Entscheidungsdatum
12.02.2020Norm
AlVG §10Spruch
W255 2228109-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 17.01.2020, GZ 2020-0566-3-000062, betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 27.12.2019, gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) vom 27.12.2019 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 15.12.2019 bis 08.02.2020 verloren habe. Der BF habe die ihm ab 15.12.2019 mögliche zugewiesene, zumutbare Beschäftigung als Abräumer bei der Firma XXXX vereitelt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.
1.2. Gegen den unter Punkt 1.1. genannten Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 07.01.2020 fristgerecht Beschwerde. Darin führte er aus, dass er Ende September ein Telefonat mit der Firma XXXX geführt habe, im Zuge dessen er mitgeteilt habe, dass er eine 30-prozentige Einschränkung habe. In der Folge sei ihm mitgeteilt worden, dass er für die dort auszuübende Arbeit nicht geeignet sei. Der BF habe dies seiner AMS-Beraterin mitgeteilt. Ihm sei allerdings erneut eine Stelle zugewiesen worden, deren Anforderung der BF nicht entspreche.
1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des AMS vom 17.01.2020, GZ 2020-0566-3-000062, wurde die aufschiebende Wirkung der unter Punkt 1.2. genannten Beschwerde vom 07.01.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 27.12.2019 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Nach Wiedergabe der rechtlichen Bestimmungen sowie des Sachverhalts wurde in Bezug auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung Folgendes ausgeführt:
Das Arbeitslosenversicherungsrecht bezwecke, arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten.
§ 10 AlVG sanktioniere durch befristeten Leistungsausschluss diejenigen Personen, die erforderliche Anstrengungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit schuldhaft unterlassen oder vereiteln würden.
Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Hierzu werde festgestellt, dass der BF seit 25.02.2012 im Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung stehe, sohin Langzeitarbeitslosigkeit vorliege und beim BF seit seiner zuletzt erworbenen Anwartschaft bereits wiederholt Sanktionen gemäß § 10 AlVG verhängt worden seien. Aktuell werde gegen den BF Exekution geführt, was die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet erscheinen lasse.
In einer Gesamtschau der Interessenabwägung gelange das AMS im gegenständlichen Einzelfall zu dem Ergebnis, dass die zwingenden öffentlichen Interessen überwiegen und vorliegend nicht nur generalpräventive, sondern auch spezialpräventive Umstände evident seien, sodass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde auszuschließen sei.
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 27.01.2020 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich erneut inhaltlich gegen die Entscheidung betreffend die Einstellung der Notstandshilfe.
1.5. Am 29.01.2020 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen
Der BF steht seit 08.10.2011 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung; seit 25.02.2012 steht er im Notstandshilfebezug.
Mit Bescheid des AMS vom 27.12.2019 wurde festgestellt, dass der BF für den Zeitraum vom 15.12.2019 bis 08.02.2020 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren hat. Nachsichtsgründe lagen - so das AMS - nicht vor bzw. konnten nicht berücksichtigt werden. Zuvor war seitens des BF bereits eine Ausschlussfristen gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 19.06.2019 bis 30.07.2019 über den BF verhängt worden.
Am 07.01.2020 brachte der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 27.12.2019 ein.
Mit Bescheid des AMS vom 17.01.2020, GZ: 2020-0566-3-000062, wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des BF vom 07.01.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 27.12.2019 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 27.01.2020 brachte der BF Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 17.01.2020 ein.
Gegen den BF sind die folgenden Exekutionsverfahren anhängig:
* BG XXXX zur GZ 5E 1646/06b-2
* BG XXXX zur GZ 5E 3687/06z-2
* BG XXXX zur GZ 13E 0880/17f-2
* BG XXXX zur GZ 5E 02125/18m-2
* BG XXXX zur GZ 5E 01642/19h-2
Der BF hat einen mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil nicht substantiiert dargetan.
2.2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.
Die Feststellung bezüglich des Bezugs von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus dem Bezugsverlauf des AMS.
Die Feststellung, dass der BF einen mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil nicht substantiiert dargetan hat, gründet sich auf das Beschwerdevorbringen des BF.
Dem BF ist zu entgegnen, dass das AMS im Bescheid vom 17.01.2020 eine nachvollziehbare Interessenabwägung durchgeführt hat.
Seitens des BF wurden keine Gründe dargebracht, die bei Vornahme einer Interessenabwägung gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sprechen würden. Der Inhalt seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.01.2020 richtet sich ausschließlich inhaltlich gegen die Entscheidung des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe.
2.3. Rechtliche Beurteilung:
2.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
2.3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH vom 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:
"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH vom 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."
Wie bereits ausgeführt, erlaubt aber erst eine entsprechende Konkretisierung, die vom Antragsteller bzw. Beschwerdeführer glaubhaft darzutun ist, eine solche Interessenabwägung (vgl. dazu etwa VwGH 18.11.2003, AW 2003/17/0058). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller bzw. Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. z.B. VwGH vom 11.03.1996, 96/17/0071; 27.06.1996, 96/17/0028; 10.08.2011, 2011/17/0028).
2.3.3. Der BF hat im vorliegenden Fall keinen ihn besonders treffenden Nachteil durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dargetan (siehe Beweiswürdigung), sondern richtet sich inhaltlich gegen die Entscheidung des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe.
Unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabes vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. So hatte sich das AMS insbesondere (zu Recht) darauf berufen, dass beim BF seit seiner zuletzt erworbenen Anwartschaft bereits wiederholt Sanktionen gemäß § 10 AlVG verhängt worden sind und aktuell fünf Exekutionsverfahren gegen ihn geführt werden. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das letzte vollversicherte Dienstverhältnis des BF im Jahr 2011 vorlag und er seit 08.10.2011 durchgehend im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung steht, sodass Langzeitarbeitslosigkeit vorliegt.
Im Ergebnis erfolgte der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde somit zu Recht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich vergleichbaren Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar zumal die Bestimmung des § 64 Abs. 2 AVG Vorbild für jene des § 13 Abs. 2 VwGVG war (vgl. Lehhofer, aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich bei der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, InteressenabwägungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2228109.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020