TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W209 2217992-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W209 2217992-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX OG (nunmehr: XXXX OG), XXXX , XXXX , vertreten durch AREA Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, in 1010 Wien, Weihburggasse 4/9/29, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 19.02.2019, GZ: VA/ED-FP-0473/2018, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in Höhe von € 1.300,00 wegen unterlassener Anmeldung der Dienstnehmerin XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019,

GZ: VA/ED-FP-0473/2018, und am 11.02.2020 durchgeführter mündlicher

Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 04.05.2017, GZ: VA/ED-FP-0473/2018, schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse und im Folgenden: belangte Behörde) der beschwerdeführenden XXXX OG (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.300,00 vor, weil die Beschwerdeführerin es unterlassen habe, die Dienstnehmerin XXXX , VSNR XXXX , vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung zu melden. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer am 11.08.2018 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei im Verkaufslokal der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei, dass für die oben angeführte Dienstnehmerin die Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht erstatten worden sei. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag setze sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von € 500,00 und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von € 800,00 zusammen.

2. Mit Schreiben vom 08.03.2019 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass es sich bei der Betretenen um die damalige Lebensgefährtin des XXXX und somit um die quasi "Schwiegertochter" des XXXX , eines Gesellschafters der OG, handeln würde. Die Betretene habe einmalig und unentgeltlich an einem Samstag, dem Tag der Kontrolle, ausgeholfen. Die Bäckerei sei erst kürzlich eröffnet worden, weshalb man zum Ausgleich von fehlendem Personal anfänglich auf Familienmitglieder zurückgegriffen habe. Die Unentgeltlichkeit sei am Personenblatt der Finanzpolizei schriftlich festgehalten worden. Es sei angekreuzt worden, dass die Betretene Essen und Trinken erhalte. Zum Zeitpunkt der Kontrolle sei die Betretene erst eine Stunde in der Bäckerei gewesen und habe noch nichts konsumiert. Das Ankreuzen, dass sie Essen und Trinken erhalte, sei unter Druck der Finanzpolizei erfolgt, da man ihr in den Mund gelegt habe, dass man in einer Bäckerei ja sicherlich etwas Essen dürfe. Die Betretene habe einmalig, unentgeltlich und ohne Verpflichtung gearbeitet. Einziger Beweggrund sei die persönliche Beziehung zur Familie XXXX gewesen. Sollte die Betretene ein Gebäck ohne Bezahlung gegessen haben, so führe dies aus Sicht der Beschwerdeführerin nicht zu einer Entgeltlichkeit, welche ein Dienstverhältnis nach dem ASVG begründe. Unabhängig davon habe sie in dieser Stunde nichts konsumiert.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019, GZ: VA/ED-FP-0473/2018, wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass die Behörde berechtigt sei, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wurde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchungen entgegenstehen. Die Betretene sei im Verkaufslokal der Beschwerdeführerin beim Verkauf von Backwaren angetroffen worden, weshalb schon aus diesen Umständen von einem Dienstverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auszugehen sei. Die Tätigkeiten beim Verkauf von Backwaren könnten als einfache manuelle Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten angesehen werden, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum der Dienstnehmer erlauben. Daraus folge, dass bei einer Integration der Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden könne. Die Betretene habe auf dem im Zuge der Kontrolle eigenhändig ausgefüllten Personenblatt angegeben, dass sie am 11.08.2018 ab 10:00 Uhr für die Beschwerdeführerin im Verkauf tätig gewesen sei, dabei die Arbeitsanweisungen vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erhalten habe und diese entsprechend einzuhalten gewesen seien. Die Kontrolle durch die Organe der Finanzpolizei habe am 11.08.2018 um 13:10 Uhr stattgefunden. Daraus ergebe sich, dass die Betretene nicht frei über ihre Arbeitszeit verfügen habe können, weshalb ihre Bestimmungsfreiheit diesbezüglich ausgeschaltet gewesen sei. Auch der Arbeitsort sei vorgegeben gewesen und habe für die Betretene nicht die Möglichkeit bestanden, diesen einfach abzuändern. Die wirtschaftliche Abhängigkeit zeige sich im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel. Bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen sei sie die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Ein derartiger Entgeltanspruch bestehe, gleichgültig ob das Entgelt tatsächlich ausbezahlt worden sei oder nicht. Es komme somit bloß darauf an, ob die Betretene aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift einen Entgeltanspruch habe. Unter Entgelt werde alles verstanden, was der Dienstnehmer für seine Leistung als Gegenleistung bekommt. Auch Sachbezüge (z.B. Essen und Trinken) würden dem Entgeltbegriff des § 49 ASVG unterliegen. Das Beschwerdevorbringen, wonach die Betretene zum Zeitpunkt der Kontrolle erst eine Stunde in der Bäckerei gewesen sei und noch nichts konsumiert habe, gehe schon deswegen ins Leere, weil bereits die Aufnahme der Tätigkeit einen Anspruch auf Entgelt ausgelöst habe. Soweit vorgebracht worden sei, dass es sich bei der Betretenen um die damalige Lebensgefährtin des XXXX , somit quasi um die "Schwiegertochter" des XXXX , einem Gesellschafter der Beschwerdeführerin, gehandelt habe und die Betretene einmalig, unentgeltlich und einzig aus dem Beweggrund der persönlichen Beziehung zur Familie XXXX tätig geworden sei, werde damit augenscheinlich auf eine mögliche familienhafte Mitarbeit der Betretenen für die Beschwerdeführerin hingewiesen. Familiendienste unterlägen jedoch nur dann unbestritten nicht den Dienstvertragsregeln des AGBG, wenn die Dienste von Familienmitgliedern erbracht werden, die ausschließlich aus Gründen familiärer Beistandspflicht tätig werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof judiziere in seiner ständigen Rechtsprechung, dass die Vermutung bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen wechselseitig nicht unterhaltspflichtigen bzw. unterhaltsberechtigten Verwandten oder Verschwägerten nicht für die Ausübung der Beschäftigung im Rahmen bloß familienhafter Beziehung spreche, sondern im Zweifel ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis anzunehmen sei. Grundsätzlich sei anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Beurteilung von familiären Diensten sehr restriktiv vorgehe und bloß im Verhältnis zwischen Ehegatten und Eltern-Kind-Beziehungen, also immer dann, wenn Unterhaltspflichten vorliegen, anerkenne. Die gegenständliche Tätigkeit sei im Rahmen des Geschäftsbetriebes der Beschwerdeführerin - einer OG - und somit nicht im Betrieb des XXXX , eines ihrer vier Gesellschafter, oder in dessen privaten Umfeld ausgeübt worden. Das auf die damalige familiäre Beziehung der Betretenen zu einem der vier Gesellschafter der Beschwerdeführerin abzielende Vorbringen könne daher schon aus diesem Grund keine Vermutung einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer (quasi-)familienrechtlichen Verpflichtung begründen. Es liege somit eindeutig ein Agieren der Betretenen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt für die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin vor, weshalb von der Beschwerdeführerin vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger jedenfalls eine Anmeldung zur Pflichtversicherung zu erstatten gewesen wäre. Da bislang keine vollständige Anmeldung erfolgt sei, lägen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch keine unbedeutenden Folgen des Meldeverstoßes vor, die eine Herabsetzung des Beitragszuschlages begründen könnte, weswegen die Vorschreibung des Beitragszuschlages auch der Höhe nach zu Recht erfolgt sei.

4. Auf Grund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages, in dem die Beschwerdeführerin ergänzend vorbrachte, dass die Bäckerei als Familienbetrieb geführt werde und daher das Argument der belangten Behörde, die Tätigkeit könne nicht Ausfluss einer familiären Beistandspflicht gewesen sein, ins Leere laufe, legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 26.04.2019 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Am 11.02.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurde die Betretene und XXXX als Zeugen befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Im Zuge einer am 11.08.2018 um 13:10 Uhr durch Organe der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle wurde XXXX , VSNR XXXX , mit einer Schürze mit dem Firmenlogo der Beschwerdeführerin bekleidet im Verkaufslokal der Beschwerdeführerin, einer Bäckerei, beim Verkauf von Backwaren angetroffen, ohne vorher zur Pflichtversicherung gemeldet worden zu sein.

Die Betretene hatte mit dem Sohn eines der Gesellschafters der beschwerdeführenden OG, XXXX , eine "sich anbahnende Liebesbeziehung", wobei zudem die Familien der beiden aus dem selben Ort stammen und gut bekannt sind. Da es urlaubsbedingt zu Personalengpässen gekommen war, bat XXXX , der Dienstnehmer der OG war (und ist) und an diesem Tag in der Bäckerei arbeiten sollte, die Betretene, am Tag der Kontrolle zwei bis drei Stunden über Mittag in der Bäckerei im Verkauf auszuhelfen, da seine Mutter, die ebenfalls Gesellschafterin der OG ist, verhindert war. Als Gegenleistung wurde der Betretenen angeboten, überschüssige Backwaren mit nach Hause nehmen zu dürfen.

Die Betretene willigte schließlich - nicht zuletzt auch aufgrund ihrer persönlichen Nahebeziehung zur Familie XXXX - ein und war in der Folge von ca. 10:00 Uhr bis zur Kontrolle der Finanzpolizei um 13:10 Uhr für die beschwerdeführende Partei tätig.

Die Betretene wurde von der Beschwerdeführerin bislang nicht als Dienstnehmerin angemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Die Betretung unter den oben angeführten Umständen steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

Die Feststellungen zum Motiv und Ausmaß des Tätigwerdens der Betretenen für die beschwerdeführende Partei sowie der ihr dafür angebotene Gegenleistung gründen auf den glaubhaften Angaben der Betretenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die weitestgehend mit ihren Angaben gegenüber der Finanzpolizei übereinstimmen.

Die Zeugin machte einen sehr glaubwürdigen Eindruck und es bestanden auch sonst keine Anhaltspunkte, dass sie die Unwahrheit sagte, weswegen den Angaben des XXXX , denen zufolge der Betretenen keine Gegenleistung versprochen wurde, nicht zu folgen war.

Die festgestellte Dauer der Tätigkeit wurde - entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach die Betretene erst rund eine Stunde vor der Kontrolle tätig geworden sei - im Wesentlich auch von XXXX bestätigt.

Die bis dato nicht erfolgte Anmeldung ergibt sich aus einem von Amts wegen eigeholten Versicherungsdatenauszug der Betretenen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Im vorliegenden Fall stellt die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage dar und liegt somit eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet. Mangels Stellung eines entsprechenden Antrages hat die Entscheidung jedoch mittels Einzelrichter zu erfolgen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält (§ 49 ASVG).

Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a ASVG).

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 500,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 800,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 400,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

a) Zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist zunächst als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 27.04.2011, 2010/08/0091, hinsichtlich der Tätigkeit einer Kellnerin in einem Gastwirtschaftsbetrieb).

Die Betretene wurde im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzpolizei im Verkaufslokal der Bäckerei der Beschwerdeführerin mit einer Schürze mit dem Firmenlogo der Beschwerdeführerin beim Verkauf von Backwaren angetroffen. Dabei handelt es sich zweifellos um eine Tätigkeit unter solchen Umständen, die im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung die Annahme eines entgeltlichen Dienstverhältnisses rechtfertigen, sofern nicht atypische Umstände gegen eine solche Deutung sprechen.

Die Beschwerde macht das Vorliegen eines unentgeltlichen Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienstes geltend. Darunter sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten.

Das Vorliegen unentgeltlicher Dienste ist nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern die Unentgeltlichkeit muss ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens nach den Umständen konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).

Eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung, dass die Tätigkeit unentgeltlich erfolgen sollte, kann im vorliegenden Fall aus dem Umstand, dass der Betretenen als Gegenleistung für ihre Tätigkeit Backwaren angeboten wurden, nicht abgeleitet werden, zumal gemäß § 49 Abs. 1 ASVG auch Sachleistungen unter Entgelt zu verstehen sind.

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erhobene Einwand, dass die angebotenen Backwaren für die beschwerdeführende Partei keinen Wert dargestellt hätten, weil die überschüssige Ware ohnehin vernichtet werden hätte müssen, verfängt nicht, weil dies nichts daran ändert, dass der Erhalt von Backwaren einen geldwerten Vorteil darstellt.

Zwar war die gebotene Gegenleistung nach den glaubhaften Angaben der Betretenen nicht das ausschlaggebende Motiv für ihr Tätigwerden für die beschwerdeführende Partei. Von einer unentgeltlichen Tätigkeit kann unter diesen Umständen jedoch nicht die Rede sein.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Zweifel am Bestehen eines unentgeltlichen Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienstes dort angebracht sind, wo die Tätigkeit - wie im vorliegenden Fall - in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/09/0090). Im Regelfall kann nämlich - ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - nicht erwartet werden, dass ein Angehöriger oder Freund eines Dienstnehmers bloß auf Grund dieser Eigenschaft für einen daraus Gewinn ziehenden Unternehmer leistet (vgl. zur Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. "indirekter Freundschaftsdienste" etwa VwGH 13.03.2017, Ra 2017/08/0014).

Damit ist unter Würdigung der im gegenständlichen Fall vorliegenden Umstände nicht von einem unentgeltlichen Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienst, sondern vom Bestehen eines meldepflichtigen entgeltlichen Dienstverhältnisses auszugehen.

b) Zur Höhe des Beitragszuschlages

Nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117) sowie des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 07.03.2017, G407/2016 u.a.) ist die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht als Verwaltungsstrafe zu werten, sondern als eine wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung. Somit ist die Frage des subjektiven Verschuldens am Meldeverstoß unmaßgeblich. Entscheidend ist, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklich wurde, gleichgültig aus welchen Gründen. Die Frage des subjektiven Verschuldens ist aus diesem Grunde auch nicht näher zu untersuchen.

Die Beschwerdeführerin hat es als Dienstgeberin unterlassen, die betretene Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung anzumelden, und wurde dabei von Prüforganen der Abgabenbehörde des Bundes betreten. Es wurde daher der Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG verwirklicht, weswegen die Vorschreibung eines Beitragszuschlages dem Grunde nach zu Recht erfolgte.

Gemäß § 113 Abs. 2 ASVG kann bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 400 herabgesetzt werden. Unbedeutende Folgen liegen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht vor, wenn die Anmeldung des Dienstnehmers zum Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht nachgeholt worden ist, sodass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt (VwGH 11.07.2012, 2010/08/0137). Es kann daher der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Folgen des Meldeverstoßes nicht als unbedeutend erkannt hat, da im gegenständlichen Fall bislang keine Meldung zur Sozialversicherung erstattet wurde.

Die Beschwerde hat auch keine die rechtzeitige Meldung hindernden Umstände aufgezeigt, die den Fall als besonders berücksichtigungswürdig iSd § 113 Abs. 2 vierter Satz ASVG erscheinen lassen könnten.

Dementsprechend erfolgte die Vorschreibung des Beitragszuschlages auch der Höhe nach zu Recht, weswegen die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Bei der Frage, ob ein unentgeltlicher Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, handelt es sich um eine grundsätzlich nicht revisible einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. VwGH 24.02.2015, Ra 2015/08/0009).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragszuschlag, Dienstverhältnis, Meldeverstoß,
Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2217992.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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