TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 W201 2222238-1

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Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W201 2222238-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Angela Schidlof als Vorsitzende und durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 22.07.2019, OB:

XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A.)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in Verbindung mit § 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in den Behindertenpass liegen vor.

Die belangte Behörde hat die oben genannte Zusatzeintragung vorzunehmen.

B.)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

l. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 09.04.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag angeschlossen war ein Konvolut von Befunden.

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 24.06.2019 ergab, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Es liege zwar eine fortgeschrittene COPD vor, der Schweregrad dieser Erkrankung erreiche jedoch kein Ausmaß, dass es bereits bei geringer körperlicher Belastung zu Atemnot käme. Überdies sei eine Langzeit-Sauerstofftherapie nicht angezeigt. Auch unter Berücksichtigung der Halbseitenschwäche rechts sei es dem BF möglich, eine kurze Wegstrecke und ein paar Stiegen selbständig zu bewältigen, da genug Kraft in den Beinen zu verzeichnen sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.07.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, durch die bei ihm vorliegende Herzleistungseinschränkung in Verbindung mit COPD 3 und bronchialem Asthma bekomme er schon bei geringer körperlicher Belastung Atemnot, sodass er in seiner Mobilität massiv eingeschränkt sei. Seit einem Schlaganfall leide er unter Gleichgewichtsstörungen, er leide an seiner rechten Hand unter schubweisem Kräfteverlust und habe im rechten Bein eine Hebeschwäche, was ein sicheres Ein- und Aussteigen ohne Hilfe, unmöglich mache.

Das Bundesverwaltungsgericht holte ein Gutachten eines FA für Innere

Medizin/Allgemeinmedizin ein.

Das Gutachten vom 09.10.2019 führt wie folgt aus:

Zu Frage 1.1.)

Bei dem Pat. Besteht eine komplexe pulmonale Erkrankung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ein Emphysem, sowie eine chronische Entzündung der kleinen Atemwege.

Aus diesen Gründen liegt eine andauernde Atemnot bei Belastung vor, die trotz medikamentöser Therapie keine Besserung erfährt, eine Sauerstofftherapie ist derzeit noch nicht indiziert.

Des Weiteren besteht seit dem Insult 02/2019 eine Gehbehinderung mit der Notwendigkeit durch die Unterstützung eines Stockes. Der freie Stand ist nur eingeschränkt möglich und es besteht ein Defizit des Fußhebers rechts. Es besteht eine erhebliche Stolper- und Sturzgefahr.

Aus diesen Gründen scheint es dem Pat. verunmöglicht eine Strecke von 300 bis 400m in 10 min zurückzulegen. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist bei Fußheberschwäche und Gehilfenbenützung erschwert und der Transport kann nur in sitzendem Zustand durchgeführt werden, da eine erhöhte Sturz- und Stolpergefahr besteht.

Zu Frage 1.2)

DIAGNOSENLISTE:

Thalamusinfarkt links I63.3

Älterer lakunärer Ponsinfarkt rechts

COPD

Chronische Alveolitis

Lungenemphysem

Hypertonie

Aufenthalt an der Stroke Unit MEL AA040

Polyvalente Allergie (Tierhaare, Staub, Gräser, Schimmelpilz)

Hyperlipidämie

Zustand nach Loop Recorder Implantation

Zu Frage 1.3)

a) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Siehe dazu Frage 1

b) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?

Nicht zutreffend

c) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Nicht zutreffend

Zu Frage 1.4)

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung, sowie der Befundzusammenschau sind die

Einwendungen des Patienten nachvollziehbar.

Es besteht eine komplexe Lungengerüsterkrankung: eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung und eine entzündliche Veränderung der kleinen Atemwege, wodurch eine andauernde Atemnot besteht.

Eine wesentliche Erleichterung trotz medikamentöser Therapie ist nicht andauernd vorliegend, wodurch die Atemnot bei bereits geringer Belastung auftritt.

Weiters besteht seit dem Schlaganfall eine Gleichgewichtsproblematik und eine Schwindelsymptomatik, die trotz Therapien nicht beherrscht werden kann (dies objektivierbar in der Untersuchung). Des Weiteren ist der Kräfteverlust in der rechten Körperhälfte auch gutachterlich nachvollziehbar. Es besteht eine erhöhte Stolper- und Sturzgefahr, eine dauerhafte Gehhilfe wird seither verwendet.

Das Herzleiden per se ist nicht weiter limitierend (unauffälliger echocardiografischer Befund, Abl. 8). Der Loop Recorder zur Aufzeichnung eventuell auftretender Herzrhythmusstörungen implantiert - diese aber derzeit nicht dokumentiert

Zu Frage 1.5)

Aufgrund der Befundzusammenschau sowie der körperlichen Untersuchung kommt die Unterfertigte zur Ansicht dass das zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min nur unter Einhaltung von Pausen bewältigbar ist.

Des Weiteren ist das Überschreiten von Niveauunterschieden, wie es zum Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel notwendig ist, nur erschwert und unter Zuhilfenahme eines Handlaufes möglich bei einer Schwäche der rechten Körperhälfte inklusive Fußheberschwäche.

Der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nur sitzend möglich da eine erhöhte Sturzgefahr besteht.

Erschwerend kommt zur körperlichen Schwäche die Atemnot hervorgerufen durch die komplexe Lungenerkrankung.

Zu Frage 1.6)

Eine Nachuntersuchung ist aus gutachterlicher Sicht nicht indiziert, da von keiner wesentlichen Verbesserung der Gesamtsituation ausgegangen wird.

Das Gutachten wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und ihnen eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle NÖ, vom 22.07.2019 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen, da der BF aufgrund der durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten die Voraussetzungen nicht erfüllte.

Aufgrund des durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens erfüllt der BF die Voraussetzung für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass. So bestehen beim BF eine Lungengerüsterkrankung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung und eine entzündliche Veränderung der kleinen Atemwege, wodurch eine dauernde Atemnot besteht. Seit dem Schlaganfall bestehen eine Gleichgewichtsproblematik und ein Schwindelsymptom, die auch mittels Therapien nicht beherrscht werden können. Durch den Kräfteverlust in der rechten Körperhälfte besteht eine erhöhte Stolper- und Sturzgefahr. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300m-400m ist in 10 min nur mit Pausen bewältigbar. Der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund der erhöhten Sturzgefahr nur sitzend möglich.

Das Überwinden von Niveauunterschieden, ist nur erschwert und unter Zuhilfenahme eines Handlaufes möglich, bei einer Schwäche der rechten Körperhälfte.

Der Grad der Behinderung des BF beträgt 50 %.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der Voraussetzungen hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung gründet sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten einer FÄ für Innere Medizin/Allgemeinmedizin,

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander, was letztlich zum Ergebnis führte, dass nach Aussage der Sachverständigen die Voraussetzungen für die Eintragung , Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorliegen.

Das Sachverständigengutachten weist keine Widersprüche auf, die getroffenen

Einschätzungen der festgestellten Funktionseinschränkung werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Der BF ist aufgrund der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen der Lunge sowie der Folgen seines Schlaganfalls, nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel sicher zu benützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass ist mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:

1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;

2. die Versicherungsnummer;

3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

4. eine allfällige Befristung.

(§ 1 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs.

2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Betreffend die Beurteilung ob eine dauernd starke Gehbehinderung iSd § 29b StVO1960 in der Fassung vor dem 01.01.2014 vorliegt, ist der Verwaltungsgerichtshof von einer möglichen Wegstrecke von mehr als 300 m ausgegangen.

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die

Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden. (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258)

Wie aus dem durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eindeutig hervorgeht, ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF nicht zumutbar. Es ist ihm das Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln sowie ein sicherer Transport aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen der rechten Körperhälfte sowie die vorliegende Atemnot erheblich erschwert. Die beim BF vorliegenden Leiden bewirken in ihrer Gesamtheit die Unfähigkeit öffentliche Verkehrsmittel ausreichend sicher zu benützen.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht zumutbar und daher die begehrte Zusatzeintragung vorzunehmen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn

die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993)

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304). Zur Klärung des Sachverhaltes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2222238.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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