TE OGH 2020/1/22 9Ob3/20m

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. 

Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. 

Korn und Dr. 

Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei C***** V*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei I***** K*****, vertreten durch Fahrner Unterrainer Rechtsanwälte OG in Zell am See,

wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 17 C 29/13w des Bezirksgerichts Zell am See (wegen 11.658,48 EUR sA und Feststellung), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. April 2019, GZ 53 R 71/19a-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die

außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO

zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Der (hier) Kläger begann im Jahr 2008 auf seiner Liegenschaft ein Apartmenthaus zu errichten.

Im Vorverfahren nahm die (hier) Beklagte den (hier) Kläger auf Zahlung von 11.658,48 EUR sA und Feststellung von dessen Haftung für allfällige derzeit nicht erkennbare Folgeschäden aus dem Bauvorhaben in Anspruch. Sie brachte damals vor, der Bau des Apartmenthauses habe bereits zu Rissen an ihrem Haus geführt und weitere Schäden seien nicht ausgeschlossen.

Im Vorverfahren wurde ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet des Bauwesens unter anderem zur Klärung der Fragen bestellt, ob durch die Errichtung des Apartmenthauses Schäden am Haus der Beklagten entstanden und weitere Schäden zu befürchten seien. Der Sachverständige kam am 7. 1. 2013 in seinem schriftlichen Gutachten zum Ergebnis, dass wegen der Durchführung des Bauvorhabens des Klägers auf konventionelle Art und der erst zeitlich verzögert aufgetretenen Schäden diese eher nicht Erschütterungen aus der Bauführung des Klägers zuzuordnen seien. Weil „laut“ einem Familienmitglied der Beklagten bei der seinerzeitigen Errichtung ihres Objekts eine in Hangneigung verlaufende Schiefergesteinslage mit einer ca 2 m mächtigen Überlagerung mit Erd- und Schottermaterial vorgefunden worden sei, sei „davon auszugehen, dass die Schadensursache im Bereich der hier vorhandenen geologischen Bodenverhältnisse zu suchen ist“. „Möglicherweise“ sei durch die Bauführung des Klägers die vorhandene Hanglage zumindest zum Teil entstabilisiert und seien dadurch die Schäden hervorgerufen worden.

Die Beklagte beanstandete hierauf schriftlich die Formulierung „möglicherweise“ des Sachverständigen als unpräzise. In einem Ergänzungsgutachten vom 6. 9. 2013 „ergänzte bzw berichtigte“ der Sachverständige – ohne weitere Ausführung der Gründe – sein Gutachten hinsichtlich der Frage der Kausalität dahin, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ durch die Bauführung des Klägers die vorhandene Hanglage zum Teil entstabilisiert und dadurch die Schäden am Objekt der Beklagten hervorgerufen worden seien.

Der Klage wurde mit unangefochten gebliebenem Urteil des Erstgerichts vom 13. 11. 2013 vollinhaltlich stattgegeben, wobei das Erstgericht zur Kausalität eine dem Ergänzungsgutachten entsprechende Feststellung traf und weiters – dies in Übereinstimmung mit dem Gutachten vom 7. 1. 2013 – davon ausging, dass eine Zunahme von Schäden bzw eine Vergrößerung der festgestellten Schäden am Objekt der Beklagten nicht ausgeschlossen werden könne.

Der Kläger begehrt mit seiner am 6. 8. 2018 eingebrachten Wiederaufnahmsklage gestützt auf den Wiederaufnahmegrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Aufhebung des Urteils des Erstgerichts vom 13. 11. 2013 und die Abweisung des Zahlungs- und Feststellungsbegehrens. Er brachte vor, sein Haftpflichtversicherer habe nunmehr ein Privatgutachten eingeholt, wobei erstmals auch Bodenuntersuchungen erfolgt seien. Ergebnis des Privatgutachtens sei, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Hauptursache für die aufgetretenen Setzungen die Gründung des Objekts der Beklagten auf unterschiedlich tragfähigen und setzungsempfindlichen Böden sei und dass ein direkter Zusammenhang der Setzungen mit den Baumaßnahmen des Klägers ausgeschlossen werden könne. Das Gutachten im Vorprozess sei falsch. Es sei von unvollständigen und unzulänglichen Grundlagen ausgegangen, da der Sachverständige weder selbst Bodenuntersuchungen durchgeführt habe noch durchführen habe lassen. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten auch nicht darauf hingewiesen, dass Bodenuntersuchungen durchzuführen wären. Nach der Rechtsprechung könne einem nachträglich beigebrachten Gutachten die Eignung als Wiederaufnahmegrund nicht abgesprochen werden, wenn das Gutachten des Hauptprozesses auf einer unzulänglichen Grundlage beruht habe und durch das neue Gutachten richtig gestellt oder vervollständigt werde. Den Kläger und seinen Haftpflichtversicherer treffe kein Verschulden an der Nichtdurchführung von Bodenuntersuchungen im Vorverfahren. Beide hätten nicht über die notwendige Fachkenntnis verfügt um zu erkennen, dass diese Untersuchungen zur Bildung einer vollständigen Beurteilungsgrundlage notwendig gewesen wären. Es hätte damals der Sachverständige darauf hinweisen müssen, dass er diese Untersuchungen zur abschließenden Beurteilung benötige. Der Kläger und sein Haftpflichtversicherer seien erst durch das seit 11. 7. 2018 vorliegende Privatgutachten in Kenntnis gelangt, dass die Bauführung des Klägers nicht kausal für die Setzungen am Objekt der Beklagten sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Wiederaufnahmeklage und hielt dem Kläger unter anderem entgegen, ihn treffe ein Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO, weil der Sachverständige im Vorprozess klar ausgeführt habe, dass die Schadensursache im Bereich der geologischen Bodenverhältnisse zu suchen sei.

Das Erstgericht bewilligte die Wiederaufnahme und hob sein Urteil vom 13. 11. 2013 auf. Es stellte den eingangs referierten Gang des Vorverfahrens sowie den Inhalt des Privatgutachtens des Haftpflichtversicherers fest. Rechtlich begründete es sein neues Urteil damit, der Sachverständige im Vorverfahren habe selbst keine Bodenuntersuchungen durchgeführt, diese auch nicht durchführen lassen und auch nichts im Gutachten diesbezüglich angeführt. Hätte er eine Bodenuntersuchung durchgeführt, bestünde die konkrete Möglichkeit, dass er aufgrund dieser Befundung zu anderen gutachterlichen Schlussfolgerungen gelangt wäre. Dem Privatgutachten komme die konkrete Eignung zu, allenfalls eine für den Kläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen. Der Kläger habe auf die Zuverlässigkeit und Fachkenntnis des Sachverständigen vertrauen dürfen, es sei ihm kein Verschulden vorzuwerfen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinne ab. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein nachträglich beigebrachtes Gutachten keine neue Tatsache, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt war. Eine „Konservierung von Beweismitteln“ stelle ein Verschulden dar. Das Sachverständigengutachten im Vorverfahren habe bereits ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die Schadensursache im Bereich der dort vorhandenen geologischen Bodenverhältnisse zu suchen sei. Der Wiederaufnahmekläger hätte zu diesem bekannten Thema bereits im Vorprozess entsprechende Behauptungen aufstellen und Beweismittel namhaftmachen können, insbesondere auch durch entsprechende Fragestellungen an den Sachverständigen zu den geologischen Umständen. Daraus hätte sich allenfalls eine Ergänzung des Gutachtens durch Bodenbohrungen ergeben. Aufgrund des ausdrücklichen Hinweises auf die geologischen Bodenverhältnisse durch den Sachverständigen im Gutachten des Vorverfahrens habe es keiner besonderen Fachkenntnis der Parteien bedurft, um diesen Umstand im Rahmen einer Erörterung des Gutachtens zu vertiefen. Dem Kläger sei der Nachweis des für die Bewilligung der Wiederaufnahme erforderlichen mangelnden Verschuldens nicht gelungen.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu (siehe hierzu bereits 9 Ob 49/19z).

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Sinn und Zweck der Wiederaufnahmeklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmeklage bekämpften Urteils zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei der Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RS0039991 [T6]). Ob der Wiederaufnahmekläger die nach § 530 Abs 2 ZPO in Verbindung mit § 1297 ABGB zumutbare Sorgfalt angewendet hat, wofür er behauptungs- und beweispflichtig ist (RS0044558 [T11]), richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einer Entscheidung darüber kommt grundsätzlich keine über diesen hinausgehende Bedeutung zu (RS0111578).

2. Das Gutachten des Sachverständigen vom 7. 1. 2013 war hinsichtlich der Frage der Kausalität in mehrerer Hinsicht unklar. Hinsichtlich der Bodenverhältnisse verwies der Sachverständige nicht auf eine objektive Untersuchung, sondern dass „laut“ einem Familienmitglied der Beklagten bei der seinerzeitigen Errichtung ihres Objekts eine in Hangneigung verlaufende Schiefergesteinslage mit einer ca 2 m mächtigen Überlagerung mit Erd- und Schottermaterial vorgefunden worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Schadensursache im Bereich der geologischen Bodenverhältnisse „zu suchen“ sei, und „möglicherweise“ sei durch die Bauführung des Klägers die vorhandene Hanglage zumindest zum Teil entstabilisiert und seien dadurch die Schäden hervorgerufen worden. Mit Grund drängte daher die Beklagte im Vorverfahren auf eine diesbezügliche Präzisierung. Diese nahm der Sachverständige nur insofern vor, als er in seinem Ergänzungsgutachten sein Gutachten dahin „ergänzte bzw berichtigte“, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Bauführung des Klägers die vorhandene Hanglage zum Teil entstabilisiert und dass dadurch die Schäden am Objekt der Beklagten hervorgerufen worden seien. Was dieser „Ergänzung bzw Berichtigung“ zugrunde lag, führte der Sachverständige aber nicht aus. Weiterhin blieb auch im Dunkeln, warum er sich hinsichtlich der Bodenverhältnisse mit der Mitteilung eines Familienmitglieds der Beklagten begnügte und was er damit meinte, es wäre „davon auszugehen“, dass die Schadensursache im Bereich der geologischen Bodenverhältnisse „zu suchen“ sei.

Nach Lage des Vorverfahrens wäre es daher dem Kläger freigestanden und wäre von ihm auch aufgrund der mit dem Ergänzungsgutachten erfolgten „Korrektur“ zu erwarten gewesen, auf eine schriftliche oder mündliche Aufklärung und Erläuterung all dessen gemäß § 357 Abs 2 ZPO zu dringen und erforderlichenfalls an den Sachverständigen im Rahmen einer Tagsatzung gemäß § 289 Abs 1 Satz 1 HalbS 2 ZPO entsprechende Fragen zu stellen bzw vom Gericht stellen zu lassen (vgl Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 357 ZPO Rz 12 mwH). Der Kläger machte von all dem keinen Gebrauch. Es hält sich im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts, wenn dieses die Unterlassung des Klägers, vom Sachverständigen eine Aufklärung und Erläuterung seines Gutachtens zu verlangen, als nicht im Wege einer Wiederaufnahme sanierbar qualifiziert. Da die Beurteilung des Vorliegens eines Verstoßes gegen die prozessuale

Diligenzpflicht grundsätzlich eine Frage des jeweiligen

Einzelfalls ist (RS0109743 [T2]), ist die außerordentliche Revision nicht zulässig.

Textnummer

E127580

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00003.20M.0122.000

Im RIS seit

23.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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