Entscheidungsdatum
11.02.2020Norm
ASVG §18bSpruch
W126 2218304-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 28.02.2019, Zl. HVBA/ XXXX , betreffend Selbstversicherung nach § 18b ASVG zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 08.11.2018 die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der von ihr genannten nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG.
2. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) vom 28.02.2019 wurde dieser Antrag gemäß 18b ASVG abgelehnt. Als Begründung wurde ausgeführt, dass für die angegebene nahe Angehörige ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufen 3, 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder eines Landespflegegeldgesetzes nicht nachgewiesen sei. Demnach sei die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG nicht gegeben.
3. Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin seit 2 1/2 Jahren ihre aus Deutschland zugezogene Großmutter pflege, die durch ihre AOK Plus Versicherung aus Deutschland mit einer österreichischen E-Card zur Inanspruchnahme jeglicher Leistungen aus der österreichischen Sozialversicherung berechtigt sei. Nachdem ihrer Großmutter von der deutschen AOK Plus Versicherung die Pflegestufe 3 zuerkannt worden sei, beziehe sie nunmehr Pflegegeld der Stufe 3. Die Beschwerdeführerin pflege ihre Großmutter unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung und erwerbe keine Pensionsversicherungszeiten. Zuletzt wurde festgehalten, dass alle Leistungen der Sozialversicherung, welche die nahe Angehörige in Österreich in Anspruch nehme, von der SVA mit der deutschen AOK Plus Versicherung verrechnet werden würden.
4. Am 03.05.2019 wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht vom 17.04.2019 weist die belangte Behörde darauf hin, dass der gepflegten Person Pflegegeld aus Deutschland gewährt werde. Es bestehe kein Anspruch auf Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz bzw. nach den österreichischen Rechtsvorschriften. Nach den deutschen Rechtsvorschriften sei für Pflegepersonen unter bestimmten Voraussetzungen eine Rentenversicherung vorgesehen. Die Rentenversicherung der Pflegeperson sei akzessorisch zum Pflegegeld. Es sei somit unzweifelhaft der Mitgliedstaat für die Renten-Pensionsversicherung der Pflegeperson zuständig, der für das Pflegegeld zuständig sei. Im gegenständlichen Fall sei somit für die Renten- bzw. Pensionsversicherung der Beschwerdeführerin gemäß der VO 883/2004 nicht Österreich, sondern Deutschland zuständig. Ein Recht auf Selbstversicherung nach österreichischem Recht (§18b ASVG) komme der Beschwerdeführerin daher nicht zu.
5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin das Beschwerdevorlageschreiben der belangten Behörde zur allfälligen Stellungnahme übermittelt. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 08.11.2018 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger (Großmutter) gemäß § 18b ASVG.
Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsbürgerin; sie ist in Österreich wohnhaft und als Arbeiterin beschäftigt.
Die Großmutter der Beschwerdeführerin ist ebenfalls deutsche Staatsangehörige, wohnt im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin in Österreich und bezieht eine Pflegeleistung aus Deutschland. Konkret bezieht sie seit 01.08.2018 Pflegegeld im Pflegegrad 3 von der AOK Plus Gesundheitskasse. Alle nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen sind bei den gemeindlichen Unfallversicherungsträgern beitragsfrei versichert.
Der in Österreich gestellte Antrag der Großmutter der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Pflegegeldes wurde mit Bescheid der PVA, Landesstelle Niederösterreich, vom 17.08.2018 abgelehnt. Als Begründung wurde ihre Zugehörigkeit zur Krankenversicherung in Deutschland und demnach die Zuständigkeit Deutschlands für ihre pflegebedingten Leistungen angeführt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen; sie sind unstrittig.
Die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer nahen Angehörigen sowie ihr gemeinsamer Wohnsitz ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ZMR-Anfragen.
Die Beschäftigung der Beschwerdeführerin wurde einem aktuellen Versicherungsdatenauszug entnommen.
Der Umstand, dass die Großmutter der Beschwerdeführerin eine Pflegeleistung aus Deutschland bezieht, ist unbestritten und geht aus dem vorgelegten Schreiben einer deutschen Pflegekasse (bei der AOK Plus) vom Oktober 2018 hervor; auf dieses Schreiben stützt sich auch die Feststellung, dass alle nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen bei den gemeindlichen Unfallversicherungsträgern beitragsfrei versichert sind.
Dass der in Österreich gestellte Antrag der Großmutter der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Pflegegeldes abgelehnt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid der PVA vom 17.08.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit:
Im vorliegenden Fall sind die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, heranzuziehen.
Nach Artikel 3 Abs. 1 lit. a der VO 883/2004 erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auf alle Rechtsvorschriften, die Leistungen bei Krankheit betreffen.
Nach Art. 10 dieser VO, wird, sofern nichts anderes bestimmt ist, aufgrund dieser VO ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten.
Nach Art. 21 der VO 883/2004 haben ein Versicherter und seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts können diese Leistungen jedoch vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden.
3.2 Gesetzliche Bestimmungen in Österreich (ASVG):
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,
1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder
2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.
(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.
(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig.
3.3. Judikatur und dt. Rechtslage:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit dem Urteil vom 05.03.1998 - Rechtssache C-160/96 - entschieden, dass Pflegegeld eine Geldleistung bei Krankheit darstellt. Insofern ist das Pflegegeld aus der Pflegeversicherung auch bei einem Aufenthalt in anderen Staaten der EU und des EWR zu leisten. Auch der OGH, vgl. 10ObS3/14k vom 28.01.2014 mwH, teilt diese Auffassung.
Nach dem Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundessebene zu Leistungen der Pflegeversicherung bei Auslandsaufenthalten vom 13.04.2017, Seite 13, Pkt. 5, sind Personen nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI (Anmerkung: deutsches Sozialgesetzbuch) in der Zeit, in der sie einen oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens 10 Stunden wöchentlich in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen, versicherungspflichtig, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI (Anmerkung: aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflegversicherung) hat. Demnach ist nach den deutschen Rechtsvorschriften für Pflegepersonen - unter bestimmten Voraussetzungen - eine Rentenversicherung vorgesehen.
Dem Rundschreiben zufolge kommt diese Versicherungspflicht - unter bestimmten Voraussetzungen - auch dann zustande, wenn die Pflegeperson den Pflegebedürftigen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland, aber innerhalb eines anderen EU-/EWR-Staates oder der Schweiz pflegt. Die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge für eine nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI versicherungspflichtige Person durch die Pflegekasse des Pflegebedürftigen stellt ebenso wie die Zahlung des Pflegegeldes an den Pflegebedürftigen eine Leistung bei Krankheit dar, die vom Anwendungsbereich der VO (EG) 883/04 erfasst wird (Urteil des EuGH vom 08.07.2004, Rechtssache C-502/01 und C-31/02). Die Beitragszahlung ist als Geldleistung zu qualifizieren, da sie in dem Sinne zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch ist. Als solche ist die Leistung grundsätzlich exportfähig, d.h. sie ist auch für Personen zu zahlen, die im Gebiet eines anderen als des für die Leistung normalerweise zuständigen EU/EWR-Staates oder der Schweiz wohnen (vgl. zu all den oben getätigten Angaben auch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu W178 2151226-1/4E vom 05.05.2017).
Entsprechend der Judikatur des EuGH (vgl. das oben angeführte Urteil vom 08.07.2004, Rechtssache C-502/01 und C-31/02) muss die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge des Dritten, von dem sich ein Pflegebedürftiger Leistungen der häuslichen Pflege erbringen lässt, selbst auch als Geldleistung der Krankenversicherung qualifiziert werden, da sie in dem Sinne zum eigentlichen Pflegegeld eben akzessorisch ist, als sie dieses unmittelbar für eine seiner möglichen Verwendungen vervollständigt, nämlich die Inanspruchnahme der von einem Dritten geleisteten häuslichen Pflege, die sie erleichtern soll.
Die Renten-/Pensionsversicherung der Pflegeperson ist daher akzessorisch zum Pflegegeld und wird nach denselben Grundsätzen koordiniert.
Aus all den Erwägungen ist unzweifelhaft der Mitgliedsstaat für die Renten-Pensionsversicherung der Pflegeperson (§ 18b ASVG in Österreich) zuständig, der für das Pflegegeld zuständig ist.
Nachdem im vorliegenden Fall der pflegebedürftigen Großmutter der Beschwerdeführerin das Pflegegeld aus Deutschland gewährt wird, ist für die Pensionsversicherung der Beschwerdeführerin gemäß der VO 883/2004 nicht Österreich, sondern Deutschland zuständig.
Ein Recht auf Selbstversicherung nach österreichischem Recht (§ 18b ASVG) kommt der Beschwerdeführerin daher nicht zu. Der Bescheid der PVA ist im Ergebnis zu bestätigen.
3.4. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nicht von der Beschwerdeführerin beantragt. Es konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sich im gegenständlichen Fall klar aus der Aktenlage ergab, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der Sachverhalt stellte sich aus der Aktenlage als hinreichend geklärt dar und war im vorliegenden Fall unstrittig. Die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Rechtsfrage ist, wie dargelegt, (höchstgerichtlich) geklärt. Es wurden keine sonstigen Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VfGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Nach der oben zitierten ständigen Judikatur des EuGH, vgl. das Urteil vom 08.07.2004, Rechtssache C-502/01 und C-31/02, ist unzweifelhaft der Mitgliedsstaat für die Pensionsversicherung der Pflegeperson (§ 18b ASVG in Österreich) zuständig, der für das Pflegegeld zuständig ist.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Mitgliedstaat, Pensionsversicherung, Pflegegeld, Selbstversicherung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W126.2218304.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020