TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/26 97/04/0053

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Veröffentlicht am 26.05.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs2;
GewO 1973 §353 idF 1988/399 impl;
GewO 1973 §356 Abs1 impl;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399 impl;
GewO 1994 §353 Z1 lita;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des M in N, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Jänner 1997, Zl. WST 1-BA-9619, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: K und HB in A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Jänner 1997 wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10. Jänner 1996, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage des Beschwerdeführers (Errichtung und Betrieb eines Lagerplatzes für die Gartengestaltung), aufgrund der Berufung der mitbeteiligten Parteien behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrens - im wesentlichen ausgeführt, es lägen hinsichtlich einer möglichen Lärmbelastung weder Feststellungen des Umgebungslärms noch der betriebskausalen Geräusche vor. Der vom lärmtechnischen Amtssachverständigen herangezogene einmalige An- bzw. Ablieferungsvorgang pro Tag stelle einen Durchschnittswert dar; allenfalls mehrmals pro Tag erforderliche Anlieferungen bzw. Abtransporte seien nicht berücksichtigt worden. Weiters sei kein gewerbetechnisches Gutachten zur Frage einer möglichen Belästigung der Nachbarn durch Geruch oder Staub eingeholt worden. Der vom medizinischen Sachverständigen erhobenen Forderung, zum Schutz der Nachbarn vor einer eventuellen Geruchsbelastung oder vor Pilzsporen einen zumindest 5 m betragenden Abstand einzurichten, sei nicht Rechnung getragen worden. Schließlich ergebe sich zwar aus dem wasserfachlichen und dem medizinischen Gutachten, daß es zum Schutz des Grundwassers erforderlich sei, den Standort der Kompostfläche jährlich zu wechseln. Es fehlten jedoch Feststellungen über die Möglichkeit dieses jährlichen Wechsels ebenso wie über dessen Auswirkungen auf die Nachbarschaft. Zusammenfassend ergebe sich daher, daß der Sachverhalt so mangelhaft ermittelt worden sei, daß die neuerliche Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung unumgänglich sei, um den Sachverhalt zu klären. Nach Auffassung der Berufungsbehörde sei die gleichzeitige Anwesenheit aller an der Sache beteiligten Personen und aller für die Sachverhaltsfeststellungen erforderlichen Personen notwendig. Schließlich sei darauf hinzuweisen, daß die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die unmittelbare Beweisaufnahme durch die Berufungsbehörde keinerlei Ersparnis an Zeit und Kosten zur Folge hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, die von ihr als fehlend erachteten Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens selbst vorzunehmen. Hiezu bedürfe es keineswegs der Durchführung einer mündlichen Verhandlung; die Einholung der entsprechenden Gutachten sei ohne weiteres in schriftlicher Form möglich. Wenn die belangte Behörde aber zusätzliche Vorkehrungen für erforderlich erachte, so wäre es geboten gewesen, diese in ihren Bescheid aufzunehmen und so den Erstbescheid entsprechend zu ergänzen. Der neuerlichen Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedürfe es auch hiefür nicht; eine solche sei keinesfalls unvermeidlich.

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, darf die Berufungsbehörde eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes treffen, sondern nur dann, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens ermächtigt demnach die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für die Ermittlung des Sachverhaltes in Betracht kommenden Personen, die daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen, beheben läßt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0037, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Ein solcher Fall liegt hier aus folgenden Gründen vor:

Gemäß § 353 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997 - sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage (u.a.) in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.

a) eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen,

b) die erforderlichen Pläne und Skizzen, ...

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335), ausgenommen in den Fällen des § 359b, aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern bekanntzugeben; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. ...

Nach dieser Rechtslage setzt ein Abspruch über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage wie auch ein Abspruch über die Genehmigung der Änderung einer solchen Anlage ein Ansuchen voraus (antragsbedürftiger Verwaltungsakt). Ein einer gewerbebehördlichen Kundmachung nach § 356 Abs. 1 GewO 1994 zugrunde liegendes Ansuchen erfordert im Hinblick auf die den Nachbarn gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 eingeräumte Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen einen (verbalen) Inhalt, der als solcher - unabhängig von den weiteren einem derartigen Ansuchen anzuschließenden und dieses detaillierenden Unterlagen und Plänen - Art und Umfang der beantragten Genehmigung eindeutig erkennen läßt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1998, Zl. 96/04/0221, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Wenn der Inhalt eines von einer Partei gestellten Antrages unklar ist, obliegt es der Behörde, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern, wobei im Falle einer Antragstellung nach § 353 GewO 1994 im Hinblick auf die sich aus § 356 Abs. 3 leg. cit. ergebende Regelung ein die erforderliche Klarheit aufweisender Antrag schon der behördlichen Anberaumung der mündlichen Augenscheinsverhandlung zugrunde liegen muß. Eine erst nach Anberaumung der in § 356 Abs. 1 GewO 1994 vorgesehenen mündlichen Augenscheinsverhandlung erfolgende Klarstellung von Art oder Umfang der beantragten Genehmigung ist daher unzulässig (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 17. April 1998).

In diesem Zusammenhang kommt der Betriebsbeschreibung gemäß § 353 Z. 1 lit. a GewO 1994, die die Grundlage für die Beurteilung bildet, welche von der Betriebsanlage ausgehende und auf Nachbarliegenschaften einwirkende Emissionen zu erwarten sind, besondere Bedeutung zu. Um den genannten Erfordernissen zu entsprechen, muß die Betriebsbeschreibung daher insbesondere präzise Angaben zu all jenen Faktoren enthalten, die für die Beurteilung der auf den Nachbarliegenschaften zu erwartenden Immissionen von Bedeutung sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 95/04/0125 und die hier zitierte Vorjudikatur).

Demgegenüber ergab - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - eine sachverständige Überprüfung des vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. März 1995 eingebrachten Genehmigungsantrages Mängel in den vorgelegten Projektunterlagen, insbesondere in der Betriebsbeschreibung. So wurden etwa detaillierte Angaben über Produktionsumfang, Art, Menge und Zusammensetzung der Einsatz-, Zwischen- und Endprodukte, ebenso wie über An- und Ablieferungen vermißt.

In der am 9. August 1995 vorgenommenen Ergänzung des Ansuchens erfolgten zwar Präzisierungen des in Aussicht genommenen Betriebes. In Ansehung der geplanten An- und Ablieferungen wird aber lediglich ausgeführt, die - mengenmäßig nicht näher bestimmten - Materialien würden "angeliefert, gelagert und nach Bedarf zu einer Baustelle abtransportiert".

In der - in der Folge dennoch anberaumten - mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 5. Oktober 1995 wurde festgestellt, daß die betriebliche Tätigkeit am Lagerplatz vorwiegend aus dem Zu- und Abtransport der einzelnen Materialien bestehen werde. Dem im Zuge der Verhandlung eingeholten Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen ist schließlich zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer dem Amtssachverständigen gegenüber angegeben habe, daß im Durchschnitt pro Tag eine An- bzw. Ablieferung mit firmeneigenem Kleintransporter erfolgen solle.

Die erforderliche Klarstellung des Umfanges der beantragten Genehmigung vor Ausschreibung der im § 356 GewO 1994 vorgesehenen Augenscheinsverhandlung ist somit in einem wesentlichen Punkt und zwar in Ansehung der von der Erstbehörde als vorwiegend erachteten betrieblichen Tätigkeit unterblieben. Schon aus diesem Grund ist die Auffassung der belangten Behörde, die Vornahme einer neuerlichen Augenscheinsverhandlung im Sinne des § 356 GewO 1994 sei unvermeidlich und sie habe daher gemäß § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen, nicht zu beanstanden; ob auch die weiteren ins Treffen geführten Gründe als Erfüllung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG anzusehen sind, kann dahinstehen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997040053.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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