Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Kodek, Mag. Wessely-Kristöfel und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** O*****, vertreten durch Robathin & Partner Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Dr. Peter Reitschmied, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen 135.000 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2019, GZ 15 R 141/19v-56, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin erwarb im Oktober 2013 von der Beklagten deren Minderheitsmiteigentumsanteil an einer Liegenschaft samt einem im Alleineigentum der Beklagten stehenden Superädifikat um den Kaufpreis von insgesamt 45.000 EUR. Beim Superädifikat handelte es sich um ein noch nicht fertiggestelltes Betriebsgebäude (im Folgenden: Halle). Nach dem Kaufvertrag verpflichtete sich die Beklagte, die Baufertigstellungsanzeige bei der Gemeinde einzureichen; weiters haftet die Beklagte der Klägerin für das Vorliegen aller verwaltungsrechtlich erforderlichen Genehmigungen bezüglich des Vertragsgegenstands (insbesondere Baubewilligung) und dafür, dass keine unerfüllten baubehördlichen Aufträge bestehen. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht informiert, dass die Halle gemäß einer Niederschrift der Baubehörde aus dem Jahr 2011 nicht dem baubehördlichen Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1999 entspricht und bewilligungspflichtige Abänderungen vorliegen.
Nach Übergabe der Halle brachte die Beklagte trotz Aufforderungen der Klägerin weder die Fertigstellungsanzeige noch eine Baubewilligung bei. Dessen ungeachtet veranlasste die Klägerin bauliche Maßnahmen an der Halle, worauf ihr die Baubehörde im Februar 2014 mit Bescheid die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagte; weiters wies die Behörde auf die konsenslos errichtete Halle hin und forderte die Klägerin auf, den Zustand laut Baubewilligung aus 1999 wiederherzustellen, widrigenfalls das Gebäude zur Gänze abzubrechen ist. Von der Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft wurde die Zustimmung zum Antrag auf eine nachträgliche Baubewilligung zur Erreichung eines konsensmäßigen Zustands verweigert, was die Klägerin ebenfalls erst nach ihrem Kauf erfuhr.
Im Jänner 2015 verkaufte die Klägerin das Superädifikat samt ihrem Liegenschaftsanteil an einen Dritten (im Folgenden: Käufer) um einen Kaufpreis von 80.000 EUR. Auch die Klägerin verpflichtete sich gegenüber ihrem Käufer zur Veranlassung der Baufertigstellungsanzeige. Nach dem inhaltlich weitgehend identen Kaufvertrag haftet auch die Klägerin gegenüber ihrem Käufer für das Vorliegen aller verwaltungsrechtlich erforderlichen Genehmigungen bezüglich des Vertragsgegenstands (insbesondere Baubewilligung, behördliche Anzeigen oder Meldungen, Benützungsbewilligung bzw Fertigstellungsanzeige), für die konsensgemäße Errichtung und dafür, dass keine unerfüllten baubehördlichen Aufträge bestehen. Die Klägerin informierte den Käufer weder über den Inhalt des Bescheids vom Februar 2014 noch über die Weigerung der Mehrheitseigentümerin zu einem Antrag auf nachträgliche Baubewilligung der errichteten Halle und auch nicht über die Nichterfüllung der von der Beklagten eingemahnten Verpflichtung zur Einreichung bzw Beibringung von Fertigstellungsanzeige und Baubewilligung.
Auch gegenüber dem Käufer, der selbst keine Bauarbeiten auf der Liegenschaft durchführte, untersagte die Baubehörde mit Bescheid vom 7. April 2015 die Fortsetzung von Bauarbeiten und ordnete die Vorlage von Einreichunterlagen an, widrigenfalls der ursprüngliche Zustand laut Bewilligung aus 1999 wiederherzustellen sei. Auch in diesem Bescheid wies die Behörde auf die konsenslos errichtete Halle hin. Die notwendige Bewilligung der errichteten Halle scheitere an der fehlenden Zustimmung der Mehrheitseigentümerin. Der Käufer fordert von der Klägerin die für die Herstellung des konsensgemäßen Zustands der Halle notwendigen Kosten (für Abbruch und Neuaufbau) oder die Vornahme der Arbeiten auf ihre Kosten. Dem kam die Klägerin bisher nicht nach.
Die Klägerin begehrt den eingeklagten Betrag als Schadenersatz wegen der ihr gegenüber vom Käufer geltend gemachten Forderung. Der Schaden sei durch die rechtswidrigen Zusagen der Beklagten entstanden, wäre jedoch nicht entstanden, wenn sie die Beklagte darüber aufgeklärt hätte, dass das Objekt nicht bewilligungsfähig sei und die Beklagte nicht imstande sei, die zugesagten Unterlagen zu beschaffen. Hätte die Klägerin gewusst, dass das Kaufobjekt nicht bewilligungsfähig sei, hätte sie den Kaufvertrag nie abgeschlossen. Geltend gemacht würden die erforderlichen Kosten zur Herstellung des ursprünglichen Zustands laut Bewilligung aus dem Jahre 1999, weil genau dies vom Käufer gefordert werde. Aufgrund der Inanspruchnahme durch den Käufer entstehe der Klägerin der gegenständliche Schaden.
Die Beklagte wandte ua ein, dass die Klägerin die Immobilie im konsenslosen Zustand, wohlwissend um die baurechtlichen Mängel weiterverkauft habe. Damit sei der Schaden nicht auf die Zusagen der Beklagten, sondern auf dazwischen getretene Umstände zurückzuführen. Eine Baubewilligung für das Gebäude, das Gegenstand des Vertrags gewesen sei, sei nicht zu erreichen, sodass die Erfüllung des Vertrags unmöglich sei. Auch eine Neuerrichtung scheitere an der verweigerten Zustimmung der Miteigentümerin. Die auf Erfüllung des Vertrags gerichteten Schadenersatzansprüche würden daher ausscheiden.
Das Erstgericht gab der Klage im Ausmaß von 105.000 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 30.000 EUR sA unbekämpft ab. Die Beklagte hafte dem Kläger nach dem Vertrag für das Vorliegen einer Baubewilligung. Da sie dafür nicht sorgte, sei der Zustand der Halle laut Baubewilligung herzustellen. Für die mit dem Abbruch und der Neuerrichtung der Halle verbundenen (abzüglich eines Abschlags ermittelten) Kosten von 105.000 EUR hafte die Beklagte. Der Weiterverkauf tangiere das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe aufgrund eines eigenständigen Entschlusses beschlossen, die Liegenschaft weiterzuverkaufen, dies ungeachtet des Bescheids der Gemeinde vom Februar 2014 und der Weigerung der Mehrheitseigentümerin, einem Antrag auf eine neue Baubewilligung zuzustimmen. Damit habe die Klägerin ihre in dieser Form zuvor nicht bestandene Verpflichtung gegenüber dem Käufer und damit den behaupteten Schaden erst herbeigeführt. Das Eingehen der Verpflichtungen gegenüber dem Käufer habe seine Ursache nicht im Verhalten der Beklagten und sei durch eine allenfalls mangelhafte Aufklärung oder Vertragserfüllung durch die Beklagte nicht geboten und weder vorhersehbar noch naheliegend gewesen. Dafür habe die Beklagte nicht einzustehen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer außerordentlichen Revision, in der sie die Abänderung der Berufungsentscheidung im klagsstattgebenden Sinn (erkennbar: betreffend die noch nicht in Rechtskraft erwachsene Abweisung von 105.000 EUR) begehrt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin dahin ausgelegt, dass diese ausschließlich einen Schadenersatzanspruch geltend mache, der allein im Bestehen einer Forderung des Käufers gegenüber der Klägerin seine Grundlage habe.
1.2 Dieser Auslegung tritt die Revision nicht ansatzweise entgegen. Damit ist auch der Prüfungsumfang des Revisionsverfahrens auf den Verfahrensgegenstand im Sinne der Interpretation des Berufungsgerichts beschränkt (vgl RS0043338 [T15]).
2.1 In ihrem Rechtsmittel macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der Weiterverkauf einer schadensbehafteten Sache die Beklagte als Vormann nicht von jeder Haftung gegenüber der Klägerin befreien könne. Mit der Neuerrichtung oder Adaptierung der Halle würde der Schaden behoben werden, für den die Beklagte auch von der Klägerin – wenn sie die Halle behalten hätte – in Anspruch genommen hätte werden können. Es spiele für die Haftung der Beklagten für die mit dem Umbau verbundenen Kosten keine Rolle, ob die Klägerin die Halle weiterverkauft oder nicht. Die Revision sei deshalb zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Weiterverkauf einer schadenbehafteten Sache eine neue erstmalige Schadenherbeiführung sei und das Berufungsgericht übersehen habe, dass es sich um den gleichen Schaden handle.
2.2 Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht. Wie unten aufzuzeigen sein wird, hängt das Ergebnis gerade nicht von der Beantwortung dieser Fragen ab. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931).
3.1 Die Beklagte wandte ua gegen die Forderung auf Ersatz der Mängelbehebungskosten ein, dass die geltend gemachten, auf Erfüllung des Vertrags gerichteten Schadenersatzansprüche zu verneinen seien. Diese Ansicht ist aus folgenden Gründen zu teilen.
3.2 Zu berücksichtigen ist hier, dass der Klagsanspruch wegen des Umstands, dass der Bauzustand der baubehördlichen Bewilligung nicht entspricht, auf einen Rechtsmangel gestützt wird (RS0110820, RS0029427). Da nach den Feststellungen aber davon auszugehen ist, dass die Mehrheitseigentümerin ihre zur Erwirkung einer ausreichenden Bewilligung erforderliche Zustimmung endgültig verweigert (RS0016423), die fehlende Bewilligung also nicht nachgetragen werden kann, ist dieser Mangel unbehebbar (1 Ob 239/16b; RS0018730). Eine Sanierung durch den (kompletten) Abbruch und Neubau der Halle im Sinne der bestehenden Baubewilligung ist nach dem Kaufvertrag nicht geschuldet und nicht geeignet, einen Mangel dadurch zu beseitigen (vgl RS0018740).
3.3 Dem vom Käufer gegenüber der Klägerin erhobenen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten kommt daher keine Berechtigung zu (6 Ob 263/08g). Nach der Rechtsprechung kommt nämlich der Ersatz des Sanierungsaufwands (Erfüllungsinteresse) nur bei behebbaren Mängeln in Betracht (6 Ob 138/98g). Bei unbehebbaren Mängeln von Speziessachen ist nur der Vertrauensschaden zu ersetzen (RS0110333; 6 Ob 531/91), der aber nicht den Gegenstand der vorliegenden Schadenersatzklage bildet. Schon daraus folgt die Notwendigkeit einer Abweisung.
Textnummer
E127578European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00244.19G.0122.000Im RIS seit
23.03.2020Zuletzt aktualisiert am
26.03.2020