria) zu erreichen, war für jedermann erkennbar.

Abgesehen von der Mutwilligkeit seines prozessualen Verhaltens kann dem Beschwerdeführer darüber hinaus auch eine Verschleppung des Asylverfahrens bzw. der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides zur Last gelegt werden, da er nachträglich durch das Ausweisen mit dem portugiesischen Reisepass ganz offenkundig auch bezweckte, das BFA und andere bei der Durchsetzung beteiligte Behörden (Fremdenpolizei), bei der weiteren Bearbeitung der abweisenden Asylentscheidung vom XXXX , in die Irre zu leiten bzw. weitere Schritte in Gang zu setzen, um eine rasche Abschiebung zu vereiteln.

In Zusammenschau der chronologischen Hergänge im Zusammenhang mit der schlussendlich durchgesetzten Abschiebung des Beschwerdeführers, bleibt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung, als die vorsätzlich rechtsmissbräuchliche Verwendung unrichtiger Identitätsdokumente, um eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Nigeria zu verhindern sowie einen illegalen Aufenthalt in Österreich bzw. in der Europäischen Union zu prolongieren und kommt gerade in dieser Konstellation die Verhängung der Mutwillensstrafe im "Ausnahmefall" in Betracht.

Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG grundsätzlich gegeben, da der Beschwerdeführer durch das Ausweisen mit einem portugiesischen Reisepass die Behörde offenbar mutwillig beschäftigte sowie in Absicht der Verfahrensverschleppung bzw. zur Vereitelung der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides unrichtige Angaben gemacht hat.

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von EUR 726,00, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/12/0411;

Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 6).

Das Bundesverwaltungsgericht sieht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von mindestens fünf Monaten seit erstmaliger Vorlage des portugiesischen Reisepasses gesetzten Täuschungshandlungen des Beschwerdeführers, keine Veranlassung die vom BFA festgesetzte Strafhöhe zu reduzieren. Der Beschwerdeführer lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung, was dieser sowohl durch die wiederholten Delikte und Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz, als auch durch die konsequente Vorlage des unrichtigen Reisepasses und die Zuhilfenahme verschiedener Identitäten zu untermauern vermochte, vermissen. Angesichts des schweren Fehlverhaltens, auch über die österreichischen Grenzen hinaus, kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der geforderten präventiven Wirkung der verhängten Mutwillensstrafe, die Höhe der Strafe und das gesetzte Verhalten in entsprechender Relation stehen.

Schließlich ist zu Lasten des Beschwerdeführers auch der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer, beanspruchte finanzielle als auch personelle Ressourcen des BFA und der damit zusammenarbeitenden Behörden (sowie auch des BVwG).

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich die Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten, durch das mutwillige Verhalten des Beschwerdeführers (Vorlage eines unrichtigen portugiesischen Reisepasses mit Bekanntgabe einer sich zur Gänze vom bisherigen Asylverfahren unterscheidenden Identität), zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen keine hervor.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des Beschwerdeführers bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass - nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG - § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

3.2. Zur Verletzung des Parteiengehörs vor der belangten Behörde:

Hinsichtlich der Rüge in der Beschwerde, dass das Parteiengehör verletzt wurde, ist festzuhalten, dass dieser Mangel als geheilt anzusehen ist, da der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Kenntnis konnte der Beschwerdeführer aus der Begründung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom XXXX erlangen, sohin wurde im Beschwerdeschriftsatz mit Kenntnis über den gesamten relevanten Sachverhalt Stellung genommen (vgl. VwGH 09.05.2017, 2014/08/0065).

3.3. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von dem Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit, Identität, Mutwillensstrafe, Vereitelung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2219517.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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