TE OGH 2020/1/21 1Ob224/19a

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, wegen 30.600 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 28. Oktober 2019, GZ 6 R 131/19f-16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 13. September 2019, GZ 36 Cg 25/19g-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Der Beklagte begehrte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen den vom Erstgericht erlassenen Zahlungsbefehl sowie die Aufhebung der mangels wirksamer Zustellung zu Unrecht erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück, weil der Beklagte eine unwirksame Zustellung und daher keine Fristversäumnis behauptet habe. Den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wies es ab, weil ihm der Nachweis einer unwirksamen Zustellung nicht gelungen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten Folge, hob die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls auf und behielt die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vor. Es interpretierte die erstinstanzlichen Feststellungen (in dritter Instanz unbekämpft) dahin, dass die Hinterlegungsanzeige – wenn überhaupt – in eine unterhalb des Briefkastens angebrachte „Zeitungsröhre“ und nicht in den Briefkasten selbst eingelegt worden sei. Eine wirksame Zustellung sei damit nicht bewirkt worden. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob das Einlegen einer Hinterlegungsanzeige in eine „Zeitungsröhre“ (bei Vorhandensein eines Briefkastens) den Voraussetzungen des § 17 Abs 2 ZustG entspreche, nicht ersichtlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 17 Abs 2 Satz 2 ZustG ist der an der Abgabestelle nicht angetroffene Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Soweit dem Zusteller nach dieser Bestimmung ein Wahlrecht zukommt, muss jeweils eine objektive Gewähr bestehen, dass die Verständigung den Empfänger auch erreichen kann (vgl RS0083954). Das Einlegen der Hinterlegungsanzeige in den (geschlossenen) Briefkasten anstatt in die darunter befindliche (offene) „Zeitungsröhre“ hätte eine weitaus höhere Gewähr dafür geboten, dass sie dem Beklagten tatsächlich zukommt. Da von mehreren vom Gesetz alternativ zur Verfügung gestellten Möglichkeiten der Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung jene zu wählen ist, von der angenommen werden kann, dass sie die größere Gewähr dafür bietet, dass der Empfänger die Verständigung tatsächlich erhält (vgl Walter/Mayer, Das Österreichische Zustellrecht [1983] § 17 ZustG Anm 21; Wessely in Frauenberger-Pfeiler/
Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht² [2011] § 17 ZustG Rz 6 unter Hinweis auf 9 ObA 64/93; siehe auch VwGH Ra 2017/20/0290; 2013/06/0084), ging das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die vom Zusteller gewählte Vorgehensweise nicht den Voraussetzungen des § 17 Abs 2 ZustG entsprach.

Soweit die Revisionsrekurswerberin ein Abweichen der angefochtenen Entscheidung von (nicht konkret bezeichneter) erstinstanzlicher Rechtsprechung behauptet, vermag dies keine Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen. Ob die offene „Zeitungsröhre“ als solche überhaupt eine Abgabeeinrichtung iSd § 17 Abs 2 ZustG sein kann (der Verwaltungsgerichtshof verneinte eine solche Eigenschaft etwa bei einem frei zugänglichen „Holzverschlag“; vgl 2011/05/0076), muss nach dem Vorgesagten nicht geprüft werden. Von einem (alternativ zum Einlegen in eine Abgabeeinrichtung zulässigen) Zurücklassen der Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle im Sinn der zweiten Alternative des § 17 Abs 2 Satz 2 ZustG kann nicht gesprochen werden, wenn die Anzeige – wie hier – gänzlich außerhalb der als Abgabestelle bezeichneten Räumlichkeit „deponiert“ wird.

Da die Vorschriften über die Zustellung (und daher auch über die Art der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige) durch eine Vereinbarung zwischen dem Postzusteller und dem Empfänger nicht geändert werden können (VwGH 87/05/0063), kommt es entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht darauf an, ob die „Zeitungsröhre“ bisher „anstandslos“ für sämtliche Postzustellungen genutzt wurde.

Der Kostenvorbehalt beruht – da bereits das Rekursgericht die Entscheidung über die (erst- und zweitinstanzlichen) Kosten des Zwischenstreits dem Erstgericht vorbehielt – auf §

 52 Abs 3 ZPO.

Textnummer

E127584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00224.19A.0121.000

Im RIS seit

23.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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