Entscheidungsdatum
10.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W211 2217530-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX ,
StA: Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen
Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten bis zum 10.02.2021 erteilt.
III. Die Spruchpunkte III. bis VI. werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am
XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er zusammengefasst an, aus Mogadischu zu stammen und den Shanshi anzugehören. In Somalia würden noch acht Geschwister leben, seine Eltern und eine Schwester seien jedoch bereits verstorben. In seinem Herkunftsstaat hätten ihn Mitglieder der Al Shabaab bedroht und aufgefordert, einen Bombenanschlag zu verüben, was er abgelehnt habe. Weiter sei sein Vater ermordet worden.
3. Bei der Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2018 führte er zusammengefasst aus, er gehöre dem Clan der Benadiri, Subclan Shanshi, Subsubclan XXXX an und habe in Mogadischu im Stadtteil XXXX gelebt, wo sich noch sieben Geschwister und deren Familien aufhalten würden. Seit seiner Ausreise habe er keinen Kontakt zu seinen in Somalia lebenden Verwandten. Seine Mutter sei im Jahr 2015 bei einem Bombenanschlag umgekommen und sein Vater sei im selben Jahr aufgrund seiner Sympathien für die somalische Regierung von Al Shabaab getötet worden. In Somalia habe er neun Jahre die Schule besucht und anschließend bis zu seiner Ausreise als Kellner in einem Restaurant namens XXXX am XXXX gearbeitet. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit unterdrückt worden sei. Außerdem sei ein Mann zu ihm gekommen und habe von ihm verlangt, eine Tasche mit einer Bombe an seinem Arbeitsplatz zu deponieren, da sich dort viele wohlhabende Personen und Regierungsvertreter aufhalten würden. Der Beschwerdeführer habe jedoch abgelehnt und stattdessen sofort die Polizei verständigt. Noch bevor er diese aufsuchen habe können, habe er eine Explosion vernommen und sodann einen Anruf von zuvor erwähntem Mann erhalten, der ihm mitgeteilt habe, jemand anderer habe den Auftrag erfüllt. Weiter habe ihm dieser gesagt, aufgrund seiner Weigerung sei er ein "toter Mann". Bei der Explosion habe es keine Verletzten gegeben, da sich diese auf dem Parkplatz des Restaurants ereignet habe. Dies deshalb, da es für Al Shabaab ohne die Hilfe des Beschwerdeführers keine Möglichkeit gegeben habe, an der Sicherheitskontrolle des Restaurants ins Innere desselben zu gelangen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer ein Grundstück verkauft und sei im Februar des Jahres 2017 aus Somalia ausgereist.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde stellte unter anderem die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, und dass dieser an keiner lebensbedrohlichen, behandlungsbedürftigen Krankheit leide, fest.
5. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht. Darin wurde vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Somalia eine Verfolgung durch Al Shabaab drohe. Der Beschwerdeführer leide außerdem an Diabetes und stehe in keinem Kontakt mit seiner Familie, was seine Situation im hypothetischen Fall einer Rückkehr nach Somalia noch verschlimmern würde. Der Beschwerde beigefügt waren Unterlagen zur Integration des Beschwerdeführers und zwei ärztliche Befunde vom XXXX 2019 bzw. XXXX 2019.
6. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertretung sowie einer Vertretung der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung wurden Berichte zur aktuellen Versorgungslage in Somalia eingebracht und eine Anfrage in der ACLED-Datenbank zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Mogadischu im Zeitraum vom XXXX 2017 bis XXXX 2017 durchgeführt. Überdies wurden vom Beschwerdeführer zusätzliche Integrationsunterlagen und ein Laborbefund vom XXXX 2019 vorgelegt.
7. Mit Stellungnahme vom XXXX 2019 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass seit dem Tod seines Vaters, dem Verschwinden seines älteren Bruders und dem Tod seines Großvaters im Jahr 2008 seine Familiensituation erodiert sei und er über keine familiäre Unterstützung in Somalia verfüge. Sein Großvater sei als Scheich in Somalia eine angesehene Person gewesen, die sich gegen Al Shabaab gestellt habe, wodurch seine Familie ins Visier der Miliz geraten sei. Auch sei sein Cousin, ein Journalist, im Jahr 2017 in der Türkei bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Darüber hinaus wurde abermals auf die schlechte Versorgungslage und den Umstand, dass der Beschwerdeführer an Diabetes leidet verwiesen. Beigefügt waren unter anderem ein Internetartikel über den Tod des Großvaters des Beschwerdeführers vom XXXX 2008 und Informationen über die berufliche Aktivität seines Cousins vom XXXX 2019.
8. Schließlich wurde zum aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX 2019 ein Parteiengehör eingeräumt. Innerhalb der gesetzten Frist langte keine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen bei Gericht ein.
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Somalias, der am XXXX 2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Viertel XXXX in Mogadischu, ist ledig, kinderlos und gehört dem Clan der Benadiri, Subclan Shanshi, Subsubclan XXXX an.
Der Beschwerdeführer verfügt noch über acht Geschwister. Seine Eltern und eine Schwester sind verstorben. Ein Bruder gilt als verschollen. Mit seinen Verwandten in Somalia hat der Beschwerdeführer zur Zeit keinen Kontakt. Dass im Falle einer Rückkehr nach Somalia kein Kontakt mehr zu diesen hergestellt werden könnte, kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer hat in Somalia neun Jahre lang die Koranschule besucht und arbeitete anschließend ab dem Jahr 2016 in einem Restaurant in Mogadischu.
Der Beschwerdeführer ist Diabetiker und muss als solcher zweimal täglich Insulin spritzen. Weiter leidet er an Schilddrüsenproblemen.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).
Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).
Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).
Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei
Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).
Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).
Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).
Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).
Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).
2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).
Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).
Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):
Tabelle kann nicht abgebildet werden
(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)
Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist):
Tabelle kann nicht abgebildet werden
Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z.B. Mogadischu, Merka, Baraawe) und sich traditionell im Handel betätigen. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien, Persien, Indien und Portugal. Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos. Heute werden Benadiri gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017, S.13f). Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu, Mischehen sind kein Problem (LI 14.6.2018, S.17). Viele von ihnen sind relativ wohlhabend, befinden sich in relevanten Positionen und sind in der Lage, Schutz zuzukaufen (NLMBZ 3.2019, S.43; vgl. EASO 8.2014, S.102). Einigen von ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen (EASO 8.2014, S.102). Vielen Reer Xamar (Teil der Benadiri) ist es gelungen, ihre vormaligen Immobilien im Bezirk Xamar Weyne (Mogadischu) durch Zahlungen zurückzuerhalten. Dort stellen sie auch die Bevölkerungsmehrheit (LI 21.5.2019b, S.2f).
Zwangsrekrutierung Al Shabaab: Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (BMLV 16.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51; DIS 3.2017, S.20f).
Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab: In von der Regierung kontrollierten Gebieten führt al Shabaab ihre Mordkampagne fort (NLMBZ 3.2019, S.11; vgl. SEMG 9.11.2018, S.5/38f). Folgende
Personengruppen sind diesbezüglich einem erhöhten Risiko ausgesetzt:
* Angehörige der AMISOM (NLMBZ 3.2019, S.11; vgl. USDOS 21.6.2019, S.1; LIFOS 3.7.2019, S.23f);
* nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, S.1; SEMG 9.11.2018, S.38f; NLMBZ 3.2019, S.11);
* Angehörige der Sicherheitskräfte (USDOS 21.6.2019, S.1; vgl. HRW 17.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.23f);
* Regierungsangehörige, Parlamentarier und Offizielle (USDOS 21.6.2019, S.1; vgl. NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.23f); al Shabaab greift gezielt Örtlichkeiten an, wo sich die politische Elite trifft. Seit 2012 sind mindestens 18 Parlamentarier bei Anschlägen getötet worden oder aber einem gezielten Attentat zum Opfer gefallen. Viele dieser Morde werden al Shabaab zugerechnet. Al Shabaab ist auch außerhalb ihrer eigenen Gebiete eine große Bedrohung für politische Aktivisten und Politiker (BS 2018, S.16).
* mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 13.3.2019, S.12);
* Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 13.3.2019, S.12; vgl. NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.24);
* Wirtschaftstreibende (SEMG 9.11.2018, S.38f; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.23f) - zumal jene, die für die Regierung tätig sind. Selbst kleine und mittlere Unternehmen, die mit AMISOM oder der Regierung zusammenarbeiten, werden zum Ziel (LIFOS 3.7.2019, S.24). Jene, die nicht mit Feinden der al Shabaab kooperieren und welche Steuern an al Shabaab abführen, sind keinem Risiko ausgesetzt. Generell können nicht alle Morde an Wirtschaftstreibenden al Shabaab zugerechnet werden (NLMBZ 3.2019, S.11/14);
* Älteste und Gemeindeführer (SEMG 9.11.2018, S.38f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.11; USDOS 13.3.2019, S.3/12);
* Wahldelegierte und deren Angehörige bzw. Personen, die am letzten Wahlprozess mitgewirkt haben (USDOS 13.3.2019, S.3/12; vgl. HRW 17.1.2019); dabei hat al Shabaab die Delegierten vor die Wahl gestellt, entweder zu ihnen zu kommen und sich für ihr Verhalten zu entschuldigen, oder aber einem Todesurteil zu unterliegen. Die große Mehrheit entschuldigte sich (Mohamed 17.8.2019). Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in Jubaland ist ebenfalls ein Delegierter ermordet worden (UNSC 15.8.2019, Abs.19).
* Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 13.3.2019, S.3/12);
* prominente Friedensaktivisten (USDOS 13.3.2019, S.3/12; vgl. NLMBZ 3.2019, S.11);
* religiöse Führer (SEMG 9.11.2018, S.38f);
* Journalisten (NLMBZ 3.2019, S.11);
* mutmaßliche Kollaborateure und Spione (USDOS 13.3.2019, S.3/12;
vgl. SEMG 9.11.2018, S.38f; NLMBZ 3.2019, S.11);
* Deserteure (NLMBZ 3.2019, S.11);
* (vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des IS (AA 4.3.2019, S.13); al Shabaab steht dem IS extrem feindlich gegenüber, es kommt zu brutalen Bestrafungen (NLMBZ 3.2019, S.16). Der Führer von al Shabaab hat die Anweisung gegeben, Anhänger des IS anzugreifen und zu eliminieren (VOA 21.12.2018); al Shabaab hat dem IS offiziell den Krieg erklärt. Seit Ende 2015 wurden Dutzende (ehemalige) Mitglieder der al Shabaab aufgespürt und getötet, da sie zum IS übergelaufen waren oder aber Sympathien für den IS bekundet haben (LWJ 14.1.2019). Diese Personen werden systematisch verfolgt (LWJ 16.11.2018).
Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie keine Steuern an al Shabaab abführen (BFA 8.2017, S.34). Gemäß einer Studie richteten sich Angriffe von al Shabaab im Zeitraum 2006-2017 zu 36,6% gegen Personen und Symbole des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), zu 24,5% gegen Symbole und Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter AMISOM) und zu 32,4% gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (NLMBZ 3.2019, S.12). Einige Beispiele seien angeführt: Ermordet wurden - vermutlich von al Shabaab - am 23.2.2019 in Karaan (Mogadischu) ein Abgeordneter des Parlaments; am 25.2.2019 in Afgooye (Lower Shabelle) neun Straßenreiniger (BAMF 4.3.2019, S.6); ein Koranlehrer in Mogadischu, der sich für Deradikalisierung einsetzte; ein Regierungsangestellter am 29.5.2018 in Mogadischu (BAMF 4.6.2018, S.3).
Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 4.3.2019, S.15). Dort werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 4.3.2019, S.9). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 17.1.2019). Dabei ist die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017, S.40ff). Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich;
b)
der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu;
c)
eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017, S.40ff).
Alleine Anfang Oktober 2018 wurden fünf Personen exekutiert, denen Spionage (für die USA, Großbritannien oder die somalische Regierung) vorgeworfen worden war (LWJ 11.10.2018). In einem anderen Beispiel wird berichtet, dass al Shabaab am 27.3.2019 fünf Personen im Gebiet Yaq Baraawe (Bay) und am 31.3.2019 vier Personen in Kamsuma (Lower Juba) wegen angeblicher Spionage hingerichtet hat (BAMF 1.4.2019).
Kapazitäten: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23). Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Personen al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken. Die Gruppe ist bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017, S.35f).
Insgesamt muss hinzugefügt werden, dass al Shabaab nicht für alle an diesen Personengruppen begangenen Morde die Verantwortung übernimmt oder trägt (HRW 17.1.2019). Es muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde politisch motiviert oder einfach Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (LIFOS 3.7.2019, S.26).
Al Shabaab greift Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, nicht spezifisch an. Für diese besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).
Ausweichmöglichkeiten: Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad [Nachrichtendienst der al Shabaab] sind - vor allem prominente - Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet (BFA 8.2017, S.36).
Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BFA 8.2017, S.47f).
IDPs, Grundversorgung: IDP-Zahlen: Schon vor dem Jahr 2016 gab es - v. a. in Süd-/Zentralsomalia - mehr als 1,1 Millionen IDPs. Viele davon waren im Zuge der Hungersnot 2011 geflüchtet und danach nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt. Weitere 1,6 Millionen sind ab 2016 hinzugekommen, auch sie sind in erster Linie wegen der Dürre geflohen (OXFAM 6.2018, S.5). Gewalt, Unsicherheit und unberechenbares Wetter sorgen auch weiterhin für neue Vertreibung von Zivilisten. Die Zahl an IDPs beträgt 2,6 Millionen. Viele davon leben unter schwierigen Umständen, sind sehr vulnerabel und auf Unterstützung und Schutz angewiesen (UNSC 15.5.2019, Abs.68). Viele der im Jahr 2018 neu Vertriebenen sind zwar auf Unsicherheit zurückzuführen; ebenso viele mussten ihre Heimat aber wegen Dürre und/oder Überschwemmungen verlassen (NLMBZ 3.2019, S.49). In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 sind ca. 248.000 Menschen durch Dürre und Konflikte vertrieben worden (NRC 10.9.2019).
Mit Stand Juni 2018 gab es in Somalia 1.843 IDP-Lager und -Siedlungen, knapp die Hälfte davon in der Region Benadir/Mogadischu. Fast 80% dieser Lager und Siedlungen sind spontan und ungeplant errichtet worden (CCCM 26.6.2018).
Rechtswidrige Zwangsräumungen, die IDPs und die arme Stadtbevölkerung betrafen, bleiben ein großes Problem (AA 4.3.2019, S.19; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.69). Im Jahr 2018 waren 314.000 IDPs von Zwangsräumungen betroffen, 2017 waren es 200.000 gewesen (UNSC 15.5.2019, Abs.69). In den ersten acht Monaten 2019 waren davon 134.000 Menschen betroffen, davon 108.000 in Mogadischu (NRC 10.9.2019). Viele weitere Delogierungen wurden aus Baidoa gemeldet (UNSC 21.12.2018, S.14). Die Mehrheit der IDPs zog in der Folge in entlegene und unsichere Außenbezirke von Mogadischu, wo es lediglich eine rudimentäre bzw. gar keine soziale Grundversorgung gibt, und sie unter äußerst schlechten Bedingungen leben (AA 4.3.2019, S.19). Im Zuge von Zwangsräumungen kommt es mitunter auch zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Bei einer Räumung im Bereich Sinka Dheere in Mogadischu starben im Juli 2018 drei Personen, nachdem Sicherheitskräfte auf Demonstranten das Feuer eröffnet hatten (SEMG 9.11.2018, S.41). Organisationen wie IOM versuchen, durch eine Umsiedlung von IDPs auf vorbereitete Grundstücke einer Zwangsräumung zuvorzukommen. So werden z.B. in Baidoa 2019 1.000 IDP-Haushalte aus 15 Lagern auf mit der Stadtverwaltung abgestimmte Grundstücke umgesiedelt. Dort wurden zuvor Latrinen, Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung und andere Infrastruktur installiert. Auch zwei Polizeistationen wurden gebaut. Den IDPs werden außerdem Gutscheine für Baumaterial zur Verfügung gestellt (IOM 25.6.2019).
Menschenrechte: IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen - aber auch staatlichen - Stellen ausgenutzt und missbraucht. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierung aufgrund von Clan-Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung (AA 4.3.2019, S.19); es kommt auch zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und sexueller Gewalt (HRW 17.1.2019). Vergewaltigungen in IDP-Camps kommen häufig vor (FIS 5.10.2018, S.32). Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung und sexueller Gewalt besonders gefährdet (USDOS 13.3.2019, S.22/29; vgl. HRW 17.1.2019), 80% der gemeldeten Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt betreffen IDPs (NLMBZ 3.2019, S.44). Zu den Tätern gehören bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - und Zivilisten (HRW 17.1.2019). Andererseits stellen IDP-Lager für al Shabaab kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24/54). Dafür flüchteten im Juli 2019 einige hundert IDPs aus Galmudug, da sie dort als angebliche Kollaborateure von al Shabaab angefeindet und angegriffen wurden (UNOCHA 31.7.2019, S.3).
Versorgung: Gerade auch für IDPs hat eine Dürre schlimme Konsequenzen (UNOCHA 31.7.2019, S.1). Hier steigt die Rate akuter schwerer Unterernährung bei Kindern schnell (UNOCHA 31.5.2019, S.2).
Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein (ÖB 9.2016, S.17; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.63). Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld von Mogadischu sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig (FIS 5.10.2018, S.22). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 10.2017, S.73f).
Unterstützung extern: Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (REDSS 3.2017, S.29). Für Rückkehrer aus dem Jemen (LIFOS 3.7.2019, S.63) und Kenia gibt es seitens UNHCR finanzielle Unterstützung. Bei Ankunft in Somalia bekommt jede Person eine Einmalzahlung von 200 US-Dollar, danach folgt eine monatliche Unterstützung von 200 US-Dollar pro Haushalt und Monat für ein halbes Jahr. Das World Food Programm gewährleistet für ein halbes Jahr eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für Schulkosten werden 25 US-Dollar pro Monat und Schulkind ausbezahlt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien wird für die Unterkunft pro Haushalt eine Summe von 1.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNHCR 30.9.2018, S.6; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.63), die etwa zur Organisation einer Unterkunft dienen können (LIFOS 3.7.2019, S.63). Rückkehrer aus Tansania erhielten Hilfe im Rahmen einer EU-IOM-Initiative (TC 7.10.2018). Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 4.3.2019, S.20).
Unterkunft: Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen (BS 2018, S.29). Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden (LIFOS 3.7.2019, S.63). Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, S.63; vgl. AA 4.3.2019, S.20; USDOS 13.3.2019, S.22). Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (AA 4.3.2019, S.20f).
Medizinische Versorgung: Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 4.3.2019, S.21; vgl. FIS 5.10.2018, S.35). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA 5.3.2019a), de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (FIS 5.10.2018, S.35). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 54 Jahre für Männer und 57 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die Quoten von Mütter-und Säuglingssterblichkeit sind unter den höchsten weltweit (AA 4.3.2019, S.21). Ein Grund für die hohe Zahl bei der Müttersterblichkeit ist die schlechte Verfügbarkeit medizinischer Versorgung. Oft ist das Gesundheitszentrum oder das nächste Spital zu weit entfernt, und die Beförderung dorthin mitunter teuer und gefährlich (FIS 5.10.2018, S.36). Al Shabaab hat die medizinische Versorgung eingeschränkt - etwa durch die Behinderung zivilen Verkehrs, die Vernichtung von Medikamenten und die Schließung von Kliniken (USDOS 13.3.2019, S.16).
Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs-und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 4.3.2019, S.21). Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden (FIS 5.10.2018, S.36). Das Keysaney Hospital wird von der Somali Red Crescent Society (SRCS) betrieben. Zusätzlich führt die SRCS Rehabilitationszentren in Hargeysa, Mogadischu und Galkacyo (SRCS 6.2019, S.9). Die Spitäler Medina und Keysaney (Mogadischu) sowie in Kismayo und Baidoa werden vom Roten Kreuz unterstützt (ICRC 27.3.2019). Weitere 32 Kliniken der Somali Red Crescent Society werden ebenfalls unterstützt (ICRC 1.2019, S.2).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Schon ein kleiner operativer Eingriff kostet 100 US-Dollar. Am Banadir Hospital in Mogadischu wird eine Ambulanzgebühr von 5-10 US-Dollar eingehoben, die Behandlungsgebühr an anderen Spitälern beläuft sich auf 5-12 US-Dollar. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos. Üblicherweise sind die Kosten für eine Behandlung aber vom Patienten zu tragen (FIS 5.10.2018, S.35f). Insgesamt betreibt die SRCS 75 stationäre und 54 mobile Kliniken und gibt an, damit rund 2 Millionen Menschen abzudecken. Im Jahr 2018 konnten mehr als 1,3 Millionen Patienten behandelt werden. Davon waren 42% Kinder und 39% Frauen. Die häufigsten Behandlungen erfolgten in Zusammenhang mit akuten Atemwegserkrankungen (23,7%), Durchfallerkrankungen (23,7%), Anämie (11,2%), Hautkrankheiten (6,4%), Harnwegsinfektionen (12,3%) und Augeninfektionen (4,4%) (SRCS 6.2019, S.9f).
Verfügbarkeit: Speziellere medizinische Versorgung -etwa Chirurgie -ist nur eingeschränkt verfügbar. In öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. So werden selbst am Banadir Hospital -einem der größten Spitäler des Landes, das über vergleichsweise gutes Personal verfügt und auch Universitätsklinik ist -nur einfache Operationen durchgeführt. Patienten, die auf eine anspruchsvolle Behandlung angewiesen sind, müssen nach Somaliland, Kenia oder Äthiopien ausweichen (FIS 5.10.2018, S.35).
Diabetes: In Mogadischu und den meisten anderen Landesteilen bestehen Diagnose-und Behandlungsmöglichkeiten für Diabetes, u.a. auch für D. Mellitus Typ 2. Im Jahr 2016 werden für Mogadischu 57 entsprechende Gesundheitseinrichtungen genannt. Landesweit bieten 59% der Spitäler Diagnose und Behandlung von Diabetes an (BFA 4.3.2019, S.3).
Medikamente: Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. In den primären Gesundheitszentren ländlicher Gebiete kann es bei Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten zu Engpässen kommen (FIS 5.10.2018, S.37). Nach anderen Angaben kommt es in Krankenhäusern allgemein immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderen medizinischen Verbrauchsmaterialien (AA 17.9.2019).
Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (FIS 5.10.2018, S.37).
Aktuelle Versorgungslage: Unterdurchschnittliche Regenfälle während des Deyr im Jahr 2018 (Oktober bis Dezember), gefolgt von rauen Wetterbedingungen während des trockenen Jilaal (Jänner bis März 2019) und schwache Gu-Regenfälle (April bis Juni 2019) haben in vielen Teilen Somalias zu einer sich verschlimmernden Dürre geführt, wie die Food Security and Nutrition Analysis Unit (FSNAU) und FEWSNET berichten. Die Gu-Regenfälle des Jahres 2019 sind im gesamten Horn von Afrika in den ersten sechs Wochen der Saison äußerst spärlich ausgefallen, was zu einer zweiten aufeinander folgenden unterdurchschnittlichen Regenzeit in einer Region geführt hat, die sich immer noch von den Auswirkungen der langen Dürre der Jahre 2016/17 erholt. Der Gu des Jahres 2019 ist der dritt-trockenste sei Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1981.
Auch im unwahrscheinlichen Fall verstärkter Regenfälle im Mai 2019 ist eine Erholung aufgrund der Ausfälle in den Monaten März und April nicht zu erwarten.
Weit verbreitete Ernteausfälle und die Abnahme der Viehbestände verschieben Gemeinschaften in den am schlimmsten betroffenen Gebieten in die IPC-Stufe 3 (crisis) oder schlimmer. Folglich erhöhte sich die Zahl der Menschen in den IPC-Stufen 3 und 4 auf 1, 7 Millionen im April, wobei eine Erhöhung auf 2,2 Millionen bis Juli erwartet wird. Fast die Hälfte davon (43 Prozent) stellen IDPs dar. Die schwere Dürre dürfte dieses Jahr zu geschätzten 44.000 weiteren Binnenvertriebenen, die vom Land in urbane Zentren ziehen, führen. Insgesamt gibt es in ganz Somalia 2,6 Millionen IDPs.
Die Lagekarte des OCHA Dokuments weist auch Banadir/Mogadischu in Hinblick auf die IDP Lager in der Lageprojektion Juni 2019 als Stufe 3 (crisis) aus.
Und dazu noch aktuell aus dem LIB: Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS 12.7.2019; vgl. UNOCHA 31.7.2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um einen Monat später als normal (FAO 19.7.2019, S.1). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Abs 38ff).
Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (FEWS 31.7.2019). Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe (UNOCHA 9.9.2019, S.1). Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF 20.5.2019, S.5).
ACLED Datenbank, Vorfälle Mogadischu zwischen dem XXXX 2017 und dem XXXX 2017 (Übersetzung aus dem Englischen):
Zwischen XXXX 2017 und XXXX 2017 wurden in der ACLED Datenbank die folgenden Angriffe verzeichnet:
27.02.2017: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Checkpoint wurden vier somalische Soldaten verletzt. Keine Gruppierung bekannte sich zu dem Anschlag;
11.02.2017: Ein unbekannter Angreifer beschoss das Fahrzeug des neu gewählten Präsidenten wobei der Fahrer verletzt wurde.
08.02.2017: Anlässlich der Ernennung des neuen somalischen Präsidenten versammelten sich trotz einer zweitägigen Ausgangssperre zahlreiche Menschen am Tarabunka-Platz. Somalische Sicherheitskräfte lösten durch Schüsse in die Luft eine Massenpanik aus, wobei eine Frau durch einen Schuss getötet und weitere Personen durch Irrläufer verletzt wurden.
1.3. Zum Fluchtvorbringen:
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers durch Al Shabaab im Falle einer Rückkehr nach Somalia wird nicht festgestellt.
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers nur wegen seiner Zugehörigkeit zu den Benadiri wird ebenso nicht festgestellt.
1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr:
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zum Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zur Herkunft aus Mogadischu und zur Clanzugehörigkeit, zu seiner Schulausbildung und Berufstätigkeit, sowie zu seiner Kinderlosigkeit und, dass er ledig ist, gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Die Feststellung zur Volksgruppenzugehörigkeit wurde bereits von der belangten Behörde getroffen.
Die Feststellungen zum Aufenthalt der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Mogadischu beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung.
Wenn das Bundesverwaltungsgericht feststellt, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass der Beschwerdeführer nicht wieder Kontakt zu seinen in Somalia lebenden Verwandten herstellen können würde, so ergibt sich dies aus den diesbezüglich unklaren Angaben des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019. In dieser erklärte der Beschwerdeführer, er habe zwar nach wie vor Kontakt zu seinen Freunden in Mogadischu, nicht jedoch zu seinen dort lebenden Verwandten. Dabei begründete er diesen Umstand bloß damit, dass seine Freunde, mit denen er über "Facebook" in Kontakt stehe, in anderen Vierteln Mogadischus als seine Geschwister leben würden, bzw. Angst hätten an seinem Haus mit einem Handy vorbeizugehen (S. 6 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Worin diese Angst begründet sein soll, führte er aber nicht aus. Weiter erklärte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 alles unternommen zu haben, um den Kontakt wiederherzustellen, gab jedoch gleichzeitig an, keine vor Ort tätigen Organisationen beauftragt zu haben, da er nicht wisse, zu welchem Büro er gehen müsse (S. 10 des Verhandlungsprotokolls). Das gesamte diesbezügliche Vorbringen wirkt aus Sicht der erkennenden Richterin jedenfalls nicht nachvollziehbar, sondern lässt darauf schließen, dass der Beschwerdeführer bisher keine Anstrengungen unternommen hat, mit seinen in Somalia lebenden Verwandten in Verbindung zu treten. Dass im Falle einer Rückkehr nach Somalia kein Kontakt mehr zu seinen in Somalia lebenden Verwandten hergestellt werden könnte, konnte daher nicht festgestellt werden.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an Diabetes erkrankt ist und an Schilddrüsenproblemen leidet, basiert auf seinen diesbezüglichen Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung und der Vorlage diverser Befunde (ärztliche Befunde vom XXXX 2019 und XXXX 2019, Laborbefund vom XXXX 2019).
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen:
Das eigentliche Fluchtvorbringen einer versuchten Anwerbung durch die Al Shabaab zur Durchführung eines Bombenanschlages an seinem Arbeitsplatz, einem Restaurant namens XXXX in Mogadischu, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):
"[...] R: Bitte erzählen Sie mir nun möglichst detailliert in Ihren eigenen Worten, warum Sie sich entschlossen haben, Somalia zu verlassen?
P: Ich habe im Restaurant gearbeitet. Jemand hat mich angerufen. Er sagte mir, dass er Sachen in einer Tasche hat und ich muss diese für ihn wohin bringen. Er hat verlangt, dass ich die Tasche in ein Restaurant bringe, wo die Regierungsmitglieder essen gehen. Ich war gegenüber diesem Anruf misstrauisch, weil, jemand, den ich nicht kenne, verlangt von mir so etwas. Ich bin dann nicht zu dieser Person gegangen. Ich bin dann zur Polizei gegangen und habe ihnen erzählt, was dieser Mann mir gesagt hat. Als die Polizei dann unterwegs war, ist das Restaurant explodiert. Es war ein Anschlag verübt worden. Der Mann hat mich dann angerufen und gesagt, wieso ich die Polizei verständigt habe, ab heutigen Tag muss ich damit rechnen, dass ich sterbe und ich werde getötet. Ich habe meine Familie über diesen Drohanruf mitgeteilt und sie haben Angst bekommen. Der Mann, der mich bedroht hat, hat mir 10 USD über Handytransfer geschickt und da hat er gemeint, dass ich dafür mein eigenes Begräbnis vorbereiten soll. Das war die Art von diesen Leuten. Wenn sie jemandem drohen, dann schicken sie diese 10 USD. Ich habe dann Angst bekommen und bin nicht mehr nachhause gegangen. Ich bin dann zu einem anderen Haus, im Bezirk Waaberi. Ich hatte Angst, nachhause zu gehen, weil die Leute könnten mich und meine Familie dort attackieren. Ich habe mich in dem Haus versteckt. Meine Sicherheit wurde bewahrt, bis die Reise für mich vorbereitet wurde.
R: Bei welchem Restaurant haben Sie gearbeitet?
P: Im Restaurant XXXX .
R: Wo hätten Sie die Bombe hinbringen sollen?
P: Ins Restaurant, wo die Gäste sitzen. Ich meine damit ins Restaurant XXXX . Er wollte, dass ich es mache, weil ich ein Benadiri bin und er hat gedacht, dass ich deshalb ängstlich bin und es deswegen machen würde. Es war so, dass man die Mitarbeiter nicht durchsucht hat. Er wollte, dass man diese Bombe im Restaurant platziert. Ich weiß nicht, ob er das getan hat oder jemand anderer. Die Bombe wurde schließlich am Parkplatz platziert.
R: Wer hat Sie angerufen?
P: Al Shabaab. Ich wusste es am Anfang nicht, dass es Al Shabaab ist. Eine unbekannte Person rief mich an. Später bei der Polizei wurde klar, dass es ein Al Shabaab war.
R: Können Sie mir es genauer schildern, wie Sie zur Polizei gingen und die Anzeige gemacht haben?
P: Dort in dem Gebiet, wo das Restaurant war, gab es eine Polizeistation. Ich bin dort hingegangen. Ich habe es getan, obwohl ich Angst hatte. In Somalia kann man sich auf die Polizei auch nicht verlassen, weil sie selbst misstrauisch sind. Die Polizeistation ist geschlossen. Sie verdächtigen jeden, der dort hinkommt, dass er dort einen Anschlag verüben möchte. Als ich dort hingekommen bin, habe ich der Polizei gesagt, dass sie mich durchsuchen können, ich habe nichts Gefährliches bei mir. Ich bin ein Benadiri und ich habe niemals jemandem etwas angetan. Das ist nicht unsere Art. Ich habe diese Anzeige gemacht und erzählt, was passiert ist und danach bin ich nachhause gegangen.
R: Bei wem haben Sie die Anzeige gemacht?
P: Ich habe es den Polizisten draußen erzählt. Ich bin nicht hineingegangen. Die Polizisten dort sitzen draußen vor der Tür. Ich habe gesagt, dass ich Angst habe und nicht ins Restaurant zurückkann und dass ich nachhause gehe. Nach einiger Zeit war dann der Anschlag.
R: Wieso hat die Polizei geglaubt, dass das die Al Shabaab war?
P: Es ist die Art von Al Shabaab wie sie das begangen haben, weil sie mir ja das Geld für das Leichentuch überwiesen haben. In Somalia ist es so, dass die Al Shabaab die Anschläge verüben.
R: Sie haben vorher gesagt, Sie wussten nicht, wer es war und erst dann, als Sie zur Polizei gingen, haben Sie das gewusst.
P: Der Anrufer hat mich mit unbekannter Nummer angerufen. Das ist auch die Art der Al Shabaab. Ich habe Angst bekommen, als ich die unterdrückte Nummer sah und weil sie mir das Geld für das Leichentuch überwiesen haben.
R: Hatten Sie davor schon Kontakt mit den Al Shabaab?
P: Nein, dieses Mal war es das erste Mal, als sie von mir verlangt haben, diese Sachen dort hinzubringen.
R: Wenn ich mich erinnere, haben Sie vorher gesagt, dass Sie die Familie informiert haben über diesen Anruf. Wie haben Sie Ihre Familie informiert?
P: Als ich nachhause gegangen bin, habe ich das erzählt. Wir haben in einem Haus gelebt.
R: Aber ich dachte, Sie gingen nicht mehr nachhause?
P: Als der Anschlag passiert ist, war ich im Haus. Danach bin ich zu einem anderen Haus in Waaberi gegangen.
R: Sie waren zuhause, als der Anschlag im Restaurant passiert ist?
P: Ja. Danach hat der Mann mich angerufen. Er sagte, ich habe die Sache verraten, die Polizei habe es mitbekommen. Ab dem heutigen Tag werde ich bald sterben.
R: Hat dann die Polizei irgendjemanden im Zusammenhang mit der Bombe gefunden oder festgenommen?
P: Ja, sie haben alle, die dort waren, festgenommen. Das ist üblich so, wenn etwas passiert. Dann ermitteln sie.
R: In dem XXXX Restaurant, welche Gäste waren dort?
P: Regierungsmitglieder, Parlamentsmitglieder, der Präsident war dort und Minister.
R: Wenn diese Problemlage besteht, warum werden dann die Mitarbeiter nicht kontrolliert beim Hineingehen ins Restaurant?
P: Der Anrufer hat mich gerade dafür ausgesucht, weil er glaubt, dass ich der schwächste und ängstlichste bin und dass er mir Angst machen kann und dass ich es tun werde.
R: Das beantwortet die Frage nicht. R wiederholt die Frage.
P: Die Mitarbeiter verdienen Geld. Davon leben sie. Warum sollten sie so etwas machen?
R: Das ist keine Erklärung; wir wissen ja, dass es vorkommt.
P: Dort wird schon streng kontrolliert. Es gibt Securitys, so wie hier. Das Kontrollgerät wie hier unten, gibt es dort auch. [...]"
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die oben angeführten Länderberichte besagen, dass Al Shabaab keine Kontrolle über Mogadischu ausübt und etwa kein Risiko besteht, dort von Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Dennoch ist ein vom Beschwerdeführer geschildertes Szenario einer Drohung der Al Shabaab zur Erzwingung einer Kollaboration nicht grundsätzlich auszuschließen.
Jedoch blieb das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers wenig konkret und teilweise widersprüchlich:
Es fällt auf, dass der Beschwerdeführer bereits die Kontaktaufnahme durch jenes Al Shabaab-Mitglied in der Einvernahme vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 gänzlich unterschiedlich beschrieb. Behauptete er nämlich in der Einvernahme noch, ein Mann sei zu ihm gekommen und habe von ihm verlangt die Tasche in dem Restaurant abzulegen (siehe AS 98), erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019, jener Mann habe ihn nicht persönlich aufgesucht, sondern ihn am Arbeitsplatz angerufen (siehe zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Bereits diese Unstimmigkeit im Vorbringen des Beschwerdeführers lässt erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers aufkommen.
Weiter gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung von der erkennenden Richterin dazu befragt, warum er bei seiner Anzeige bei der Polizei gewusst habe, dass der Anrufer Al Shabaab-Mitglied gewesen sei, an, dies habe er aus der Vorgangsweise der Miliz, insbesondere dem Umstand, dass ihm diese zehn Dollar für ein Leichentuch überwiesen habe, geschlossen (siehe zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Dieses Vorbringen widerspricht jedoch, abgesehen davon, dass er eine Geldüberweisung durch Al Shabaab vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnte, den in der Einvernahme gemachten Angaben, wonach der Anrufer ihm selbst mitgeteilt habe, er sei ein Angehöriger der Al Shabaab (siehe AS 99).
Gab der Beschwerdeführer überdies im Laufe des Verfahrens an, die Mitarbeiter des Restaurants XXXX seien im Gegensatz zu den Gästen, für die sogar Kontrollgeräte und Wachpersonal zu Verfügung gestanden hätten, nicht kontrolliert worden, so ist dies in keiner Weise nachvollziehbar. Warum gerade die Angestellten von den Sicherheitskontrollen ausgenommen sein sollten, konnte der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht darlegen (siehe zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls).