Entscheidungsdatum
04.02.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W164 2181640-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 21.09.2017, Zl. HVBA- XXXX , betreffend Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerdeführerin ist von 01.11.2005 bis 31.10.2015 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG iVm 669 Abs 3 ASVG berechtigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit einem bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) am 17.05.2010 eingelangten Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX , gemäß § 18a ASVG ab Mai 2009.
Mit Bescheid vom 23.07.2010 lehnte die PVA diesen Antrag mit der Begründung ab, dass aufgrund der Erkrankung des Sohnes an Zöliakie die Arbeitskraft der BF nicht gänzlich beansprucht werde. Dem Einspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 02.02.2011 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Gegen diese Entscheidung erhob die BF kein Rechtsmittel.
Am 23.05.2014 stellte die BF einen weiteren Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG iVm § 669 Abs 3 ASVG für Zeiten der Pflege ihres von Zöliakie betroffenen Sohnes.
Diesen Antrag lehnte die PVA mit Bescheid vom 21.08.2015 gemäß §§ 18aASVG, 669 Abs 3 ASVG mit der Begründung ab, dass der 2001 geborene Sohn XXXX aufgrund seiner Erkrankung nicht der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege durch die BF bedürfe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2015, W145 2117115-1/2E, hinsichtlich der Zeiträume 01.10.2005 bis 30.04.2009, 01.06.2010 bis 30.07.2010, 01.09.2010 bis 30.11.2010, 01.01.2011 bis 31.07.2011, 01.09.2011 bis 31.12.2012, 01.01.2013 bis 31.07.20163, 01.09.2013 bis 31.07.2014 und 01.09.2014 bis 31.07.2015 als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde ausgesprochen, dass hinsichtlich des Zeitraumes 01.05.2009 bis 31.05.2010 entschiedene Sache vorliege. Gegen diese Entscheidung erhob die BF kein Rechtsmittel.
Am 10.10.2016 stellte die BF den nun gegenständlichen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Sohnes gemäß §§ 18a, 669 Abs 3 ASVG ab 01.11.2005.
Die PVA befragte die BF mittels eines Fragebogens zur zeitlichen Dauer der von der BF zu verrichtenden täglich widerkehrenden und der fallweise wiederkehrenden notwendigen Pflegeverrichtungen im Sinne der Einstufungsverordnung, EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999. Die Fragestellung bezog sich nicht auf bestimmte, in der Vergangenheit liegende Zeiträume.
Die BF beantwortete diesen Fragebogen erkennbar entsprechend ihrer aktuellen Lebenssituation und führte weiters an: XXXX ist jetzt 15 Jahre. Er geht in die HTL in XXXX und isst dort zu Mittag in der Kantine. Mit guter Rücksprache der Küche ist das möglich. Ich stelle den Antrag 10 Jahre rückwirkend, da XXXX zu dieser Zeit im Kindergarten war und noch mehr Aufmerksamkeit, Pflege und Motivation brauchte. Auch war die Beschaffung der Nahrungsmittel sowie die Fortbildung und Vernetzung zeitintensiver. Ich habe diese Zeiten in Klammer dazugeschrieben. Weiters backe ich auch Brot selber für XXXX , deshalb ist die Zeitangabe von der Zubereitung der Mahlzeiten höher, als aus dem Tagesablauf hervorgeht. XXXX ist in der Pubertät und hinterfragt sehr häufig seine Diät. Deshalb führen wir viele Motivationsgespräche mit ihm.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 21.09.2017 lehnte die PVA den letztgenannten Antrag vom 10.10.2016 ab und führte begründend aus, die Arbeitskraft der BF werde durch die Pflege ihres Sohnes nicht gänzlich beansprucht. Der anfallende Pflegeaufwand liege bei unter 60 Stunden monatlich.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, die Rechtslage habe sich dahingehend geändert, dass nun auf die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft abzustellen sei. Die PVA sei jedoch nach wie vor davon ausgegangen, dass § 18a ASVG in der alten Fassung gelte, wonach eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft Voraussetzung sei. Diese Auffassung treffe nicht zu.
Die PVA legte diese Beschwerde mit dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor (Einlangensdatum 27.12.2017) und verwies in ihrem Vorlageschreiben im Wesentlichen auf die bisher bereits ergangenen Entscheidungen. Der von der BF erbrachte erhöhte Pflegeaufwand liege gemäß ihren Angaben unter 60 Stunden pro Monat.
Mit Schreiben vom 12.03.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die BF, den in der Vergangenheit aufgewendeten Pflegeaufwand differenziert hinsichtlich 1) der Zeit des Kindergartenbesuchs, 2) der Zeit der allgemeinen Schulpflicht und 3) der Zeit seit der Vollendung der allgemeinen Schulpflicht (August 2015) zu schildern.
In Beantwortung dieses Schreibens gab die BF bezogen auf den erstgenannten Zeitraum an, sie habe täglich 0,5 Stunden für den Einkauf glutenfreier Lebensmittel aufgewendet: diese hätten nicht vor Ort eingekauft werden können. Auch habe man genau nachlesen müssen, um die Inhaltsstoffe zu erfahren. Die BF sei damals überdies noch unerfahren gewesen, was den Zeitaufwand bei der Zubereitung der Speisen erhöht habe: 3,5 Stunden täglich. Die BF habe Zeit für Fortbildung und Vernetzung aufgewendet (25 Min. täglich). Der von Zöliakie betroffene Sohn habe engmaschig ärztlich betreut werden müssen (1,5 Stunden im Monat). Kochgeschirr, Geschirr, Kochlöffeln und Besteck hätten für den von Zöliakie betroffenen Sohn gut gereinigt werden müssen, um glutenhaltige Rückstände zu vermeiden (täglich eine Stunde), Motivationsgespräche seien erforderlich gewesen (täglich 1/2 Stunde). Kindergartenpädagoginnen hätten (etwa bei Geburtstagsfeiern von Kindern, bei Festen und Ausflügen) unterstützt werden müssen (0,5 Stunden im Monat). Das Kind habe zu Beginn dennoch immer wieder Bauchschmerzen bekommen und betreut werden müssen.
Für den zweitgenannten Zeitraum gab die BF an, sie habe weiterhin täglich 0,5 Stunden für den Einkauf glutenfreier Lebensmittel aufgewendet: diese hätten weiterhin nicht vor Ort eingekauft werden können. Auch habe man genau nachlesen müssen, um die Inhaltsstoffe zu erfahren. Nach wie vor seien viele Speisen gar nicht im Geschäft erhältlich gewesen. Die BF habe sie selber hergestellt (Backerbsen, Brot, Faschingskrapfen): 3,5 Stunden täglich. Die BF habe Zeit für Fortbildung und Vernetzung aufgewendet (25 Min. täglich). Der von Zöliakie betroffene Sohn habe weiterhin ärztlich betreut werden müssen (0,5 Stunden im Monat). Kochgeschirr, Geschirr, Kochlöffen und Besteck hätten für den von Zöliakie betroffenen Sohn gut gereinigt werden müssen, um glutenhaltige Rückstände zu vermeiden (täglich eine Stunde), Motivationsgespräche seien vermehrt erforderlich gewesen (täglich 1 Stunde). Lehrer hätten bei verschiedenen Projekten Unterstützung angefordert (0,5 Stunden im Monat). Das Kind habe trotz Diät immer wieder Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall bekommen und habe betreut werden müssen.
Für den Zeitraum ab August 2015 gab die BF an, sie habe nunmehr wöchentlich 0,5 Stunden für den Einkauf glutenfreier Lebensmittel aufgewendet, da diese nun Vorort erhältlich seien. Der Sohn habe ab dem Besuch der HTL in der Schulkantine essen können. Für die Zubereitung der Speisen seien nur mehr 1,5 Stunden täglich aufgewendet. Die BF habe weiterhin Zeit für Fortbildung und Vernetzung aufgewendet ( 1 Stunde monatlich). Der von Zöliakie betroffene Sohn sei jährlich im Krankenhaus ärztlich betreut worden(3 Stunden im Jahr). Kochgeschirr, Geschirr, Kochlöffen, Nudelsiebe und Besteck hätten weiterhin für den von zöliakie betroffenen Sohn gut gereinigt werden müssen, um glutenhaltige Rückstände zu vermeiden (täglich eine Stunde), Motivationsgespräche seien von hoher Wichtigkeit gewesen, da sich der Sohn in der Pubertät befunden habe (0,25 Stunden täglich) Die Vernetzung mit Lehrern sei erforderlich gewesen, damit diese bei Schulveranstaltungen auf die richtige Ernährung des Kindes achten. (0,5 Stunden pro Monat) Der Sohnhabe weiterhin fallweise Übelkeit und Bauchschmerzen.
Ergänzend führte die BF aus, 2005 seien nur wenige glutenfreie Lebensmittel im Handel erhältlich gewesen. Man habe sie am ehesten in Reformhäusern oder gut sortierten großen Supermärkten kaufen können. Die Inhaltsstoffe seien damals nur schwer ersichtlich gewesen. Man habe viel Zeit in den Geschäften verbracht, um die Zutatenlisten zu studieren. Es sei eine Herausforderung gewesen, hochwertige, schmackhafte Lebensmittel zu erwerben und zu kochen. Mittlerweile habe sich die Versorgung an glutenfreien Lebensmitteln hinsichtlich Menge, Verfügbarkeit und Qualität verbessert. Die BF habe stets Wert auf eine warme Mahlzeit am Tag gelegt. Eine Teilnahme des Sohnes am Mittagstisch in der Schule der Gemeinde - der Sohn habe auch nachmittags Unterricht gehabt - sei aber bis zum Ende der Mittelschulzeit nicht möglich gewesen. Auch zum Frühstück habe für den von Zöliakie betroffenen Sohn etwa eine separate Butter, Marmelade und Honig zu Verfügung stehen müssen, um eine Verunreinigung mit Brotbröseln zu vermeiden. Ärztliche Kontrollen seien zu Beginn in knappen Abständen notwendig gewesen. Motivationsgespräche seien die ganze Zeit über erforderlich gewesen. Nur die Fragestellungen hätten sich im Laufe der Jahre geändert. Zunächst sei es um die Frage gegangen, was der Sohn essen dürfe und was nicht, dann um die Frage, was genau passiere, wenn er die Diät nicht einhalte, in der Pubertät sei es vor allem um die Wichtigkeit der Diät gegangen, da der betroffene Sohn es nicht als "cool" angesehen habe, seinen Eltern Gehör zu schenken. Die Motivation sei auch deshalb sehr wichtig gewesen. Sehr oft habe es am Verständnis anderer Kinder oder auch Erwachsener gemangelt. Es sei wiederholt die Frage aufgetaucht: "Warum leide gerade ich an Zöliakie". Eine ganztätige Betreuung sei bis zum Ende der Mittelschulzeit nicht möglich gewesen. Beide Elternteile seien in den nunmehrigen Wohnort zugezogen. Großeltern oder andere Verwandte seien im Alltag nicht zur Verfügung gestanden. Seit der Sohn die HTL besuche, halte die BF regelmäßig Rücksprache mit der Kantine, um den Mitarbeitern bewusst zu machen, wie wichtig es sei eine strikt glutenfreie Mahlzeit anzubieten. Dies sei Anfangs mit Schwierigkeiten verbunden gewesen.
Seit August 2015 sei die BF in der gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert.
Die PVA verwies im Rahmen des dazu gewährten Parteiengehörs auf ihre im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Ermittlungen. Der Pflegeaufwand liege im vorliegenden Fall unter 60 Stunden pro Monat. Die BF wohne nicht im abgeschiedenen ländlichen Raum. Im Raum XXXX und Umgebung sei im gesamten Prüfzeitraum ausreichend Infrastruktur vorhanden gewesen. Dies sei in Zusammenhang mit der Frage der Verfügbarkeit glutenfreier Lebensmittel zu berücksichtigen. Die BF habe die Möglichkeit gehabt, auf relativ kurzen Wegen Lebensmittel in Reformhäusern und Supermärkten zu erwerben. Die PVA verwies auf VwGH 2014/08/0084 und auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommene Befragung. Daraus ergebe sich ein weit unter dem Mindestwert von 60 Stunden münatlich liegender Pflegebedarf. Die BF schildere ferner keinen über das Normalausmaß hinausgehenden Widerstand des Kindes oder besondere Schwierigkeiten mit dem Umfeld/ der Schule. Vielmehr verweise sie auf einen guten Kontakt mit der Küche der HTL, die ihr Sohn besuche. Im Fall der BF wäre somit auch eine außerhäusliche Betreuung möglich gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist die leibliche Mutter des Kindes XXXX , geb. XXXX bei dem im Oktober 2005 Zöliakie diagnostiziert wurde. Von Oktober 2005 bis August 2019 wurde für das Kind erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Der von der BF gestellte Antrag bezieht sich auf die Zeit ab November 2005. Der Sohn XXXX besuchte zu dieser Zeit den Kindergarten. Großeltern und Verwandte standen dem in den Wohnort XXXX zugezogenen Elternpaar nicht zur Verfügung. Der Sohn XXXX wuchs mit einem älteren Bruder und seinen Eltern auf, die alle nicht von Zöliakie betroffen waren.
Die BF hatte erhöhten Betreuungsaufwand beim Einkaufen, Kochen, Säubern von Gebrauchsgegenständen, im Rahmen notwendiger Motivationsgespräche, engmaschiger ärztlicher Kontrollen und als Folge der trotz allem immer wieder beim Kind auftretenden Bauchbeschwerden. Sie hatte intensiven Kontakt zum Kindergartenpersonal zu pflegen und für ihre Fortbildung und Vernetzung in einem Verein gleichbetroffener Eltern zu sorgen.
Ab September 2007 besuchte der von Zöliakie betroffene Sohn die Volkschule und im Anschluss die neue Mittelschule seiner Heimatgemeinde. Die BF hatte erhöhten Betreuungsaufwand beim Einkaufen, Kochen, Säubern von Gebrauchsgegenständen, im Rahmen notwendiger Motivationsgespräche, weiterhin regelmäßiger ärztlicher Kontrollen und als Folge der weiterhin trotz allem beim Kind hin und wieder auftretenden Bauchbeschwerden. Sie hatte sich mit dem Lehrpersonal zu vernetzen und dieses etwa bei Schulveranstaltungen zu unterstützen. Sie hatte weiterhin für ihre Fortbildung und Vernetzung in einem Verein gleichbetroffener Eltern zu sorgen.
Ab September 2015 besuchte der von Zöliakie betroffene Sohn der BF die HTL in einer etwa 35 km entfernten Stadt. Er konnte dort nach anfänglichen Schwierigkeiten und entsprechenden Bemühungen der BF um einen guten Kontakt zur Kantine weitgehend problemlos in der Kantine essen. Die BF hatte danach weiterhin einen (in geringerem Ausmaß als davor) erhöhten Betreuungsaufwand beim Kochen, Säubern von Gebrauchsgegenständen. Sie hatte mit dem Lehrpersonal Kontakt zu halten und sorgte weiterhin für ihre Fortbildung und Vernetzung in einem Verein gleichbetroffener Eltern. Motivationsgespräche waren weiterhin von besonderer Wichtigkeit.
Die BF hatte im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum ihren Wohnsitz im Inland. Sie lebte mit ihrem von Zöliakie betroffenen Sohn XXXX im gemeinsamen Haushalt in einer Gemeinde mit etwa 6.500 Einwohnern im Vorarlberger Bezirk XXXX . Sie ging geringfügigen Beschäftigungen nach. Ab August 2015 war die BF vollversicherungspflichtig beschäftigt. Die BF räumt selbst ein, dass ihr Sohn zum Antragszeitpunkt Oktober 2016 keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege mehr bedarf.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen einer Erkrankung an Zöliakie bereits mehrmals Gutachten von Sachverständigen eingeholt. Diese sind in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts W228 2130094-1/6E, W228 2130096/6E, W164 2104593-1/16E, und W164 2103063-1/17E und in anonymisierter Form auf https://www.ris.bka.gv.at veröffentlicht und können als bekannt vorausgesetzt werden. Die allgemeinen, nicht auf den jeweils konkret beurteilten Fall bezogenen Aussagen dieser Begutachtungen werden den hier vorliegenden Feststellungen zu Grunde gelegt.
Daraus ergibt sich zusammengefasst folgendes:
Zöliakie sei eine angeborene Autoimmunerkrankung, die durch das Klebereiweiß Gluten, dass in Getreideprodukten enthalten ist, ausgelöst wird. Die Krankheit wird üblicherweise im frühen Kindesalter entdeckt, wenn erstmals Glutenhaltige Nahrungsmittel in die Ernährung eingeführt werden. Unbehandelt führt Zöliakie zum Absterben einiger Teile der Dünndarmschleimhaut. Damit können nicht genug Nährstoffe aufgenommen werden und es ergeben sich schwerwiegende Folgekrankheiten, die unbehandelt zum Tod führen können.
Die medizinische Behandlung der Erkrankung Zöliakie besteht in einer glutenfreien Diät. Diese Art der Behandlung hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Zusätzliche Arzneimittel werden nicht eingesetzt. Regelmäßige ärztliche Kontrollen der wichtigsten Blutwerte und die Beobachtung der allgemeinen Entwicklung sollten erfolgen.
Die Gestaltung des Tagesablaufes sowie die Ernährung des Kindes ist essentiell, da sie die einzige Therapieform der Erkrankung darstellt. Es muss darauf geachtet werden, dass das Kind keine glutenhaltigen Nahrungsmittel zu sich nimmt. Das Kind darf auch nicht "Naschen", da schon die kleinste Glutenzufuhr einen neuen Krankheitsschub auslösen kann. Kochgeschirr und Besteck müssen (normal also mit den im Haushalt üblichen Mitteln) abgewaschen werden.
Lebenslang vermieden werden müssten: Weizen, Roggen, Hafer und Gerste. Auch Dinkel, Grünkern, Ein-und Zwei Korn (Emmer), Urkorn, Bulgur, Couscous und Wildreis müssten bei Gluten-Unverträglichkeit strikt gemieden werden. Andere Getreidesorten (wie zB Mais, Naturreis, Hirse, Quinoa, Buchweizen und Amaranth) werden gut vertragen und können bei Gluten-Unverträglichkeit die Deckung des Kohlehydratebedarfes ermöglichen. Auch Soja, Nüsse und Samen würden als Hülsenfrüchte keine Probleme machen.
Durch das Meiden von Gluten bessert sich der Zustand des Darmes wiederum, so dass Folgeschäden vermieden werden können. Betroffene müssten lebenslang auf Gluten-haltige Lebensmittel verzichten, somit auch auf verfeinerte Nahrungsmittel, die ebenfalls Gluten-Beimengungen enthalten.
Die Konsequenzen der Einnahme belastender Lebensmittel kann von kurzzeitigen Durchfällen und kurzzeitiger Übelkeit bis hin zu einer Wachstumsretardierung, einem Untergewicht und schwerer gesundheitlicher Probleme führen. Bei einer krassen und längerfristigen Missachtung (mehrere Monate) treten so schwere Störungen auf, dass ein Schulbesuch nicht mehr möglich ist. Dies ist vom Alter des Kindes unabhängig.
Erziehungs-, Motivations- und Kontrollmaßnahmen durch die Eltern sind bei einem Heranwachsenden, vor allem bei einem kleinen Kind besonders wichtig. Da Gluten auch in solchen Kleinigkeiten wie Gummibärchen und Ähnlichem enthalten ist, muss das Kind wirklich andauernd motiviert werden. Man kann selbstverständlich davon ausgehen, dass das Kind im Laufe seiner Entwicklung lernt mit der Krankheit umzugehen. Ein 3 und 4-jähriges Kind wird man besser überwachen müssen, als etwa einen 15 oder 16 jährigen Knaben. Hier darf man doch von einer gewissen Eigenverantwortlichkeit ausgehen.
Die glutenfreie Ernährung von Kindern stellt auch deshalb ein bedeutendes Problem dar, da Kinder durch die vielen Nahrungsmittelverbote leicht stigmatisierbar sind und häufig in eine Außenseiterposition geraten können. Die Krankheitseinsicht und die Notwendigkeit zur Diätführung ist im Kleinkindalter schwer zu vermitteln. Im jugendlichen Alter kommt es im Rahmen des Ablöseprozesses vom Elternhaus häufig zu einer Verweigerung, die Krankheit und ihre Behandlung zu akzeptieren. Mehrere Faktoren sind notwendig damit eine restriktive Diät im Kindesalter durchgeführt werden kann: Die Einsicht, krank zu sein, die Akzeptanz der Krankheit, die Bereitschaft, die Krankheit zu behandeln und das spezielle Wissen zur Diätführung zusammen mit den Fertigkeiten die Nahrung entsprechend zu zubereiten. Neben der reinen Vermittlung von Wissen und Können ist auch die kontinuierliche Motivierung des Kindes durch die Eltern zum Durchführen und Durchhalten der Diät erforderlich. Erst im jugendlichen Alter besteht erfahrungsgemäß (bei Knaben frühestens mit 15 Jahren) die Reife, das Wissen und das Können, eine Gluten-freie Ernährung konsequent selbstständig zuzubereiten.
Glutenfreie Nahrung kann aktuell in allen Lebensmittelketten gekauft werden. Diesbezüglich haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten Verbesserungen ergeben.
Mit der Verordnung (EG Nr. 41/2009) wurde die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln geregelt, die für Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit geeignet sind. Diese Verordnung trat mit 01.01.2012 in Kraft.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich soweit hier Wesentlich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, aus der Beschwerde und der im Beschwerdeverfahren von der BF eingebrachten aufgetragenen Stellungnahme vom 29.3.2019. Weiters wurden die allgemeinen, nicht auf den jeweils konkret beurteilten Fall bezogenen Aussagen der in den Erkentnissen W228 2130094-1/6E, W228 2130096/6E, W164 2104593-1/16E, und W164 2103063-1/17E zusammengefassten fachärztlichen Sachverständigengutachten aus den Bereichen innere Medizin und Pädiatrie den hier vorliegenden Feststellungen zu Grunde gelegt.
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Der von der BF im Beschwerdeverfahren detailliert geschilderte Betreuungsaufwand erscheint nachvollziehbar und steht im Wesentlichen mit den herangezogenen gutachterlichen Feststellungen im Einklang. Seitens der belangten Behörde wird im Wesentlichen eingewendet, dass die Umgebung des in Vorarlberg liegenden Wohnortes der BF gut erschlossen sei, die Wege zu Reformhäusern und größeren Supermärkten seien relativ kurz, sodass die die BF auch zu Beginn des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes in den Reformhäusern der umgebenden infrastrukturell gut erschlossenen Städte relativ leicht zu glutenfreien Lebensmitteln habe kommen können. Dieser Einwand war in die vorliegende Beweiswürdigung mit einzubeziehen. Andererseits hat die BF, was die Beschaffung von geeigneten Lebensmitteln betrifft, aber darauf hingewiesen, dass sie speziell in den ersten Jahren des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes viel Zeit mit dem Studieren der auf den Lebensmittelpackungen abgedruckten "Ingredients" aufwenden musste. Dieses Vorbringen findet seine Entsprechung darin, dass die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die für Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit geeignet seien, erst mit einer am 1.1.2012 in Kraft getretenen EU-Verordnung geregelt wurde. Auch dieses Vorbringen war entsprechend zu berücksichtigen.
Insgesamt hat die BF primär den Aufwand betreffend die ständige Überwachung der - aus medizinischen Gründen penibel einzuhaltenden - Diät (- das Kind durfte keinerlei Brotkrümmel und keinerlei glutenhaltige Zutat zu sich nehmen - ) und die altersentsprechende Motivationsarbeit betont, deren Facetten beim heranwachsenden Kind eine besondere Herausforderung gebildet hätten. Die BF hat damit überdies aufgezeigt, dass sie in ihrem Bemühen, dem Kind trotz seiner Einschränkungen einen altersentsprechenden Alltag möglich zu machen, im Hinblick auf die damals noch bevorstehende Entwicklung des Kindes wie oben festgestellt Präventivarbeit geleistet hat. Die diesbezüglichen Vorbringen der BF erscheinen unter Berücksichtigung der angeführten allgemeinen fachärztlichen Stellungnahmen schlüssig und waren den Feststellungen daher zu Grunde zu legen.
Soweit die belangte Behörde einwendet, es seien keine besonderen Schwierigkeiten des Kindes mit dem Umfeld und der Schule geschildert worden, so ist dem entgegenzuhalten, dass die BF in ihrer Stellungnahme sehr wohl von fehlendem Verständnis anderer Kinder und Erwachsener berichtet hat. Auch die von ihr nachvollziehbar geschilderten Anstrengungen im Kontakt mit KindergartenpädagogInnen, LehrerInnen und LeiterInnen der Kantine zeigen, dass die BF stets bemüht war, einer Stigmatisierung ihres Sohnes XXXX prophylaktisch entgegenzuwirken.
Unstrittig kann seit dem Besuch der HTL von der Möglichkeit einer ganztätigen Betreuung des Sohnes XXXX ausgegangen werden.
Im Übrigen stellt die PVA den von der BF geschilderten Betreuungsaufwand nicht in Frage sondern verweist auf dessen relativ geringen zeitlichen Aufwand.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch Senat. Im vorliegenden Fall wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Anwendung des § 18a ASVG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung:
Die besondere Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG wurde durch die 44. ASVG-Novelle (BGBl. Nr. 1987/609), in Kraft ab 01.01.1988, geschaffen. Sie sollte zunächst nur Elternteilen zugutekommen, die sich ausschließlich und allein der Pflege ihres behinderten Kindes widmeten und daher nicht in der Lage waren, einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen:
§ 18a Abs. 1 ASVG stellte auf die "gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft" ab. § 18a Abs. 2 Z 2 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 20/1994, BGBl. I Nr. 1/2002, BGBl. I Nr. 142/2004, BGBl. I Nr. 132/2005 schloss die Selbstversicherung für Zeiten aus, für die eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung bestand. § 18a Abs. 2 ASVG sah mit Z 2 und 3 noch weitere Ausschlussgründe vor.
Seit dem SVÄG BGBl. I Nr. 2015/2 (mit Geltung ab 1.1.2015, § 688 Abs. 1 Z 2) genügt gemäß § 18a Abs. 1 ASVG bereits eine "überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft", sodass - wie bei der Pflege naher Angehöriger nach § 18b - eine Selbstversicherung zusätzlich zu einer aus einer Erwerbstätigkeit resultierenden Pflichtversicherung, im Ergebnis also eigentlich eine "Höherversicherung" ermöglicht wird. Der Ausschlussgrund des § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG wurde aufgehoben. (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a, Stand: 01.08.2015, rdb.at).
Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis 2015/08/0022 vom 04.11.2015 ausgeführt hat, kann für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG unter Berücksichtigung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG grundsätzlich als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden.
Eine besondere Rückwirkung wurde erstmals mit BGBl I Nr. 3/2013 durch die Übergangsvorschrift des § 669 Abs. 3 ASVG geschaffen. Diese Bestimmung ermöglichte eine Antragstellung auch für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes, die "irgendwann" zwischen 01.01.1988 und 31.12.2012 erfolgt ist.
§ 669 Abs 3 ASVG wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2017, in Kraft seit 01. 01. 2018 geändert und lautet nun wie folgt:
Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.
Wie der VwGH mit Erkenntnis Ra 2019/08/0051 vom 05.06.2019 ausgesprochen hat, stellt § 669 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl I Nr. 125/2017 darauf ab, dass die betreffenden Personen die zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllen müssen. Auf die im zu erwerbenden Zeitraum der betreffenden Selbstversicherung früher in Geltung gestandenen Voraussetzungen für eine Selbstversicherung kommt es gemäß § 669 Abs. 3 ASVG nicht an.
Die BF hat den verfahrensgegenständlichen Antrag am 10.10.2016 eingebracht.
§ 18a ist daher in der am 10.10.2016 geltenden Fassung anzuwenden:
§ 18a (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte
Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des
Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird,
unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher
Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes
ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung
des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung
selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich
das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb
der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der
Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuss bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. -das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.
(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.
Frage der res iudicata (entschiedenen Sache):
Da die BF bereits mehrere Anträge auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für den genannten Zeitraum bzw. Teile desselben gestellt hat, ist zu prüfen, ob die belangte Behörde den nun vorliegenden Antrag allenfalls teilweise wegen entschiedener Sache hätte zurückweisen müssen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 bis 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet und auch in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften keine Sonderregelung vorgesehen ist (§ 68 Abs. 6 leg. cit.), wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 leg. cit. in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne danach eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern soll.
Die Anordnung des § 68 Abs. 1 AVG zielt in erster Linie darauf ab, die wiederholte Aufrollung einer bereits "entschiedenen Sache" ohne nachträgliche Änderung (d.h. bei Identität) der Sach- und Rechtslage auf Antrag der Partei oder durch die Behörde selbst (von Amts wegen) zu verhindern (VwGH 24.1.2006, 2003/08/0162 u.a.).
Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 80 zu § 68 AVG, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1980, Slg. Nr. 10.285/A, vom 16. Jänner 1990, Slg. Nr. 13.097/A, und vom 20. September 2000, Zl. 95/08/0261). Liegt eine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag nicht entgegen. (vgl. VwGH 2001/08/0057 vom 4.10.2001 mit Verweis auf VwGH 30. Jänner 1984, Slg. 7762A/1970, vom 21. Februar 1991, 90/09/0162 u. v.a.).
Da sich die für die vorliegende Entscheidung maßgeblich Rechtslage durch die Novelle BGBl. I Nr. 125/2017, in Kraft seit 01. 01. 2018, in einer für den vorliegenden Fall relevanten Weise geändert hat, ist trotz des Vorliegens früherer Entscheidungen bezüglich der Berechtigung der zur Selbstversicherung nach § 18a ASVG aufgrund der Pflege ihres Sohnes XXXX keine entschiedene Sache gegeben.
Es hat über den gesamten beantragten Zeitraum ab 01.11.2005 eine neue Entscheidung zu ergehen.
Frage des Ausschlussgrundes für Zeiten einer vollversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit:
§ 18a Abs 2 Z 1 ASVG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung sah einen Ausschluss der Selbstversicherung für Zeiträume einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung vor. Mit BGBl. I Nr. 2/2015, in Kraft seit 01.01.2015, wurde dieser Ausnahmetatbestand ersatzlos aufgehoben. Das gleichzeitige Bestehen einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung (im Fall der BF ab August 2015) schadet der beantragten Selbstversicherung somit nicht.
Frage der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2014/08/0084 vom 19.01.2017 klargestellt hat, stellt die Legaldefinition des § 18a Abs 3 ASVG - anders als jene des § 18b ASVG - nicht primär auf die zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden) sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene Kriterien ab. (RZ9.3).
Zur Beurteilung dieser Kriterien war auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu der vor dem 01.01.2015 geltenden Fassung des § 18a ASVG (Kriterien der "gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft") zurückzugreifen. Diese Judikatur war auf die neue Rechtslage sinngemäß zu übertragen: Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft iSd § 18a Abs 1 ASVG liegt somit auch dann vor, wenn ein schulpflichtiges behindertes Kind zwar die Schule besucht (also nicht wegen seiner Behinderung von der Schulpflicht befreit ist), aber dennoch unter Berücksichtigung des Alters und seiner spezifischen Behinderung die überwiegende Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich ist und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet ist. (vgl. VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261 bezogen auf die alte Rechtslage).
Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Die Diagnose der Zöliakie wurde im vorliegenden Fall am 10.10.2005 gestellt. Sie war somit zum beantragten Beginn der Selbstversicherung, dem 01.11.2005, bereits gegeben.
Die PVA hat den von der BF dargelegten Betreuungsaufwand im Kern nicht bestritten. Sie behauptet jedoch, dass der genannte Betreuungsaufwand die Arbeitskraft der BF nicht überwiegend beansprucht hätte, da die glutenfreie Ernährung des Kindes der BF mit einem zusätzlichen Betreuungsaufwand von weniger als 60 Stunden im Monat zu bewerkstelligen gewesen wäre.
Diesbezüglich ist auf die obige Judikatur des VwGH zu verweisen, die ausdrücklich betont, dass die Beanspruchung der Arbeitskraft unter dem Aspekt des § 18a ASVG anders zu prüfen ist, als im Falle einer beantragten Selbstversicherung gem. § 18b ASVG. Im Rahmen der Beurteilung, ob die Arbeitskraft der BF durch die Betreuung ihres von Zöliakie betroffenen Sohnes überwiegend beansprucht wurde, ist somit nicht auf die rein zeitliche Inanspruchnahme abzustellen und es sind nicht ausschließlich notwendigen Pflegeverrichtungen im Sinne der Einstufungsverordnung, EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999 zu berücksichtigen. Es war auf die speziellen auf das behinderte Kind zugeschnittenen Kriterien abzustellen. Es war somit der gesamte Aufwand zu berücksichtigen, der dem Kind einen altersentsprechenden Alltag und damit eine altersentsprechende körperliche, psychische und soziale Entwicklung möglich machte.
Somit waren die von der BF geschilderten Motivationsanstrengungen, die ständige Bereitschaft die Diät des Kindes zu überwachen und bei Gefahr eines Diätfehlers motivierend einzuschreiten, weiters Anstrengungen darin, dem noch im Kindesalter und in der frühen Pubertät befindlichen Sohn glutenfreie und dennoch schmackhafte Gerichte zuzubereiten, und durch den Aufbau guter Kontakte zu den Pädagogen der Gefahr seiner Stigmatisierung unter Gleichaltrigen vorzubeugen, in die vorliegende Beurteilung einzubeziehen.
Die von der BF geschilderten Betreuungsmaßnahmen sind als notwendig in dem Sinn anzusehen, dass dem von Zöliakie betroffenen Sohn eine normale körperliche und psychische Entwicklung ermöglicht werden konnte und dass diese Betreuungsmaßnahmen in der Situation der BF (keine Möglichkeit einer seiner Diät entsprechenden Verpflegung in Betreuungseinrichtungen, keine Verfügbarkeit von Großeltern) zwingendermaßen mit einem überwiegend hohen Betreuungsaufwand außerhalb der Zeit des Kindergarten- und Schulbesuchs einhergingen.
Der Sohn der BF konnte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum noch nicht mit der eigenverantwortlichen Einhaltung der - notwendigerweise besonders strengen - Diät betraut werden. Er bedurfte ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege iSd der oben genannten Bestimmung. Bei Unterbleiben dieser Betreuung wäre seine Entwicklung im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet gewesen. Die Arbeitskraft der BF wurde durch die von ihre im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aufgebrachten Pflegeaufwand überwiegend beansprucht.
Da gemäß § 669 Abs 3 ASVG insgesamt maximal 120 Versicherungsmonate zugesprochen werden, war die verfahrensgegenständliche Berechtigung zur Selbstversicherung jedenfalls mit 31.10.2015 zu begrenzen. Der Sohn der BF war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre, befand sich also noch mitten in der Pubertät, die für ihn zwar nicht außergewöhnlich schwierig war, aber durchaus einen gewissen Mehraufwand an Motivationsarbeit mit sich brachte. Überdies besuchte der Sohn der BF zum 31.10.2015 gerade erst zwei Monate lang die HTL. Wie von der BF dargelegt wurde, gestalteten sich die ersten Monate des HTL Besuchs des Sohnes insofern schwierig, als der Kontakt mit der Kantine aufgebaut und deren Bereitschaft glutenfreie Nahrung anzubieten und zuzubereiten erst erarbeitet werden musste. Es war daher bis zum 31.10.2015 von einer überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft auszugehen.
Ein Ausschlussgrund iSd § 18 a Abs 2 ASVG liegt im festgestellten Zeitraum nicht vor.
Die BF war also im Zeitraum von 01.11.2005 bis 31.10.2015 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß §18a ASVG berechtigt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitskraft, Betreuungsbedarf-Angehöriger, Pensionsversicherung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2181640.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020