TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 W202 1426768-4

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Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 1426768-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2019, Zahl 820506910 - 151110222 / BMI-BFA_WIEN_RD, zu Recht erkannt:

A)

I. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt (BAA) mit Bescheid vom 02.05.2012, 12 05.069-BAT, den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz ab (Spruchpunkte I. und II.) und den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

Am 26.08.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Eine gegen den Bescheid des BAA vom 02.05.2012, 12 05.069-BAT, erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 28.08.2014, W160 1426768-1, hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des Bescheides abgewiesen (Spruchpunkt A I.), Spruchpunkt III. des Bescheides aufgehoben und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen (Spruchpunkt A II.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

Mit Schreiben vom 15.01.2015 verständigte das BFA den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend seinen Antrag vom 26.08.2014. Daraufhin legte der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 30.01.2015 Urkunden zum Nachweis seiner Integration vor.

Das BFA wies mit Bescheid vom 14.04.2015, IFA: 820506910, VZ:

14911865, VZ:1992206, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zurück, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Am 16.07.2015 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA betreffend seine Ausreiseverpflichtung einvernommen, wobei er angab, nicht nach Indien zurückzuwollen, bereit zu sein, das Formblatt auszufüllen und sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.

Am 17.08.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gem. § 56 AsylG 2005. Dem Antrag legte der Beschwerdeführer in Kopie einen Meldezettel, eine Geburtsurkunde, einen indischen Führerschein, eine E-Card, ein Sprachzertifikat Deutsch des Österreichischen Integrationsfonds Niveaustufe A2 des Europarats, einen Versicherungsdatenauszug, einen Mietvertrag, einen Auszug aus einem Sparbuch, einen Auszug aus dem Gewerberegister, eine Jahresaufstellung betreffend die aufgrund eines Werkvertrages erhaltenen Beträge, eine Abrechnung betreffend den Lieferservice von 01.04.2015 bis 30.06.2015, ein Nachweis über das Zustellhonorar im Zeitraum 01.01.2015 bis 31.01.2015, 01.02.2015 bis 28.02.2015 sowie 01.06.2015 bis 30.06.2015, einen Zustelldienstvertrag, einen Meldezettel sowie eine Rot-Weiß-Rot - Karte plus betreffend den Schwager des Beschwerdeführers sowie dessen Reisepass, Geburtsurkunde und Lohngehaltsabrechnungen Mai und Juni 2015, einen Meldezettel betreffend die Schwester des Beschwerdeführers sowie deren Rot-Weiß-Rot - Karte plus, Heirats- und Geburtsurkunde, den Meldezettel sowie die Rot-Weiß-Rot - Karte plus, den indischen Reisepass sowie die Geburtsurkunde betreffend den Neffen des Beschwerdeführers, bei.

Mit Schreiben vom 03.09.2015 verständigte das BFA den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Es sei beabsichtigt, seinen Antrag auf Aufenthaltstitel "abzulehnen" und neuerlich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Mit Schriftsatz vom 21.09.2015 gab der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme ab, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Die richtige Schreibweise seines Vornamens laute XXXX . Er sei erstmals am 26.04.2012 in das Bundesgebiet eingereist, sodass er bis zur Erlassung des Erkenntnisses vom 28.08.2014 jedenfalls rechtmäßig aufhältig gewesen sei. Die dem entgegenstehenden "Behauptungen" im Bescheid vom 14.04.2015 seien unrichtig. Gegen den Bescheid des BFA vom 14.04.2015 hätte ein Rechtsmittel ergriffen werden müssen. Entgegen den bisherigen Behauptungen der Behörde verfüge er im Bundesgebiet über ein Privat- und Familienleben.

In seiner Heimat werde seine Familie von einer anderen Familie fortwährend mit falschen Behauptungen bei der Polizei angezeigt. Eine Bestätigung des Bürgermeisters sowie seines Vaters lege er vor, aus welchen sich insbesondere ergebe, dass im Jahr 2012 zum Zeitpunkt ihrer Ausreise nur noch die Eltern in der Heimat gelebt hätten, da eine Schwester längst nach Kanada übersiedelt sei und eine andere Schwester bereits im Bundesgebiet mit Aufenthaltstitel verfestigt gewesen sei. Sein gesamtes Privat- und Familienleben ereigne sich somit innerhalb des Bundesgebietes, er sei im Bundesgebiet voll integriert, sei strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, es gebe keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und man könne durchaus von verzögerten Verfahrensabläufen sprechen, wenn das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erst mehr als zwei Jahre nach Einbringung der Beschwerde erlassen worden sei und sich die Behörde mit ihrer Entscheidung zu Punkt III. des "Asylbescheides" wiederum acht Monate Zeit gelassen habe.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 26.04.2012, rechtmäßig bis 29.08.2014, im Bundesgebebiet auf. Seine Schwester, sein Neffe und sein Schwager sowie sein Bruder hielten sich im Bundesgebiet auf, weiters verwies der Beschwerdeführer auf eine österreichische Staatsbürgerin, die sein Schutzengel in jeder Hinsicht sei, ihm Deutschunterricht gebe, ihm bei Behördenwegen behilflich sei, sodass zu ihr tatsächlich ein echtes Sohn-Mutter-Verhältnis bestehe, welches dadurch noch intensiviert werde, dass sie durch ihre seinerzeitige Ehe mit einem indischen Staatsbürger teilweise Punjabi beherrsche. Mit den genannten Personen gebe es täglich Kontakte, sodass tatsächlich ein ausgeprägtes Privat- und Familienleben bestehe.

Während der Nachtzeit sei er als Zeitungszusteller mit Gewerbeschein tätig, während der Tageszeit als Speisenzusteller, wobei er auf die beiliegenden Unterlagen verweise. Die Wohnung werde von ihm und seinem Bruder in Untermiete bewohnt. Er könne keine Asylgründe geltend machen, doch wäre sein Leben bei einer Rückkehr dennoch gefährdet, weil eine Familie nach wie vor mit allen nur erdenklichen Attacken gegen seine Eltern vorgehe und zusätzlich bei korrupten Polizeibeamten deren Einsätze im elterlichen Wohnhaus organisiere, sodass die Führung eines normalen Lebens ausgeschlossen sei.

Er sei im Bundesgebiet voll integriert, habe sich die österreichischen Lebensgewohnheiten angeeignet, habe die Prüfung für das A2-Zeugnis innerhalb kürzester Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet positiv abgeschlossen und es bestehe ein besonders inniges Verhältnis zu seinen Angehörigen sowie zu XXXX , sodass es gelte, sein Privatleben zu schützen. Zusammenfassend stehe deshalb fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn sowohl auf Dauer als auch vorübergehend wegen seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet "absolut unzulässig" wäre, weshalb ihm bei vollständiger Abwägung der Fakten auch der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen sein werde. Auch wenn sich ein Großteil der Unterlagen bereits im Akt befinde, lege er die Unterlagen in Kopie (nochmals) vor. Der beantragte Reisepass sei ihm bis dato nicht ausgestellt worden, weil notorischerweise Reisepässe erst nach Erteilung des Aufenthaltstitels ausgestellt würden, weshalb er hiermit auch den Antrag gemäß § 4 AsylG-DV 2005 stelle. Er stelle daher die Anträge auf Abstandnahme von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und stattdessen Bewilligung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Schutz seines Privat- und Familienlebens in eventu Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einvernahme der Zeugen XXXX und XXXX sowie seiner Einvernahme, Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und in weiterer Folge Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, Beachtung der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 mit dem Hinweis darauf, dass er den Reisepass nach Erhalt des Aufenthaltstitels sofort nachreichen werde, sobald er ihm ausgestellt worden sei.

Mit Bescheid vom 30.10.2015, IFA: 820506910/ VZ: 1992206, wies das BFA den "Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" zurück, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung "nach Pakistan" zulässig sei.

Mit hg. Erkenntnis vom 10.01.2017, W202 1426768-2, wurde der Bescheid vom 30.10.2015 ersatzlos behoben (Spruchpunkt A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B), weil der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gem. § 56 Abs. 1 gestellt habe, wogegen im Bescheid über einen "Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" abgesprochen worden sei, sich ein solcher dem Akteninhalt aber nicht habe entnehmen lassen.

Am 01.03.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA einvernommen, wobei der Beschwerdeführer den Antrag gemäß § 56 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 6 AsylG 2005 auf einen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 abänderte. Diesen Antrag begründe er damit, dass er sich seit fünf Jahren in Österreich aufhalte. In Österreich lebten seine Schwester, sein Schwager, sein Neffe und sein Bruder. Diese seien alle in Besitz von Aufenthaltstiteln. In Indien habe er keine familiären Bindungen und Beziehungen mehr. Er sei in Österreich als Zeitungszusteller beschäftigt und habe er daher ein regelmäßiges Einkommen. Er sei in Besitz eines Sprachzertifikates Deutsch auf dem Niveau A2, außerdem habe er auch eine Einstellungszusage. Weiters lege er eine Mietrechtsvereinbarung vor. Er könne derzeit noch keinen Reisepass vorlegen, weil ihm bei der indischen Botschaft gesagt worden sei, dass er hiefür zumindest die Zusage für einen Aufenthaltstitel benötige. Er habe außer dem Reisepass alle erforderlichen Unterlagen im Original vorgelegt.

Am Ende der Einvernahme wurde festgehalten, dass beabsichtigt sei, aufgrund der vorgelegten Urkunden bei Vorlage eines Reisepasses durch den rechtsfreundlichen Vertreter, einen Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG 2005 zu gewähren.

Der Beschwerdeführer legte in der Folge Schreiben der indischen Botschaft vom 21.03.2017, vom 01.05.2017, vom 22.01.2018, vom 23.02.2018 sowie vom 11.04.2018, alle betreffend das Verfahren zur Ausstellung eines Reisepasses für den Beschwerdeführer, vor.

Mit Bescheid vom 12.07.2018, IFA-820506910/VZ:151110222, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zurück (Spruchpunkt I.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.), setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers von 14 Tagen fest (Spruchpunkt III.) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV 2005 ab (Spruchpunkt IV.).

Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 06.06.2019, W202 1426768-3, nach Durchführung einer Verhandlung stattgegeben und der Bescheid vom 12.07.2018 behoben (Spruchpunkt A 1.), der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz zurückgewiesen (Spruchpunkt A 2.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B). Begründet wurde die Behebung mit der Vorlage einer Geburtsurkunde und mehrerer Schreiben der indischen Botschaft, aus denen hervorging, dass sich der Beschwerdeführer um die Ausstellung eines indischen Reisepasses bemüht hat und dem Beschwerdeführer bereits ein indischer Reisepass ausgestellt wurde, weshalb es keiner Heilung bedurfte. Der Beschwerdeführer war seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen.

Am 05.07.2019 wurde der Beschwerdeführer, nachdem er unrechtmäßigen Aufenthalts in Wien betreten worden war, im Stande der Anhaltung vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, Rückkehrhilfe nicht in Anspruch nehmen zu wollen, weil er in Indien niemanden habe. Er wolle nicht zurückkehren. Er habe keine Dokumente, diese seien bei seinem Anwalt. Der Beschwerdeführer füllte im Rahmen der Einvernahme einen Antrag auf Ausstellung eines Ersatzreisedokuments nicht aus.

Mit Schreiben vom 18.07.2019 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund Dr. ECKHARTER im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom 06.06.2019 den Antrag "auf unverzügliche Einhaltung der, mit Fettdruck schriftlich festgehaltenen Zusage vom 01.03.2017 durch sofortige Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels".

Am 03.09.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er soweit wesentlich an, sich seit 2012 in Österreich aufzuhalten. Er sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, weil seine ganze Familie in Österreich lebe. Nur seine Eltern lebten in Indien. In Österreich habe sich der Beschwerdeführer selbstständig gemacht und als Kleintransportunternehmer gearbeitet. Wenn er keine Arbeit gehabt habe, hätten ihn seine Geschwister finanziell unterstützt. Derzeit arbeite der Beschwerdeführer als Essenszusteller für ein Schnitzelhaus. Dort arbeite er selbstständig auf Werkvertragsbasis. Der Beschwerdeführer sei krankenversichert, eine Bestätigung habe er vorgelegt. Er lebe bei seiner Schwester. Er spreche Deutsch auf dem Niveau A2, eine Bestätigung habe er vorgelegt. In Österreich würden sich ein Bruder, eine Schwester, ein Schwager und ein Neffe des Beschwerdeführers aufhalten. In Indien lebten die Eltern des Beschwerdeführers. Diese besäßen eine Kuh und verkauften deren Milch.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 16.09.2019, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17.08.2015 gem. § 55 AsylG 2005 zurück (Spruchpunkt I.), erließ gem. § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gem. § 55 Abs. 1-3 mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Zu Spruchpunkt I. führte das BFA rechtlich soweit wesentlich aus, der Beschwerdeführer arbeite im Bundesgebiet illegal. Er habe nie auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels vertrauen dürfen. Bereits 2015 sei ein Antrag des Beschwerdeführers nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 negativ entschieden worden und es habe sich an den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers seither nichts geändert. Daher sei sein Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. hielt das BFA fest, gem. § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG sei eine abweisende Entscheidung nach § 55 ff. AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, es habe nach § 52 Abs. 9 FPG festzustellen, dass die Abschiebung nach Indien zulässig sei. Gründe nach § 50 FPG lägen nicht vor.

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, es hätten sich keine Gründe ergeben, die Frist von 14 Tagen zu verlängern.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen neben näher dargetanen Aktenwidrigkeiten geltend, die Annahme, es hätte seit 2014 (gemeint: 2015) keine Sachverhaltsänderung gegeben, sei unzutreffend. Das Verfahren sei bereits vier Jahre anhängig. In der Niederschrift vom 01.03.2017 sei festgehalten worden, dass beabsichtigt wäre, aufgrund der vorgelegten Urkunden bei Vorlage eines Reisepasses durch den rechtsfreundlichen Vertreter, einen Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG 2005 zu gewähren.

Die Beschwerde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer der beantragte Aufenthaltstitel ex offo erteilt werde samt Feststellung der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie seiner Abschiebung nach Indien auf Dauer, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und nach Verfahrensergänzung durch seine neuerliche Einvernahme in merito neu zu entscheiden in Richtung Antragsbewilligung, sowie "von einer Behebung des angefochtenen Bescheids Abstand [zu] nehmen, nachdem die Antragszurückweisung auf keiner gesetzlichen Grundlage basier[e] und die belangte Behörde eine meritorische Entscheidung getroffen ha[be], sodass es sich hier bloß um eine gänzliche Verkennung der Rechtslage bei Auswahl der gesetzlichen verba handeln" könne, eine Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den Beschwerdeführervertreter von sämtlichen Ermittlungsergebnissen in Kenntnis zu setzen sowie das BFA gem. § 53 VwGVG schuldig zu erkennen, verzeichnete Kosten iHv € 737,60 an den Beschwerdeführervertreter zu entrichten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und 8 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A:

Zu I.:

Hat die Behörde (wie hier) einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 sind gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in diesem Sinn liegt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Vor diesem Hintergrund kann schon aufgrund der seit der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung vom 14.04.2015 verstrichenen Zeit (mehr als vier Jahre) die eingetretenen Änderungen der Sachlage nicht von vornherein als bedeutungslos für eine Neubewertung im Sinne des Art. 8 EMRK betrachtet werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass in diesen vier Jahren eine (weitere) Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers eingetreten ist und eine solche wurde sowohl in den mittlerweiligen jeweiligen Einvernahmen als auch in der Beschwerde konkret dargetan.

Dazu ist anzumerken, dass gemäß § 20 Abs. 3 BFA-VG dessen Abs. 1, der ein beschränktes Neuerungsverbot für Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA normiert (Hinweis B des VwGH 29.07.2015, Ra 2015/18/0036), bei Beschwerden gegen Entscheidungen auf Grund eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 - dort befindet sich § 55 AsylG 2005 - nicht anzuwenden ist (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände ist eine abweichende Beurteilung nach Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall nicht jedenfalls ausgeschlossen, womit eine Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt. In Stattgabe der Beschwerde waren daher Spruchpunkt I. des Bescheides und damit auch die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides zu beheben.

Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen meritorisch abzusprechen ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

Zu. II.:

Aus Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG folgt, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Verhaltensbeschwerden nicht bereits aufgrund der Verfassung besteht, sondern durch Landes- oder Bundesgesetz erst begründet werden muss. Zu einer solchen Regelung wird der Gesetzgeber durch Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG ermächtigt, aber nicht verpflichtet.

Worin der Beschwerdeführer eine Regelung des Gesetzgebers erblickt, die es ihm im gegenständlichen Fall erlaubte, eine Verhaltensbeschwerde einzubringen, tut dieser nicht dar. Vielmehr handelt es sich beim gegenständlichen Verfahren um eine Bescheidbeschwerde, nicht jedoch um eine Verhaltensbeschwerde. Im Rahmen der gegenständlichen Bescheidbeschwerde findet aber nach den einschlägigen Bestimmungen ein Kostenersatz nicht statt. Der Antrag auf Kostenersatz war daher zurückzuweisen.

Zum Entfall der Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Im gegenständlichen Fall ergibt sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eindeutig aus der Aktenlage.

Zu B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
Behebung der Entscheidung, Integrationsverfestigung,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W202.1426768.4.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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